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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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86 MARX<br />

Redundanz ebenso aus wie Unklarheit und thematische Irrelevanz und kann daher als<br />

vollwertige Alternative zu den genannten drei Maximen gelten.<br />

Anders verhält es sich jedoch mit der Maxime der Qualität, des Anspruchs an den<br />

Gesprächspartner, einen wahrheitsgemäßen Beitrag zu liefern, die Grice in zwei<br />

Untermaximen zerlegt: Sage nichts, das du für falsch hältst (Maxime der Wahrhaftigkeit),<br />

und sage nichts, für das du keine ausreichenden Belege hast (im Orginal Maxim of Evidence;<br />

mangels besserer Übersetzung spreche ich hier von der Maxime der fundierten Annahme).<br />

Die Übermaxime der Qualität hat für Grice eine besondere Bedeu<strong>tun</strong>g:<br />

The maxim of Quality, enjoining the provision of contributions which are genuine<br />

rather than spurious (truthful rather than mendacious), does not seem to be just one<br />

among a number of recipes for producing contributions; it seems rather to spell out the<br />

difference between something's <strong>bei</strong>ng and (strictly speaking) failing to be, any kind of<br />

contribution at all. False information is not an inferior kind of information; it just is<br />

not information (Grice 1989: 371).<br />

Wenn es sich um die Erzeugung von Implikaturen handelt, spielt die Maxime der Qualität<br />

laut Grice eine ähnliche Rolle wie die drei anderen Maximen; er hält sie jedoch durchaus für<br />

eine Art Supermaxime, da die anderen drei nur in Kraft treten können, wenn zunächst die<br />

Maxime der Qualität erfüllt wurde. 2 Falls sie nicht erfüllt <strong>wir</strong>d, kann der kommunikative<br />

Beitrag nicht als solcher gesehen werden und auch keine Information vermitteln.<br />

Diese Hypothese erscheint mir allerdings etwas übertrieben. Wir können durchaus Beispiele<br />

konstruieren, die zeigen, dass man auch durch nicht wahrheitsgemäße Aussagen einen<br />

wichtigen Beitrag zum Gespräch leisten kann. Nehmen <strong>wir</strong> an, ich möchte Ihnen, der Sie<br />

noch nie vom Arabischen Frühling gehört haben, etwas über die Situation in Ägypten<br />

mitteilen, bin aber selbst entweder schlecht informiert oder möchte Ihnen absichtlich die<br />

Unwahrheit sagen, und äußere folgenden Satz:<br />

(1) Nach dem Sturz Mubaraks 2011 wurde in Ägypten die Diktatur des Proletariats<br />

errichtet.<br />

Wenn <strong>wir</strong> diesen Satz insgesamt betrachten, müssen <strong>wir</strong> feststellen, dass er dem Adressaten<br />

sogar eine ganze Menge an Informationen liefert. Wir können uns auch vorstellen, dass dieser<br />

nur aus dem ersten Teil des Satzes Konsequenzen zieht, sodass er sein Weltbild angemessen<br />

korrigiert, ohne durch den unwahren Teil nennenswert beeinträchtigt zu werden. Zwar lehne<br />

ich eine konsequenzialistische Konzeption der Wahrheit entschieden ab, wie <strong>wir</strong> noch sehen<br />

werden, dennoch zeigt dieses Beispiel, dass auch falsche Information einen gewissen<br />

kognitiven Wert für den Adressaten haben kann. Sogar, wenn dieser nur den erlogenen Teil<br />

in seine Sicht der Welt integrieren würde, enthielte dieser immer noch wahre Informationen<br />

(z.B: es existiert – weiterhin – ein Staat namens Ägypten).<br />

Wenn es also darum geht, dass dem Adressaten Informationen geliefert werden <strong>sollen</strong>, ist die<br />

Maxime der Qualität zwar durchaus von großer Wichtigkeit; sie ist dafür aber nicht von<br />

absoluter Bedeu<strong>tun</strong>g, wie Grice uns <strong>glauben</strong> machen möchte.<br />

Natürlich ist sich Grice auch der Tatsache bewusst, dass es gewisse Arten von Aussagen gibt,<br />

denen es zwar an Wahrheitsgehalt mangelt, die <strong>wir</strong> aber trotzdem intuitiv nicht als Lügen<br />

bezeichnen würden, nämlich immer dann, wenn der Sprecher überhaupt nicht vorgibt, der<br />

Maxime der Wahrhaftigkeit zu folgen. Diesen Fall finden <strong>wir</strong> in sprachlichen Phänomenen<br />

wie dem Erzählen von fiktiven Geschichten oder Witzen, sowie in sprachlichen Stilmitteln wie<br />

der Verwendung von Metaphern oder Ironie.<br />

Laut Grice kann man den Gebrauch von Ironie durch eine Aussetzung (suspension) der<br />

Maxime der Wahrhaftigkeit erklären. Während der Aufführung eines Theaterstücks oder dem<br />

2<br />

Grice 1989: 27.

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