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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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636 LÖSCHKE<br />

Handlungen bezogen sein (etwa der Hilfe <strong>bei</strong>m Umzug, die sich Freunde stärker schulden als<br />

komplett Fremde), aber sie lassen sich nicht auf diese einzelnen Handlungen reduzieren,<br />

sondern stehen im größeren Zusammenhang, der anderen Person <strong>bei</strong> der Erlangung von<br />

Wohlergehen zu helfen. Auch wenn die These nicht überzeugt, dass jeder Freundschaftsdienst<br />

oder jede Handlung zugunsten von Familienangehörigen auf das Wohlergehen dieser<br />

Personen gerichtet ist, lässt sich konstatieren, dass in diesen Beziehungen kein Zustand<br />

erreicht werden kann, in dem sämtliche Formen von Hilfspflichten ein für alle Mal<br />

„abgear<strong>bei</strong>tet“ sind, sodass sich die Beteiligten grundsätzlich keine besonderen Dinge mehr<br />

schulden. Insbesondere <strong>bei</strong> persönlichen Nahbeziehungen liegt es also nahe, die speziellen<br />

Pflichten, die sich innerhalb dieser Kontexte ergeben, als konstante Hilfspflichten zu<br />

bestimmen. Allerdings gibt es auch Formen von speziellen Pflichten, die nicht im<br />

angesprochenen Sinne als konstante Hilfspflichten zu bezeichnen sind. So lassen sich<br />

<strong>bei</strong>spielsweise Solidaritätspflichten als Formen von speziellen Pflichten bezeichnen: Sie sind<br />

auf Solidaritätsgruppen bezogen, gelten also nur gegenüber einem bestimmten Personenkreis<br />

und sind darauf ausgerichtet, bestimmte Missstände, die Gruppenmitglieder betreffen, zu<br />

beseitigen – die schon angesprochene Solidaritätspflicht, sexistische Zustände zu beheben,<br />

sei an dieser Stelle noch einmal als Beispiel angeführt. Diese Form von speziellen (weil<br />

gruppenbezogenen) Hilfspflichten ist allerdings keineswegs als Instanziierung konstanter<br />

Hilfspflichten zu bestimmen. Sie sind darauf gerichtet, den entsprechenden negativ<br />

bewerteten Weltzustand zu beheben. Ist dieses Ziel erreicht, haben die Gruppenmitglieder<br />

keine weitergehenden speziellen Pflichten mehr gegeneinander, und insofern handelt es sich<br />

<strong>bei</strong> der Beseitigung des Weltzustandes, der Solidaritätspflichten generiert, um ein<br />

moralisches Projekt und <strong>bei</strong> den entsprechenden Solidaritätspflichten um projektbezogene<br />

Hilfspflichten.<br />

Beachtet man, dass spezielle Pflichten unterschiedlichen Klassen angehören können, ergibt<br />

sich, dass man einem Begründungsmonismus mit Bezug auf spezielle Pflichten skeptisch<br />

gegenüber stehen sollte. Die Begründungsstrategie, die für spezielle Pflichten der dritten<br />

Klasse angemessen ist, muss nicht unbedingt diejenige sein, die für spezielle Pflichten der<br />

zweiten Klasse, also projektbezogene Hilfspflichten, einschlägig ist. Sie mag erfolgreich sein,<br />

aber dies erfordert eine substanzielle Argumentation und darf nicht einfach durch<br />

isomorphistische Analogieschlüsse unterstellt werden.<br />

Jörg Löschke<br />

Universität Bern<br />

joerg.loeschke@philo.unibe.ch<br />

Literatur<br />

Anscombe, G.E.M.: Absicht, Berlin: Suhrkamp.<br />

Baron, M. 2008: „Virtue Ethics, Kantian Ethics, and the ,One Thought Too Many‘ Objection“,<br />

in M. Betzler (Hrg.): Kant’s Ethics of Virtue, Berlin: Walter de Gruyter, 245–277.<br />

Feltham, B. und J. Cottingham (Hrg.) 2010: Partiality and Impartiality. Morality, Special<br />

Relationships and the Wider World, Oxford: Oxford University Press.<br />

Graham, G. und H. LaFollette (Hrg.) 1989: Person to Person, Philadelphia: Temple<br />

University Press.<br />

Hobbes, T. 1984: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen<br />

Staates, Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Igneski, V. 2001: „Distance, Determinacy and the Duty to Aid: A Reply to Kamm“, Law and<br />

Philosophy 20, 605–621.

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