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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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DREI ARTEN VON HILFSPFLICHTEN 635<br />

Neben der Debatte um Hilfspflichten mit Blick auf das Welthungerproblem stellt der Bereich<br />

der speziellen Pflichten somit den zweiten Bereich dar, für den die hier entwickelte<br />

Differenzierung und die mit ihr einhergehenden Erwägungen hilfreich sein können. Das<br />

Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit ist in der Lage zu erklären, warum bestimmte<br />

Hilfspflichten ihren deontischen Status verändern können, je nachdem, ob sie im Kontext<br />

persönlicher Beziehungen auftreten oder nicht. Es lassen sich allerdings auch weitere<br />

allgemeine begründungstheoretische Einsichten mit Blick auf spezielle Pflichten aus der hier<br />

entwickelten Differenzierung gewinnen.<br />

Um dies darzustellen, sei eine kurze Bemerkung über die generelle Begründungslast von<br />

speziellen Pflichten vorangestellt. Allgemein gesprochen handelt es sich <strong>bei</strong> speziellen<br />

Pflichten um Pflichten, die ein Akteur gegenüber einem eingeschränkten Kreis von Personen<br />

hat. Legt man eine Unterscheidung zwischen positiven und negativen Pflichten an und<br />

bestimmt die positiven Pflichten als Hilfspflichten, dann ist klar, dass spezielle Pflichten als<br />

Hilfspflichten zu bestimmen sind: Negative Pflichten – <strong>bei</strong>spielsweise die Pflicht, die<br />

körperliche Unversehrtheit anderer Personen zu respektieren – haben keinen<br />

eingeschränkten Kreis von Bezugspersonen. Vielmehr hat eine Person die Pflicht, die<br />

körperliche Unversehrtheit aller Personen zu respektieren. Positive Pflichten können dagegen<br />

nur gegenüber einem eingeschränkten Personenkreis existieren. Um die Existenz positiver<br />

Pflichten mit eingeschränktem Personenkreis zu begründen, muss man allerdings<br />

argumentativen Aufwand betreiben, denn prima facie scheint es der Charakterisierung des<br />

moralischen Standpunktes als dem Standpunkt der Unparteilichkeit zu widersprechen, wenn<br />

es Pflichten gibt, die man gegenüber einigen, nicht aber gegenüber allen Personen hat. 13<br />

Bezogen auf die Begründung von speziellen Pflichten möchte ich nun auf zwei Punkte<br />

hinweisen, die sich aus meinen Überlegungen ergeben.<br />

Der erste Punkt besteht in der Zurückweisung der These, dass es <strong>bei</strong> speziellen Pflichten gar<br />

keine besondere Begründungslast gibt. Hier gibt es in der Literatur folgendes Argument:<br />

Wenn Eltern sich um ihre Kinder sorgen, ist dies ein Fall von wohltätigem Verhalten. Folgt<br />

man Kant, gibt es <strong>bei</strong> der Einlösung von Wohltätigkeitspflichten den schon angesprochen<br />

Spielraum an Realisierungsmöglichkeiten, und insofern ist es auch aus unparteilicher<br />

Perspektive unproblematisch, wenn die Einlösung der Wohltätigkeitspflicht an den eigenen<br />

Kindern vorgenommen <strong>wir</strong>d. 14 An diesem Argument ist allerdings unplausibel, dass hiermit<br />

allenfalls die Erlaubnis nachgewiesen werden kann, sich um die eigenen Kinder zu sorgen,<br />

nicht aber eine spezielle Pflicht begründet werden kann. Akzeptiert man hingegen die These,<br />

dass Nahbeziehungen den deontischen Status von Hilfehandlungen – insbesondere von<br />

solchen, die sich auf die Förderung von Wohlergehen beziehen – von supererogatorisch hin<br />

zu geboten verändern können, ist es unplausibel, spezielle Pflichten auf die skizzierte Weise<br />

mit einem Unparteilichkeitsansatz zu versöhnen.<br />

Der zweite wichtige Punkt besteht darin, dass sich auch in der Debatte um spezielle Pflichten<br />

eine isomorphistische Tendenz zeigt, nach der es keine relevanten Unterschiede zwischen den<br />

einzelnen Arten von speziellen Pflichten gibt und alle Formen von speziellen Pflichten auf<br />

gleiche Weise untersucht, begründet oder gerechtfertigt werden können. Wenn die von mir<br />

vorgeschlagene Charakterisierung von verschiedenen Arten von Hilfspflichten zutreffend ist,<br />

scheint mir dies allerdings ein starkes Argument darzustellen, diesbezüglich vorsichtig zu<br />

sein: Nicht alle Formen von speziellen Pflichten sind eindeutig einer (bzw. der dritten) Klasse<br />

der von mir vorgeschlagenen Unterscheidung zuzuordnen.<br />

Spezielle Pflichten gegenüber Freunden oder Familienangehörigen fallen für gewöhnlich in<br />

die Kategorie der konstanten Hilfspflichten. Sie mögen zwar auf einzelne, klar bestimmbare<br />

13<br />

Dies ist natürlich nur eine erste Charakterisierung des Problems spezieller Pflichten. Für einen ersten<br />

Überblick der Debatte vgl. Graham und LaFollette 1989 sowie Feltham und Cottingham 2010.<br />

14<br />

So argumentiert etwa Baron 2008.

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