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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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634 LÖSCHKE<br />

Blick auf die Frage nach dem deontischen Status von Pflichten mit Blick auf das<br />

Welthungerproblem und der Frage nach der Plausibilität von Singers Analogiethese. Dies<br />

<strong>wir</strong>d im abschließenden Abschnitt gezeigt, wenn auch nur tentativ.<br />

7. Anwendungsmöglichkeiten<br />

Die bisherigen Überlegungen bezüglich der Arten von Hilfspflichten und ihrem jeweiligen<br />

deontischen Status, insbesondere der supererogatorische Status von konstanten<br />

Hilfspflichten, betreffen in erster Linie Fälle, in denen die beteiligten Personen in keinem<br />

besonderen Verhältnis zueinander stehen. Insbesondere die Beurteilung konstanter<br />

Hilfspflichten ändert sich, wenn die beteiligten Personen eine persönliche Nahbeziehung<br />

unterhalten. Persönliche Nahbeziehungen können den normativen Charakter von positiven<br />

Pflichten verändern: In ihrem Kontext können ansonsten supererogatorische Handlungen<br />

ihren supererogatorischen Charakter verlieren und zu geschuldeten Handlungen werden. Die<br />

Pflicht von Eltern, sich um ihre eigenen Kinder zu kümmern und ihnen <strong>bei</strong>m Erreichen von<br />

Wohlergehen zu helfen, ist hier ein paradigmatisches Beispiel. Unternehmen Eltern große<br />

Anstrengungen, um fremden Kindern bzw. anderen Kindern als den eigenen <strong>bei</strong>m Erreichen<br />

von Wohlergehen zu helfen, ist dies eine supererogatorische Handlung. Helfen sie dagegen<br />

ihren eigenen Kindern <strong>bei</strong>m Erreichen von Wohlergehen, erfüllen sie die spezielle Pflicht, die<br />

sie als Eltern diesen speziellen Personen gegenüber haben. 12<br />

Dieser Wechsel des deontischen Status von supererogatorisch zu obligatorisch lässt sich<br />

meines Erachtens ebenfalls mit dem oben angesprochenen Prinzip des „Sollen impliziert<br />

Können“ erklären. Für Personen, die miteinander in persönlichen Nahbeziehungen stehen,<br />

stellt sich das Unbestimmtheitsproblem nicht in dem Maße, wie es Personen betrifft, die<br />

einander fremd sind. So kennen Eltern die besonderen Bedürfnisse ihrer Kinder besser als die<br />

besonderen Bedürfnisse von fremden Personen, und diese subjektrelativen<br />

Erfolgsbedingungen waren es ja, die zu dem besonderen Unbestimmtheitsstatus von<br />

konstanten Hilfspflichten geführt haben. Wenn es so ist, dass die reale Möglichkeit, eine<br />

Hilfspflicht zu erfüllen, Einfluss auf den Grad der Verbindlichkeit hat, dann scheint es nicht<br />

unplausibel zu sein, dass in persönlichen Nahverhältnissen, in denen die Mitglieder<br />

konstante Hilfspflichten besser erfüllen können, auch eine höhere normative Verbindlichkeit<br />

herrscht, die entsprechenden Handlungen auszuführen. Das Kriterium der prinzipiellen<br />

Erfüllbarkeit kann also erklären, warum Beziehungen deontische Statusveränderer sein<br />

können.<br />

Dies soll nicht heissen, dass die bessere Möglichkeit, die entsprechende Hilfe zu leisten, die<br />

einzige Begründung dafür ist, dass in Nahbeziehungen Handlungen einen verpflichtenden<br />

Charakter annehmen, die ansonsten einen eher supererogatorischen Charakter haben. Ich<br />

möchte also nicht behaupten, dass spezielle Pflichten, <strong>bei</strong>spielsweise parentale Pflichten, nur<br />

mit Blick auf funktionale Erwägungen zu begründen sind. Auch an dieser Stelle scheint es mir<br />

sinnvoll, die Sachlage mit Blick auf vorliegende moralische Gründe zu beschreiben.<br />

Funktionale Erwägungen können somit einen relevanten Grund darstellen, der <strong>bei</strong> der<br />

Begründung von speziellen Pflichten relevant sein kann, aber hieraus folgt noch nicht, dass<br />

solche funktionalen Erwägungen der einzige relevante Grund sind, der <strong>bei</strong> der Begründung<br />

spezieller Pflichten eine Rolle spielt.<br />

12<br />

Natürlich ist es möglich, dass die Eltern sich selbst in einer Weise aufopfern, um ihren Kindern <strong>bei</strong>m<br />

Erreichen von Wohlergehen zu helfen, die über das gebotene Maß hinausgeht. In einem solchen Fall<br />

könne man immer noch von supererogatorischem Verhalten mit Blick auf die eigenen Kinder sprechen.<br />

Dies spricht meines Erachtens allerdings nicht gegen die These, dass sich in persönlichen Beziehungen<br />

der deontische Status einzelner Handlungen von „supererogatorisch“ hin zu „geboten“ verändern kann.

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