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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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630 LÖSCHKE<br />

weniger komplex sein, und gleiches gilt für konstante Hilfspflichten. Wenn eine Person zum<br />

Glücklichsein nicht mehr braucht als den freundlichen Zuspruch einer beliebigen anderen<br />

Person, allerdings immer nur für einen sehr kurzen Zeitpunkt glücklich ist, gibt es einen<br />

Zustand, der eine entsprechende Hilfspflicht generiert, wo<strong>bei</strong> diese ihrerseits prinzipiell nicht<br />

erfüllbar ist – die Person braucht immer wieder neuen Zuspruch. Die Hilfspflicht ist aber<br />

nicht sonderlich komplex – alles, was nötig ist, um sie zu erfüllen, ist ein freundliches Wort.<br />

Es dürfte oft der Fall sein, dass konstante Hilfspflichten gleichzeitig auch komplex sind, aber<br />

dies ist nicht notwendigerweise der Fall, und insofern ist die Komplexität nicht das<br />

entscheidende Differenzierungskriterium.<br />

Es ist auch nicht die Aussicht auf Erfolg, die das entscheidende Differenzierungskriterium<br />

darstellt. 9 Ob eine Hilfspflicht Aussicht auf Erfolg hat oder nicht, ist eine inhaltliche Frage.<br />

Das Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit nimmt allerdings nicht direkten Bezug auf den<br />

Inhalt der jeweiligen Hilfspflichten. Vielmehr geht es darum, ob eine konkrete Hilfspflicht als<br />

Instanziierung einer Klasse darstellt, die durch eine allgemeine bzw. prinzipielle<br />

Unterscheidung bestimmt <strong>wir</strong>d. Auch hier gilt, dass es innerhalb der einzelnen Klassen von<br />

Hilfspflichten Abstufungen geben kann, was die Aussicht auf Erfolg angeht. So kann eine<br />

situative Hilfspflicht eine sehr geringe Aussicht auf Erfolg haben, eine projektbezogene<br />

Hilfspflicht dagegen eine an Sicherheit grenzende Aussicht auf Erfolg. Die Aussicht auf Erfolg<br />

ist demzufolge nicht gleichzusetzen mit dem Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit.<br />

Betrachtet man nun diese drei Arten von Hilfspflichten, die sich aus dem Kriterium der<br />

prinzipiellen Erfüllbarkeit ergeben, lässt sich feststellen, dass die von O’Neill konstatierte<br />

Unbestimmtheit nicht auf alle Arten gleichermaßen zutrifft. Vielmehr nimmt die<br />

Unbestimmtheit mit der hier vorgestellten Reihenfolge der Klassen von Hilfspflichten ab.<br />

Situative Hilfspflichten sind in doppelter Weise wohlbestimmt, sowohl was den Träger, als<br />

auch was den Inhalt der Pflicht betrifft. Projektbezogene Hilfspflichten weisen ein geringeres<br />

Maß an Wohlbestimmtheit auf: Da projektbezogene Hilfspflichten typischerweise nach<br />

Arrangements von moralischer Ar<strong>bei</strong>tsteilung verlangen, ist der Inhalt der Pflicht für einzelne<br />

Personen nicht in dem Maße kontextfrei bestimmbar, wie es <strong>bei</strong> situativen Hilfspflichten der<br />

Fall ist. Der genaue Inhalt der Pflicht, die sich an eine einzelne Person richtet, ist abhängig<br />

vom Arrangement der moralischen Ar<strong>bei</strong>tsteilung und insofern unterbestimmt, und gleiches<br />

gilt für die Träger der Pflicht. Je nach Arrangement ist es denkbar, dass die eigentliche<br />

Hilfspflicht auf einige wenige Akteure „ausgelagert“ <strong>wir</strong>d und die übrigen Akteure nur die<br />

Pflicht haben, entsprechende Kompensationsleis<strong>tun</strong>gen zu treffen. 10 Der höhere Grad an<br />

Unbestimmtheit, der projektbezogenen Hilfspflichten zukommt, liegt auch dann vor, wenn<br />

die situative Hilfspflicht ebenfalls moralische Ar<strong>bei</strong>tsteilungsarrangements zu ihrer Erfüllung<br />

erfordert. Situative Hilfspflichten mögen nicht in allen Fällen durch und durch wohlbestimmt<br />

sein, aber dies ändert nichts daran, dass sie grundsätzlich bestimmter sind als<br />

projektbezogene Hilfspflichten; dies liegt schon an der zeitlichen Dauer, die projektbezogene<br />

Hilfspflichten für die Erfüllung benötigen und die daher ein stärkeres Maß an Koordinierung<br />

erfordert. Konstante Hilfspflichten wiederum weisen ein hohes Maß an Unbestimmtheit auf.<br />

Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Förderung von fremden Wohlergehen: Da das<br />

Wohlergehen einzelner Personen immer auch eine subjektrelative Komponente hat, sind<br />

auch die Erfüllungsbedingungen der entsprechenden Hilfspflichten an die Subjektivität der<br />

einzelnen Personen gebunden und in diesem Sinne unterbestimmt.<br />

Mit dem Grad an Unbestimmtheit nimmt auch die normative Verbindlichkeit ab. Situative<br />

Hilfspflichten haben einen hohen Verbindlichkeitsgrad, während dieser <strong>bei</strong> projektbezogenen<br />

Hilfspflichten als geringer eingestuft werden muss. Die Erfüllung von projektbezogenen<br />

Hilfspflichten ist keineswegs optional, schon alleine aus dem Grund, dass die Personen<br />

9<br />

Zu diesem Kriterium vgl. Mieth 2012: 219ff.<br />

10<br />

Vgl. hierzu auch Schlothfeldt 2009.

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