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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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DREI ARTEN VON HILFSPFLICHTEN 629<br />

ohne die das menschliche Leben „einsam, armselig, widerwärtig, tierisch und kurz“ (Hobbes<br />

1984: 96) wäre. Es lässt sich nicht sinnvoll denken, dass der Weltzustand, in dem Menschen<br />

zum Erreichen von Wohlergehen auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sind,<br />

umgewandelt <strong>wir</strong>d in einen Weltzustand, in dem Menschen nicht mehr die Hilfe anderer<br />

Personen benötigen, um ihr eigenes Wohlergehen zu erreichen – selbst wenn ein solcher<br />

Weltzustand realisiert werden könnte, wäre er wohl kaum erstrebenswert. Da kein<br />

Weltzustand realisiert werden kann, in dem es keinen Anlass zu der Hilfspflicht mehr gibt,<br />

anderen Menschen <strong>bei</strong> der Förderung ihres Wohlergehens zu helfen, handelt es sich <strong>bei</strong><br />

dieser Pflicht um eine konstante Hilfspflicht – sie ist konstant in dem Sinne, dass sie<br />

prinzipiell nicht ein für alle Mal erfüllt werden kann.<br />

Das maßgebliche Differenzierungskriterium zwischen diesen drei Arten von Hilfspflichten ist,<br />

wie schon angemerkt, das Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit. Während situative und<br />

projektbezogene Hilfspflichten prinzipiell erfüllbar sind, sind konstante Hilfspflichten<br />

prinzipiell nicht erfüllbar. Gleichzeitig ist die prinzipielle Erfüllbarkeit <strong>bei</strong> situativen<br />

Hilfspflichten in einem höheren Grad gegeben als <strong>bei</strong> projektbezogenen Hilfspflichten. Dies<br />

liegt daran, dass die zeitliche Ausdehnung, die den moralischen Projekten zu eigen ist, dazu<br />

führt, dass der Erfolg <strong>bei</strong> der Einlösung der Hilfspflicht von mehr Faktoren abhängig ist als es<br />

<strong>bei</strong> situativen Hilfspflichten der Fall ist. Mehr Akteure müssen ihre Handlungen<br />

koordinieren, die Ar<strong>bei</strong>tsteilungsarrangements werden komplexer, und der Handlungserfolg<br />

einzelner Akteure ist in diesem Sinne in weitaus stärkerem Maße von den Handlungen<br />

anderer Personen abhängig, als es <strong>bei</strong> situativen Hilfspflichten der Fall ist. 8 Während<br />

konstante Hilfspflichten prinzipiell nicht erfüllbar sind, sind situative Hilfspflichten<br />

prinzipiell leichter zu erfüllen als projektbezogene Hilfspflichten.<br />

Im folgenden Abschnitt werde ich das Differenzierungskriterium der prinzipiellen<br />

Einlösbarkeit ein wenig genauer erläutern. Hierzu werde ich zunächst darstellen, inwiefern es<br />

sich von anderen Differenzierungskriterien unterscheidet, um anschließend auf einige<br />

Konsequenzen der dargestellten Unterscheidung zu sprechen zu kommen.<br />

5. Das Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit<br />

Um das Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit genauer darzustellen, ist es zunächst nötig,<br />

es von anderen Differenzierungskriterien mit Blick auf positive Pflichten abzugrenzen. Es ist<br />

hoffentlich deutlich geworden, dass es sich <strong>bei</strong> der Frage nach der prinzipiellen Erfüllbarkeit<br />

um ein strukturelles Merkmal der entsprechenden Hilfspflicht handelt und nicht um ein<br />

inhaltliches Merkmal. Es geht also nicht um die Güter, die auf dem Spiel stehen. Dies sollte<br />

nicht verwundern, denn es war ja gerade die Pointe der hier getroffenen Unterscheidung,<br />

dass es einen relevanten Unterschied der Fälle des ertrinkenden Kindes und des<br />

Weltarmutsproblems gibt, auch wenn in <strong>bei</strong>den Fällen mit dem Leben der betroffenen<br />

Personen dasselbe Gut geschützt werden soll.<br />

Man könnte nun annehmen, dass es eigentlich um den Grad der Komplexität der jeweiligen<br />

Hilfspflicht geht. Dies ist allerdings nicht das entscheidende Kriterium. Innerhalb der<br />

einzelnen Klassen von Hilfspflichten können komplexe und weniger komplexe<br />

Instanziierungen auftreten – so ist etwa die erwähnte Hilfe <strong>bei</strong>m Autounfall komplexer als die<br />

Hilfe, die das ertrinkende Kind braucht. Moralische Projekte können ebenfalls mehr oder<br />

8<br />

Gleiches gilt für den Fall, dass es sich um ein moralisches Projekt handelt, das eine Person alleine<br />

erfüllen möchte und das daher keine Ar<strong>bei</strong>tsteilung zwischen verschiedenen Personen verlangt. Auch in<br />

einem solchen Fall ist der Handlungserfolg abhängig von mehr Faktoren als <strong>bei</strong> situativen<br />

Hilfspflichten, die sich nur an eine Person richten: Damit das Projekt Erfolg hat, müssen die einzelnen<br />

Schritte, die zu dem Ziel führen, Erfolg haben, und hier besteht eher die Gefahr des Scheiterns, als wenn<br />

es sich nur um eine einzelne Handlung handelt.

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