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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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626 LÖSCHKE<br />

vorgebracht wurde, und zwar das Kriterium der prinzipiellen Erfüllbarkeit der in Frage<br />

stehenden Hilfspflichten. Ich schließe mit einem Vorschlag bezüglich einer Dreiteilung von<br />

Hilfspflichtarten und zeige auf, inwiefern diese Differenzierung argumentative Vorteile mit<br />

sich bringen kann. 4<br />

Zunächst ist es möglich darauf hinzuweisen, dass die <strong>bei</strong>den Fälle sich durch den Aspekt der<br />

Nähe unterscheiden: Der potenzielle Helfer im Teich<strong>bei</strong>spiel ist dem Kind geographisch<br />

näher, als es im Fall von potenziellen Helfern mit Blick auf das Weltarmutsproblem der Fall<br />

ist. 5 Es ist allerdings fraglich, ob physische Nähe <strong>wir</strong>klich als moralisch relevanter Aspekt<br />

aufzufassen ist – dies ist alles andere als intuitiv einleuchtend (und es wurde ja auch von<br />

Singer bestritten, weswegen die bloße Postulierung von physischer Distanz als normativ<br />

relevant eine petitio principii dazustellen scheint). Zu zeigen wäre, dass physische Nähe<br />

selbst moralisch relevant ist und nicht etwa bestimmte Aspekte, die sich aus der physischen<br />

Nähe ergeben. Dies scheint ein schwieriges Unterfangen zu sein, denn es ist nicht klar,<br />

inwiefern physische Nähe strukturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von<br />

Hilfspflichten hervorbringen können soll. Physische Nähe ist ein kontingenter Faktor, der<br />

sich durch technische Möglichkeiten zudem verringern kann 6 .<br />

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, auf einen unterschiedlichen Grad an Bestimmtheit<br />

hinzuweisen, der in den jeweiligen Fällen auftritt. 7 Während es im Fall des ertrinkenden<br />

Kindes wohlbestimmt ist, wer welche Handlung ausführen muss (der Passant muss in den<br />

Teich waten und das Kind herausziehen), gibt es im Fall der Weltarmut Unbestimmtheiten<br />

verschiedener Art: Erstens ist nicht ganz klar, wer in erster Linie zuständig sein soll, um das<br />

Problem zu lösen (Staaten? Individuen? Individuen ab einem bestimmten Einkommen?),<br />

zweitens ist auch nicht klar, wer von den möglichen Pflichtenträgern welche genauen<br />

Handlungen ausführen soll.<br />

Eine solche Differenzierung spricht zunächst einmal gegen einen Isomorphismus im Sinne<br />

Kants oder O’Neills, sofern diese das Unbestimmtheitsproblem auf alle Arten von positiven<br />

Pflichten beziehen. Offenbar können Hilfspflichten mehr oder weniger bestimmt bzw.<br />

unbestimmt sein. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieses Kriterium für sich genommen<br />

in der Lage ist, strukturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Hilfspflichten zu<br />

begründen. Die Unbestimmtheit, von der hier die Rede ist, ist in erster Linie ein<br />

epistemisches Problem, das aber prinzipiell lösbar zu sein scheint, und als solches ist es<br />

kontingent. Als Vertreter einer isomorphistischen Position könnte man darauf hinweisen,<br />

dass das Unbestimmtheitsproblem durch Ar<strong>bei</strong>tsteilungsarrangements gelöst werden kann<br />

und dass es eine entsprechende moralische Pflicht für alle auch nur potenziellen Helfenden<br />

darstellt, solche Arrangements zu treffen. Strukturelle Unterschiede zwischen dem<br />

Teich<strong>bei</strong>spiel und dem Weltarmutsproblem wären dann nicht mehr aufzeigbar.<br />

Man könnte an dieser Stelle einwenden, dass es die Zumutbarkeit ist, die die <strong>bei</strong>den<br />

angesprochenen Fälle unterscheidet. Im Teich<strong>bei</strong>spiel ist die Hilfe, die der Passant leisten<br />

muss, zumutbar; der Hilfe im Fall des Weltarmutsproblems denselben deontischen Status<br />

zuzusprechen, könnte die potenziellen Helfenden dagegen überfordern – sie müssten zu viele<br />

ihrer (zeitlichen, emotionalen und materiellen) Ressourcen einsetzen, um ihre moralischen<br />

Pflichten erfüllen zu können. Dieser Einwand mag zunächst plausibel klingen, allerdings<br />

scheint er mir nicht geeignet, Singers isomorphistische Position zurückzuweisen. Singers<br />

4<br />

Zu den möglichen Differenzierungskriterien mit Blick auf diese <strong>bei</strong>den Arten von Hilfspflichten, die im<br />

Folgenden angesprochen werden, vgl. die sehr erhellende Darstellung in Mieth 2012.<br />

5<br />

Vgl. zu diesem Aspekt Kamm 1999. Vgl. auch die Diskussion in Stepanians 2006.<br />

6<br />

Man denke an das beliebte Gedankenexperiment der Teleskoparme: Wenn eine Person über solch<br />

lange Arme verfügen würde, dass sie ein ertrinkendes Kind aus einem Teich retten könnte, das in einem<br />

anderen Kontinent zu ertrinken droht, hätte die Person eine entsprechend starke Hilfspflicht, trotz der<br />

geographischen Distanz.<br />

7<br />

Vgl. Igneski 2001 sowie die Diskussion in Mieth 2012.

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