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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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DREI ARTEN VON HILFSPFLICHTEN 625<br />

aufmerksam, welches ihrer Meinung nach mit Blick auf Hilfspflichten – insbesondere im<br />

Kontext der Frage nach den Verpflich<strong>tun</strong>gen bezüglich des Welthungerproblems – besteht:<br />

Ihr zufolge stellt sich mit Blick auf positive Pflichten das Unbestimmtheitsproblem. O’Neill<br />

diskutiert in ihrem Aufsatz The dark side of human rights „rights to goods and services“<br />

(O’Neill 2005: 427) und konstatiert, dass es keine fest bestimmbaren Verantwor<strong>tun</strong>gsträger<br />

gibt, um Güter und Leis<strong>tun</strong>gen bereitzustellen, die Gegenstand von positiven Pflichten sein<br />

können. Dies ist ihrer Meinung nach ein Problem für die Menschenrechtsdebatte, denn es<br />

macht den deontischen Status von positiven Pflichten gewissermaßen obskur.<br />

O’Neills Argument erinnert an Kants Charakterisierung von positiven Pflichten. Auch für<br />

Kant sind positive Pflichten dadurch gekennzeichnet, dass sie unbestimmt sind. Die<br />

Unbestimmtheit, die Kant positiven Pflichten zuspricht, ist allerdings eine andere als die<br />

Unbestimmtheit, wie sie sich im Verständnis von O’Neill zeigt. Kant charakterisiert positive<br />

Pflichten – etwa die Pflicht zur Wohltätigkeit – als unvollkommene Pflichten, weil es <strong>bei</strong><br />

ihnen eine latitudo an Realisierungsmöglichkeiten gibt. So ist es <strong>bei</strong>spielsweise möglich, die<br />

Pflicht zur Wohltätigkeit auf verschiedene Weisen zu erfüllen: Man kann gegenüber<br />

verschiedenen Personen wohltätig sein, und es mag bis zu einem gewissen Grad unbestimmt<br />

sein, was eine wohltätige Handlung inhaltlich auszeichnet. Wohltätigkeit ist eine Pflicht ohne<br />

korrelierende Rechte: Grundsätzlich kann Person A keinen Anspruch erheben, dass Person B<br />

ihre Pflicht zur Wohltätigkeit durch wohltätige Handlungen ausgerechnet gegenüber A erfüllt.<br />

Hier <strong>wir</strong>d deutlich, inwiefern es zwei Unbestimmtheitsverhältnisse mit Blick auf positive<br />

Pflichten gibt, die spiegelbildlich zu verstehen sind. Während O’Neill konstatiert, dass es<br />

womöglich klar bestimmbare Anspruchsträger gibt, nicht aber klar bestimmbare<br />

Verantwor<strong>tun</strong>gsträger, ist das Unbestimmtheitsverhältnis <strong>bei</strong> Kants Behandlung von<br />

positiven Pflichten anders gelagert: Nach ihm gibt es klar bestimmbare Verantwor<strong>tun</strong>gsträger<br />

(nämlich jede einzelne Person), aber nicht unbedingt klar bestimmbare Anspruchsträger.<br />

Anders als Singer geht es O’Neill nicht darum, den deontischen Status von Hilfspflichten mit<br />

Blick auf das Weltarmutsproblem aufzuwerten. Vielmehr möchte sie auf ein grundsätzliches<br />

Problem mit Blick auf positive Pflichten hinweisen. Da<strong>bei</strong> zeigt sich allerdings eine<br />

argumentative Tendenz, die der von Singer durchaus ähnelt. Sie spricht von „rights to goods<br />

and services“, wenn sie das Unbestimmtheitsproblem herausar<strong>bei</strong>tet, und mit „services“ sind<br />

Hilfeleis<strong>tun</strong>gen gemeint. Da O’Neill hier nicht begrifflich differenziert, liegt die Vermu<strong>tun</strong>g<br />

nahe, dass auch sie alle Formen von „services“ zumindest in formaler Hinsicht als gleichartig<br />

auffasst. Auch in ihrem Fall <strong>wir</strong>d also nicht zwischen verschiedenen, strukturell<br />

unterschiedlichen Formen von Hilfspflichten differenziert.<br />

3. Nonisomorphistische Ansätze<br />

Isomorphistische Ansätze sind in der Diskussion um den normativen Status von<br />

Hilfspflichten in die Defensive geraten. Insbesondere Singers Ansatz ist verschiedenen<br />

Kritikpunkten ausgesetzt. Während einzelne Autoren Singer darin folgen, dass es keinen<br />

normativ relevanten Unterschied zwischen dem Teich<strong>bei</strong>spiel und Problemen angesichts des<br />

Weltarmutsproblems gibt 2 , haben viele Autoren darauf hingewiesen, dass es strukturelle<br />

Unterschiede zwischen den <strong>bei</strong>den Fällen gibt, die normativ relevant sind. 3 Im Folgenden<br />

werde ich in einem ersten Schritt verschiedene Argumente nennen, die gegen einen<br />

Analogieschluss von dem Teich<strong>bei</strong>spiel auf das Weltarmutsproblem vorgebracht werden, und<br />

diese Argumente gegen die Möglichkeit eines solchen Analogieschlusses sind gleichzeitig als<br />

Argumente für einen nonisomorphistischen Ansatz anzusehen. In einem zweiten Schritt<br />

werde ich ein Differenzierungskriterium vorschlagen, das bislang in der Debatte noch nicht<br />

2<br />

Besonders prominent ist hier<strong>bei</strong> Unger 1996.<br />

3<br />

Vgl. Mieth 2012, insbesondere die Literaturhinweise auf S. 165.

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