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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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616 KÜHLER<br />

ebenfalls rein mentalen Akt des Versuchens zu versuchen, dann ist mein derart eng<br />

verstandenes Handeln – der Versuch als Versuch – stets erfolgreich. 11<br />

Dies wiederum hat mit Blick auf Sollensansprüche die absurde Konsequenz, dass deren<br />

Nichterfüllung nicht mehr vorstellbar ist. Denn wenn sich Sollensansprüche inhaltlich<br />

nurmehr auf Handlungsversuche beziehen und diese wiederum lediglich in mentalen Akten<br />

bestehen, kann sie jeder Adressat problemlos erfüllen – zumal dies aufgrund der<br />

privilegierten Zugangsweise des Akteurs zu den eigenen rein mentalen Handlungen ohnehin<br />

von niemand anderem überprüft werden kann. Eine gesellschaftliche normative Praxis wäre<br />

vollkommen witzlos. Der volitionale Ansatz führt in dieser Strenge folglich zu kaum<br />

akzeptablen, wenn nicht gar absurden Konsequenzen.<br />

4.2 Der volitionale Ansatz: Handlungsversuche und Erfolgsbezug<br />

Für die Argumentation zugunsten einer Einschränkung von Sollensansprüchen auf<br />

Handlungsversuche ist aber noch eine weitere Schwierigkeit des volitionalen Ansatzes<br />

entscheidend. Denn die Annahme einer eigenständigen Handlung des Versuchens führt nicht<br />

nur in einen Regress, sondern auch zu dem handlungstheoretischen Problem, diese Handlung<br />

überhaupt angemessen zu explizieren. 12 Worin genau sollte sie bestehen? Es müsste sich um<br />

einen volitionalen Akt, d.h. um ein Wollen, handeln, das keinen weiteren intentionalen,<br />

propositionalen Gehalt hat, d.h. um ein in dem Sinne „reines“ Wollen, als es bewusst ohne<br />

Bezug darauf, was gewollt <strong>wir</strong>d, konzipiert wäre. Ein so verstandenes „reines“ Wollen ohne<br />

intentionale Gerichtetheit aber ist nicht sinnvoll vorstellbar. Wir wollen immer etwas.<br />

Versteht man Wollen im Kern als optativische Einstellung, so enthält es stets einen<br />

intentionalen, propositionalen Gehalt, d.h. dass etwas der Fall sein möge. 13 Der volitionale<br />

Ansatz kann ein Versuchen folglich nicht explizieren ohne einen Bezug darauf, was denn<br />

versucht <strong>wir</strong>d. 14 Dieser Bezug aber schließt notwendig Erfolgsbedingungen ein, da andernfalls<br />

unklar bleibt, was denn versucht <strong>wir</strong>d und wann ein Versuch als gescheitert oder eben<br />

erfolgreich zu beurteilen ist. Von einer eigenständigen Handlung des Versuchens kann<br />

deshalb nicht sinnvoll die Rede sein.<br />

4.3 Der instrumentalistische Ansatz<br />

Lässt man nun die These des volitionalen Ansatzes fallen, dass Versuche ausschließlich in<br />

mentalen Akten bestehen, so kann man zum einen die Reichweite der Rede von Versuchen so<br />

erweitern, wie sie auch im Alltag mit Blick auf beobachtbares, willentliches Tun verwendet<br />

<strong>wir</strong>d, und man kann zum anderen immerhin daran festhalten, dass es Grenzfälle des<br />

Versuchens gibt, die in der Tat nicht über einen rein mentalen Akt hinausgelangen. In diesem<br />

Sinne lässt sich der instrumentalistische Ansatz deuten, 15 der Versuche zwar ebenfalls als<br />

Handlungen versteht, diese jedoch nicht auf rein mentale, eigenständige Akte des Versuchens<br />

einschränkt, sondern beliebige Handlungen einschließt, sofern diese als Mittel für die<br />

Realisierung übergeordneter, komplexerer Handlungen aufgefasst werden. Zudem <strong>wir</strong>d kein<br />

kausaler Zusammenhang angenommen, sondern Handlungsversuche werden unternommen,<br />

11<br />

Vgl. Heath/Winch 1971, 202f.<br />

12<br />

Vgl. bereits Taylor 1966, 78. Für diese und weitere handlungstheoretische Kritik am volitionalen<br />

Ansatz siehe zudem etwa Seebaß 1993, 255ff., Schroeder 2001 und Grünbaum 2008.<br />

13<br />

Vgl. Seebaß 1993, 66, 69 und 249f.<br />

14<br />

Zudem sind Wollen und Versuchen keineswegs identisch, insbesondere wenn man die alltägliche<br />

Verwendung von Versuchen mit Blick auf komplexe Handlungen, die wiederum – ganz im Sinne des<br />

instrumentalistischen Ansatzes – untergeordnete Handlungen und damit auch beobachtbares Verhalten<br />

umfassen, mit berücksichtigt. Vgl. hierzu Seebaß 1993, 55ff.<br />

15<br />

Taylor 1966, 80f., allerdings weist rein mentale, volitionale Akte des Versuchens auch als lediglich<br />

möglichen Grenzfall zurück.

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