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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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Sollen, Können und Versuchen<br />

Michael Kühler<br />

Soll ich ein ertrinkendes Kind retten oder soll ich nur versuchen, es zu retten? Üblicherweise<br />

gehen <strong>wir</strong> davon aus, dass <strong>wir</strong> den Erfolg unserer Handlungen nicht vollständig unter<br />

unserer Kontrolle haben. Der Handlungserfolg hängt vielmehr auch von Umständen ab, die<br />

<strong>wir</strong> bestenfalls partiell kontrollieren können. Wir können demnach lediglich entsprechende<br />

Handlungsversuche unternehmen. Zudem gehen <strong>wir</strong> gemäß dem Prinzip „Sollen impliziert<br />

Können“ davon aus, dass <strong>wir</strong> das, was <strong>wir</strong> <strong>tun</strong> <strong>sollen</strong>, auch <strong>tun</strong> können. Wenn unser Können<br />

jedoch lediglich Handlungsversuche umfasst, dann wäre der Inhalt von Sollensansprüchen<br />

konsequenterweise entsprechend einzuschränken. Wir wären somit generell nurmehr zu<br />

(erfolgsunabhängigen) Handlungsversuchen aufgefordert. Dieser Argumentation steht<br />

unsere Alltagspraxis entgegen, in der das Gesollte sehr wohl etwa in der (erfolgreichen)<br />

Ret<strong>tun</strong>g des Kindes besteht und nicht nur in meinem gegebenenfalls erfolglosen Versuch. In<br />

Auseinandersetzung mit den drei wesentlichen handlungstheoretischen Positionen, das<br />

Konzept des Versuchens zu explizieren (volitionaler Ansatz, instrumentalistischer Ansatz<br />

und Fähigkeitsansatz), argumentiere ich zugunsten unserer Alltagspraxis dafür, dass eine<br />

grundsätzliche Einschränkung des Inhalts von Sollensansprüchen auf Handlungsversuche<br />

nicht zu überzeugen vermag und das Prinzip „Sollen impliziert Können“ keineswegs so<br />

streng gilt, wie es zunächst den Anschein hat.<br />

1. Einlei<strong>tun</strong>g<br />

Soll ich ein ertrinkendes Kind retten oder soll ich nur versuchen, es zu retten? Soll der<br />

Stürmer einer Fußballmannschaft Tore schießen oder soll er dies nur versuchen? Unserer<br />

Alltagspraxis zufolge hat der Stürmer den an ihn adressierten Sollensanspruch keineswegs<br />

bereits durch erfolglos bleibende Versuche, ein Tor zu schießen, erfüllt. Der Stürmer soll sehr<br />

wohl – erfolgreich – Tore schießen und dies nicht nur versuchen. Auch im Falle des<br />

ertrinkenden Kindes besteht das Gesollte üblicherweise in dessen erfolgreicher Ret<strong>tun</strong>g und<br />

nicht nur in meinem gegebenenfalls erfolglosen Versuch – selbst wenn ich im Nachhinein<br />

nicht dafür getadelt werde, wenn ich das ertrinkende Kind nicht zu retten vermochte.<br />

Dieser Alltagspraxis steht folgende kritische Überlegung gegenüber: Erstens gehen <strong>wir</strong><br />

üblicherweise davon aus, dass <strong>wir</strong> den Erfolg unserer Handlungen nicht vollständig unter<br />

unserer Kontrolle haben, sei es mit Blick auf die Durchführung der Handlung selbst oder<br />

hinsichtlich der Her<strong>bei</strong>führung eines bestimmten Sachverhalts. Der Handlungserfolg hängt<br />

vielmehr auch von äußeren Umständen ab, die <strong>wir</strong> bestenfalls partiell kontrollieren oder<br />

beeinflussen können. Als Handelnde können <strong>wir</strong> demnach nicht mehr <strong>tun</strong>, als entsprechende<br />

Handlungsversuche zu unternehmen. Zweitens gehen <strong>wir</strong> gemäß dem Prinzip „Sollen<br />

impliziert Können“ davon aus, dass <strong>wir</strong> das, was <strong>wir</strong> <strong>tun</strong> <strong>sollen</strong>, auch <strong>tun</strong> können. 1 Wenn<br />

unser Können jedoch lediglich Handlungsversuche umfasst, dann wäre der Inhalt von<br />

Sollensansprüchen konsequenterweise entsprechend einzuschränken. Wir wären somit<br />

generell nurmehr zu – erfolgsunabhängigen – Handlungsversuchen aufgefordert.<br />

Entsprechend wäre ich nur aufgefordert zu versuchen, das Kind zu retten, und der Stürmer<br />

sollte ebenso nur versuchen, Tore zu erzielen.<br />

1<br />

Da<strong>bei</strong> ist es hier unerheblich, ob das Prinzip nun im Sinne einer begrifflichen Implikation, einer<br />

kolloquialen Implikatur oder im Sinne einer normativen Forderung interpretiert <strong>wir</strong>d. Siehe hierzu<br />

Kühler 2013, Kap. 2.

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