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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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600 HOFFMANN<br />

Explikation besteht darin, dass nicht ausschließlich moralische Gründe betrachtet werden,<br />

sondern dass lediglich gefordert ist, moralische Gründe zu berücksichtigen. Einerseits <strong>wir</strong>d<br />

die These dadurch abgeschwächt: Normative Implikationen ergeben sich aus der<br />

Vorrangthese nur, wenn die Berücksichtigung moralischer Gründe als gegeben vorausgesetzt<br />

<strong>wir</strong>d. Das bedeutet, dass mit dem Verweis auf die Vorrangthese niemand davon überzeugt<br />

werden kann, moralisch zu sein. Nur wer bereits die Verbindlichkeit der Moral für sich<br />

akzeptiert hat, hat sich damit auch darauf festgelegt, keinen anderen Handlungsgrund einem<br />

moralischen vorzuziehen. Dies ist notwendigerweise so, weil die Vorrangthese selbst eine<br />

moralische Forderung darstellt.<br />

Im Unterschied zur trivialen Explikation lässt sich dieser Vorrang aber nicht dadurch<br />

trivialisieren, dass er auf beliebige Sorten von Handlungsgründen übertragen werden kann.<br />

Rechtliche Gründe genießen, sofern man sie nicht ausschließlich in die Betrach<strong>tun</strong>g<br />

einbezieht, sondern nur (neben moralischen Gründen) berücksichtigt, diesen Vorrang nicht.<br />

Dies lässt sich am Fall des gesetzten Unrechts erläutern. Gesetztes Unrecht besteht genau<br />

dann, wenn juridische Setzungen mit moralischen Normen in Konflikt geraten. In unserer<br />

Alltagsmoral ist nun die Auffassung tief verankert, dass im Konfliktfall der moralischen Norm<br />

Folge zu leisten ist und nicht der positiven Rechtssetzung eines Unrechtsstaats. Weiterhin<br />

werden die meisten zustimmen, dass selbst ein künstlerisches Genie sich nicht über<br />

grundlegende moralische Normen hinwegsetzen darf: Die Ver<strong>wir</strong>klichung noch so großer<br />

ästhetischer Werte kann es nicht legitimieren, moralische Regeln zu brechen.<br />

Damit ist der erste Einwand ausgeräumt: Im Kern handelt es sich <strong>bei</strong> diesem nicht um einen<br />

Tautologie-, sondern um einen Trivialitätseinwand. Der Anschein der Trivialität ergibt sich<br />

aber nur aufgrund einer zu restriktiven Explikation von (A), die zugegebenermaßen <strong>wir</strong>klich<br />

trivial ist. Es gibt aber eine schwächere Interpretation, die nicht trivial ist, weil aus ihr<br />

ethisch-normative Implikationen folgen können. Diese Implikationen stehen zudem im<br />

Einklang mit unseren moralischen Intuitionen. Wenden <strong>wir</strong> uns der Diskussion des zweiten<br />

Einwands zu.<br />

5. Der Unverständlichkeitseinwand von Héctor Wittwer: Das<br />

Thomas Buddenbrook-Beispiel<br />

Dem zweiten fundamentalen Einwand zufolge ist Explikationsvorschlag (A) schlicht<br />

unverständlich. Wenn man annimmt, dass die Vorrangthese eine begriffliche Eigenschaft<br />

moralischer Gründe formuliere, so meint Wittwer, ergibt sich das folgende Problem: 5 Die<br />

Vorrangthese soll einen unbedingten Vorrang moralischer Gründe vor allen anderen<br />

Handlungsgründen festschreiben. Dies kann sie aber nur dann in begründeter Weise leisten,<br />

wenn es eine Entscheidungsregel gibt, mit der moralische Gründe auf der einen Seite und<br />

prudentielle, instrumentelle, ästhetische Gründe auf der anderen Seite gegeneinander<br />

abgewogen werden können. Dies ist aber nur dann möglich, wenn es ein Metakriterium gibt,<br />

mit dessen Hilfe sich die normative Verbindlichkeit dieser verschiedenen Typen von Gründen<br />

zueinander ins Verhältnis setzen lassen.<br />

Die Rede vom Vorrang einer Norm vor einer anderen oder eines Handlungsgrundes<br />

vor einem anderen ist überhaupt nur verständlich, wenn man da<strong>bei</strong> ein bestimmtes<br />

Kriterium angibt, in Bezug auf welches der Vorrang bestehen soll. Dass etwas vor etwas<br />

schlechthin den Vorrang habe, ist hingegen eine unverständliche Aussage, weil in<br />

5<br />

Wittwer formuliert dies als Einwand gegen Explikationsvorschlag (B). Da er sich aber in seiner<br />

Diskussion explizit auf eine Version der Vorrangthese bezieht, die den Vorrang als „ein begriffliches,<br />

also ein wesentliches Merkmal moralischer Gründe“ ausweist (Wittwer 2011: 332), lässt sich dieser<br />

Einwand meines Erachtens auch gegen (A) wenden.

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