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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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VORRANG DER MORAL 599<br />

Triviale Explikation der Vorrangthese<br />

Wenn ausschließlich nach moralischen Gründen gehandelt werden soll, dann ist es<br />

moralisch geboten, moralischen Gründen vor allen anderen praktischen Gründen den<br />

Vorrang einzuräumen.<br />

Wenn der Explikationsvorschlag (A) <strong>wir</strong>klich in dieser Weise aufzufassen wäre, müsste man<br />

Foot und Wittwer zustimmen: Werden alle anderen Handlungsgründe aus der Betrach<strong>tun</strong>g<br />

ausgeschlossen, so wäre (A) tatsächlich trivial. Dies lässt sich daran veranschaulichen, dass ja<br />

die triviale Explikation der Vorrangthese nicht nur für moralische Gründe, sondern auch für<br />

jede andere Sorte von praktischen Gründen reformuliert werden könnte und analytisch wahr<br />

bliebe: Betrachtet man ausschließlich rechtliche Gründe, sollte rechtlichen Gründen der<br />

Vorrang gegeben werden, <strong>bei</strong> der Berücksichtigung ausschließlich ästhetischer Gründe den<br />

ästhetischen etc.<br />

Ich denke aber, dass man (A) nicht mit der trivialen Explikation identifizieren muss und dass<br />

es eine Lesart von (A) gibt, die nicht trivial ist. Wie <strong>wir</strong> bereits gesehen haben, folgt daraus,<br />

dass die Vorrangthese eine analytische Wahrheit ist, keineswegs, dass sie für moralisches<br />

Argumentieren irrelevant sei. In Abschnitt 2 habe ich am Beispiel der<br />

Universalisierbarkeitsthese vorgeführt, dass sich aus analytischen Thesen zur Moralsprache<br />

im Verbund mit anderen Moralurteilen ethisch-normative Moralurteile ableiten lassen, die<br />

ohne die Annahme der analytischen These nicht ableitbar wären. Aus diesem Grund ist auch<br />

eine analytische Wahrheit wie die Universalisierbarkeitsthese nicht trivial – eben weil sie in<br />

unserem Diskurs über ethisch-normative Fragen eine wichtige Rolle spielt. Genauso verhält<br />

es sich mit der Vorrangthese: Auch diese hat, obwohl sie selbst eine analytische Wahrheit ist,<br />

ethisch-normative Implikationen. Die wichtigste normative Implikation, die im Folgenden<br />

noch als Testfall für moralische Intuitionen verwendet <strong>wir</strong>d, sei hier expliziert:<br />

Normative Implikation der Vorrangthese nach Explikationsansatz (A)<br />

Wenn<br />

(1) in einer Situation eine Entscheidung zwischen zwei Handlungsoptionen getroffen<br />

werden muss,<br />

(2) nur eine der <strong>bei</strong>den Handlungsoptionen ver<strong>wir</strong>klicht werden kann,<br />

(3) für die eine Handlungsoption auch moralische Gründe und für die andere<br />

Handlungsoption nur nichtmoralische Handlungsgründe sprechen<br />

(4) und die moralischen Gründe berücksichtigt werden,<br />

dann<br />

ist es moralisch geboten, die Handlungsoption zu ver<strong>wir</strong>klichen, für die die<br />

moralischen Gründe sprechen.<br />

Im Antecedens des Konditionals werden die Bedingungen spezifiziert, unter deren Annahmen<br />

aus der Vorrangthese ethisch-normative Implikationen folgen. 4 (1) greift hier<strong>bei</strong> nur den<br />

Standardfall heraus; die Bedingung ließe sich auch für Szenarien mit mehr als zwei<br />

Handlungsoptionen formulieren. Wichtig ist aber (2), dass nur eine dieser Optionen realisiert<br />

werden kann und (3) nur für eine der Optionen moralische Gründe sprechen. Wird dann<br />

weiterhin vorausgesetzt, dass (4) moralische Gründe berücksichtigt werden, so folgt aus der<br />

Vorrangthese das moralische Gebot, dass der (und nur der) Handlungsoption zu folgen ist,<br />

für die die moralischen Gründe sprechen. Der entscheidende Unterschied zur trivialen<br />

4<br />

Damit tatsächlich normative Implikationen ableitbar sind, müssen die im Antecedens eingebetteten<br />

Bedingungen (1) bis (4) noch als eigene, nicht eingebettete Prämissen hinzugefügt werden. Ich verzichte<br />

hier aus Platzgründen auf die vollständige Aufzählung der Prämissen.

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