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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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598 HOFFMANN<br />

alltäglichen Moralverständnis verankert ist. 3 Bei (B) kann es sich demnach allenfalls um eine<br />

These handeln, die in ein revisionäres Verständnis von Moral integriert werden könnte<br />

(Wittwer 2011: 328–9).<br />

Trotzdem sind sich Philippa Foot, Harry Frankfurt, David Copp, Héctor Wittwer und andere<br />

einig, dass – wenn überhaupt – (B) ein aussichtsreicher Kandidat für eine Verteidigung des<br />

Vorrangs der Moral sei. Sie kommen zu dieser Überzeugung, weil sich gegen (A) zumindest<br />

zwei fundamentale Einwände formulieren lassen, die (A) entweder als tautologisch oder als<br />

unverständlich erweisen <strong>sollen</strong>. In den folgenden <strong>bei</strong>den Abschnitten diskutiere und entkräfte<br />

ich diese <strong>bei</strong>den Einwände.<br />

4. Der Trivialitätseinwand von Philippa Foot<br />

Wittwer widmet dem Explikationsvorschlag (A) nur eine kurze Bemerkung: Er hält ihn für<br />

„tautologisch“, weil er lediglich besage, „dass es, vom moralischen Standpunkt aus betrachtet,<br />

geboten ist, moralischen Gründen stets den Vorzug vor anderen Gründen zu geben“ (Wittwer<br />

2011: 324). Damit schließt er sich Philippa Foots Auffassung an, derzufolge die Frage, ob man<br />

moralischen Gründen folgen solle oder nicht, in das folgende Dilemma münde:<br />

There are difficulties about saying that one ‘ought’ to take account of the general<br />

[ethical] good. For either the ‘ought’ means ‘morally ought’ or ‘ought from the moral<br />

point of view’ or else it does not. If it does we have a tautological principle. If it does not<br />

the problem is to know what is <strong>bei</strong>ng said. (Foot 1978a: 169)<br />

Gestehen <strong>wir</strong> zunächst zu, dass Foot und Wittwer die Bezeichnung „Tautologie“ hier in einem<br />

weiten Sinn verwenden, d. h. nicht logische Wahrheiten im strengen Sinne damit meinen,<br />

sondern analytische Wahrheiten – Sätze also, deren Wahrheit sich allein aus der Bedeu<strong>tun</strong>g<br />

der darin verwendeten Wörter ergibt. Worin aber besteht dann der Einwand? Einige der<br />

größten Debatten in der Philosophie kreisen um die Gel<strong>tun</strong>g analytischer Wahrheiten: Stellt<br />

„,p‘ ist genau dann wahr, wenn p.“ eine Definition des Wahrheitsbegriffs dar? Ist Wissen<br />

nichts anderes als „wahre, gerechtfertigte Meinung“? Impliziert jedes moralische Sollen ein<br />

Können? Immer geht es um die Aufdeckung analytischer Zusammenhänge. Die Feststellung,<br />

dass die Vorrangthese analytisch wahr ist, spricht demnach nicht gegen, sondern für sie.<br />

Diese Erwiderung würde Foots und Wittwers Anliegen – vielleicht mutwillig – missverstehen.<br />

Eine Formulierung Wittwers hilft da<strong>bei</strong>, die Kernintention dieses Einwands gegen (A) besser<br />

zu erfassen: So meint Wittwer, dass die Explikation (A) „der Auffassung [dass moralischen<br />

Handlungsgründen in moralischer Hinsicht Priorität zukommt] nichts hinzufügen“ würde<br />

(Wittwer 2011: 324). An dieser Stelle <strong>wir</strong>d deutlich, dass es nicht um einen Tautologie- bzw.<br />

Analytizitätseinwand geht, sondern um einen Trivialitätsverdacht. Ist der moralische<br />

Standpunkt erst einmal eingenommen, so meinen Foot und Wittwer, dann ergibt sich die<br />

prioritäre Gel<strong>tun</strong>g moralischer Gründe trivialerweise, weil ja alle anderen Handlungsgründe<br />

bereits aus der Betrach<strong>tun</strong>g ausgeklammert sind. Die folgende Reformulierung von (A) macht<br />

den trivialen Charakter der These, an die Foot und Wittwer offensichtlich denken, explizit:<br />

3<br />

Selbst Kant als ethischer Rationalist scheint diese Intuition zu teilen wenn er schreibt: „Der Mensch<br />

(auch der Beste) [ist] nur dadurch böse, daß er die sittliche Ordnung der Triebfedern in der<br />

Aufnehmung derselben in seine Maximen umkehrt: das moralische Gesetz zwar neben dem der<br />

Selbstliebe in dieselbe aufnimmt, da er aber inne <strong>wir</strong>d, daß eines neben dem anderen nicht bestehen<br />

kann, sondern eines dem anderen als seiner obersten Bedingung untergeordnet werden müsse, er die<br />

Triebfeder der Selbstliebe und ihre Neigungen zur Bedingung der Befolgung des moralischen Gesetzes<br />

macht, da das letztere vielmehr als die oberste Bedingung der Befriedigung der ersteren in die<br />

allgemeine Maxime der Willkür als alleinige Triebfeder aufgenommen werden sollte“ (Kant 1793/94:<br />

36). Auch Kant bewertet also den Menschen, der den Triebfedern der Selbstliebe gegenüber denen des<br />

moralischen Gesetzes fälschlich den Vorrang einräumt, als böse und nicht als unvernünftig.

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