25.12.2013 Views

Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

596 HOFFMANN<br />

Verträglichkeit mit den sprachlichen und den moralischen Intuitionen, die für unser<br />

alltägliches Verständnis der Moral wichtig sind – und es spräche gegen sie, wenn sie mit<br />

diesen Intuitionen in Konflikt geriete.<br />

Wie aus dem soeben Gesagten hervorgeht behaupte ich – drittens –, dass die Vorrangthese<br />

nicht nur durch sprachliche Intuitionen zum Begriff der Moral indirekt gestützt <strong>wir</strong>d, sondern<br />

auch durch ihre Verträglichkeit mit moralischen Intuitionen. Dies steht nun prima facie im<br />

Widerspruch zum Neutralitätsgebot der Metaethik, demzufolge eine metaethische These (und<br />

eine These zur Bedeu<strong>tun</strong>g moralsprachlicher Grundbegriffe ist eine metaethische These)<br />

keine Antworten auf ethisch-normative Fragen <strong>bei</strong>nhalten darf. 1 Gerät man nicht<br />

unweigerlich in Konflikt mit dem Neutralitätsgebot, wenn man einerseits vertritt, dass die<br />

Vorrangthese eine semantische These zur Moralsprache sei, andererseits aber auch<br />

behauptet, dass sich ihr Gehalt in normativen Moralurteilen ausdrückt? Obwohl ich <strong>bei</strong>des<br />

vertrete, ergibt sich meines Erachtens kein Widerspruch zum Neutralitätsgebot. Denn ich<br />

behaupte weder, dass die Annahme der Vorrangthese spezifische ethisch-normative<br />

Festlegungen voraussetzt, noch behaupte ich, dass aus der Vorrangthese allein solche folgen<br />

würden. Ich lege mich lediglich auf die bescheidenere Annahme fest, dass sich aus der<br />

Vorrangthese im Verbund mit anderen Moralurteilen ethisch-normative Moralurteile ableiten<br />

lassen, die ohne die Annahme der Vorrangthese nicht ableitbar wären. Weil dieser Gedanke<br />

für die Entkräf<strong>tun</strong>g eines Einwands gegen die Vorrangthese wichtig ist (s. Abschnitt 4),<br />

möchte ich ihn an einem Beispiel illustrieren. Ich wähle dazu eine semantische These zur<br />

Moralsprache, an deren Analytizität gemeinhin nicht gezweifelt <strong>wir</strong>d: die bereits erwähnte<br />

Universalisierbarkeit moralischer Urteile. Diese These besagt in der Explikation von Jörg<br />

Schroth (2001: 52):<br />

Universalisierbarkeitsthese<br />

Wenn die Handlung h gut ist, so ist auch jede Handlung gut, die h in moralisch<br />

relevanter Hinsicht gleicht.<br />

Aus diesem Konditional folgt für sich genommen kein Moralurteil. Wenn man aber als zweite<br />

Prämisse das Moralurteil „Handlung h ist gut.“ hinzufügt, so lässt sich ableiten, dass jede<br />

Handlung, die h in moralisch relevanter Hinsicht gleicht, gut ist. Dieses inhaltlich stärkere<br />

Moralurteil, das sich nun auf alle Handlungen erstreckt, die h in moralisch relevanter<br />

Hinsicht gleichen, würde ohne die Universalisierbarkeitsthese nicht folgen. Ableitbar ist es<br />

erst aus dem Moralurteil „Handlung h ist gut.“ im Verbund mit der<br />

Universalisierbarkeitsthese. 2 An diesem einfachen Beispiel <strong>wir</strong>d deutlich, dass es durchaus<br />

Bedingungen gibt, unter denen aus semantischen Thesen zur Moralsprache (im Verbund mit<br />

weiteren Annahmen) Moralurteile folgen. Und diese ethisch-normativen Folgerungen können<br />

in Abhängigkeit von ihrer Verträglichkeit mit unseren moralischen Intuitionen indirekt für<br />

oder gegen die Plausibilität der jeweiligen semantischen These sprechen. Wie noch deutlich<br />

<strong>wir</strong>d, verhält es sich <strong>bei</strong> der Vorrangthese genau so.<br />

Viertens schließlich ist festzuhalten, dass man sich mit der Annahme der Vorrangthese<br />

tatsächlich auf eine metaethische Vorannahme festlegt, die gegenwärtig durchaus umstritten<br />

ist. Wer nämlich moralischen Gründen gegenüber nichtmoralischen Gründen einen Vorrang<br />

zuschreiben will, der muss zunächst einmal über die begrifflichen Mittel verfügen, moralische<br />

Gründe von nichtmoralischen abzugrenzen, d. h. er muss moralische Gründe als<br />

Handlungsgründe sui generis auszeichnen. Über diese begrifflichen Mittel aber verfügt nicht<br />

jede Rationalitätstheorie. So <strong>wir</strong>d praktische Rationalität in der Humeschen Tradition häufig<br />

ausschließlich als Zweck-Mittel-Rationalität konzipiert, die nur instrumentelle Gründe zur<br />

Erreichung arationaler Zwecke oder zur Ver<strong>wir</strong>klichung arationaler Wünsche bereitstellt. Vor<br />

1<br />

S. für eine differenzierte Diskussion des Neutralitätsgebots der Metaethik Hallich (2008: 55–65).<br />

2<br />

Dies ist der Grund, warum die Universalisierbarkeitsthese, obwohl analytisch, für die moralische<br />

Argumentation nicht irrelevant ist, wie Schroth (2001: 113–7) überzeugend nachgewiesen hat.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!