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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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PATERNALISMUS UND ENHANCEMENT 495<br />

Grundlage gezogen werden muss. Dies kann hier leider nicht weiter diskutiert werden. Diese<br />

Überlegungen genügen aber, so meine ich, um Zweifel an dem von Sunstein/Thaler als so<br />

unschuldig bezeichneten Paternalismus anzumelden. Meiner Ansicht nach reicht damit die<br />

Unterscheidung zwischen weichem und hartem Paternalismus nicht aus, um die<br />

Rechtfertigungsfrage vollends zu entscheiden.<br />

2.3 Autonomie-Förderung<br />

Aber auch die unkritische Förderung von Autonomie kann in Frage gestellt werden.<br />

Verdeutlichen lässt sich dies an Maßnahmen des sog. kognitiven Enhancements, welche in<br />

den letzten Jahren in der Ethik kontrovers diskutiert wurden. Ich möchte diese Maßnahmen<br />

als Möglichkeiten der Autonomierweiterung interpretieren und fragen, ob Vertreter eines<br />

Paternalismus beschränkter Rationalität diese Möglichkeit empfehlen könnten bzw. sogar als<br />

wünschenswert betrachten müssten. Damit <strong>wir</strong>d meiner These nach eine slippery slope<br />

eröffnet, so dass auch die Autonomieförderung aus liberaler Einsicht beschränkt werden soll.<br />

Dies gelingt, so mein Argument, wenn man grundlegende normative Begriffe des<br />

Liberalismus, insbesondere den der Autonomie, im Sinn eines Schwellenbegriffs<br />

interpretiert.<br />

2.3.1 Enhancement: Methoden und Aus<strong>wir</strong>kungen<br />

Als Enhancement-Maßnahmen möchte ich solche medizinischen Interventionen verstehen,<br />

welche nicht auf das Heilen von Krankheiten gerichtet sind, sondern von Gesunden gewählt<br />

werden, um bestimmte kognitive Kapazitäten und Fähigkeiten des menschlichen Gehirns<br />

über das „normale“ Maß zu steigern, etwa die Merk- oder Konzentrationsfähigkeit, die<br />

Informationsaufnahme oder das Selbstbewusstsein allgemein. 22 Es kann davon gesprochen<br />

werden, dass solche Maßnahmen unter Umständen einen Autonomiegewinn nach sich<br />

ziehen: man kann mehr Informationen aufnehmen, ist konzentrierter, freier von Zweifel<br />

etc. 23<br />

In Bezug auf Eingriffe des Enhancements <strong>wir</strong>d die Frage nach Paternalismus vor allem in der<br />

klassischen Weise des Verbots der Selbstschädigung gestellt: 24 Es scheinen aber bestimmte<br />

weich paternalistische Argumente, welche die Förderung von Autonomie zum Ziel haben, den<br />

Einsatz von Enhancement als legitim bzw. sogar wünschenswert zu befürworten. Dies ist so<br />

eben in Fällen, wenn die genannten Fähigkeiten gesteigert werden können.<br />

Dies <strong>wir</strong>kt auf den ersten Blick kontraintuitiv, ergibt sich meiner Ansicht nach jedoch, wenn<br />

man den Gedanken des Autonomie-fördernden Paternalismus zu Ende denkt: Indem<br />

bestimmte Medikamente unsere Aufmerksamkeit oder Merkfähigkeit positiv beeinflussen,<br />

steigern sie auch Fähigkeiten und Möglichkeiten, die für den Grad und die Ausprägung der<br />

personalen Autonomie relevant sind. Die kritische Frage lautet hier: Wenn es also legitim ist,<br />

die Autonomie von Menschen durch Maßnahmen wie Korrektur von Rechenfehlern,<br />

Informationsgabe und Bildungsmaßnahmen zu steigern, wieso sollten <strong>wir</strong> dann hier stoppen<br />

und nicht noch den Schritt wagen, Autonomie medikamentös so zu verbessern, dass z.B.<br />

mehr Informationen aufgenommen werden, <strong>wir</strong> besser rechnen können etc.? Wie eben<br />

22<br />

Die schwierig zu fassenden Begriffe dieser Definitionen, wie „normal“ oder „Krankheit“ können hier<br />

im Einzelnen nicht ausführlicher diskutiert werden. Für die gegenwärtige Diskussion genügt jedoch die<br />

Feststellung, dass Enhancement-Maßnahmen bestimmte, grundlegende kognitive Leis<strong>tun</strong>gen des<br />

menschlichen Gehirns verändern.<br />

23<br />

Ich möchte hier nicht untersuchen, ob Enhancement an sich gerechtfertigt ist oder verboten werden<br />

soll. <strong>Was</strong> man aber zumindest behaupten kann, ist, dass Enhancement weitreichend in die menschliche<br />

Lebensführung eingreift und daher zumindest diskussionswürdig ist. Ich erkenne freilich an, dass es<br />

gewichtige Gründe gibt, am Enhancement an sich zu zweifeln, die ich hier aber nicht aufführen kann.<br />

24<br />

vgl. Heilinger 2010

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