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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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PATERNALISMUS UND ENHANCEMENT 493<br />

ebenso auf Basis bestimmter normativer Autonomietheorien Ansprüche gefordert werden,<br />

dass der Mensch die relevanten Aspekte seines Lebens und seines Wohls weitgehend selbst<br />

bestimmt und nicht durch Manipulation von außen. 16 Dies zeigt sich besonders, wenn man<br />

die Autonomiedefinition stark mit dem Begriff der Rationalität verschränkt und fordert, dass<br />

eine autonome Entscheidung zu einem starken Grad auch rational sein muss. 17<br />

Sunstein/Thaler nehmen diese Defizite im menschlichen rationalen Entscheiden zum Anlass,<br />

um eine, wie sie betonen, legitime Version eines Paternalismus zu konstruieren. Sie schlagen<br />

z.B. vor, die Speisenfolge in der Kantine so zu arrangieren, dass Menschen eher die gesunden<br />

Lebensmittel wie Salat und Obst bevorzugen. Ein anderes von ihnen empfohlenes Szenario<br />

besteht darin, dass Ar<strong>bei</strong>tgeber in den USA eine Kranken- bzw. Rentenversicherung als<br />

Standardoption im Ar<strong>bei</strong>tsvertrag festlegen. Die Betroffenen bekommen eine opt-out-Lösung,<br />

mit der sie sich auch gegen die Versicherung entscheiden können. Die Untersuchungswerte<br />

zeigen aber, wie eben gerade beschrieben, dass die meisten Menschen versichert bleiben<br />

werden.<br />

Diese Form von Paternalismus scheint in der Regel sehr weich und eher unproblematisch. Sie<br />

ist libertär, weil Menschen sich immer anders entscheiden könnten. Indem man z.B.<br />

Informationen in bestimmter Weise formuliert oder die Entscheidungssituation anpasst,<br />

kann man Menschen dazu bringen, etwa „bessere“ Entscheidungen über ihre Zukunft zu<br />

treffen. Beispielsweise kann man mehr Menschen auf sanfte Art 18 dazu bringen in eine<br />

Renten- oder Krankenversicherung einzutreten.<br />

Ebenso kann man – wie es häufig in medizinethischen Diskussionen und auch <strong>bei</strong><br />

Sunstein/Thaler anklingt 19 – paternalistische Eingriffe dazu nutzen, Autonomiedefizite wie<br />

die eben genannten zu beheben, z.B. dadurch, dass man die Menschen besser informiert,<br />

Einsichten vermittelt oder Irrtümer im rationalen Entscheiden korrigiert. Man kann also<br />

Fehler, die Menschen in ihrer freien rationalen Entscheidung machen, durch paternalistische<br />

Regelungen ausmerzen. 20<br />

2.1 Eine Unterscheidung in den Zielen von paternalistischen Eingriffen<br />

Da es in den genannten Fällen von Paternalismus für einen – zumindest einigermaßen<br />

autonomen Menschen – immer die Möglichkeit gibt, sich anders zu entscheiden, werden<br />

Strategien dieser Art derzeit von den meisten liberalen Theoretikern als legitimer<br />

Paternalismus eingestuft. Ich möchte hier jedoch für ein differenzierteres Bild plädieren, um<br />

legitime Arten von weichem Paternalismus von – auch unter liberalen Gesichtspunkten –<br />

zweifelhaften Formen des weichen Paternalismus unterscheiden.<br />

Als Basis für meine kritischen Anmerkungen will ich den eben gezeichneten weichen<br />

Paternalismus anhand der Zielsetzung in zwei grundlegende Kategorien zu unterscheiden:<br />

(1) Wohl-orientierter weicher Paternalismus: Autonomieunsicherheiten bzw. Defizite<br />

werden genutzt, um das Wohl von Menschen zu verbessern, ohne sie vollends ihrer<br />

Entscheidungsmöglichkeit zu berauben.<br />

(2) Autonomie-orientierter weicher Paternalismus: Autonomiedefizite <strong>sollen</strong> behoben<br />

werden. Die Förderungen bzw. Herstellung der Autonomie des Individuums ist das Ziel<br />

– z.B. durch Informationsgabe.<br />

16<br />

vgl. Christman 2011<br />

17<br />

vgl. Gutwald 2010<br />

18<br />

Sunstein/Thaler sprechen hier von “nudge”, vgl. Sunstein C., Thaler R. 2008<br />

19<br />

vgl. Beauchamp T.L., Childress J.F. 2001<br />

20<br />

vgl. Wear 1983

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