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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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492 GUTWALD<br />

Paternalismus unter liberalen Vorzeichen, der wesentlich weniger unproblematisch scheint<br />

als ein harter.<br />

Sunstein/Thaler sowie weitere Vertreter eines Ansatzes der unten sog. Beschränkten<br />

Rationalität 12 gehen hier aber noch weiter. An einigen Stellen befürworten sie sogar eine<br />

Pflicht zu wohlwollenden, weichen Eingriffen, welche dem Paternalisierten immer noch eine<br />

Möglichkeit lassen, sich anders zu entscheiden. Da diese weich im eben genannten Sinne<br />

bleiben, seien sie legitim. Diese generelle Rechtfertigung möchte ich auf Basis einer Analyse<br />

verschiedener Ziele von paternalistischen Eingriffen im Folgenden in Frage stellen.<br />

2. Beschränkte Rationalität und Paternalismus<br />

Sunstein/Thaler beziehen ihre Paternalismusstrategie auf Untersuchungen aus der<br />

ökonomischen Forschung der sog. „Beschränkten Rationalität“ 13 . Die dahinter stehenden<br />

Überlegungen sind folgende: Man weiß bzw. glaubt aus entsprechenden empirischen<br />

Untersuchungen zu wissen, dass die Entscheidungen von Menschen nicht vollständig rational<br />

bzw. häufig nicht genau festgelegt sind. So zeigt sich u.a., dass Menschen nicht gerade selten<br />

zirkuläre Präferenzen oder Inkonsistenzen besitzen. Zudem weiß man durch die<br />

Untersuchungen von Entscheidungsverhalten, dass sich Menschen in bestimmten<br />

Situationen – und auch wenn es um ihr Wohl geht – häufig noch keine feste Meinung<br />

gebildet haben. So lassen sie z.T. sehr stark von bestimmten Vorbedingungen und Umständen<br />

beeinflussen. Sie verletzen damit die normativen Anforderungen an die Rationalität der<br />

rational-choice-Theorie 14 aus der Ökonomie, insbesondere die Vollständigkeit, die<br />

Konsistenz oder die Transitivität von Präferenzen. Folgende Beispiele illustrieren dies 15 :<br />

Default-Option: Man kann <strong>bei</strong> der Präsentation von Optionen, z.B. A und B, eine<br />

bestimmte Standardeinstellung A als gegeben vorlegen und die Möglichkeit lassen,<br />

dass Menschen sich noch abweichend für B entscheiden können. Ein Staat kann z.B.<br />

als Standard festlegen, dass Menschen automatisch krankenversichert sind, aber auch<br />

zugleich anbieten, dass man per Antrag aus der Versicherung austreten kann.<br />

Untersuchungen zeigen, dass von den meisten Menschen der Standard bevorzugt <strong>wir</strong>d,<br />

vermutlich weil gemutmaßt <strong>wir</strong>d, dass der vorgegebene Standard besser ist als eine<br />

andere, optionale Lösung – oder weil es einfach aufwändiger ist, vom Standard<br />

abzuweichen. Für das Versicherungs<strong>bei</strong>spiel gilt also: die meisten Menschen bleiben<br />

versichert.<br />

Framing Effekt: Menschen lassen sich in ihrer Entscheidung stark davon beeinflussen,<br />

wie Fragen/Bedingungen formuliert sind (z.B. ist, wenn <strong>bei</strong> der Entscheidung für einen<br />

medizinischen Eingriff entscheidend, ob die Risiken in Sterbe- oder Überlebensrate<br />

ausgedrückt werden).<br />

Endowment-Effekt: Menschen verzichten weniger gern auf eine Sache, welche sie<br />

bereits besitzen, als auf eine, die sie noch nicht erhalten haben (auch wenn sie ihnen<br />

zusteht). Es macht <strong>bei</strong>spielsweise einen Unterschied, wie viele Menschen sich für die<br />

Einzahlung in die Rentenversicherung entscheiden, ob Renten<strong>bei</strong>träge automatisch<br />

eingezogen werden oder sie nach Erhalt des Gehalts abgezogen werden.<br />

Durch die genannten Effekte bleiben Menschen in ihren Entscheidungen hinter den<br />

Anforderungen der ökonomischen Rationalitätstheorie zurück. Aus ethischer Sicht kann<br />

12<br />

vgl. Sunstein, Thaler 2003<br />

13<br />

vgl. ebenda<br />

14<br />

vgl. Hargreaves-Heap et. al. 1992<br />

15<br />

vgl. Sunstein, Thaler 2003

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