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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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Liberalismus, Handlungsfreiheit und Autonomie<br />

Christine Bratu<br />

Häufig <strong>wir</strong>d behauptet, normativer Kerngedanke des Liberalismus sei ein individuelles Recht<br />

auf Freiheit, d.h. es ginge dem Liberalismus um den Schutz der individuellen<br />

Handlungsfreiheit. Ich möchte zeigen, dass diese Annahme für den Kontext der politischen<br />

Philosophie nicht zutrifft. Denn der Liberalismus setzt sich nur insofern für die<br />

Handlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat ein, als diese<br />

notwendig ist für deren Autonomie. Das Legitimitätskriterium, das der Liberalismus an<br />

staatliches Handeln anlegt, sichert den Bürgerinnen und Bürgern diejenigen<br />

Handlungsalternativen, die sie brauchen, um autonom handeln zu können. Um für diese<br />

These zu argumentieren, werde ich in einem ersten Schritt darlegen, was man unter<br />

individueller Handlungsfreiheit in deskriptiver Hinsicht verstehen sollte (1 und 2). Vor dem<br />

Hintergrund dieses Freiheitsbegriffes müssen staatliche Handlungen immer als<br />

Einschränkungen der individuellen Handlungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger<br />

verstanden werden, wie ich in einem zweiten Schritt (3) darstellen möchte. Schließlich werde<br />

ich zeigen, dass der Liberalismus nicht jede Einschränkung der Handlungsfreiheit der<br />

Bürgerinnen und Bürger durch den Staat verbietet, sondern ihnen nur den<br />

Handlungsspielraum für autonomes Handeln lässt (4). Doch zudem <strong>wir</strong>d deutlich werden,<br />

dass dies nicht als Mangel des Liberalismus verstanden werden muss. Denn tatsächlich ist<br />

uns vernünftigerweise nicht an allen Instanzen unserer individuellen Handlungsfreiheit<br />

gelegen.<br />

1. Kriterien für einen angemessenen Freiheitsbegriff<br />

Schon vielfach ist der Versuch unternommen worden, eine befriedigende Auffassung von<br />

Handlungsfreiheit zu etablieren 1 , also davon, wann man sagen sollte, dass es einer Person A<br />

möglich ist, eine Handlung x zu vollziehen. Doch dieser Versuch ist bisher nicht geglückt, da<br />

gegen jede Explikation zahlreiche Einwände vorgebracht wurden. Dies spricht in den Augen<br />

vieler Autorinnen und Autoren dafür, die Suche danach, was <strong>wir</strong> mit “Handlungsfreiheit”<br />

eigentlich meinen, insgesamt als sinnlos anzusehen. So stellt sich bspw. für Leif Wenar die<br />

Frage,<br />

[W]hat could be the warrant for reaching into polysemic concept such as freedom and<br />

privileging – simply as a conceptual matter – one of its many conceptions? How could<br />

one sense of “freedom” be “freedom as such”? […] The danger of this semantic<br />

privileging is that it creates a kind of <strong>tun</strong>nel vision, blocking out the many complexities<br />

of ordinary usage that analysis has revealed. (Wenar 2008: 46) 2<br />

Doch obwohl Wenar Recht hat mit der Feststellung, dass es schwierig ist, ein angemessenes<br />

Verständnis von Handlungsfreiheit als solcher zu gewinnen, bleibt er hierfür eine Erklärung<br />

schuldig. Meiner Ansicht nach ist der Grund folgender: Wenn <strong>wir</strong> versuchen, uns darüber<br />

klar zu werden, was <strong>wir</strong> mit “Handlungsfreiheit” meinen, legen <strong>wir</strong> verschiedene Kriterien an.<br />

Doch diese Kriterien sind nicht ohne weiteres miteinander vereinbar, so dass eine Auffassung<br />

1<br />

Bereits Isaiah Berlins klassischer Aufsatz kann so verstanden werden, vgl. Berlin 1996 [1969].<br />

2<br />

Zu einer ähnlichen Diagnose kommen auch Ian Carter, Matthew Kramer und Hiller Steiner: “Like other<br />

ideas that figure in our political thinking […] the idea of freedom is complex, not simple. For freedom is a<br />

concept that comprises many aspects or dimensions, each of which is at least somewhat open to rival<br />

interpretations. […] Any particular conception of freedom consists in some permutation of these rival<br />

dimensional interpretation.” 2 (Carter/ Kramer/ Steiner 2007: xvii f.)

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