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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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CHANCENGLEICHHEIT IN DER BILDUNG BEI RAWLS 475<br />

Berufung auf Überzeugungen, Gründe und politische Werte, deren Anerkennung<br />

seitens der anderen ebenfalls vernünftig ist (GaF, 56).<br />

Die durch öffentliche Diskussion erlangten Regeln zur inhaltlichen Bestimmung der<br />

familiären Grundfreiheiten und der effektiven Maßnahmen zur Umsetzung von<br />

Chancengleichheit gehören insofern nicht zur idealen Theorie, als sie nicht direkt aus dieser<br />

abgeleitet sind, sondern unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen im Rahmen einer<br />

öffentlichen kritischen Auseinandersetzung ausgehandelt werden müssen.<br />

Der Nachteil eines solchen Vorgehens ist, dass es womöglich in vielen Situationen keine<br />

eindeutigen Ergebnisse gibt und keine vollständige Zustimmung zu einer Lösung erwartet<br />

werden kann. Doch gerade dieser Umstand lässt sich auch als Vorteil gegenüber einer<br />

idealtheoretischen, eindeutigen Lösung sehen: Gerade angesichts pluralistischer<br />

Auffassungen über die Rolle der Familie würde eine „ideale“ Lösung höchstwahrscheinlich an<br />

den tatsächlichen Vorstellungen und Bedürfnissen der Betroffenen vor<strong>bei</strong>gehen und als<br />

aufoktroyiert empfunden werden.<br />

Die Antwort auf meine Ausgangsfrage, welche Aussagen die Rawlssche Theorie in Bezug auf<br />

die Realisierung von Chancengleichheit machen kann, lautet zusammengefasst: Offenbar<br />

kann Rawls’ ideale Theorie im Sinne seiner Gerechtigkeitsgrundsätze keine Leitfunktion<br />

übernehmen, wenn es um die konkrete Interpretation der Grundfreiheiten und die<br />

Bestimmung der jeweiligen Maßnahmen zur Herstellung von Chancengleichheit geht. Doch<br />

deshalb <strong>wir</strong>d die Leitfunktion nicht völlig verneint, denn das Prinzip der Chancengleichheit<br />

gibt weiterhin an, wonach <strong>bei</strong> der Realisierung von Chancengleichheit überhaupt gestrebt<br />

werden soll: Nach gleichen Chancen auf Ämter und Positionen – und deshalb insbesondere:<br />

auf Bildung – <strong>bei</strong> gleicher Begabung, unabhängig von gesellschaftlichen Zufälligkeiten. Auch<br />

die Vorrangregeln behalten weiterhin ihre normative Kraft, denn auch unter nicht-idealen<br />

Bedingungen muss versucht werden, Chancengleichheit zu realisieren, ohne die<br />

Grundfreiheiten der Familie einzuschränken. 12<br />

Claudia Blöser<br />

Institut für Philosophie<br />

Goethe-Universität Frankfurt<br />

Bloeser@em.uni-frankfurt.de<br />

Literatur<br />

Boettcher, J. 2009: „Race, Ideology, and Ideal Theory“, Metaphilosophy, 40, 2, 237–259.<br />

Bourdieu, P. und J.–C. Passeron 1971: Die Illusion der Chancengleichheit. Stuttgart: Klett.<br />

Gosepath, S. 2004: Gleiche Gerechtigkeit: Grundlagen eines liberalen Egalitarismus.<br />

Frankfurt: Suhrkamp.<br />

Meyer, K. 2011: Bildung. Berlin: de Gruyter.<br />

Mills, C. W. 2005: „Ideal Theory as Ideology“, Hypathia, vol. 20, no.3, 165–184.<br />

Rawls, J. 1979: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt: Suhrkamp. (kurz: TdG)<br />

Rawls, J. 1998: Politischer Liberalismus. Frankfurt: Suhrkamp (kurz: PL)<br />

Rawls, J. 2003: Gerechtigkeit als Fairneß. Ein Neuentwurf. Frankfurt: Suhrkamp. (kurz:<br />

GaF)<br />

12<br />

Für wertvolle Anregungen und Hinweise zu früheren Fassungen dieses Textes danke ich Corinna<br />

Mieth und Christian Neuhäuser.

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