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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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CHANCENGLEICHHEIT IN DER BILDUNG BEI RAWLS 469<br />

geeignet sind. Doch dies würde auf eine bloße Unparteilichkeitsforderung <strong>bei</strong> der Vergabe<br />

von Ämtern hinauslaufen und hätte nichts mit fairer Chancengleichheit zu <strong>tun</strong>, die den<br />

Einfluss sozialer Herkunft auf den Zugang zu Ämtern verringern möchte.<br />

Obgleich Rawls den systematischen Stellenwert der gleichen Bildungschancen nicht<br />

herausstreicht, kann die These vom Primat der Bildung in Bezug auf Chancengleichheit an<br />

seine Äußerungen anknüpfen. In der folgenden Passage <strong>wir</strong>d deutlich, dass für Rawls gleiche<br />

Bildungschancen zu den zwei Voraussetzungen gehören, die für die Realisierung fairer<br />

Chancengleichheit in Bezug auf Ämter und Positionen erfüllt sein müssen:<br />

Damit das Prinzip [der fairen Chancengleichheit, CB] seinen Zweck erfüllt, müssen<br />

bestimmte Anforderungen an die Grundstruktur gestellt werden [...]. Ein freies<br />

Marktsystem muß in einen Rahmen politischer und rechtlicher Institutionen<br />

eingebettet werden, die den langfristigen Trend ökonomischer Kräfte so regeln, daß<br />

übermäßige Konzentrationen von Eigentum und Vermögen verhindert werden,<br />

insbesondere solche Formen der Konzentration, die wahrscheinlich zu politischer<br />

Vorherrschaft führen. Außerdem muß die Gesellschaft unter anderem gleiche<br />

Bildungschancen für alle durchsetzen, einerlei, wie hoch das Einkommen der<br />

jeweiligen Familie ist [...] (GaF, 79f., H.v.m.). 6<br />

Neben der Forderung nach gleichen Bildungschancen nennt Rawls die Verhinderung<br />

„übermäßiger Konzentrationen von Eigentum und Vermögen“, die notwendig ist, um<br />

Chancengleichheit in Bezug auf Ämter zu realisieren. Auch wenn dies zweifellos ein<br />

relevanter Punkt ist, ist er im Vergleich mit der Forderung nach gleichen Bildungschancen<br />

sekundär, denn er ist rein negativ, also bloß auf die Verhinderung bestimmter Umstände<br />

ausgerichtet. Die Forderung nach gleichen Bildungschancen ist demgegenüber positiv in dem<br />

Sinn, dass sie nicht nur Konzentration von Macht verhindern möchte, sondern auch auf die<br />

Befähigung von denjenigen drängt, die in der Gesellschaft schlechter gestellt sind. In diesem<br />

Sinn traut Rawls Bildung auch zu, den „Abbau von Klassenschranken“ (TdG, 93f.) zu<br />

be<strong>wir</strong>ken. 7<br />

3. Grenzen der Realisierung fairer Chancengleichheit<br />

Die Frage, wie Chancengleichheit realisiert werden kann, stellt sich demnach primär in Bezug<br />

auf Chancengleichheit in der Bildung. Ich werde im Folgenden untersuchen, inwiefern Rawls’<br />

Theorie eine Antwort auf diese Frage geben kann. Da<strong>bei</strong> werde ich insbesondere in den Blick<br />

6<br />

Ähnlich auch in Politischer Liberalismus: Die Unterschiede hinsichtlich der moralischen und<br />

intellektuellen Fähigkeiten werden „durch soziale Praktiken reguliert, die sich auf die Qualifikation für<br />

Positionen und den freien Wettbewerb vor einem Hintergrund fairer Chancengleichheit beziehen, was<br />

faire Bildungschancen und die Regulierung von Einkommens- und Vermögensunterschieden durch das<br />

Differenzprinzip einschließt“ (PL, 279).<br />

7<br />

Es ist Rawls’ Chancenprinzip vorgeworfen worden, es <strong>bei</strong>nhalte eine interne Widersprüchlichkeit, da<br />

es sich sowohl auf den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt bezieht (der insbesondere für die Realisierung formaler<br />

Chancengleichheit zuständig ist), als auch auf das Bildungssystem gerichtet ist (das gleiche<br />

Startchancen und damit Unabhängigkeit von der sozialen Herkunft ermöglichen soll). Der Bezug auf<br />

unterschiedliche Gel<strong>tun</strong>gsbereiche lasse sich jedoch nicht in einem Prinzip vereinigen (vgl. Richards<br />

1997, 267). Mir leuchtet es jedoch nicht ein, warum der Bezug auf unterschiedliche Gel<strong>tun</strong>gsbereiche ein<br />

Nachteil oder sogar ein interner Widerspruch sein sollte. Das Chancenprinzip muss eben von<br />

verschiedenen Institutionen umgesetzt werden: Institutionen des Bildungswesens sind für die<br />

bestmögliche Entwicklung der natürlichen Fähigkeiten zuständig, während Institutionen des<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmarktes kontrollieren müssen, ob rechtliche Gleichheit im Zugang zu Ämtern garantiert ist (so<br />

auch Wallimann 2008, 24). Ich würde dem Vorwurf nur insofern zustimmen, dass von Rawls nicht<br />

deutlich genug gesagt <strong>wir</strong>d, dass sich Chancengleichheit auf <strong>bei</strong>de Institutionen (des Ar<strong>bei</strong>tsmarktes<br />

und des Bildungssystems) beziehen muss und dementsprechend die Institutionen in <strong>bei</strong>den Kontexten<br />

notwendig sind, um das Prinzip zu ver<strong>wir</strong>klichen.

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