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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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PRIMITIVE NORMATIVITÄT 45<br />

begleitende primitive Normativität jedoch ist sui generis. Ginsborgs Einführung von<br />

„primitiver Normativität“ ähnelt damit einer Strategie, die Kripke in seiner Diskussion des<br />

Regelfolgen-Skeptikers diskutiert und umgehend ver<strong>wir</strong>ft:<br />

Perhaps we may try to recoup [the state of meaning addition by ‘plus’, N.E.], by arguing<br />

that meaning addition by ‘plus’ is a state even more sui generis than we have argued<br />

before. Perhaps it is simply a primitive state, not to be assimilated to sensations or<br />

headaches or any 'qualitative' states, nor to be assimilated to dispositions, but a state of<br />

a unique kind of its own. (Kripke 1982: 51)<br />

Kripke bezeichnet diese teil-reduktionistische Position als unwiderlegbar, aber „verzweifelt“<br />

(ibid.): Der postulierte primitive state soll introspektiv nicht erkennbar sein, aber dennoch<br />

<strong>sollen</strong> <strong>wir</strong> uns seiner bewusst sein, da <strong>wir</strong> uns ja sicher sind, dass plus Addition meint und<br />

dieses Bewusstsein der Sicherheit auf diesem primitive state basiert. Dieser primitive state<br />

bleibt jedoch undurchsichtig und kann damit keinerlei <strong>wir</strong>kliche explanatorische Funktion<br />

erfüllen (ibid.). 9 Gleiches gilt für die Theorie primitiver Normativität: Ginsborg versucht zwar<br />

zu zeigen, dass primitive Normativität nicht auf problematische Weise sui generis ist<br />

(Ginsborg, 2011b: 228), doch unsere unbeantwortet gebliebenen Nachfragen in den<br />

Einwänden 1 und 2 haben gezeigt, dass dieser Versuch scheitert. 10 Sie zeigen, dass auch<br />

primitive Normativität undurchsichtig ist und keine explanatorische Funktion erfüllen kann.<br />

Ginsborgs Theorie fällt auf die obige Antwort auf den Regelfolgen-Skeptiker zurück, die<br />

Kripke bereits verworfen hatte, und verliert damit Bedeu<strong>tun</strong>g und Gewicht in der<br />

Auseinandersetzung mit dem Regelfolgen-Skeptiker.<br />

5. Fazit<br />

Es bleibt abschließend festzuhalten, dass Ginsborgs mit Hilfe primitiver Normativität<br />

entwickelte Theorie keine zufriedenstellende Antwort auf Kripkes Regelfolgen-Skeptiker<br />

bietet. Die dem Begriff der primitiven Normativität inhärenten Probleme stellen seine<br />

Kohärenz und seine Funktionalität grundsätzlich in Frage. Zudem ist die Konzeption<br />

Ginsborgs anscheinend identisch mit einer von Kripke verworfenen teil-reduktionistischen<br />

Antwort auf den Regelfolgen-Skeptiker und scheitert damit auch im breiteren Problemfeld<br />

des Regelfolgens. Es ist zweifellos denkbar, dass die Verwendung des Begriffs der primitiven<br />

Normativität für Wahrnehmungstheorien rehabilitiert werden kann, doch den<br />

Herausforderungen durch Kripkes Regelfolgen-Skeptiker ist der Begriff nicht gewachsen. 11<br />

Nadja El Kassar<br />

Universität Potsdam<br />

nadja.el.kassar@uni-potsdam.de<br />

9<br />

Da ich das Regress-Problem hier nicht diskutiert habe, werde ich Kripkes „wichtigeres“ Argument<br />

Wittgensteins, das die Position ultimativ in den Regress zurückfallen sieht (Kripke 1982: 51ff.),<br />

ignorieren.<br />

10<br />

Ginsborg könnte einwenden, dass sie aber doch mehr zur ‚Geschichte‘ von primitiver Normativität<br />

sagt und damit keine black box einfügt, doch hier greift wieder die Anmerkung zum zweiten Einwand<br />

aus Fußnote 8: Ein layer-cake model von Normativität ist falsch.<br />

11<br />

Für hilfreiche Diskussionen und Anmerkungen danke ich Logi Gunnarsson, David Löwenstein, Luz<br />

Christopher Seiberth und Thomas Jussuf Spiegel.

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