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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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KUNST UND MORAL 429<br />

positive Werturteil der Originalität verdienen. 50 Auch die Originalität eines Werkes kann nun<br />

von seinem moralischen Wert abhängen. 51<br />

De Sades Die 120 Tage von Sodom und Gomorra ist ein originelles Werk. Seine Originalität<br />

hängt zumindest teilweise davon ab, dass in diesem Buch Gewalt auf eine bisher nicht<br />

dagewesene Art und Weise dargestellt und verherrlicht <strong>wir</strong>d. Dies ist aber genau das, was <strong>wir</strong><br />

dem Werk in moralischer Hinsicht vorwerfen.<br />

Oder denken <strong>wir</strong> an Sands Leila. Dieser Roman verdankt seine Originalität teilweise der Art<br />

und Weise wie die weibliche Protagonistin dargestellt <strong>wir</strong>d, nämlich als eine Frau mit einem<br />

differenzierten Innenleben. 52 Solch eine Darstellung einer Frau war für die damalige Zeit<br />

neuartig. Eine Frau so darzustellen stellt aber genau einen positiven moralischen Wert dar.<br />

Weitere Beispiele wären wünschenswert, um diese Einflussnahme ausführlicher zu<br />

illustrieren: Kann ein Werk <strong>bei</strong>spielsweise durch seine moralisch richtige Hal<strong>tun</strong>g banal und<br />

sentimental werden? Man denke <strong>bei</strong>spielsweise an Rosamunde-Pilcher-Romane. Oder kann<br />

eine unmoralische Hal<strong>tun</strong>g die Ironie eines Werkes untergraben? Man denke <strong>bei</strong>spielsweise<br />

an Elis American Psycho. Die bisherigen Beispiele genügen jedoch die Möglichkeit zu zeigen,<br />

dass der moralische Wert den Gesamtwert von Kunstwerken indirekt kontextualistisch<br />

beeinflussen kann.<br />

Zwei Fragen sind im Hinblick auf diese indirekte kontextualistische Einflussnahme noch<br />

offen. Erstens beeinflusst der moralische Wert eines Werkes dessen Gesamtwert immer<br />

indirekt oder gibt es Fälle, <strong>bei</strong> welchen ein Werk zwar moralisch bewertbar ist, diese<br />

Bewer<strong>tun</strong>g aber keine andere tangiert? Diese Möglichkeit sollte eingeräumt werden. Stellen<br />

<strong>wir</strong> uns ein Landschaftsgemälde vor, dessen Titel „Landschaftsgemälde (Töten ist falsch)“<br />

lautet. In dem Titel <strong>wir</strong>d eine moralische Hal<strong>tun</strong>g explizit ausgedrückt und somit scheint das<br />

Werk einen moralischen Wert zu haben. Dieser interagiert jedoch mit keinem Aspekt in dem<br />

Bild und kann somit keine Bewer<strong>tun</strong>g des eigentlichen Gemäldes beeinflussen.<br />

Zweitens kommt die Frage auf, ob man allgemeine Regeln angeben kann, wann ein<br />

moralischer Wert eines Werkes wie welche Bewer<strong>tun</strong>gen beeinflusst. Es ist nicht möglich,<br />

solche Regeln anzugeben. Dies kann man unter Rückgriff auf Sibleys Theorie der ästhetischen<br />

Ausdrücke begründen. Das Besondere an ästhetischen Ausdrücken ist, dass sie nicht positiv<br />

durch Bedingungen bestimmt sind. 53 Vielmehr braucht es Geschmack („taste“), um sie richtig<br />

zuzuschreiben. 54 Nur im direkten Kontakt mit einem Kunstwerk kann entschieden werden,<br />

welche ästhetischen Eigenschaften es hat. Nimmt man diesen Gedanken ernst, kann es auch<br />

im Hinblick auf die Interaktion zwischen moralischem Wert und ästhetischer Eigenschaft<br />

eines Werkes keinen allgemein bestimmbaren Bedingungen geben. Die indirekte<br />

Einflussnahme des moralischen Werts auf den Gesamtwert kann also am besten als<br />

unsystematisch beschrieben werden.<br />

Der moralische Wert eines Werkes kann also den Gesamtwert eines Werkes durch eine<br />

kognitive, affektiv-antwortabhängige oder kunsthistorische Bewer<strong>tun</strong>g indirekt beeinflussen.<br />

Diese Beeinflussung fällt kontextualistisch aus, wo<strong>bei</strong> die Möglichkeit eingeräumt <strong>wir</strong>d, dass<br />

es zu keiner Interaktion kommt. Auch kann sie am besten als unsystematisch beschrieben<br />

werden.<br />

50<br />

Für Argumente, das die Originalität eines Werkes dessen Wert beeinflusst, siehe Hoaglund (1976);<br />

Osborne (1979); Sibley (1985); Kieran (2005).<br />

51<br />

Dieses Argument ist inspiriert durch eine kurze Anmerkung Gauts, auch wenn Gaut sich gegen den<br />

Kontextualismus und für den Ethizismus ausspricht, siehe Gaut (2007: 60).<br />

52<br />

Siehe Schlientz (2008).<br />

53<br />

Siehe Sibley (1959: 424).<br />

54<br />

Siehe Sibley (1959: 421).

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