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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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414 MOCKER<br />

b) Theoretische/Urteilsnormativität:<br />

Dass der Mangel an Evidenzen für bzw. das Übergewicht von Evidenzen gegen den<br />

Glauben qua Handlungsgrund (gegen eine religiöse Praxis) durch pragmatische<br />

Handlungsgründe zugunsten einer religiösen Praxis aufgewogen <strong>wir</strong>d, impliziert nicht,<br />

dass der Mangel an Evidenzen bzw. das Übergewicht von Evidenzen gegen den<br />

Glauben aufhört, ein theoretischer Grund gegen ein theistisches Urteil und für ein<br />

agnostisches bzw. atheistisches Urteil zu sein. Und da ihnen in diesem Kontext,<br />

bezogen auf das Urteil, keine pragmatischen Gründe entgegenstehen, liefert der<br />

Mangel an Evidenzen für bzw. das Übergewicht von Evidenzen gegen den Glauben eine<br />

normative Begründung für ein agnostisches bzw. atheistisches Urteil.<br />

Das ist ein normativer Widerspruch. Ein normativer Widerspruch kann aus mehreren<br />

Gründen auftreten. Erstens, weil etwas, z.B. eine Handlung, widersprüchlich normiert ist:<br />

O(H) ∧ ¬O(H). Oder zweitens deshalb, weil etwas Widersprüchliches normiert ist, z.B. eine<br />

Handlung und ihre Unterlassung: O(H) ∧ O(¬H). Drittens, und das ist hier der Fall, weil<br />

zweierlei Optionen 8 geboten sind, die widersprüchliche Ziele/Zwecke haben. Das sind im<br />

vorliegenden Fall die Praxis der Überzeugungsbildung mit dem Zweck des Glaubens<br />

(Z(G(p))) auf der einen und ein agnostisches bzw. atheistisches Urteil mit dem Ziel 9 eines<br />

agnostischen bzw. atheistischen Überzeugungszustands auf der anderen Seite Z(G(¬p))) bzw.<br />

Z j(G(¬p))): O(Z(G(p))) ∧ O(Z(¬G(p))) bzw. O(Z(G(p))) ∧ O(Z(G(¬p))).<br />

4. Die Auflösung dieses Widerspruchs<br />

Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man die mehrteilige Argumentationsstruktur<br />

beachtet, die pragmatische Argumente bereits in der Pascalschen Analyse zeigen, und im<br />

zweiten Schritt ein plausibles normatives Prinzip einführt.<br />

1. Schritt: konsequentialistische Analyse.<br />

Der erste Schritt ist eine konsequentialistische, „entscheidungstheoretische“ Analyse der<br />

Überzeugungsalternativen sowie der Optionen, welche auf diese Glaubenszustände abzielen:<br />

Welche Option hat den größten Erwar<strong>tun</strong>gswert? 10 Dazu müssen sowohl der Wert des<br />

möglichen Erkenntnis-Erfolgs bzw. -Misserfolgs als auch der Nutzen oder Schaden der<br />

Glaubensalternativen sowie die Wahrscheinlichkeiten für diese Ergebnisse quantitativ<br />

„kalkuliert“ werden. Ergibt diese (quantitative) konsequentialistischen Analyse einen<br />

insgesamt überwiegenden pragmatischen Nutzwert, dann handelt es sich <strong>bei</strong> der der<br />

entsprechenden Glaubensoption um die insgesamt beste Alternative (für eine Person), trotz<br />

fehlender Evidenzen für oder überwiegender Evidenzen gegen den Glauben.<br />

2. Schritt: Prinzipien der gründe- und normativitätstheoretischen Applikation.<br />

Erst ein zweiter Schritt ist dann die normative Applikation der konseqentialistischen<br />

Bewer<strong>tun</strong>g, für die folgende zwei Prinzipien intuitiv plausibel erscheinen:<br />

8<br />

Unter einer „Option“ soll hier einfach dasjenige verstanden werden, das ein möglicher Gegenstand<br />

guter/normativer Gründe ist. Handlungen und Urteile sind Optionen in diesem Sinne.<br />

9<br />

Unter einem „Urteil“ <strong>wir</strong>d hier einfach der Gegenstand einer Begründung durch Evidenzen<br />

verstanden, dessen intendiertes und unmittelbares Resultat eine Überzeugung ist (das Intendiertsein<br />

eines Urteilsresultats legitimiert die Rede von einem „Ziel“ des Urteils). Unter diesen Begriff soll hier,<br />

der Einfachheit halber, aber auch eine Urteilsenthal<strong>tun</strong>g fallen, deren Grund gerade das Fehlen von<br />

Evidenzen ist, so wenn von einem „agnostischen Urteil“ die Rede ist.<br />

10<br />

Pascal ist bekanntlich zu einem Ahnherren der Entscheidungstheorie geworden, die heute wiederum<br />

eine präzise entscheidungstheoretische Rekonstruktion seines Wett-Arguments ermöglicht (vgl. dazu<br />

z.B. Löffler 1996 & 1999 sowie Hacking 1994).

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