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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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382 SCHMECHTIG<br />

Interrogative, da strenge Vollständigkeit nicht (zumindest nicht immer) mit den Grice‘schen<br />

Konversationsmaximen – insbesondere der Maxime der Quantität („sei so informativ wie<br />

möglich“) – vereinbar ist: 19<br />

Beispiel für eine solche Verletzung der Quantitätsmaxime<br />

Peter weiß, dass Hans und Barbara zusammen auf der Party gewesen sind, da er<br />

gesehen hat, wie sie miteinander geflirtet haben. Er weiß aber nicht, wer sonst noch<br />

alles da war. Vor diesem Hintergrund führt Peter mit Klaus (Barbaras eifersüchtigem<br />

Freund) den folgenden Dialog:<br />

Klaus: Weißt Du, wer auf der Party war?<br />

Peter: Nein, ich weiß nicht, wer auf der Party war.<br />

Legt man das Prinzip der strengen Vollständigkeit zugrunde, ist Peter in der vorliegenden<br />

Situation völlig aufrichtig gewesen, denn er hat nichts anderes als die Wahrheit gesagt.<br />

Demgegenüber besagt jedoch die Grice‘sche Intuition, dass Peter im vorliegenden Fall nicht<br />

aufrichtig war. Wenn Peter im Sinne der Quantitätsmaxime kooperativ gewesen wäre, hätte<br />

er gesagt, was er weiß, selbst wenn seine Antwort da<strong>bei</strong> unvollständig ist. Noch gravierender<br />

ist vielleicht ein zweiter Aspekt: Wenn Klaus voraussetzt, dass sich Peter im Sinne der<br />

Quantitätsmaxime kooperativ verhält, <strong>wir</strong>d er annehmen, dass Peter keine Information hat,<br />

die er als Antwort auf die gestellte Frage anführen kann. Doch das ist dann ganz sicher falsch.<br />

Man könnte an dieser Stelle einwenden, dass es sich hier<strong>bei</strong> „nur“ um einen pragmatischen<br />

Effekt handelt. Streng genommen sagt Peter im vorliegenden Dialog die Wahrheit. 20 Diese<br />

Erwiderung ist jedoch aus zwei Gründen nicht zulässig: Erstens hatte ich bereits erwähnt,<br />

dass Befürworter des Begriffs der strengen Vollständigkeit im Zusammenhang mit dem<br />

ersten Einwand (Negation von Wissens-Zuschreibungen) dafür argumentiert haben, dass ihre<br />

Sichtweise zumindest unter normalen konversationalen Umständen zutreffend ist.<br />

Entsprechend kann jetzt nicht behauptet werden, dass die pragmatischen Bedingungen für<br />

ihre Position keine Rolle spielen. Zweitens ist es einfach falsch, dass Peter streng genommen<br />

die Wahrheit sagt. Auch wenn man strenge Vollständigkeit zugesteht, sind zwei Fälle zu<br />

unterscheiden: (a) Peter weiß nicht, dass es eine Proposition gibt, die eine Antwort auf die<br />

Frage liefert. (b) Peter weiß nicht, dass es eine Proposition gibt, die als Teil einer<br />

vollständigen Menge eine Antwort auf die Frage liefert. Gemäß dieser Unterscheidung lässt<br />

sich wie folgt argumentieren: Im vorliegenden Dialog sagt Peter streng genommen nicht die<br />

Wahrheit, denn dazu hätte er etwas in der Art von (b) behaupten müssen. Peter sagt aber<br />

etwas in der Art von (a) – und das ist definitiv falsch.<br />

Ein weiteres Grundproblem des reduktionistischen Ansatzes stellen kongruente Antworten<br />

dar, die sich in explanatorischer Hinsicht als irrelevant erweisen. Ausgangspunkt ist die<br />

allgemeine Beobach<strong>tun</strong>g, dass „Warum-Fragen“ in der Semantik für responsive Interrogative<br />

eine Sonderstellung einnehmen, da sich im Zusammenhang mit solchen Fragen oft überhaupt<br />

keine vollständigen Antwortmengen konstruieren lassen (z.B. „Warum ist die Erde rund?“).<br />

Diese Sonderstellung trägt im Fall von Wissen dazu <strong>bei</strong>, dass es Fälle gibt, in denen S eine<br />

kongruente Antwort weiß, die Zuschreibung von Wissen aber nicht korrekt ist, da die Antwort<br />

im Kontext von S keine explanatorische Relevanz besitzt. Das allgemeine Schema für die<br />

Bildung derartiger Problemfälle sieht wie folgt aus:<br />

Schema für Gegen<strong>bei</strong>spiele mit eingebetteten „Warum“-Fragen<br />

S weiß, dass p, p ist eine wahre Antwort, aber S weiß p nicht als Antwort auf die<br />

indirekte „wh“-Frage.<br />

19<br />

Vgl. zu dieser Art von Einwand: George (2011).<br />

20<br />

Ein solcher Einwand wurde <strong>bei</strong>spielsweise von Wolfgang Freitag (in mündlicher Konversation)<br />

erwähnt.

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