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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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Explanatorisches Verstehen: Ein<br />

Definitionsvorschlag<br />

Christoph Baumberger<br />

In diesem Aufsatz entwickle ich eine Definition von explanatorischem Verstehen, indem ich<br />

dieses mit Wissen vergleiche. Erstens zeige ich, inwiefern explanatorisches Verstehen das<br />

Erfassen einer anspruchsvolleren Erklärung und eine anspruchsvollere Rechtfertigung<br />

verlangt als explanatorisches Wissen. Zweitens argumentiere ich dafür, dass die Erklärung<br />

den Tatsachen gerecht werden muss, explanatorisches Verstehen aber im Gegensatz zu<br />

Wissen nicht immer faktiv ist. Drittens verteidige ich die Auffassung, dass explanatorisches<br />

Verstehen, anders als Wissen, mit epistemischem Glück kompatibel ist. Als Ergebnis schlage<br />

ich vor, dass S (in einem gewissen Ausmaß) versteht, warum p, gdw. S jede der folgenden<br />

Bedingungen (in einem gewissen Ausmaß) erfüllt: (a) S legt sich auf eine Erklärung E fest,<br />

die aus dem Explanandum p und einem Explanans besteht, das zeigt, wie p von q abhängt,<br />

(b) S erfasst E, (c) S ist fähig, E zu rechtfertigen, und (d) E <strong>wir</strong>d den Tatsachen gerecht. Die<br />

Bedingungen (b) und (c) verlangen bestimmte Fähigkeiten: das Erfassen einer Erklärung die<br />

Fähigkeit, von ihr Gebrauch zu machen, und das Rechtfertigen einer Erklärung die Fähigkeit,<br />

zeigen zu können, dass sie die beste verfügbare und eine hinreichend gute Erklärung ist. Ich<br />

zeige, wie die Definition für objektuales Verstehen adaptiert werden kann, und argumentiere<br />

gegen eine Reduktion des explanatorischen Verstehens auf propositionales Verstehen.<br />

1. Einlei<strong>tun</strong>g<br />

Die Erkenntnistheorie <strong>wir</strong>d in der Regel als Theorie des Wissens charakterisiert, wo<strong>bei</strong><br />

Wissen mit propositionalem Wissen identifiziert <strong>wir</strong>d. In den letzten Jahren ist dieser Fokus<br />

auf Wissen in Frage gestellt und zunehmend die Auffassung vertreten worden, dass vielmehr<br />

Verstehen unser primäres kognitives Ziel ist. Es ist dafür argumentiert worden, dass eine<br />

solche Auffassung es ermöglicht, den Wissenschaften gerecht zu werden (Elgin 1996; 2007),<br />

intellektuelle Tugenden zu identifizieren (Zagzebski 2001; Riggs 2003), das Wertproblem für<br />

Wissen zu vermeiden (Kvanvig 2003; Pritchard 2010) und die Moral gegen den Egoisten zu<br />

verteidigen (Hills 2010). Während diese Rollen für den Verstehensbegriff ausführlich<br />

diskutiert wurden, gibt es bisher in der Erkenntnistheorie kaum Versuche, ihn zu definieren.<br />

Man kann zumindest drei Verstehenstypen unterscheiden. Auch wenn die Umgangssprache<br />

nicht immer ein verlässlicher Führer ist, <strong>wir</strong>d in der Regel je nachdem, ob die Zuschreibung<br />

einen dass-Satz, einen indirekten Fragesatz oder eine Nominalphrase verwendet, zwischen<br />

propositionalem, interrogativem und objektualem Verstehen unterschieden (Grimm 2011:<br />

84–88). In diesem Aufsatz schlage ich eine Definition von explanatorischem Verstehen vor,<br />

das oft als die wichtigste Form interrogativen Verstehens angesehen <strong>wir</strong>d. Explanatorisches<br />

Verstehen ist in erster Näherung ein Verstehen, warum etwas der Fall ist, anhand einer<br />

Erklärung, welche die Warum-Frage beantwortet. Ein solches Verstehen muss nicht über<br />

einen indirekten Fragesatz zugeschrieben werden; man kann dazu auch eine Nominalphrase<br />

verwenden, zum Beispiel, wenn man sagt, jemand verstehe die Ursache von etwas.<br />

Ich entwickle meine Definition, indem ich explanatorisches Verstehen mit Wissen vergleiche.<br />

In Abschnitt 2 zeige ich, dass man wissen kann, dass und selbst warum etwas der Fall ist,<br />

ohne zu verstehen, warum es der Fall ist, explanatorisches Verstehen also weder mit<br />

propositionalem noch mit explanatorischem Wissen äquivalent ist. Für meine Definition<br />

resultiert eine Erfassensbedingung und eine Rechtfertigungsbedingung. In Abschnitt 3 zeige

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