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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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24 REDE ÜBER FIKTIVE KONTEXTE<br />

Consider the famous question, How many children had Lady Macbeth? One traditional<br />

line of thought runs as follows: Any definite answer to this question would be wrong.<br />

(‘None’ would be wrong, ‘One’ would be wrong, ‘Two’ would be wrong, and so on.) But,<br />

according to the rules of logic that we apply to ordinary, nonfictional <strong>bei</strong>ngs, some<br />

definite answer would have to be right. (Van Inwagen 1983: 75)<br />

Mit der Begrifflichkeit, die ich in Abschnitt 2 entwickelt habe, lässt sich dieser Einwand auf<br />

zwei verschiedene Weise reformulieren. In der ersten Form besagt er, dass Lady Macbeth ein<br />

unvollständiger Gegenstand ist. Das Argument geht dann so: Shakespeares „Macbeth“ zufolge<br />

fällt Lady Macbeth unter das Prädikat „ist eine Frau“. Da „ist eine Frau“ eine Determinable<br />

hinsichtlich der Determinaten „hat 0 Kinder“, „hat 1 Kind“, „hat 2 Kinder“ usw. ist, ist Lady<br />

Macbeth nur dann vollständig, wenn für alle natürlichen Zahlen n „Lady Macbeth hat n<br />

Kinder“ entweder wahr oder falsch ist. Man nehme also an, dass Lady Macbeth vollständig<br />

ist. Dann ist der Satz „Lady Macbeth hat 0 Kinder“ wahr oder falsch. Da er offensichtlich<br />

nicht wahr ist, ist er somit falsch und es existiert daher eine natürliche Zahl n größer 0,<br />

sodass „Lady Macbeth hat n Kinder“ wahr ist. Dies ist jedoch nicht der Fall und es folgt somit<br />

ein Widerspruch. Also war die Annahme falsch und Lady Macbeth ist kein vollständiger<br />

Gegenstand. 8<br />

Nun könnte man freilich erwidern, dieses Argument ließe sich blockieren, indem man einfach<br />

festlegt, dass es eine natürliche Zahl n gibt, sodass Lady Macbeth n Kinder hat. Da<br />

Shakespeares Geschichte – so die Erwiderung weiter – keinerlei Auskunft über die Anzahl<br />

ihrer Nachkömmlinge gebe, sei diese Festlegung vollkommen harmlos. Doch auch diese<br />

Erwiderung hilft nicht weiter, denn obschon sie Lady Macbeth vor der Unvollständigkeit<br />

bewahrt, gelingt es ihr doch nicht, sie auch zu einem individuierbaren Gegenstand zu<br />

machen. Zwar gibt es nun per Definition eine natürliche Zahl n, sodass „Lady Macbeth hat n<br />

Kinder“ wahr ist. Aber noch immer gilt, dass für jede natürliche Zahl n die Frage, ob Lady<br />

Macbeth n Kinder hat, insofern sinnlos ist, als die angemessene Antwort stets lautet: „Das ist<br />

doch total egal! Wenn es Dich glücklich macht zu sagen, sie habe n Kinder, dann darfst Du<br />

das gerne <strong>tun</strong>. Aber ebenso gut kannst Du sagen, dass sie m Kinder hat.“<br />

Ich möchte nun noch ganz kurz die Positionen Terence Parsons’ vorstellen, die ich so<br />

interpretiere, dass sie explizit einräumt, dass fiktive Gegenstände unvollständig sind. Parsons<br />

zufolge haben fiktive Gegenstände genau diejenigen Eigenschaften, die ihnen gemäß der<br />

fiktionalen Medien zukommen, in denen sie erwähnt werden. Fiktive Gegenstände seien<br />

somit in der Regel unvollständig, „for the body of literature in question will not determine all<br />

of their properties“. (Parsons 1974: 74) Zum Beispiel habe Sherlock Holmes genau diejenigen<br />

Eigenschaften, die ihm laut Conan Doyles Geschichten zukommen. Da es diesen Geschichten<br />

zufolge aber weder wahr noch falsch ist, dass Holmes ein Muttermal an seinem linken Bein<br />

hat, sei Holmes in Bezug auf die Eigenschaft unvollständig, ein Muttermal am linken Bein zu<br />

haben. Diese Auskunft Parsons’ ist freilich das offene Eingeständnis, dass seine Theorie OF<br />

nicht gerecht <strong>wir</strong>d. Sherlock Holmes als einen Gegenstand zu betrachten, der zwar unter die<br />

Determinable „hat ein linkes Bein“ fällt, von dem es aber weder wahr noch falsch ist, dass er<br />

unter die zugehörige Determinate „hat ein Muttermal am linken Bein“ fällt, ist schlicht<br />

unverständlich.<br />

Ich kann die Ergebnisse der letzten Absätze zusammenfassen, indem ich sage, dass die<br />

vorgestellten naiven Theorien der Semantik von AFKs insofern hinter Russells Ansatz<br />

zurückbleiben, als sie einen bewahrenswerten Aspekt seiner Theorie aufgeben – nämlich den,<br />

nur auf Gegenstände zurückzugreifen, die vollständig und individuierbar sind. Oder anders<br />

8<br />

Van Inwagen versucht dieses Problem zu lösen, indem er behauptet, dass erstens fiktive Gegenstände<br />

Eigenschaften nicht haben sondern halten und zweitens „[no] principle of logic says anything about<br />

what properties an object must hold“. (Van Inwagen 1983: 76) Ich betrachte diese Auskunft jedoch eher<br />

als exzentrische Reformulierung denn als Lösung des Problems und werde daher nicht weiter auf sie<br />

eingehen.

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