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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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BLUMENTHAL 21<br />

Russells Theorie der Semantik von AFKs<br />

Mit a legt sich s darauf fest, dass es eine bestimmte Menge fiktionaler Medien W gibt,<br />

die entweder p enthält oder andere Aussagen, aus denen p folgt.<br />

Aufgrund des eng gefassten Russell’schen Existenzbegriffs verstehe ich seine Theorie so, dass<br />

er unter fiktionalen Medien Tokens und nicht Types versteht, den Ausdruck also so fasst, dass<br />

mein Exemplar von Büchners „Lenz“ ein anderes fiktionales Medium ist als Deines. Somit<br />

<strong>wir</strong>d Russells Analyse offensichtlich OF gerecht, da nur auf vollkommen unproblematische<br />

Gegenstände rekurriert <strong>wir</strong>d – nämlich auf Dinge wie <strong>bei</strong>spielsweise konkrete mündliche<br />

Erzählungen und einzelne Exemplare bestimmter Bücher. Außerdem trägt sie – wenngleich,<br />

wie in der Folge klar werden <strong>wir</strong>d, auf unglückliche Art und Weise – dem Umstand<br />

Rechnung, dass zwischen den von AFKs gemachten Aussagen und Aussagen über fiktionale<br />

Medien in der Tat enge inferentielle Beziehungen bestehen.<br />

Dennoch ist Russells Theorie unbefriedigend. Der wohl berühmteste Einwand geht von der<br />

Beobach<strong>tun</strong>g aus, dass <strong>wir</strong> ihr zufolge mit einer AFK behaupten, dass bestimmte fiktionale<br />

Medien existieren. Tun sie dies nicht, <strong>wir</strong>d die AFK nach Russells Analyse falsch. Diese<br />

Beschreibung, so geht der Einwand weiter, ist jedoch unangemessen. Denn in Wahrheit<br />

behauptet eine AFK gerade nicht, dass bestimmte fiktionale Medien existieren. Sie setzt dies<br />

vielmehr voraus, und zwar insofern, als sie misslingt und unverständlich <strong>wir</strong>d, falls deren<br />

Existenz nicht gegeben ist. Oder anders ausgedrückt: Russells Analyse <strong>wir</strong>d IF nicht gerecht,<br />

da ihr zufolge AFKs in anderen inferentiellen Beziehungen stehen, als sie das faktisch <strong>tun</strong>.<br />

(Searle 1979: 160)<br />

Russells Theorie verfehlt IF aber noch auf andere, interessantere Art und Weise. Man<br />

betrachte dazu die folgende kleine Geschichte:<br />

Die Geschichte vom Hans<br />

Hans starrte aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne, aber das tat sie schon seit<br />

Tagen. Er ging zum Kühlschrank, öffnete ihn, ließ seinen Blick dreißig Sekunden lang<br />

sinnlos zwischen Joghurtbechern und Milchflaschen hin und her schweifen und<br />

machte den Kühlschrank wieder zu. Er starrte wieder aus dem Fenster. Die Sonne<br />

schien immer noch.<br />

Nun ist folgende AFK klarerweise wahr:<br />

(2) Lisa: „Dem Hans war langweilig.“<br />

Gemäß Russells Theorie ist die von Lisa durch (2) gemachte Aussage aber die folgende:<br />

(3) Es gibt die Geschichte vom Hans, die entweder die Aussage „Dem Hans war<br />

langweilig“ enthält oder andere Aussagen, aus denen „Dem Hans war langweilig“<br />

folgt.<br />

(3) ist jedoch falsch, denn „Dem Hans war langweilig“ folgt aus keinen der in der Geschichte<br />

vom Hans enthaltenen Aussagen. Russells Theorie charakterisiert somit einige AFKs als<br />

falsch, obwohl sie tatsächlich wahr sind. Andererseits können nur Menschen ihren Blick<br />

sinnlos zwischen Joghurtbechern und Milchflaschen hin und her schweifen lassen, und man<br />

ist somit gemäß Russells Analyse darauf verpflichtet, eine AFK als wahr anzuerkennen, die<br />

behauptet, Hans sei ein Mensch. Eine solche AFK ist jedoch nicht wahr, denn die kleine<br />

Geschichte sagt in Bezug auf Hans’ Mensch- oder Nicht-Mensch-Sein schlicht überhaupt<br />

nichts. Er könnte ebenso ein Insekt oder ein Alien sein – <strong>wir</strong> befinden uns schließlich in einer<br />

fiktiven Welt.<br />

Russells Theorie scheitert also insofern, als sie IF dadurch auf eklatante Art und Weise<br />

verletzt, dass sie einigen AFKs Wahrheitswerte zuweist, die nicht denjenigen entsprechen, die<br />

sie tatsächlich haben. Der Grund für dieses Scheitern ist nun über die Diskussion des

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