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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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154 HIRSCH HADORN<br />

eine moralische Überlegung dafür, das Risiko falsch negativer Ergebnisse zu minimieren.<br />

Dass moralische und prudentielle Gesichtspunkte für die Festlegung des Signifikanzniveaus<br />

empirischer Genauigkeit ausschlaggebend sind, also eine indirekte Funktion haben, verleiht<br />

diesen Werten somit nicht den Status eines epistemischen Standards. Auch funktionieren<br />

nicht-epistemische Werte nicht unbedingt wie ein Standard im technischen Sinne, sondern<br />

<strong>bei</strong>nhalten Überlegungen, welche <strong>bei</strong>spielsweise in die Festlegung von Regeln oder<br />

Richtgrössen münden.<br />

Nicht-epistemische Werte sind auch für epistemische Kriterien struktureller Adäquatheit von<br />

Bedeu<strong>tun</strong>g. So sprechen Effizienzüberlegungen für einfache Theorien im Sinne von<br />

rechnerisch einfach handhabbaren Theorien, während ästhetische oder kognitive Gründe die<br />

Einfachheit der Form von Theorien betreffen. In welcher Bedeu<strong>tun</strong>g und ob überhaupt<br />

Einfachheit ein sinnvolles epistemisches Kriterium ist, hängt der Position eines<br />

pluralistischen Pragmatismus zufolge vom Zweck der Theorien ab. Indem nicht-epistemische<br />

Werte eine Funktion <strong>bei</strong> der Spezifizierung und Gewich<strong>tun</strong>g von epistemischen Standards<br />

adäquater Evidenz und struktureller Adäquatheit haben, sind nicht-epistemische Werte für<br />

die Rechtfertigung von epistemischen Standards relevant, zusätzlich zu den ontologischen,<br />

epistemologischen u.a. Voraussetzungen des jeweiligen Forschungsgebietes, welche die<br />

Forschungsstrategie bestimmen und damit entsprechende epistemische Standards (Lacey<br />

2004). Beruht die Konzeption eines Forschungsproblems <strong>bei</strong>spielsweise auf einem<br />

Systembegriff wie im Falle der Klimaforschung, dann ist die Komplexität der zur Diskussion<br />

stehenden Modelle, d.h. Anzahl und Heterogenität der in Betracht gezogenen Variablen und<br />

Beziehungen, ein wichtiger epistemischer Standard. Der Grad der Auflösung in räumlicher<br />

und zeitlicher Hinsicht ist ein weiterer wichtiger epistemischer Standard für strukturelle<br />

Adäquatheit, wenn es auf der Basis eines Systemansatzes um die Verwendung von Modellen<br />

für lebensweltliche Probleme geht. Für die Rechtfertigung von epistemischen Standards zur<br />

Beurteilung von Theorien gilt es somit, Überlegungen theoretischer und praktischer<br />

Philosophie einzubeziehen und auf einander zu beziehen (McLaughlin 1970, Foley 1988).<br />

3.3 Konsequenzen für eine Konzeption der Beurteilung von Theorien<br />

Der traditionellen Auffassung zufolge ist die Beurteilung von Theorien in der<br />

Grundlagenforschung und der angewandten Forschung konzeptionell verschieden. In der<br />

angewandten Forschung soll eine zweite, zusätzliche Beurteilung anhand von nichtepistemischen<br />

Werten erfolgen, während die epistemischen Werte der Grundlagenforschung<br />

auch für angewandte Forschung gelten <strong>sollen</strong>. Ich argumentiere hingegen mit der<br />

unterschiedlichen Funktion epistemischer und nicht-epistemische Werte dafür, die<br />

Beurteilung von Theorien in der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung nicht<br />

konzeptionell zu unterscheiden, da in <strong>bei</strong>den Fällen epistemische Standards eine direkte<br />

Funktion haben und nicht-epistemische Werte eine indirekte, d.h. bezogen auf die<br />

Spezifikation und Gewich<strong>tun</strong>g epistemischer Standards. Hingegen sind die jeweiligen<br />

epistemischen Standards und nicht-epistemischen Werte für diese Forschungsformen<br />

mindestens teilweise verschieden.<br />

Die Grundgedanken einer solchen allgemeinen Konzeption lassen sich in fünf Punkten<br />

zusammenfassen. (i) Der Kern ist ein Begriff von epistemischen Werten, welche ein Ideal<br />

wissenschaftlicher Theorie vage artikulieren und als Standards für Beurteilung von Theorien<br />

dienen. (ii) <strong>Was</strong> als gute Theorie anerkannt bzw. besser als eine andere Theorie ist, soll sich<br />

an Standards sowohl für Evidenz als auch für die Struktur von Theorien bemessen. Theorien<br />

<strong>sollen</strong> also hinsichtlich Evidenz und Struktur adäquat für die Art ihres Zweckes sein. (iii)<br />

Epistemische Standards be<strong>dürfen</strong> der Spezifikation und Gewich<strong>tun</strong>g für die Anwendung. Dies<br />

ist die Funktion von nicht-epistemischen Werten wie moralischen und prudentiellen<br />

Überlegungen einerseits, aber auch von ontologischen, epistemologischen u.a.<br />

Voraussetzungen des jeweiligen wissenschaftlichen Zugangs andererseits. Unterschiedlichen

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