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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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152 HIRSCH HADORN<br />

struktureller Adäquatheit von Theorien im Anschluss an Überlegungen von Shrader-<br />

Frechette (1989) und Cartwright (2006) sowie (iii) ein pragmatisches Verständnis von<br />

„Adäquatheit“, welches <strong>bei</strong>nhaltet, dass Theorien für den jeweiligen Zweck adäquat sein<br />

<strong>sollen</strong>, was einen Pluralismus epistemischer und nicht-epistemischer Werte zur Folge hat, wie<br />

dies z.B. von Foley (1988) vertreten <strong>wir</strong>d. Diese Vorschläge laufen der Annahme einer<br />

einseitigen epistemischen Abhängigkeit der angewandten Forschung von der<br />

Grundlagenforschung entgegen. Daher ist der Terminus „angewandte Forschung“<br />

irreführend. Während im Englischen mit dem Ausdruck „use“ eine terminologische<br />

Alternative besteht - <strong>bei</strong>spielsweise „evidence for use“ (Cartwright 2006) oder „use-inspired<br />

basic research“ (Stokes 1997) -, steht ein geeigneter Vorschlag im Deutschen noch aus, so<br />

dass ich im Folgenden den Ausdruck „angewandte Forschung“ verwende.<br />

3. Funktionen epistemischer und nicht-epistemischer Werte<br />

Epistemische und nicht-epistemische Werte haben verschiedene Funktionen in der<br />

Beurteilung von Theorien: Epistemische Werte dienen als Standards zur Beurteilung von<br />

Theorien. Sie werden auf Theorien angewandt und haben somit eine direkte Funktion in der<br />

Beurteilung von Theorien. Nicht-epistemische Werte dienen hingegen dazu, epistemische<br />

Standards zu spezifizieren, z.B. die Festlegung des Signifikanzniveaus <strong>bei</strong> der<br />

Operationalisierung des epistemischen Standards „empirische Genauigkeit“. Da nichtepistemische<br />

Werte auf epistemische Standards angewandt werden, ist ihre Funktion <strong>bei</strong> der<br />

Beurteilung von Theorien indirekt. Epistemische Standards wie Universalität, Einfachheit,<br />

Erklärungskraft u.a. sind oftmals abstrakt und vage formuliert. Für ihre Anwendbarkeit sind<br />

Spezifikationen und Gewich<strong>tun</strong>gen nötig, die auf unterschiedliche Weise vorgenommen<br />

werden können. Während die Praxis in der Grundlagenforschung diesbezüglich oftmals<br />

unkontrovers scheint und diskussionslos erfolgt (Kuhn 1977), gibt es dazu in der<br />

angewandten Forschung sehr kontroverse Debatten, nicht zuletzt aufgrund der traditionellen<br />

Auffassung der Beurteilung von Theorien.<br />

3.1 Epistemische Werte<br />

Die direkte Funktion epistemischer Werte besteht darin, dass sie als Standards oder Kriterien<br />

in der Beurteilung von Theorien dienen. Mit den epistemischen Standards ist festgelegt,<br />

welche Eigenschaften erforderlich sind, um als eine gute wissenschaftliche Theorie anerkannt<br />

zu werden, oder aufgrund der Ausprägungen dieser Eigenschaften besser als eine andere<br />

Theorie abzuschneiden. Einem Vorschlag von Hempel (1965, 1983) zufolge artikulieren<br />

epistemische Standards ein Ideal wissenschaftlicher Theorie. Zu den epistemischen Kriterien<br />

zählt Hempel nicht nur empirische Genauigkeit und Konsistenz, welche die Evidenz für eine<br />

Theorie betreffen. Um als eine gute Theorie anerkannt bzw. besser als eine andere Theorie<br />

eingeschätzt zu werden, müssen Überzeugungen noch weitere Eigenschaften aufweisen, zu<br />

denen üblicherweise Universalität, Einfachheit, Fruchtbarkeit, Erklärungskraft u.a. zählt. Van<br />

Fraassen (1980) nennt diese weiteren Eigenschaften „pragmatic virtues“. Im Rahmen einer<br />

pragmatischen Konzeption entsteht damit jedoch eine Unklarheit, da auch die Kriterien der<br />

Evidenz einer dem jeweiligen Zweck entsprechenden Präzisierung be<strong>dürfen</strong>, z.B. welches<br />

Fehlerrisiko minimiert werden soll. Daher übernehme ich Hempels breite Verwendung des<br />

Terminus „epistemischer Standard“, unterscheide aber innerhalb der epistemischen<br />

Standards nochmals zwischen Kriterien für adäquate Evidenz und solchen für strukturelle<br />

Adäquatheit von Theorien. Hempel verwendet auch den Ausdruck „desiderata“ (Hempel<br />

1983). Dieser Ausdruck zeigt zwar den Bezug zum Ideal wissenschaftlicher Theorie als Grund<br />

für den normativen Status an, ist aber in Bezug darauf, was genau gewünscht <strong>wir</strong>d, unklar:<br />

die Standards selbst oder dass Theorien bezüglich dieser Standards besser abschneiden.

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