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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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150 HIRSCH HADORN<br />

weiterer Grund sind prinzipielle Probleme der empirischen Überprüfbarkeit von Modellen,<br />

wenn <strong>bei</strong>spielsweise relevante Prozesse von historischen Umständen abhängen, wenn<br />

Modellvorhersagen nicht überprüfbar sind wie im Falle grosser Zeiträume, wenn unter<br />

Wissenschaftlern kontrovers ist, welche Parameter relevant sind u.a.<br />

Zunächst schlägt Shrader-Frechette (1989) vor, die epistemischen Werte der<br />

Grundlagenforschung um zwei zusätzliche Kriterien zu erweitern, wenn es darum geht zu<br />

beurteilen, ob die Verwendung einer in der Grundlagenforschung akzeptierten Theorie in der<br />

angewandten Forschung zulässig ist. Erstens erachtet sie es für nötig, dass die Idealisierung<br />

durch die Berücksichtigung vernachlässigter Faktoren korrigiert <strong>wir</strong>d. Ihr zweites Kriterium<br />

betrifft sodann den Grad an empirischer Genauigkeit, der für eine Anwendung zu erfüllen ist.<br />

Der im dritten Abschnitt diskutierten Unterscheidung innerhalb epistemischer Werte zufolge<br />

betrifft das erste Kriterium die strukturelle Adäquatheit von Theorien, das zweite ihre<br />

Adäquatheit in Bezug auf Evidenz. In einem späteren Aufsatz (Shrader-Frechette 1997) greift<br />

sie statt dessen die traditionelle Unterscheidung zwischen einer epistemischen Rationalität<br />

von Überzeugungen und einer ethischen Rationalität von Handlungen auf und fordert „to<br />

employ ethical rationality as well as scientific rationality“ (Shrader-Frechette 1997: S149,<br />

siehe auch S157, S158). Dieses additive Verhältnis <strong>wir</strong>d jedoch durch ihre weiteren<br />

Ausführungen in Frage gestellt. Ist eine Theorie nicht gut genug und keine bessere<br />

Alternative vorhanden, dann stimmt sie im Falle der Grundlagenforschung der Auffassung<br />

zu, diese Theorie aus epistemischen Gründen zu verwenden. Im Falle der angewandten<br />

Forschung vertritt sie hingegen die Position, dass ethische, d.h. moralische und prudentielle<br />

Gründe eine Verwendung verbieten, um negative Folgen für Betroffene zu vermeiden. Bei der<br />

Entscheidung, welches Fehlerrisiko zu minimieren ist, vertritt sie die Position, dass<br />

epistemische Gründe dafür sprechen, in der Grundlagenforschung das Risiko von Fehlern<br />

erster Art, d.h. von falsch positiven Resultaten, zu minimieren, während ethische Gründe<br />

dafür sprechen, in der angewandten Forschung das Risiko von Fehlern zweiter Art, d.h. von<br />

falsch negativen Ergebnissen, zu minimieren. Sowohl <strong>bei</strong> der Entscheidung, ob eine schlechte<br />

Theorie verwendet werden soll, als auch <strong>bei</strong> der Entscheidung, welches Fehlerrisiko zu<br />

minimieren ist, kann aber jeweils nur eine der <strong>bei</strong>den Alternativen gewählt werden. Das<br />

spricht gegen ein additives Verhältnis von epistemischer und ethischer Rationalität. Shrader-<br />

Frechette selbst deutet dies an anderer Stelle auch an, denn sie kritisiert „to extend criteria<br />

from one domaine (pure science) to another (applied science) for which they may not be well<br />

suited“ (Shrader-Frechette 1997: S157). Ein zweites Problem besteht darin, dass die<br />

Unterscheidung zwischen epistemischer und ethischer Rationalität selbst unklar ist. Denn <strong>bei</strong><br />

der Frage, ob Fehler erster oder zweiter Art minimiert werden <strong>sollen</strong>, geht es nicht einfach<br />

darum, ob anhand eines epistemischen oder eines ethischen Kriteriums entschieden werden<br />

soll. Vielmehr ist jede der <strong>bei</strong>den Alternativen mit epistemischen und ethischen Kriterien<br />

verbunden, was ich im dritten Abschnitt im Zusammenhang mit einer Klärung des Begriffes<br />

„epistemischer Wert“ zeigen werde.<br />

Für ihre Kritik an der traditionellen Auffassung von der Rolle epistemischer und nichtepistemischer<br />

Werte bezieht sich Douglas (2000) wie schon Shrader-Frechette auf das<br />

induktive Risiko <strong>bei</strong> der Annahme empirischer Hypothesen bzw. Theorien. Ziel ihrer<br />

Argumentation ist zu zeigen, dass nicht-epistemische Werte nicht nur <strong>bei</strong> der<br />

wissenschaftsexternen Verwendung von Forschungsresultaten eine Rolle spielen und dies<br />

auch <strong>sollen</strong>, sondern auch <strong>bei</strong> zentralen Entscheidungen im Forschungsprozess selbst, und<br />

zwar nicht nur in Bezug auf die Akzeptanz von Modellen, sondern auch <strong>bei</strong> Entscheidungen<br />

über den methodischen Ansatz, die Interpretation der Daten u.a. Da<strong>bei</strong> schließt sie die<br />

Grundlagenforschung ein, weil deren Resultate als wissenschaftlich gesichert gelten und<br />

unter Umständen ohne weitere Prüfung möglicher negativer Folgen für lebensweltliche<br />

Probleme verwendet werden. Douglas greift auf die Analyse des induktiven Risikos von<br />

Hempel (1965) zurück: Da entweder das Risiko falsch positiver oder dasjenige falsch<br />

negativer Resultate durch eine entsprechende Festlegung des Signifikanzniveaus minimiert

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