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Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

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Epistemische und nicht-epistemische Werte in<br />

der angewandten Forschung<br />

Gertrude Hirsch Hadorn<br />

Theorien können verschiedenen Arten von Zwecken dienen. In diesem Beitrag <strong>wir</strong>d aus der<br />

Position eines pluralistischen Pragmatismus dafür argumentiert, dass sich die Beurteilung<br />

von Theorien in der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung darin<br />

unterscheiden <strong>sollen</strong>, welche epistemischen und nicht-epistemischen Werte in <strong>bei</strong>den Fällen<br />

dem jeweiligen Zweck der Theorie angemessen sind. Epistemische und nicht-epistemische<br />

Werte haben verschiedene Funktionen. Epistemische Werte artikulieren meist vage ein Ideal<br />

wissenschaftlicher Theorie. Sie dienen als Standards zur Beurteilung von Theorien. Da<strong>bei</strong> ist<br />

zwischen Standards für die Adäquatheit von Evidenz und solchen für strukturelle<br />

Adäquatheit von Theorien zu unterscheiden. Epistemische Standards haben somit eine<br />

direkte Funktion, nicht-epistemische wie moralische und prudentielle Werte hingegen eine<br />

indirekte. Sie dienen dazu, epistemische Standards zu spezifizieren und zu gewichten. Diese<br />

verschiedenen Funktionen sind zu berücksichtigen wenn zu beurteilen ist, ob die<br />

Verwendung von Theorien für lebensweltliche Probleme zulässig ist. Es <strong>wir</strong>d gezeigt, dass in<br />

den Richtlinien zur Beurteilung der Unsicherheit von Modellen in den Sachstandsberichten<br />

des Weltklimarates einerseits Adäquatheit von Evidenz und strukturelle Adäquatheit von<br />

Modellen unklar vermischt sind, andererseits auch die indirekte Funktion nichtepistemischer<br />

Werte kaum bedacht <strong>wir</strong>d.<br />

1. Einlei<strong>tun</strong>g<br />

Einer traditionellen Auffassung zufolge, wie sie <strong>bei</strong>spielsweise von Giere (2003) vertreten<br />

<strong>wir</strong>d, ist die praktische Beurteilung von Theorien hinsichtlich ihrer Eignung als<br />

Handlungsgrundlage für Zwecke der Lebenswelt anhand von nicht-epistemischen Werten<br />

von ihrer epistemischen Beurteilung als gerechtfertigte Überzeugung anhand von<br />

epistemischen Werten zu unterscheiden. Für die praktische Beurteilung <strong>wir</strong>d die<br />

epistemische Beurteilung vorausgesetzt und unterstellt, dass die epistemische Beurteilung<br />

von Theorien in der Grundlagenforschung die Rationalität von wissenschaftlichen Theorien<br />

überhaupt sichert (Hansson 2007, Carrier 2004). Die Termini „Grundlagenforschung“ und<br />

„angewandte Forschung“ verdanken dieser Unterstellung viel von ihrer Plausibilität.<br />

In der Kritik an der traditionellen Position <strong>wir</strong>d erstens in Frage gestellt, ob epistemische<br />

Werte der Grundlagenforschung für die Beurteilung von Theorien in der angewandten<br />

Forschung überhaupt geeignet sind. Grund dafür ist, dass sich die Verwendung akzeptierter<br />

Theorien der Grundlagenforschung für die Erforschung lebensweltlicher Probleme<br />

verschiedentlich als ein Fehlschlag erwiesen hat, <strong>bei</strong>spielsweise im Falle von medizinischen<br />

Problemen (z.B. Cartwright und Munro 2011, Carrier und Finzer 2011), oder von<br />

Umweltproblemen (z.B. Shrader-Frechette 1989, Kriebel et al. 2001). Zweitens <strong>wir</strong>d die<br />

Unterscheidung epistemischer Werte von nicht-epistemischen grundsätzlich in Frage gestellt.<br />

Ein Argument dafür lautet, dass epistemische Werte auf sozialen Konventionen beruhen, was<br />

einen Begriff von „epistemisch“ im Sinne der analytischen Epistemologie in Frage stellt.<br />

Dieser Kritik zufolge sollte die relevante Diskussion darüber geführt werden, welche Werte<br />

auf welche Weise gut oder schlecht für die Wissenschaft sind. Ferner sollte beachtet werden,<br />

dass in allen Phasen eines Forschungsprozesses Entscheidungen getroffen werden, nicht nur

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