25.12.2013 Views

Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben? - bei DuEPublico ...

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

140 HAUSWALD<br />

eine entscheidende Rolle. 5 Wir sind hier mit dem klassischen Problem der hinweisenden oder<br />

ostensiven Definition konfrontiert, das Wittgenstein ausführlich behandelt hat (vgl. z.B.<br />

Wittgenstein 1984a: 254). Ein deklarativer Sprechakt wie „Dies soll N heißen“ allein reicht<br />

noch nicht hin, um die Beziehung zwischen Namen und Namensträger erfolgreich zu<br />

etablieren, da der indexikalische Ausdruck „dies“ in dem Sinn semantisch völlig unbestimmt<br />

ist, dass damit noch keine konkrete, irgendwie näher bestimmte Entität herausgegriffen <strong>wir</strong>d.<br />

Dies ist erst dann möglich, wenn der Ausdruck „dies“ im Kontext einer konkreten<br />

Konversation geäußert <strong>wir</strong>d, <strong>bei</strong> der unter den Teilnehmern in Bezug auf eine hinreichend<br />

große Anzahl von Sachverhalten Einigkeit im Sinne eines gemeinsamen Wissens (common<br />

knowledge) herrscht. Zu diesen Sachverhalten gehört z.B., dass ein hinreichend ähnlicher<br />

begrifflicher Rahmen verwendet <strong>wir</strong>d, so dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die<br />

Teilnehmer die Gegenstände in ihrer Umgebung auf gleiche oder ähnliche Weise<br />

individuieren. Erst wenn diese Einigkeit gewährleistet ist, können die Sprecher sich mit „dies“<br />

(unterstützt durch Zeigegesten oder ähnliches) auf ein- und dasselbe Objekt beziehen. Fehlt<br />

die Einigkeit, bliebe unbestimmt, ob mit „Dies soll N heißen“ nun ein Mensch, oder z.B. nur<br />

der Teil eines Menschen (vielleicht auch ein zeitlicher Teil, eine Phase), oder das<br />

mereologische Aggregat der Atome, die den Menschen in diesem Moment konstituieren, oder<br />

auch einfach ein Punkt oder Abschnitt im Raumzeitkontinuum benannt werden soll. Eine<br />

solche Klärung setzt Beschreibungen voraus, die nicht unbedingt explizit vorgenommen<br />

werden müssen, sondern auch als selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Bei der<br />

Taufe eines Menschen ist in der Regel klar, dass keine Raum- oder Zeitpunkte, sondern eben<br />

Menschen bezeichnet werden <strong>sollen</strong> (die Formulierung „Ich taufe dich N“ ist auch insofern<br />

spezifischer, als die zu taufende Entität als Person herausgegriffen <strong>wir</strong>d).<br />

Gegen diese behauptete deskriptive, intensionale oder sortale Vermittlung <strong>bei</strong> einer<br />

Einführung direkt referierender Ausdrücke könnte man versuchen,<br />

(gedankenexperimentelle) Gegen<strong>bei</strong>spiele anzuführen. <strong>Was</strong> zum Beispiel, wenn sich der als N<br />

getaufte vermeintliche Mensch plötzlich als Roboter oder Zombie herausstellt? Hört dann der<br />

Name N auf, zu referieren? Das scheint kontraintuitiv zu sein; viel eher läge die Reaktion<br />

nahe zu sagen, „N ist eigentlich kein Mensch, sondern ein Roboter/Zombie“, oder „N hat sich<br />

als Roboter/Zombie herausgestellt“. Ich denke allerdings, dass das nur deswegen so ist, weil<br />

Menschen, Roboter und Zombies hinreichend ähnliche Entitäten sind. <strong>Was</strong> aber, wenn (um<br />

mit Wittgenstein zu sprechen) „etwas <strong>wir</strong>klich Unerhörtes geschähe“ 6 , wenn das Objekt, von<br />

dem angenommen wurde, dass es mit N bezeichnet wurde, sich völlig anders verhalten würde<br />

als ein Mensch, wenn es vielleicht verschwinden und wieder auftauchen, oder sich in mehrere<br />

„Menschen“ aufspalten würde (welcher davon ist N?), die dann wieder verschmelzen, wäre es<br />

dann nicht fraglich, ob überhaupt jemals eine erfolgreiche Verbindung zwischen dem Namen<br />

N und irgendeinem Objekt hergestellt worden ist, ob <strong>bei</strong> der Taufe überhaupt ein Objekt vom<br />

Typ X (oder eines hinreichend ähnlichen Typs) anwesend war (letztlich könnte auch eine<br />

(kollektive) Illusion vorgelegen haben, dass ein Objekt, das man taufen könnte, anwesend<br />

ist)?<br />

<strong>Was</strong> gerade vorrangig in Bezug auf Eigennamen (bzw. von solchen bezeichnete Einzeldinge)<br />

erläutert wurde, kann auch auf die Einführung eines Natürliche-Arten-Terms und dessen<br />

5<br />

Vgl. zur sortalen Vermittlung u.a. Geach (1980: 67f.) und Lowe (2009: 29f.). Auch Evans (1982) stellt<br />

ähnliche Überlegungen an. Er möchte die direkte Referenztheorie um ein Prinzip ergänzen (er nennt es<br />

„Russell’s principle“), das besagt, dass eine Bezugnahme auf bzw. ein Urteil über ein bestimmtes Objekt<br />

nicht möglich ist, solange nicht gewisse minimale Formen des Wissens über dieses Objekt vorliegen.<br />

6<br />

„Wie, wenn etwas <strong>wir</strong>klich Unerhörtes geschähe? wenn ich etwa sähe, wie Häuser sich nach und nach<br />

ohne offenbare Ursache in Dampf verwandelten; wenn das Vieh auf der Wiese auf den Köpfen stünde,<br />

lachte und verständliche Worte redete; wenn Bäume sich nach und nach in Menschen und Menschen in<br />

Bäume verwandelten. Hatte ich nun recht, als ich vor allen diesen Geschehnissen sagte ‚Ich weiß, daß<br />

das ein Haus ist‘ etc., oder einfach ‚Das ist ein Haus‘ etc.?“ (Wittgenstein 1984b: 222; vgl. auch<br />

Wittgenstein 1984a: 285).

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!