Special Issue IOSOT 2013 - Books and Journals

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80 W. Zimmerli / Vetus Testamentum IOSOT (2013) 77-86 nachträglich—hier dann mit der speziellen Akzentuierung Kohelets—zur parallel gebauten Doppelaussage aufgelängt werden kann.18 2) Prov. xxx belegt, wie solche Einzeiler im Zahlenspruch durch die Klammer einer Zahl unter einem bestimmten Thema zusammengefasst werden können.19 Der Zahlenspruch dieser Art ist bei Kohelet nicht belegt. Dafür finden sich aber in iii 2-8 zweimal sieben gleichgestaltete, im antithetischen Parallelismus gebaute Feststellungen über die ϰαιρός-Gebundenheit aller Lebensbewegungen. Sie belegen auch hier, wie die Zusammenbindung innerlich verwandter Feststellungen unter einer bestimmten, hier allerdings nicht ausdrücklich genannten, sondern vom Leser selbst zu entdeckenden Zahlenrechnung eine thematisch geschlossene Durchformung erfahren kann. 3) In der Sammlung Prov. xxii 17 ff. findet sich mehrfach die Erweiterung eines feststellenden Aussagewortes durch ein vorgeschaltetes Mahnwort. Man meint hier sogar einen ausgesprochenen Formwillen zu erkennen, der die hebräische Version der Sprucheinheiten deutlich von der Gestaltung der „30 Kapitel“ in der ägyptischen Vorlage, der Lehre des Amenemope, unterscheidet.20 Bei Kohelet ist diese Formmöglichkeit etwa in der kleinen Zusammenstellung von Worten zum gottesdienstlichen Leben in iv 17-v 6 (Gang zum Heiligtum, Reden von Gott, Gelübde, Irrtums-Vergehen), wenn auch schon in einer gewissen formalen Zersetzung,21 verwendet. 4) Eine andere Erweiterungsmöglichkeit des kurzen, feststellenden Maschal zeigt das Spruchgefüge Prov. xxiv 30-34, das eine Betrachtung über den Acker des Faulen enthält. Einer doppelzeiligen Sentenz, welche die dem Faulen drohende Armut aussagt, ist hier ein in 1. pers. ganz persönlich gehaltener Bericht vorangestellt, der den Gang des Weisen zum Feld des Faulen und die dabei aufsteigenden Reflexionen ausdrückt.22 Diese Form der Erweiterung der neutralen Sentenz durch einen vorangestellten, persönlich wirkenden Erlebnisbericht wird nun bei Kohelet zu einer besonders beliebten Redeform. Zwei ausgeprägte 18) Dem durch Chiasmus und Alliteration gekennzeichneten v.a שׁם משׁמן טוב ‏,טוב der in Prov. xxii 1 seine gedankliche Entsprechung hat, wird in v.b die spezifische Beleuchtung durch Kohelet besitzt. zugefügt, die nicht die formale Prägnanz des ersten Versteils ויום המות מיום הולדו 19) Vgl. etwa in Prov. xxx 18 f. die Zusammenfassung von vier geheimnisvollwunderbaren Phäno- ‏.דרך menen der Natur- und Menschenwelt unter dem Stichwort 20) Vgl. etwa die Gestaltung von Prov. xxii 22 f. mit dem inhaltlich entsprechenden 2. Kap. des Amenemope (Gressmann, AOT 2 39; Pritchard, ANET 422). 21) So wird etwa in iv 17b noch eine überschießende Feststellung, in v 2 als Zweitbegründung noch eine zweite, neutrale Sentenz (Aussagewort) zugefügt. 22) In anderer Weise ist in Prov. vi 6-11 der gleichen doppelzeiligen Sentenz eine in 2. pers. gehaltene Mahnung, sich an das Vorbild der Ameise zu halten, vorangestellt.

W. Zimmerli / Vetus Testamentum IOSOT (2013) 77-86 81 Beispiele derselben sind gleich in i 12-15 und i 16-18 zu finden. Beidemale wird hier eine Reflexion Kohelets über sein prüfendes Erforschen der Dinge des Lebens, seine Suche nach Weisheit und deren negatives Ergebnis durch eine neutral formulierte einzeilige Sentenz, bei der man erwägen kann, ob er sie nicht schon vorgefunden hat, abgeschlossen und zugleich begründet. Die paar Hinweise müssen genügen, um die erste Erkenntnis zu formulieren, zu der das Buch Kohelet, wenn es formgeschichtlich auf seine Vorstufen hin geprüft wird, führt: Kohelet kommt in der formalen Gestalt seiner Worte zweifellos von den Formmöglichkeiten der Spruchweisheit her.23 Hier stellt sich unmittelbar die zweite Frage: Ist das heute vorliegende Buch Kohelet danach mit Galling wie Prov. x ff. als eine reine Sammlung je voneinander unabhängiger Sentenzen zu verstehen, wobei mit Ellermeier zum Begreifen der vorliegenden Aufreihung das Prinzip der Stichwortanreihung oder bestenfalls einer thematischen Assoziation genügt? Dagegen sperren sich nun doch eine Reihe von Wahrnehmungen. Es sei dieses am Zusammenhang von vi 10-12 mit vii 1 ff. sichtbar gemacht. Nach Ellermeier liegt hier eine Stichwortanreihung unter dem Stichwort טוב vor.24 Galling findet in vi 10-12 und vii 1-14 zwei getrennte Sentenzen und lehnt es ausdrücklich ab, in vi 10-12 die Einleitung einer grösseren Komposition zu sehen.25 Nun ist ohne Zweifel in vi 10-12 ein Wortgefüge zu lesen, das es mit der „Vorbestimmung des Daseins“ (Galling) zu tun hat. In seinem Zusammenhang bricht aber in der Polemik gegen das „viele Worte machen“ die Frage auf: „Wer weiß, was für den Menschen gut ist im Leben—die begrenzten Tage seines Lebens hindurch?“ (vi 11). Wenn auf diese Frage hin in vii 1-14 nun die geballte Fülle von nicht weniger als ‏,‏Sprüchen‏-טוב welche zunächst in komparativer Gestaltung den Vorzug des 7 Achtens auf das Ende zum Ausdruck bringen, folgt—ist das bloss äusserliche Stichwortanreihung? Diese Antwort befriedigt nicht. Und wenn das Ganze in der 7. Aussage‏-טוב in die positive Mahnung ausmündet, am „guten Tage im Guten“ zu sein (vii 14), d.h. das dargereichte Gute zu ergreifen, und dann auch den bösen Tag hinzunehmen, weil der Mensch das Geheimnis Gottes nicht durchschaut, so will darin unverkennbar auch eine Antwort auf die Frage von vi 11 formuliert sein. Auch zur Erklärung der Wahrnehmung, daß dann gleich hinterher in vii 15 ff. die Ermahnung folgt, das Übermaß an Gerechtigkeit wie 23) Einer zusätzlichen Bemühung griechischer Denkbewegung (Braun) scheint mir Kohelet hier nicht bedürftig zu sein. 24) L.c. i 1 p. 124. 25) Kommentar 1969 p. 105, gegen Hertzberg z.St.

W. Zimmerli / Vetus Testamentum <strong>IOSOT</strong> (<strong>2013</strong>) 77-86 81<br />

Beispiele derselben sind gleich in i 12-15 und i 16-18 zu finden. Beidemale wird<br />

hier eine Reflexion Kohelets über sein prüfendes Erforschen der Dinge des<br />

Lebens, seine Suche nach Weisheit und deren negatives Ergebnis durch eine<br />

neutral formulierte einzeilige Sentenz, bei der man erwägen kann, ob er sie<br />

nicht schon vorgefunden hat, abgeschlossen und zugleich begründet.<br />

Die paar Hinweise müssen genügen, um die erste Erkenntnis zu formulieren,<br />

zu der das Buch Kohelet, wenn es formgeschichtlich auf seine Vorstufen hin<br />

geprüft wird, führt: Kohelet kommt in der formalen Gestalt seiner Worte zweifellos<br />

von den Formmöglichkeiten der Spruchweisheit her.23<br />

Hier stellt sich unmittelbar die zweite Frage: Ist das heute vorliegende Buch<br />

Kohelet danach mit Galling wie Prov. x ff. als eine reine Sammlung je vonein<strong>and</strong>er<br />

unabhängiger Sentenzen zu verstehen, wobei mit Ellermeier zum<br />

Begreifen der vorliegenden Aufreihung das Prinzip der Stichwortanreihung<br />

oder bestenfalls einer thematischen Assoziation genügt? Dagegen sperren sich<br />

nun doch eine Reihe von Wahrnehmungen. Es sei dieses am Zusammenhang<br />

von vi 10-12 mit vii 1 ff. sichtbar gemacht. Nach Ellermeier liegt hier eine Stichwortanreihung<br />

unter dem Stichwort טוב vor.24 Galling findet in vi 10-12 und<br />

vii 1-14 zwei getrennte Sentenzen und lehnt es ausdrücklich ab, in vi 10-12 die<br />

Einleitung einer grösseren Komposition zu sehen.25 Nun ist ohne Zweifel in<br />

vi 10-12 ein Wortgefüge zu lesen, das es mit der „Vorbestimmung des Daseins“<br />

(Galling) zu tun hat. In seinem Zusammenhang bricht aber in der Polemik<br />

gegen das „viele Worte machen“ die Frage auf: „Wer weiß, was für den Menschen<br />

gut ist im Leben—die begrenzten Tage seines Lebens hindurch?“ (vi 11).<br />

Wenn auf diese Frage hin in vii 1-14 nun die geballte Fülle von nicht weniger als<br />

‏,‏Sprüchen‏-טוב welche zunächst in komparativer Gestaltung den Vorzug des 7<br />

Achtens auf das Ende zum Ausdruck bringen, folgt—ist das bloss äusserliche<br />

Stichwortanreihung? Diese Antwort befriedigt nicht. Und wenn das Ganze in<br />

der 7. Aussage‏-טוב in die positive Mahnung ausmündet, am „guten Tage im<br />

Guten“ zu sein (vii 14), d.h. das dargereichte Gute zu ergreifen, und dann auch<br />

den bösen Tag hinzunehmen, weil der Mensch das Geheimnis Gottes nicht<br />

durchschaut, so will darin unverkennbar auch eine Antwort auf die Frage von<br />

vi 11 formuliert sein. Auch zur Erklärung der Wahrnehmung, daß dann gleich<br />

hinterher in vii 15 ff. die Ermahnung folgt, das Übermaß an Gerechtigkeit wie<br />

23) Einer zusätzlichen Bemühung griechischer Denkbewegung (Braun) scheint mir Kohelet hier<br />

nicht bedürftig zu sein.<br />

24) L.c. i 1 p. 124.<br />

25) Kommentar 1969 p. 105, gegen Hertzberg z.St.

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