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GAMM Rundbrief 2002/Heft 2

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<strong>GAMM</strong>-Jahrestagung <strong>2002</strong> in Augsburg 25<br />

Trotz dieser auch heute und in aller Zukunft gültigen Erkenntnisse hat man die technisch<br />

orientierten Universitäten mit Anwendungsfächern vollgestopft und die Grundlagenfächer<br />

zurückgedrängt. Dies alles unter dem großen Beifall der Industrie und der Medien, die<br />

Berufsfertigkeiten Vorrang vor den Berufsfähigkeiten geben wollen, denn gerade die<br />

Universität muss im Vergleich zu anderen Hochschularten allergrößten Wert auf die fundierte<br />

Vermittlung des Grundlagenwissens legen, andernfalls stellt sie ihre Existenz in Frage und darf<br />

sich nicht beklagen, wenn sie Hochschulen mit andersartigen selbstverständlich ebenfalls<br />

wichtigen Aufgaben gleichgestellt wird. Es geht bei der Universitätsausbildung nicht in erster<br />

Linie um Berufsfertigkeit.<br />

Ausbildungsgänge mit diesem Schwerpunkt bieten andere Einrichtungen an – sondern um<br />

Berufsfähigkeit. Das erfordert fundierte auf Wissenschaft und Theorie basierende Grundlagen.<br />

Sie garantieren allein eine sinnvolle Basis für lebenslanges Weiterlernen, auch in der Industrie.<br />

Ich kann dies aus eigener Erfahrung nur bestätigen.<br />

Die Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik sollte und muss auch in Zukunft<br />

zu diesem Thema an die Öffentlichkeit treten. Eine Basis ist bereits von den Kollegen Sein und<br />

Wagner geschaffen. So kann man in der unter der Leitung von Herrn Stein entstandenen<br />

Denkschrift über die Mechanik nachlesen, dass der berufsfähige Universitätsabschluss in den<br />

Ingenieurwissenschaften vor allem die grundlagenbezogene und zuverlässige Denkfähigkeit im<br />

jeweiligen Fachgebiet gewährleisten muss, nicht zuletzt um Verantwortung für die Sicherheit<br />

von Ingenieurprodukten übernehmen zu können. Außerdem ist die kontinuierliche<br />

Weiterbildung nur durch ein abrufbares Basiswissen, nicht durch Überblickswissen möglich.“<br />

Und weiter:<br />

„Deshalb muss die Forderung nach noch mehr Breite des Primärstudiums zu Lasten der<br />

Basisfächer im Hinblick auf die weitere angestrebte Straffung und Verkürzung der<br />

Ingenieurstudiengänge als gefährlich angesehen werden. Man kann sich in einem<br />

Weiterbildungskurs leicht zusätzliches Überblickswissen verschaffen. Der Erwerb von<br />

gesichertem Basiswissen setzt jedoch ein in der Regel mühevolles Studium voraus, wozu im<br />

Beruf meist die Zeit fehlt.“<br />

Ich kann bestätigen, dass in einem industriellen Beruf immer die Zeit dazu fehlt. In einem<br />

Memorandum zur Situation der Strömungsmechanik an den deutschen Universitäten, das von<br />

Herrn Kollegen Wagner und weiteren Kollegen abgefasst wurde, heißt es:<br />

„Die Bedeutung einer hohen wissenschaftlichen Kompetenz in einem Grundlagenfach, wie<br />

hier die Strömungsmechanik, ist für technische Anwendungen unübersehbar: Fast alle<br />

technischen Innovationen resultieren aus der Gewinnung neuer grundlegender Erkenntnisse in<br />

den Basiswissenschaften.“<br />

Die Ausbildung in Frankreich ist in dieser Hinsicht deutlich überlegen, und daher wird dieses<br />

Land in modernen Technologien langfristig wohl die Führung übernehmen.<br />

Die Gesellschaft der Angewandten Mathematik und Mechanik wird zunehmend<br />

internationaler, dies nicht nur, weil sie im Trend der Zeit liegt, sondern weil es auch von den<br />

Gründungsvätern bereits vorgedacht war. So schrieb Ludwig Prandtl am 15. Juni 1938 an das<br />

Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung:

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