GAMM Rundbrief 2002/Heft 2
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12 <strong>GAMM</strong> - Mitteilungen<br />
Habilitation verzichtet werden muss, wenn man die Attraktivität der deutschen Hochschulen<br />
für den wissenschaftlichen Nachwuchs im internationalen Maßstab wirkungsvoll sichern will.<br />
Die Argumente gegen die Habilitation als Einstellungsvoraussetzung für Professoren und<br />
Professorinnen an Universitäten sind:<br />
- In keinem vergleichbaren Land der Welt ist der Abstand zwischen der Selbständigkeit der<br />
Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer und der Abhängigkeit des Nachwuchses so<br />
groß wie in Deutschland.<br />
- Mit den Möglichkeiten eigene Ideen zu verwirklichen, sind in Deutschland nur 45 % der<br />
Postdocs zufrieden (gegenüber 66 - 78 % in NL, S, GB, USA und J). Insbesondere der<br />
Spielraum für die Gestaltung der Lehr- und Forschungsaktivitäten wird von ihnen als<br />
gering eingeschätzt 1 .<br />
- Die Habilitation führt ohne Stufen einer Zwischenevaluation auf "Alles oder Nichts" hin.<br />
Für viele Habilitierende, gerade in den Kulturwissenschaften, endet diese Phase<br />
hochfliegender Erwartungen aber selbst im Falle einer erfolgreichen Habilitation im<br />
Nichts.<br />
- Habilitierte sind in Deutschland im Durchschnitt 40 Jahre alt. Eine berufliche Neuorientierung<br />
ist zu Beginn des fünften Lebensjahrzehnts so gut wie unmöglich.<br />
- Die lange Habilitationsphase mindert die Attraktivität des Hochschullehrerberufs.<br />
Hochqualifizierte Nachwuchskräfte kehren der Hochschule häufig den Rücken.<br />
- Die Habilitation betont einseitig die Forschungsleistungen; sie trägt vielfach nur wenig<br />
zum Forschungsfortschritt bei.<br />
- Die Habilitation steht dem Ziel einer deutlichen Erhöhung des Frauenanteils in der<br />
Professorenschaft entgegen.<br />
- Die wissenschaftliche Qualifikation wird in einem Berufungsverfahren ohnehin gründlich<br />
geprüft.<br />
- International ist die Habilitation völlig unerheblich.<br />
Die Habilitationszeiten sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer länger geworden. So<br />
ist das Durchschnittsalter der am schnellsten habilitierenden Gruppe des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses, nämlich der Gruppe der Assistentinnen und Assistenten, nach neuester<br />
Feststellung des Wissenschaftsrates zwischen 1992 und 1999 weiter von knapp über 37 Jahren<br />
auf fast 38 ½ Jahre angestiegen. Bei der Bewertung der Zahlen für die wissenschaftlichen<br />
Assistentinnen und Assistenten ist - auch hierauf weist der Wissenschaftsrat hin - allerdings zu<br />
berücksichtigen, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die ihre<br />
Habilitation erst nach Ablauf der Assistentur beenden, statistisch unter anderen Kategorien<br />
erfasst werden, vornehmlich unter "Habilitation ohne Beschäftigungsverhältnis", bei<br />
Weiterbeschäftigung nach der Assistentur etwa auch unter Habilitation als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter. Das faktische durchschnittliche Habilitationsalter derjenigen, die im Rahmen ihrer<br />
Qualifikationsphase eine Assistentur besetzt haben, dürfte demnach höher liegen, als es die<br />
Statistik für die wissenschaftlichen Assistentinnen und Assistenten ausweist. Diejenigen<br />
Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschafter, die im Zeitpunkt der<br />
Habilitation arbeitslos sind, bilden mit rd. 35 % die größte Gruppe unter den Habilitierten.<br />
1 Ergebnisse der von Prof. Teichler, Uni Kassel, durchgeführten deutschen Teilstudie einer von der USamerikanischen „Carnegie Foundation<br />
for the Advancement of Teaching“ 1992 angeregten Befragung von Hochschullehrern und Nachwuchswissenschaftlern in D, NL, 5, GB, USA<br />
und J.