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Nr. 141-Oktober 2009 - RotFuchs

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<strong>RotFuchs</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong> Seite 9<br />

Dem Titel des Beitrags „Konrad Henleins<br />

Nachfolger bleiben gefährlich ...“ von<br />

Dr. Rudolf Dix ist zuzustimmen, auch den<br />

meisten Einschätzungen und Schlußfolgerungen<br />

des Autors. Einige wenige mir<br />

unscharf erscheinende Formulierungen<br />

können indes nicht unwidersprochen bleiben.<br />

Es beginnt eigentlich schon mit den<br />

Begriffen „Sudetenland“, „sudetendeutsch“<br />

usw. In Jahrhunderten friedlichen Nebeneinanders<br />

und Miteinanders von Tschechen,<br />

Slowaken und Deutschen gab es die<br />

Iglauer, Zwittauer, Böhmerwälder, Egerländer,<br />

Prager, Brünner, Reichenberger<br />

oder Karlsbader Deutschen, die sich über<br />

ihren Wohn- oder Heimatort definierten.<br />

Vertretern des nach der Reichsgründung<br />

aufkommenden deutschen Nationalismus<br />

reichte das allerdings nicht. Sie suchten<br />

nach einer „völkischen“ Klammer. Einer<br />

ihrer Wortführer, der spätere Aktivist der<br />

Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei<br />

(DNSAP), Franz Jesser – er gehörte<br />

bis in die 50er Jahre zu den Honoratioren<br />

der Sudetendeutschen Landsmannschaft in<br />

der BRD – verwandte als erster den Begriff<br />

„Sudetenland“. Das war 1902 im Prager<br />

Wochenblatt „Deutscher Volksbote“. Und er<br />

meinte damit auch die Iglauer, Zwittauer,<br />

Böhmerwälder, Brünner, Reichenberger<br />

und Prager Deutschen. Es machte ihm gar<br />

nichts aus, daß die Sudeten (tschechisch<br />

und polnisch Sudety) ein Gebirgszug sind,<br />

der die nordöstliche Umrandung des Böhmischen<br />

Beckens zwischen dem Zittauer<br />

Becken und der Mährischen Pforte bildet,<br />

der Brünn und Prag nicht einmal von weitem<br />

tangiert. Jesser hob damit einen Kampfbegriff<br />

aus der Taufe, der von den Realitäten<br />

weit entfernt war. Es ging um ein bis dato<br />

nicht vorhandenes Volksgruppenkonstrukt<br />

mit separatistischem Hintergrund.<br />

Dr. Dix hätte sich daran erinnern können,<br />

daß die deutsche Bevölkerung in Böhmen,<br />

Mähren und Schlesien Teil des Staatsvolkes<br />

des zur österreichisch-ungarischen Monarchie<br />

gehörenden Königreiches Böhmen<br />

war und nach dem Zerfall der Donaumonarchie<br />

folgerichtig zu Staatsbürgern des<br />

Rechtsnachfolgers, also der Tschechoslowakischen<br />

Republik, wurde. Dann wäre<br />

er vermutlich mit seinem Verweis auf die<br />

14 Thesen des USA-Präsidenten Woodrow<br />

Wilson vom 8. Januar 1918 anders umgegangen.<br />

Der zehnte Punkt des 14-Punkte-<br />

Programms bezieht sich eindeutig auf Völker,<br />

nicht auf nationale Minderheiten. Der<br />

„selbständige Staat ..., der mit der genannten<br />

Bevölkerungszahl denkbar gewesen wäre“,<br />

beruhte auf Wunschdenken und konnte<br />

nur ein politisches Ziel nationalistischer<br />

Separatisten sein.<br />

Mehr historische Genauigkeit verdienen<br />

auch die (zu knappen) Anmerkungen zu den<br />

Beneš-Dekreten, mit denen bis in unsere<br />

Tage von regierenden Politikern und der<br />

extremen Rechten der BRD wahrheitswid-<br />

Vorsicht bei heißen Kartoffeln!<br />

„Sudetenland“ war ursprünglich ein nationalistischer Kampfbegriff<br />

rig Schindluder getrieben wird. Diese 143<br />

Dekrete des Präsidenten der Republik, die<br />

auf jeweiliges Ersuchen der von den Alliierten<br />

anerkannten tschechoslowakischen<br />

Exilregierung mit Sitz in London erlassen<br />

worden waren, sind von der Tschechoslowakischen<br />

Nationalversammlung mit Verfassungsgesetz<br />

57/1946 Sb. am 28. März<br />

Demonstrative Umarmung von Merkel<br />

und der Revanchisten-Führerin Steinbach<br />

(beide CDU)<br />

1946 bestätigt und zum Gesetz erhoben<br />

worden. Sie regelten in der Zeit nach Beendigung<br />

der faschistischen Okkupation, also<br />

in jener Periode, in welcher es noch keine<br />

gewählte gesetzgebende Körperschaft<br />

geben konnte, die Rechtsordnung der ersten<br />

Nachkriegszeit. Ähnlich mußten das auch<br />

die Exilregierungen anderer von der faschistischen<br />

Wehrmacht okkupiert gewesener<br />

europäischer Länder wie Frankreich, Niederlande,<br />

Polen, Dänemark und Norwegen<br />

tun. Acht dieser Dekrete beziehen sich auf<br />

staatsbürgerliche, eigentumsrechtliche und<br />

strafrechtliche Regelungen, die ehemalige<br />

tschechoslowakische Staatsbürger deutscher<br />

und ungarischer Nationalität sowie<br />

tschechische und slowakische Nazikollaborateure<br />

betreffen.<br />

„Die Beneš-Dekrete bleiben, obwohl sie<br />

heute erloschen, unwirksam und nicht<br />

anwendbar sind, Bestandteil der tschechischen<br />

Rechtsordnung.“ Diese Erklärung des<br />

tschechischen Außenministers Kavan vom<br />

März 2003 gibt nicht etwa eine Neuigkeit<br />

wieder, sondern bekräftigt nur einen seit<br />

mindestens 50 Jahren bekannten Sachverhalt.<br />

All jene Politiker und Journalisten,<br />

vor allem in südlichen Gefilden dieses Landes,<br />

verletzen ihre Sorgfaltspflicht, wenn<br />

sie sich über den tatsächlichen Inhalt der<br />

Dekrete nicht sachkundig gemacht haben,<br />

oder betreiben bewußte Täuschung der<br />

Öffentlichkeit, wenn sie diese als Grundlage<br />

für die Aussiedlung der „Sudetendeutschen“<br />

bezeichnen und damit wahlfängerisch im<br />

trüben zu fischen versuchen.<br />

Es existiert kein einziges Dekret zur Frage<br />

der Aussiedlung oder Vertreibung nach<br />

1945. Und es gab und gibt auch keine andere<br />

tschechoslowakische Rechtsnorm zu dieser<br />

Frage. Der Bezug auf diese Dekrete ist<br />

sachlich eine Verfälschung der historischen<br />

Wahrheit. Die Aussiedlung erfolgte auf der<br />

Grundlage von Beschlüssen der Alliierten,<br />

vor allem des Potsdamer Abkommens.<br />

In der Tschechischen Republik herrscht bei<br />

allen politischen Kräften in der Frage der<br />

Beneš-Dekrete seltene Einmütigkeit. Auch<br />

in der Slowakischen Republik wurde diese<br />

Rechtsposition offiziell bekräftigt.<br />

Und dieses Thema, da bin ich mit Rudolf<br />

Dix völlig einer Meinung, bleibt aktuell!<br />

Wenn es dazu noch eines Beweises aus<br />

jüngster Zeit bedurft hätte, dann haben<br />

ihn die „böhmisch/mährischen (tschechischen)<br />

und deutschen Kameradengruppen“<br />

geliefert, die kürzlich eine „grundlegende<br />

Vereinbarung“ unterzeichnet haben, in der<br />

die Beneš-Dekrete als völkerrechtswidrig<br />

und als Willkür der alliierten Siegermächte<br />

attackiert werden. Klaus Kukuk<br />

Unser Autor war DDR-Diplomat in der<br />

SSR.<br />

Symbolisches<br />

Berliner Woche <strong>Nr</strong>. 23/09<br />

Nein doch, er lebt und kokettiert.<br />

Zum Schein zwar war er arretiert ...<br />

Und seine Flügel weit gespannt –<br />

Man sagt, es sei fürs Vaterland –<br />

Umwölkt er fremdes Firmament<br />

Nach teutscher Art. Nun ja, es brennt.<br />

Ein Lichterschein für die Vasall’n,<br />

Die sind jetzt frei – in seinen Krall’n.<br />

Läßt er sie fall’n, wenn sie nicht woll’n,<br />

Gar frißt er sie, sind sie verscholl’n.<br />

Und obendrein ein Kreuz als Orden,<br />

Erfreut, ermutigt, neu zu morden.<br />

E. Rasmus

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