18.02.2013 Aufrufe

Nr. 141-Oktober 2009 - RotFuchs

Nr. 141-Oktober 2009 - RotFuchs

Nr. 141-Oktober 2009 - RotFuchs

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>RotFuchs</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong> Seite 25<br />

Kopfjäger der Konzerne<br />

Wie Terroristen Jagd auf Menschenrechtler machten<br />

Ken Saro-Wiwa und Alberto Pizango lernten<br />

sich niemals kennen, aber sie verbinden<br />

die Leidenschaft zur Bewahrung ihrer<br />

Völker und der Eifer, mit dem sie von ihren<br />

jeweiligen Regierungen verfolgt wurden.<br />

Saro-Wiwa wurde am 10. November 1995<br />

von der Regierung Nigerias hingerichtet,<br />

Pizango im Frühjahr <strong>2009</strong> von der peruanischen<br />

Regierung des Aufstands und der<br />

Rebellion angeklagt. Er entging nur knapp<br />

der Festnahme, indem er in die Botschaft<br />

Nikaraguas flüchtete. Dieses Land räumte<br />

ihm politisches Asyl ein.<br />

Zwei indigene Führer – der eine lebt, der<br />

andere ist tot – zeigen, daß effektiver<br />

Widerstand gegen die Macht der Konzerne<br />

Opfer an Leib und Leben kosten kann. Die<br />

Familie von Saro-Wiwa und die Angehörigen<br />

der mit ihm in Nigeria Ermordeten<br />

erreichten unlängst einen noch nie dagewesenen<br />

Entscheid eines Bundesgerichts<br />

der Vereinigten Staaten. Er setzte einer<br />

13 Jahre währenden Schlacht gegen Shell<br />

Oil ein Ende. Die Odyssee von Pizango<br />

beginnt erst.<br />

Peru und Nigeria liegen auf der Landkarte<br />

weit voneinander entfernt, aber beide Länder<br />

sind reich an Bodenschätzen, nach<br />

denen die USA und andere Industriestaaten<br />

lechzen. Im Nigerdelta befindet sich<br />

eines der ergiebigsten Erdölvorkommen<br />

der Welt. Shell Oil begann dort 1958 mit<br />

der Förderung. Bald darauf erlitten die<br />

eingesessenen Völker der Region die Verschmutzung<br />

ihrer Umwelt, die Zerstörung<br />

der Mangrovenwälder und die Erschöpfung<br />

der Fischbestände, die ihr Lebensunterhalt<br />

waren. Das von der Gasverbrennung<br />

erzeugte Flackern erhellte die ganze Zeit<br />

den Himmel. Die Luft wurde verpestet.<br />

Generationen konnten nicht mehr den<br />

Nachthimmel sehen. Die Plünderung, der<br />

die Erde der Ogoni im Nigerdelta unterworfen<br />

wurde, brachte Saro-Wiwa dazu,<br />

eine internationale gewaltlose Kampagne<br />

gegen Shell anzuführen. Er wurde wegen<br />

seines Einsatzes von der nigerianischen<br />

Diktatur festgenommen, einem Scheinprozeß<br />

unterworfen und mit acht anderen<br />

Ogoni-Aktivisten gehängt. Ich selbst war<br />

1998 im Nigerdelta und im Ogoniland, wo<br />

ich Kens Familie kennenlernte. Sein Vater<br />

Jim Wiwa sagte mir damals: „Shell war die<br />

erste Körperschaft, die Nigerias Regierung<br />

benutzte, um unser Eigentum zu rauben,<br />

unsere Häuser niederzubrennen. ... Shell<br />

hat blutige Hände von der Ermordung<br />

meines Sohnes.“<br />

Die Familien klagten gegen Shell Oil,<br />

beschuldigten das riesige Unternehmen<br />

der Beihilfe zu den Hinrichtungen. Es<br />

wurde ihnen eine Anhörung durch ein<br />

US-Gericht zugestanden, und zwar aufgrund<br />

des Gesetzes über die zivilrechtliche<br />

Verantwortlichkeit, wegen derer von<br />

Ausländern geklagt werden kann (Alien<br />

Torts Claim Act). Es gestattet ihnen, vor<br />

US-Gerichten Schadensersatzansprüche<br />

gegen Personen geltend zu machen, die<br />

Kriegsverbrechen, des Völkermordes, der<br />

Folter oder – wie im Fall der neun Ogoni<br />

– auch Hinrichtungen aufgrund außergerichtlicher<br />

Schnellverfahren beschuldigt<br />

werden. Trotz der Anstrengungen des Konzerns,<br />

den Fall Wiwa gegen Shell abzuweisen,<br />

wurde vor einem US-Bundesgericht<br />

in New York der Prozeß angesetzt. Um ihn<br />

abzuwenden, erklärte sich Shell in einer<br />

außergerichtlichen Einigung zur Zahlung<br />

von 15,5 Millionen Dollar bereit.<br />

Perus indianische Bevölkerung protestiert<br />

seit April auf friedliche Weise mit Straßenblockaden<br />

– einer populären Taktik. Das<br />

sogenannte Abkommen über die Förde-<br />

rung des Handels (Trade Promotion Agreement)<br />

zwischen den USA und Peru ist der<br />

Streitpunkt. Seine Umsetzung würde den<br />

Schutz des Landes indigener Völker aufheben<br />

und fremden Unternehmen Zugang<br />

zur Förderung der hier lagernden Bodenschätze<br />

gewähren.<br />

Nach Zeugenberichten verübten Spezialkräfte<br />

der peruanischen Polizei ein Massaker<br />

an Teilnehmern einer der Blockaden.<br />

Alberto Pizango, Anführer der nationalen<br />

Indigenen-Organisation, die sich als Interethnische<br />

Assoziation für die Entwicklung<br />

des peruanischen Urwalds bezeichnet,<br />

klagte die Regierung des Präsidenten Alan<br />

García an, die blutige Attacke befohlen zu<br />

haben. Er erklärte: „Unsere Brüder dort sind<br />

umzingelt. Ich möchte die Regierung für die<br />

Anordnung eines Völkermords verantwortlich<br />

machen ... Zu uns, den Indigenen, haben<br />

sie gesagt, wir seien gegen das System. Aber<br />

wir wollen lediglich, daß die Übereinkunft<br />

169 erfüllt wird, in der es heißt, daß man<br />

uns befragen muß, bevor etwas geschieht.<br />

Doch solche Konsultationen finden in Peru<br />

nicht statt. Ich fühle mich jetzt nicht nur<br />

verfolgt, sondern mein Leben ist in Gefahr,<br />

weil ich das Recht der eingesessenen Völker<br />

verteidige.“ Ken Saro-Wiwa sagte mir<br />

1994 vor seiner Rückkehr nach Nigeria:<br />

„Ich bin ein gezeichneter Mann.“ Alberto<br />

Pizango bot der peruanischen Regierung<br />

und den Unternehmensinteressen, die sie<br />

vertritt, ebenfalls die Stirn. Pizango ist<br />

jetzt gleichfalls ein gezeichneter Mann.<br />

Doch er ist weiterhin am Leben. Wird die<br />

internationale Gemeinschaft gestatten,<br />

daß er und das Volk, dessen Repräsentant<br />

er ist, dasselbe Schicksal erleiden wie Ken<br />

Saro-Wiwa und die Ogonis?<br />

Amy Goodman, übersetzt von Isolda Bohler<br />

Allen Jubilaren des Monats <strong>Oktober</strong> herzliche Glückwünsche.<br />

Unser Gruß geht an den Vater des unserer Solidarität gewissen Friedenskämpfers Kurt Stand, unseren Freund Mille Stand<br />

(20. 10.) in Croton-on-Hudson (New York) und Karl Kielhorn (24. 10.) aus Berlin, die 90 Jahre alt werden.<br />

Wir gratulieren Gerhard Zedler (5. 10.) aus Gera und Günter Flemming (30. 10.) aus Zella-Mehlis zu ihrem 85. Geburtstag.<br />

Hans Maluck (1. 10.) aus Neubrandenburg, Horst Liebig (4. 10.) aus Joachimsthal, Karlheinz Schriefer (5. 10.) aus Jeber-<br />

Bergfrieden, Gerhard Miska (11. 10.) aus Chemnitz, unsere Autorin Dr. Martha Kokoschko (13. 10.) aus Schöneiche, Adolf<br />

Heinrich (14. 10.) aus Barleben, Dr. Werner Ettelt (29. 10.) aus Berlin und Anni Hausner (30. 10.) vollenden ihr 80. Lebensjahr.<br />

Auch die 75jährigen bekommen Verstärkung: Dr. Martin Melz (5. 10.) aus Rostock, MR Dr. med. Gerd Kusch (6. 10.) aus<br />

Zella-Mehlis, Dieter Kartmann (23. 10.) aus Strausberg und Werner Müller (29. 10.) aus Berlin laufen in diesen Hafen ein.<br />

Unser Glückwunsch gilt auch den neuen 70jährigen Heidi Richter (3. 10.) aus Berlin, Henry Schönherr (23. 10.) aus Torgau<br />

und Wolfgang Schmidt (24. 10.) aus Berlin.<br />

Ghislaine Brandt (27. 10.) aus Dudweiler gratulieren wir zum 65.<br />

Nun zu den Nachwuchskadern: Ralf Overath (26. 10.) aus Strausberg und Gerhard Görlich (31. 10.) aus Neubrandenburg<br />

treten in die Reihen der 60jährigen ein.<br />

Allen Genannten wünschen wir maximale Gesundheit und Lebensmut,<br />

natürlich auch den nichtgenannten Geburtstagskindern des Monats.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!