Nr. 141-Oktober 2009 - RotFuchs
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<strong>RotFuchs</strong> / <strong>Oktober</strong> <strong>2009</strong> Seite 23<br />
Carolus Wimmer vom KPV-Politbüro:<br />
Venezuelas Revolution hat noch nicht gesiegt<br />
Mit dem Ausgang des Präsident Chávez<br />
begünstigenden Referendums vom<br />
15. Februar über die Möglichkeit mehrfach<br />
wiederholter Kandidaturen für Wahlfunktionen<br />
ist Venezuela dazu in der Lage, den<br />
politischen und sozialen Weg des Fortschritts<br />
weiter zu verfolgen. Wir Kommunisten haben<br />
uns die Aufgabe gestellt, Hugo Chávez zu<br />
unterstützen. Wir arbeiten dafür, die linken<br />
Kräfte in einem revolutionären Prozeß<br />
zusammenzuführen, der es gestattet, die<br />
materiellen und kulturellen Bedingungen<br />
dafür zu schaffen, den Übergang vom Kapitalismus<br />
zum Sozialismus vollziehen zu können.<br />
Wir befinden uns in einem historisch<br />
entscheidenden Moment der Entfaltung des<br />
Klassenkampfes. Dabei sind verschiedene<br />
Szenarien möglich.<br />
Mit dem Ja zur Verfassungsänderung wurden<br />
die politischen Rahmenbedingungen<br />
dafür geschaffen, in Richtung Sozialismus<br />
voranschreiten zu können, wobei man im<br />
Auge behalten muß, daß sich das auch auf<br />
einem schmerzhafteren Weg als dem bis<br />
jetzt verfolgten vollziehen könnte.<br />
Mit dem Ja kann unser Land seine dem<br />
Imperialismus entgegengestellte Außenpolitik<br />
beibehalten. Zugleich muß man die<br />
verschiedenen innenpolitischen „Missionen“<br />
fortsetzen, die auf das Wohl der verwundbarsten<br />
Teile unserer Bevölkerung gerichtet<br />
sind. Wir müssen darauf hinwirken, daß<br />
die Werktätigen jene Rolle übernehmen, die<br />
ihnen bei politischen Entscheidungen, in<br />
der Planung, Produktion und Verteilung der<br />
Güter zukommt. Dabei sind die Proletarier<br />
und deren natürliche Verbündete gegenüber<br />
der Bourgeoisie zu privilegieren. All<br />
das sollte bei gleichzeitiger Vertiefung der<br />
ideologischen Arbeit und im Rahmen einer<br />
breiten Allianz der am antiimperialistischen<br />
Kampf beteiligten Klassen erfolgen.<br />
Die pro-imperialistische Opposition verschärft<br />
ihre reaktionäre Offensive. Deshalb<br />
ist es notwendiger denn je, die Werktätigen<br />
zu organisieren und auf einen anderen Weg<br />
als jenen relativ friedlichen, auf dem wir<br />
heute marschieren, vorzubereiten, um die<br />
Rückkehr jener Kräfte in die Regierung zu<br />
verhindern, die unser Volk ins Elend und in<br />
die Abhängigkeit vom Joch des Imperialismus<br />
geführt haben.<br />
Die Ergebnisse der jüngsten Wahlen haben<br />
uns eine Tendenz offenbart, die wir nicht<br />
mißverstehen sollten. Deren Analyse ergibt,<br />
daß die pro-imperialistische Rechte ihre<br />
allgemeine Aktionslinie verfeinert hat,<br />
indem sie wieder am Wahlprozeß teilnimmt,<br />
ohne dabei ihre konterrevolutionären Ziele<br />
aufzugeben. Die Rechten haben mit Erfolg<br />
getäuscht, neutralisiert und sogar einen Teil<br />
jener Volkssektoren auf ihre Seite gezogen,<br />
welche bei vorangegangenen Ereignissen<br />
den Prozeß verteidigten. Es ist wichtig,<br />
diese Phänomene weiterhin zu untersuchen<br />
und mit größerer wissenschaftlicher<br />
Schärfe die Ergebnisse gesellschaftlicher<br />
Konflikte vorauszusehen. Man muß die<br />
Dinge im Zusammenhang betrachten. Es<br />
geht darum, alle derzeitigen politischen<br />
Akteure, deren Wechselbeziehungen und<br />
konkreten Klasseninteressen sowie ihren<br />
Platz im Lager der „Chávisten“ oder gegen<br />
sie zu analysieren.<br />
In diesem Zusammenhang bereiten wir uns<br />
auf eine weitere Verschärfung des Klassenkampfes<br />
vor, besonders auf ideologischem<br />
Gebiet, denn noch findet man in Venezuela<br />
gefährliche Konzepte, die den Interessen<br />
der Bourgeoisie dienen, bei breiten Sektoren<br />
der Bevölkerung aber ankommen. Sie sind<br />
auch im Regierungslager tief verwurzelt.<br />
Das drückt sich nicht zuletzt in gewissen<br />
Taktiken gegen die KP Venezuelas aus, wie<br />
man das in der jüngsten Wahlkampagne<br />
beobachten konnte.<br />
Es ist dringend erforderlich, den Einfluß der<br />
Partei und ihres Jugendverbandes schneller<br />
zu erweitern, die Formierung von Kadern<br />
sowie die Anhebung ihres im Marxismus-<br />
Leninismus verankerten sozialistischen<br />
Bewußtseins voranzubringen. Es geht um<br />
eine wesentliche Erhöhung der Handlungsfähigkeit<br />
jener Kräfte, welche für einen<br />
sozialistischen Weg, den revolutionären<br />
Prozeß eintreten. Man muß erreichen, daß<br />
die Arbeiterklasse ihre Rolle als Vorhut der<br />
Revolution übernimmt und die Unterordnung<br />
unter das Kleinbürgertum oder den<br />
passiven Beobachterstatus beendet, um die<br />
Konsolidierung einer kollektiven Leitung des<br />
revolutionären venezolanischen Prozesses<br />
zu unterstützen.<br />
Die aufsteigende Bourgeoisie ist dabei, sich<br />
zu stärken und zwar in direkter Verbindung<br />
mit der nationalen Regierung. Die Tatsache,<br />
daß das kleine und mittlere Bürgertum im<br />
Rahmen dessen nach vorne gestellt wird, was<br />
die große nationale und antiimperialistische<br />
Allianz sein müßte, betrifft unmittelbar die<br />
Strategie der Errichtung des Sozialismus.<br />
Es gibt noch keine ausreichende Einheit,<br />
weder in der Konsolidierung der revolutionär-demokratischen<br />
und fortschrittlichen<br />
Kräfte noch beim Ziel des Übergangs zum<br />
Sozialismus. Die Methoden der P.S.U.V., der<br />
politischen Partei des Präsidenten Hugo<br />
Chávez, sind die einer Vielklassen-Partei,<br />
bei der sich die marxistisch-leninistischen<br />
Strömungen in der Minderheit befinden. Der<br />
offensichtliche Widerspruch zwischen dem<br />
wissenschaftlichen Sozialismus und jenem,<br />
von dem man spricht, charakterisiert den<br />
derzeitigen Prozeß. Wir sind überzeugt,<br />
daß die gegenwärtige Regierung aufgrund<br />
ihrer Klassenzusammensetzung und deren<br />
Einfluß auf ihre Entscheidungen nicht die<br />
Bedingungen für den Übergang vom Kapitalismus<br />
zum Sozialismus schaffen kann.<br />
Zumindest müßte ein politisches und soziales<br />
Kräfteverhältnis erreicht werden, welches<br />
sie dazu zwingt, Schritte in diesem Sinne zu<br />
unternehmen. Das Unverständnis gegenüber<br />
der KPV und die Attacken auf sie sowie die<br />
Absicht, sie politisch auszuschalten, haben<br />
ihren Ursprung im Vorhandensein antikommunistischer<br />
Elemente in der P.S.U.V. und<br />
dem Einfluß historischer Feinde der Kommunisten<br />
wie der Trotzkisten.<br />
Es existieren starke Faktoren gegen progressive<br />
Veränderungen in wirtschaftlichen,<br />
politischen, sozialen und kulturellen Kreisen:<br />
Korruption, Bereicherung, Mangel an<br />
Kontrolle bei der Verwendung öffentlicher<br />
Mittel, Kluft zwischen Wort und Tat bei<br />
zahlreichen Kadern des Prozesses, Nichtbeherrschung<br />
der Kommunikationsmedien,<br />
die maximal genutzt werden, um den Imperialismus<br />
und die Oligarchie zu verteidigen.<br />
Zugleich nimmt überall das paramilitärische<br />
Phänomen gefährlich zu.<br />
All das führt dazu, die Person von Präsident<br />
Chávez als Führer des Umwandlungsprozesses<br />
mit seinen Reden über den Sozialismus<br />
zu disqualifizieren und der Rechten<br />
sowie den Plänen des Imperialismus die<br />
Bahn freizumachen. Sie haben sich das Ziel<br />
gestellt, die revolutionären Fortschritte zu<br />
liquidieren. Wir sind verpflichtet, Ereignisse<br />
der unmittelbaren Zukunft vorauszusehen,<br />
um nicht durch die in Bewegung befindliche<br />
Dynamik überrascht zu werden.<br />
Die KP Venezuelas ist in den 78 Jahren<br />
ihres Bestehens immer eine revolutionäre<br />
Partei gewesen. Sie wird dem Marxismus-<br />
Leninismus, der sozialistischen Revolution,<br />
dem proletarischen Internationalismus und<br />
dem Kampf gegen den nordamerikanischen<br />
Imperialismus stets die Treue halten. Sie<br />
bezeichnet sich als die Partei, von der die<br />
bolivarische Revolution gefordert wird.<br />
Zusammenfassung eines Interviews<br />
des Genossen Carolus Wimmer mit<br />
der französischen Zeitschrift „Initiative<br />
Communiste“