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Junge Bühne #6 - Mwk-koeln.de

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alle fotos: dave grossmann<br />

DAS THEATERTREFFEN DER JUGEND 2012 IN BERLIN<br />

14Theater<br />

VON KHESRAU BEHROZ<br />

---------------------------------<br />

Ehrfurcht. Ein seltsames Wort. Es han<strong>de</strong>lt sich offenbar um eine<br />

Angst vor etwas, vor <strong>de</strong>r »Ehre«, eine Angst, die im wahrsten<br />

Sinne unfassbar ist. Altbacken klingt das, formalistisch, wir leben<br />

doch in Zeiten <strong>de</strong>r Respektlosigkeit, die wir gera<strong>de</strong>zu zelebrieren<br />

sollten – wie wür<strong>de</strong>n sonst Neuinterpretationen von Shakespeares<br />

Dramen aussehen? Ehrfurcht erweckt etwas, das oftmals einengt,<br />

einschränkt, erstarren lässt. Und doch kann es eines <strong>de</strong>r vielen<br />

Gefühle beim Betreten einer <strong>Bühne</strong> sein; vor allem, wenn sie auf<br />

eine bewegte Vergangenheit zurückzublicken vermag, wenn sie<br />

die Schritte und die Tänze und das Spiel großer Schauspieler_innen<br />

und Regisseur_innen einst getragen und präsentiert hat. »Mit<br />

einer gewissen Ehrfurcht«, heißt es dann relativierend.<br />

Als <strong>de</strong>r neue Intendant <strong>de</strong>r Berliner Festspiele – Thomas Oberen<strong>de</strong>r<br />

– in seiner Eröffnungsre<strong>de</strong> zum Auftakt <strong>de</strong>s 33. Theatertreffens<br />

<strong>de</strong>r Jugend (liebevoll auch ttj genannt) die Worte spricht,<br />

die Ehrfurcht erregen sollen, ist es in <strong>de</strong>r Tat ziemlich still in <strong>de</strong>n<br />

sonst so manches Mal doch recht unruhigen Zuschauer_innenreihen.<br />

Nicht nur, weil Oberen<strong>de</strong>r trotz Mikrofon leise spricht und<br />

somit höchste Konzentration for<strong>de</strong>rt, son<strong>de</strong>rn auch, weil die<br />

Jugendlichen diesen neuen Raum, <strong>de</strong>r ihnen durch <strong>de</strong>n Wettbewerbssieg<br />

nun angeboten wird, noch nicht erobert und eingenommen<br />

haben. Noch sind sie Zuschauer_innen, noch kennen<br />

sich die Gruppen untereinan<strong>de</strong>r nicht, haben sich gegenseitig<br />

nicht spielen gesehen, kein gemeinsames Bier getrunken, haben<br />

noch nicht gesagt, Mensch, das hat mich ziemlich umgehauen,<br />

was Ihr gestern auf die <strong>Bühne</strong> gebracht habt, o<strong>de</strong>r, hey, da hätte<br />

noch mehr gehen können.<br />

In <strong>de</strong>r Tat, es liegt zwar ein wenig Furcht in <strong>de</strong>r Luft. Aber es ist<br />

nicht allzu vermessen, zu behaupten, dass diese Furcht eher vom<br />

Lampenfieber kommt, vom Unwissen darüber, ob alles klappt<br />

o<strong>de</strong>r ob man sich die Blöße gibt, wenn Textzeilen vergessen,<br />

Choreografien verpatzt wer<strong>de</strong>n. Die jugendlichen Theatergruppen<br />

setzen sich zumeist aus Leuten zusammen, die mit <strong>de</strong>n<br />

»großen« <strong>Bühne</strong>nnamen und theaterhistorischen Bemerkungen<br />

herzlich wenig anfangen können. Sie spielen, weil sie eine bewegte<br />

Vergangenheit hinter sich haben, o<strong>de</strong>r eine seltsam starre<br />

Zukunft vor sich glauben; sie spielen, weil sie auf gesellschaftliche<br />

Missstän<strong>de</strong> aufmerksam machen wollen, sie sind oftmals hochgradig<br />

politisch, in the face, manchmal aber auch min<strong>de</strong>stens<br />

genauso naiv. Theater ist für viele nicht einmal ein Lebensziel,<br />

son<strong>de</strong>rn nur eine <strong>de</strong>r vielen Etappen auf <strong>de</strong>m Weg irgendwohin,<br />

eine »Herzensbildung«, wie Oberen<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Eröffnung<br />

THEATERTREFFEN<br />

15<br />

verrückte<br />

Khesrau Behroz, <strong>de</strong>r Autor dieses Textes, geboren in Kabul, gezogen nach Kassel, studiert,<br />

schreibt und performt. 2010 wur<strong>de</strong> er als Preisträger zum Treffen »<strong>Junge</strong>r Autoren« (Berliner<br />

Festspiele) eingela<strong>de</strong>n, 2011 grün<strong>de</strong>te er <strong>de</strong>n »echauffier – Magazin für Empörung« und 2012<br />

übernahm er die Redaktionsleitung <strong>de</strong>r Festivalzeitung FZ im Rahmen <strong>de</strong>s Theatertreffens <strong>de</strong>r<br />

Jugend. Derzeit schreibt er, zurückgezogen in einer einsamen Holzhütte in einer großen <strong>de</strong>utschen<br />

Metropole, an seinem Debüt–Roman, <strong>de</strong>r voraussichtlich erscheint, wenn er fertig ist.<br />

treffend sagt. Heute spielen sie noch, morgen kann alles ganz<br />

an<strong>de</strong>rs sein. Aber Theater wird sie für diesen Weg ein wenig<br />

wappnen und das Herz wird danken.<br />

Die Erwartungen an solch ein Festival sind somit ganz unterschiedlich:<br />

Einige wollen nur auf die <strong>Bühne</strong> und ihre Arbeit<br />

präsentieren, sie verschließen sich vor Reflexionsprozessen und<br />

<strong>de</strong>n vielen Workshops, die angeboten wer<strong>de</strong>n, sagen, dass sie das<br />

doch gar nicht bräuchten alles. Sie sind nicht allzu oft anzutreffen<br />

auf <strong>de</strong>m ttj, aber sie existieren – und das ist völlig in Ordnung.<br />

Denn auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite, und in <strong>de</strong>r absoluten Mehrheit, stehen<br />

die jungen Schauspieler_innen, die ihren Wettbewerbssieg voll<br />

auskosten möchten: Sie erwarten etwas vom Festival, neue Ein-,<br />

vielleicht sogar Ausblicke, sie wollen nicht nur spielen, son<strong>de</strong>rn<br />

sich auch austauschen, wollen Kritik hören und über das Theatermachen<br />

sprechen, wollen Menschen kennenlernen, sich vernetzen,

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