Clancy, Tom - Op Center 04 - Sprengsatz.pdf

Clancy, Tom - Op Center 04 - Sprengsatz.pdf Clancy, Tom - Op Center 04 - Sprengsatz.pdf

schulte.josefine23
von schulte.josefine23 Mehr von diesem Publisher
18.02.2013 Aufrufe

»Ich war bei den Inuit an der Beringküste. Sie streiten sich nicht, weil sie eine andere Einstellung zum Leben haben. Religion besteht aus den Elementen Glaube und Kultur. Die Inuit glauben ohne Fanatismus, und der Glaube ist für sie eine sehr private Angelegenheit. Die Kultur ist der öffentliche Teil. Sie tauschen ihre Weisheit, Traditionen und Mythen aus, ohne darauf zu beharren, ihr Weg sei der einzig wahre. Das gleiche gilt für viele tropische und subtropische Völker in Afrika, Südamerika und im Fernen Osten. Es hat nichts mit dem Klima zu tun.« »Das kann ich nicht ganz glauben.« Coffey zog eine Dose Limonade aus dem schmelzenden Eis in der Kühlbox und öffnete sie. Während er trank, blinzelte er zu dem glänzenden weißen Wohnmobil hinüber. Für einen Moment verließ ihn die Verzweiflung. Dieses so unscheinbare Gefährt war schön und aufregend. Er war stolz darauf dazuzugehören. Nachdem er einen langen Schluck genommen hatte, setzte er die Dose ab und holte tief Luft. »Ich meine«, begann er ausatmend, »sehen Sie sich Städte oder Gefängnisse an, in denen es Aufstände gibt. Oder denken Sie an isolierte Flekken wie Jonestown oder Waco, wo Menschen zu Sektenfanatikern werden. Das geschieht niemals während eines Kälteeinbruchs oder eines Blizzards. Es passiert immer, wenn es heiß ist. Genau wie bei den biblischen Gelehrten, die in die Wüste gingen - sie gingen als Menschen hinaus, verbrachten eine Zeitlang unter der sengenden Sonne und kamen als Propheten zurück. Die Hitze bringt uns auf Touren.« »Glauben Sie nicht, daß Gott da seine Hand mit im Spiel gehabt haben könnte?« fragte Katzen ernst. Coffey hob die Dose an seine Lippen. »Touche«, sagte er, bevor er erneut trank. Katzen wandte sich der jungen farbigen Frau zu, die rechts neben ihm stand. Sie trug Khakishorts, eine mit Schweißflecken durchsetzte Khakibluse und ein weißes Stirnband. Die Uniform war >steril

ihre Zugehörigkeit zum Militär hin. Wie das Wohnmobil, dessen Seitenspiegel nicht vermuten ließ, daß es sich in Wahrheit um eine Parabolantenne handelte, und dessen Wände absichtlich verbeult und mit künstlichen Rostflekken versehen worden waren, um die darunterliegende Panzerung aus gehärtetem Stahl zu tarnen, sah die Frau aus, als wäre sie im archäologischen Feldeinsatz erprobt. »Was meinen Sie, Sondra?« fragte Katzen. »Bei allem Respekt, ich glaube, Sie liegen beide falsch. Ich denke, Frieden, Krieg und geistige Gesundheit sind ausschließlich Fragen von Führungsqualität. Sehen Sie sich die alte Stadt da drüben an.« Sie sprach mit Ehrfurcht. »Vor 3000 Jahren wurde dort der Prophet Abraham geboren. Dort trug Gott ihm auf, seine Familie nach Kanaan zu bringen. Dieser Mann war mit dem heiligen Geist gesegnet. Er gründete ein Volk, eine Nation und eine Morallehre. Ich bin sicher, daß ihm genauso heiß war wie uns, besonders als Gott ihm befahl, einen Dolch in die Brust seines Sohnes zu rammen. Bestimmt tropften nicht nur seine Tränen, sondern auch sein Schweiß auf das angsterfüllte Gesicht von Isaak.« Sondra blickte von Katzen zu Coffey. »Seine Führung beruhte auf dem Glauben und auf der Liebe, und er wird von Juden und Moslems gleichermaßen verehrt.« »Nett gesagt, Private DeVonne«, meinte Katzen. »Sehr nett gesagt«, pflichtete Coffey bei. »Aber das widerlegt meine Aussage nicht. Wir sind nicht alle so gehor ­ sam und zielgerichtet wie Abraham. Bei einigen von uns verstärkt die Hitze die natürliche Reizbarkeit.« Der Anwalt zog eine Flasche Mineralwasser aus der Kühlbox. »Außer ­ dem habe ich nach 27 Stunden und 15 Minuten die Nase vom Camping in der Wüste gestrichen voll. Ich mag Klimaanlagen und bevorzuge kaltes Wasser aus einem Glas statt heißes Wasser aus einer Plastikflasche. Badezimmer sind übrigens auch nicht schlecht.« Katzen lächelte. »Vielleicht werden Sie sie nach Ihrer Rückkehr noch mehr zu schätzen wissen.« »Ich habe sie schon geschätzt, bevor wir hierherkamen. Ehrlich gesagt, es ist mir ein Rätsel, warum wir diesen Pro ­ 20

ihre Zugehörigkeit zum Militär hin. Wie das Wohnmobil,<br />

dessen Seitenspiegel nicht vermuten ließ, daß es sich in<br />

Wahrheit um eine Parabolantenne handelte, und dessen<br />

Wände absichtlich verbeult und mit künstlichen Rostflekken<br />

versehen worden waren, um die darunterliegende Panzerung<br />

aus gehärtetem Stahl zu tarnen, sah die Frau aus, als<br />

wäre sie im archäologischen Feldeinsatz erprobt.<br />

»Was meinen Sie, Sondra?« fragte Katzen.<br />

»Bei allem Respekt, ich glaube, Sie liegen beide falsch. Ich<br />

denke, Frieden, Krieg und geistige Gesundheit sind ausschließlich<br />

Fragen von Führungsqualität. Sehen Sie sich die<br />

alte Stadt da drüben an.« Sie sprach mit Ehrfurcht. »Vor<br />

3000 Jahren wurde dort der Prophet Abraham geboren.<br />

Dort trug Gott ihm auf, seine Familie nach Kanaan zu bringen.<br />

Dieser Mann war mit dem heiligen Geist gesegnet. Er<br />

gründete ein Volk, eine Nation und eine Morallehre. Ich bin<br />

sicher, daß ihm genauso heiß war wie uns, besonders als<br />

Gott ihm befahl, einen Dolch in die Brust seines Sohnes zu<br />

rammen. Bestimmt tropften nicht nur seine Tränen, sondern<br />

auch sein Schweiß auf das angsterfüllte Gesicht von Isaak.«<br />

Sondra blickte von Katzen zu Coffey. »Seine Führung beruhte<br />

auf dem Glauben und auf der Liebe, und er wird von<br />

Juden und Moslems gleichermaßen verehrt.«<br />

»Nett gesagt, Private DeVonne«, meinte Katzen.<br />

»Sehr nett gesagt«, pflichtete Coffey bei. »Aber das widerlegt<br />

meine Aussage nicht. Wir sind nicht alle so gehor ­<br />

sam und zielgerichtet wie Abraham. Bei einigen von uns<br />

verstärkt die Hitze die natürliche Reizbarkeit.« Der Anwalt<br />

zog eine Flasche Mineralwasser aus der Kühlbox. »Außer ­<br />

dem habe ich nach 27 Stunden und 15 Minuten die Nase<br />

vom Camping in der Wüste gestrichen voll. Ich mag Klimaanlagen<br />

und bevorzuge kaltes Wasser aus einem Glas statt<br />

heißes Wasser aus einer Plastikflasche. Badezimmer sind<br />

übrigens auch nicht schlecht.«<br />

Katzen lächelte. »Vielleicht werden Sie sie nach Ihrer<br />

Rückkehr noch mehr zu schätzen wissen.«<br />

»Ich habe sie schon geschätzt, bevor wir hierherkamen.<br />

Ehrlich gesagt, es ist mir ein Rätsel, warum wir diesen Pro ­<br />

20

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!