Clancy, Tom - Op Center 04 - Sprengsatz.pdf

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Ibrahim und Hasan stiegen in das Wohnmobil, und Mahmoud schritt eilig auf Rodgers zu. Der Syrer hielt die Maschinenpistole in der rechten und ein Jagdmesser in der linken Hand. Mit dem Messer durchtrennte er den Strick, mit dem Rodgers an die Lenkstange gefesselt war, seine Beine schnitt er jedoch nicht los. Dann bedeutete er seinem Gefangenen, sich zum Wohnmobil hinüberzubegeben. Mit steifen Gliedern ging Rodgers zuerst in die Hocke, bevor er sich aufrichtete, und begann dann, vorwärts zu hüpfen. Es wäre einfacher gewesen zu kriechen, aber dieses Wort gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Obwohl sich die Erde seiner Füße heftig erwehrte, gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten. Fast beim Wohnmobil angekommen, bemerkte Rodgers Coffey, Mary Rose und Katzen. Die drei lagen ausgestreckt und benommen auf dem Boden des ROC. Sie waren an die Säule unter dem Beifahrersitz gebunden und an den Füßen gefesselt. Während sich Ibrahim anschickte, Colonel Seden herüberzuschleifen, sprang Rodgers auf die Einstiegsstufe des Fahrzeugs. Als er einen Blick nach links in den hinteren Teil warf, gefror ihm das Blut in den Adern. Die Privates Pupshaw und DeVonne hingen bäuchlings über den Stühlen vor den Computern. Ihre Hände und Füße waren an die Stuhlbeine gefesselt, und sie kamen nur allmählich wieder zu sich. Rodgers spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Sie wirkten eher wie Jagdtrophäen denn wie Soldaten. Im Augenblick war nicht wichtig, was schiefgelaufen war. Allein die Tatsache, daß sie alle Gefangene waren, zählte. Um festzustellen, für wie lange sie wie behandelt werden würden, würde es eines langen, ausgiebigen Tanzes bedürfen. Zunächst einmal mußte Rodgers versuchen, den Strikers zu helfen. Wenn sie so verschnürt wieder zu sich kämen, würde es nicht nur ihren Kampfgeist brechen, sondern auch ihre Würde. Verwundet und körperlich mißhandelt könnten sie alle überleben, aber ohne ihren Stolz bliebe ihnen nichts mehr, wofür es sich noch zu leben lohnte. Aus Übungen zum Umgang mit Terroristenkonflikten und aus Gesprächen mit dem neuen Striker-Kommandeurs Brett Au­ 177

gust, der Kriegsgefangener in Vietnam gewesen war, wußte Rodgers, daß die Zahl der Geiseln, die sich ein oder zwei Jahre nach ihrer Befreiung das Leben nahmen, wesentlich höher lag als die Zahl derjenigen, die in Gefangenschaft starben. Das Gefühl, erniedrigt und entwürdigt worden zu sein, erfüllte sie mit qualvoller Scham. Militärangehörige empfanden diese Pein noch stärker. Rang und Orden waren die äußerliche Anerkennung von Mut und Ehre - den Grundlagen, die jeder Soldat wie Wasser und Brot zum Leben braucht. Wenn diese Grundlagen durch eine Geiselnahme vernichtet wurden, ließen sie sich nur im Tod wiederherstellen. Dieser Tod konnte wie der Tod eines Wikingers sein, der dem Feind oder dem vermeintlichen Feind mit einem Schwert in der Hand gegenübertrat, oder wie der eines entehrten Samurai, der sich ganz allein einen tiefen Schnitt in die Eingeweide beibrachte. In jedem Fall gab es kein Weiterleben mehr. Rodgers hatte den ersten von vier ihm verbleibenden militärischen Trümpfen um der Striker willen einzusetzen. Er mußte sein Leben riskieren. Als er in Camranh Bay im südöstlichen Vietnam stationiert gewesen war, hatten sie ständig Verluste erlitten. Die physischen Verluste waren mit Blut besiegelt worden. Der psychische Tod wurde den Soldaten in die Gesichter gemeißelt. Um Soldaten erneut zu motivieren, nachdem sie einen Freund in den Armen gehalten hatten, dessen Beine, Hände oder Gesicht von einer Mine weggerissen worden waren, oder einen sterbenden Kameraden getröstet hatten, während er mit einer Kugel in der Brust, in der Kehle oder im Bauch in ihrem Schoß lag, gab es nur zwei Möglichkeiten. Eine davon war, sie Rache nehmen zu lassen. Das wurde von den Militärpsychologen >Kurzzeithoch< genannt. Die Motivation lag in der Wut, nicht in der Zielsetzung begründet, daher eignete sich diese Möglichkeit für Blitzangriffe und schnelle Gegenschläge in kritischen Situationen. Die zweite mögliche Motivationsart, die Rodgers immer bevorzugt hatte, bestand darin, daß der Kommandant sein eigenes Leben in Gefahr brachte. Dadurch wurden die Soldaten gezwungen, wieder auf die 178

Ibrahim und Hasan stiegen in das Wohnmobil, und Mahmoud<br />

schritt eilig auf Rodgers zu. Der Syrer hielt die Maschinenpistole<br />

in der rechten und ein Jagdmesser in der linken<br />

Hand. Mit dem Messer durchtrennte er den Strick, mit<br />

dem Rodgers an die Lenkstange gefesselt war, seine Beine<br />

schnitt er jedoch nicht los. Dann bedeutete er seinem Gefangenen,<br />

sich zum Wohnmobil hinüberzubegeben. Mit steifen<br />

Gliedern ging Rodgers zuerst in die Hocke, bevor er sich aufrichtete,<br />

und begann dann, vorwärts zu hüpfen. Es wäre einfacher<br />

gewesen zu kriechen, aber dieses Wort gehörte nicht<br />

zu seinem Wortschatz. Obwohl sich die Erde seiner Füße<br />

heftig erwehrte, gelang es ihm, das Gleichgewicht zu halten.<br />

Fast beim Wohnmobil angekommen, bemerkte Rodgers<br />

Coffey, Mary Rose und Katzen. Die drei lagen ausgestreckt<br />

und benommen auf dem Boden des ROC. Sie waren an die<br />

Säule unter dem Beifahrersitz gebunden und an den Füßen<br />

gefesselt. Während sich Ibrahim anschickte, Colonel Seden<br />

herüberzuschleifen, sprang Rodgers auf die Einstiegsstufe<br />

des Fahrzeugs. Als er einen Blick nach links in den hinteren<br />

Teil warf, gefror ihm das Blut in den Adern.<br />

Die Privates Pupshaw und DeVonne hingen bäuchlings<br />

über den Stühlen vor den Computern. Ihre Hände und Füße<br />

waren an die Stuhlbeine gefesselt, und sie kamen nur allmählich<br />

wieder zu sich. Rodgers spürte, wie sich sein Magen<br />

zusammenzog. Sie wirkten eher wie Jagdtrophäen denn<br />

wie Soldaten.<br />

Im Augenblick war nicht wichtig, was schiefgelaufen war.<br />

Allein die Tatsache, daß sie alle Gefangene waren, zählte. Um<br />

festzustellen, für wie lange sie wie behandelt werden würden,<br />

würde es eines langen, ausgiebigen Tanzes bedürfen.<br />

Zunächst einmal mußte Rodgers versuchen, den Strikers<br />

zu helfen. Wenn sie so verschnürt wieder zu sich kämen,<br />

würde es nicht nur ihren Kampfgeist brechen, sondern auch<br />

ihre Würde. Verwundet und körperlich mißhandelt könnten<br />

sie alle überleben, aber ohne ihren Stolz bliebe ihnen<br />

nichts mehr, wofür es sich noch zu leben lohnte. Aus Übungen<br />

zum Umgang mit Terroristenkonflikten und aus Gesprächen<br />

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