Mitteilungen / Heft 47 / Juni 2007 (PDF) - Dokumentationszentrum ...
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Mitteilungen / Heft 47 / Juni 2007 (PDF) - Dokumentationszentrum ...
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Angekommen!?<br />
Nach Auszug, Umzug, Einzug ist das Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
als regionales „Info-Zentrum zur NS-Zeit“ in der<br />
Mitte der Stadt angekommen.<br />
Allerdings: mit dem Ortswechsel ist die Frage verbunden,<br />
welchen Stellenwert, welche Bedeutung im Bereich von<br />
Bildung und Kultur der Stadt, der Region, des Landes es<br />
künftig haben wird.<br />
Diese „<strong>Mitteilungen</strong> <strong>47</strong>“ beschreiben die Lage und zeigen<br />
Perspektiven. Was davon realisiert werden wird? Das hängt<br />
entscheidend vom Interesse und Engagement der Bürger/innen<br />
ab — von Ihnen! Diese Blätter sind dazu da, Interesse<br />
und Engagement zu wecken, zu vertiefen.<br />
Dicht gedrängt standen die Gäste am 10. März bei der Eröffnung der neuen<br />
Räume in der Büchsengasse. In der Mitte: Die Stadträte Rose Nieberle und<br />
Prof. Dieter Lang sowie als Gast mit dem längsten Reiseweg Edmundo Lebrecht<br />
aus Santiago / Chile, Neffe von Hans Lebrecht.<br />
(A-DZOK, Eröffnung Büchsengasse; Foto: Chr. Loyal)<br />
Einladung zur Jahres-Hauptversammlung des<br />
Vereins <strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer Kuhberg<br />
1. Berichte und Diskussion:<br />
Wie steht ’s ums DZOK?<br />
2. Neuwahlen<br />
Freitag, 6.Juli <strong>2007</strong>, 17 Uhr, Volkshochschule Ulm<br />
EinsteinHaus am Kornhausplatz, Club Orange<br />
Mitglieder, Freunde, Interessierte sind willkommen!<br />
Inhalt<br />
<strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
Oberer Kuhberg Ulm e. V.<br />
– KZ-Gedenkstätte –<br />
<strong>Mitteilungen</strong><br />
<strong>Heft</strong> <strong>47</strong> / <strong>Juni</strong> <strong>2007</strong><br />
Auszug – Umzug – Einzug 2<br />
Gedenkfeier 2006:<br />
Die Rede von Ministerpräsident Oettinger 6<br />
Lesung zur Menschenwürde – damals und heute 8<br />
Kommt eine Mit-Finanzierung durch das Land? 9<br />
100. Geburtstag von Lina Haag 11<br />
Renate Finckh: Portrait einer Ulmer Autorin 13<br />
ASF-Freiwilliger: Volker geht – keiner kommt 15<br />
Neue dzokkis braucht das DZOK! 17<br />
Warum Arek dzokki wurde 18<br />
Die Gewirtzmans: ehemalige<br />
jüdische DPs kehrten zurück 19<br />
Gedenkbuch Ulmer Juden 21<br />
Erfolgreiches Weiße-Rose-Projekt 21<br />
Hans Lebrechts Lebenserinnerungen 23<br />
Die Stiftung Geißstraße in Stuttgart 24<br />
Neues in Kürze 24<br />
Fort Oberer Kuhberg: Neue Besitzverhältnisse – Hans Fichtner –<br />
Zentralstelle Ludwigsburg – Förderverein Neue Synagoge in Ulm –<br />
Widerstandsfamilie Bechtle – Kopkes Intervention – Zukunft der<br />
Erinnerung – Braun & Engels gestalten Berliner Ausstellung –<br />
Albert Schanz – Arolsen endlich offen – Problemfeld „GFS“ –<br />
European Resistance Archive – Antifaschistisches Info-Blatt –<br />
Datenbank Holocaust-Überlebende – Einstein-Uni Ulm? – Alfred-<br />
Moos-Weg – Die Freien Wähler kommen<br />
Neue Bücher 28<br />
Thomas Mann und Weiße Rose – Fall Filbinger – NS in Biberach –<br />
Luftwaffenhelfer in Ulm – Zankels Weiße-Rose-Biographien –<br />
Dachauer <strong>Heft</strong>e 22 – Krimi zu Grafeneck – Gedenkorte in Baden-<br />
Württemberg – Erinnern und Gedenken – Jugendbewegung und<br />
Weiße Rose – Synagogen in Baden-Württemberg – Ulm und<br />
Söflingen im Film<br />
Veröffentlichungen des DZOK 33<br />
Veranstaltungen Herbst <strong>2007</strong> 34<br />
Beitrittserklärung zum Trägerverein 35<br />
Förderer dieser Nummer 36<br />
Liebe/-r Leser/-in: wir brauchen Sie! 36<br />
Impressum / Besuchszeiten in der Gedenkstätte 36
Auszug – Umzug – Einzug<br />
Doku-Zentrum und Stiftung Erinnerung Ulm in der Büchsengasse 13 angekommen<br />
Es war ein großer Kraftakt, nach dem Auslaufen des Mietvertrages<br />
in der König-Wilhelm-Straße neue Räume zu finden, den Auszug<br />
und den Umzug Ende des Jahres zu bewältigen und schließlich<br />
den Einzug in die neuen Räume so zu gestalten, dass etwas<br />
Zukunftsträchtiges dabei herauskommt. Nun ist einiges erreicht:<br />
• eine Adresse und ein fester Ort – einerseits für Archiv, Bibliothek,<br />
Büros des Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>s und andererseits für<br />
die „Stiftung Erinnerung Ulm“;<br />
• ein „Ulmer Info-Zentrum zur NS-Zeit“ mitten in der Stadt;<br />
• ein kleiner Ausstellungsraum;<br />
• ein neuer Veranstaltungsort: „Büchse 13 – Ulmer Treff für kritische<br />
Geschichtskultur“.<br />
Die vier Mitarbeiter waren am Rand ihrer Kräfte, aber von vielen<br />
Seiten kam Unterstützung. Es wurde von über 20 ehrenamtlichen<br />
Helfern Hand angelegt und es wurde von eben so vielen Privatpersonen<br />
und Institutionen der Geldbeutel gezückt.<br />
Ein Gemeinschaftswerk – Dank dafür!<br />
Zwar ist nun mit den neuen Räumen ein viel versprechender Anfang<br />
gemacht. Aber um nur einen Teil der Hoffnungen zu realisieren,<br />
d. h., um das <strong>Dokumentationszentrum</strong> institutionell, finanziell und<br />
natürlich inhaltlich in der Bildungs- und Kulturlandschaft der Region<br />
zu verankern, sind kontinuierlich große Anstrengungen nötig.<br />
Fast vier Jahrzehnte war das Doku-Zentrum vor allem das Werk<br />
engagierter Bürger, die nicht auf die Segnungen des Staates<br />
warteten, sondern selbst die Initiative ergriffen. Und das soll so<br />
bleiben!<br />
Dennoch: ohne grundlegende politische Akzeptanz als öffentliche<br />
Bildungs- und Kulturaufgabe, d. h. ohne kontinuierliche finanzielle<br />
Förderung seitens der staatlichen Institutionen wird die Arbeit keine<br />
Zukunft haben. Die Kommunen sind gefragt, ebenso wie das Land<br />
Baden-Württemberg.<br />
Was ist das Ziel? Eine zukunftsfähige, seriöse, professionelle<br />
Arbeit ist gemeint; eine Arbeit, die angesichts einer sich ständig<br />
wandelnden Gegenwart in unserer freiheitlichen Gesellschaft das<br />
historische Gegen-Modell „Nationalsozialismus“ immer wieder<br />
bewusst macht und neu befragt, im Auftrag der heranwachsenden<br />
Generationen – ein Stück demokratischer Grundversorgung der<br />
Bürger. (sl)<br />
Wem wir zu danken haben<br />
Helfer/-innen: Volker Banzhaf, Fritz Bauer, Daniel Benkesser,<br />
Ingo Bergmann, Gerhard Braun, Carola Bühler, Hansjörg Greimel,<br />
Elisabeth Hillerich, Wolfgang Keck, Ansgar Kramer, Christian Loyal,<br />
Michaela Loyal, Günther Ludwig, Dierk Nülle, Uli Schmied, Ingrid<br />
Siegl, Rainer W. Ungermann, Christoph Volz, Bertram Wegemer,<br />
Spender/-innen: Gerhard Braun, Carola Bühler, Sidonie Bilger,<br />
Karl-Heinz Derra, Georg Engels, Amelie Fried, Inge Fried, Lilly<br />
Gasparitsch, Ursula Hartkopf, Johannes Heinzelmann, Anne und<br />
Renate Kässbohrer, Ulrich Klemm, Sabine Mayer-Dölle als Kulturbürgermeisterin,<br />
Gerhard Schneider, Reinhold Settele, Sparkasse<br />
Ulm, Sparkasse Neu-Ulm, Stiftung Erinnerung Ulm, Maler Ziegler,<br />
ein anonymer und mehrere Kleinspender.<br />
2<br />
Der Auszug und der Umzug: Aus dem Fenster der alten Räume in<br />
der König-Wilhelm-Straße wird am 27. November in 400 Kisten das<br />
Inventar des Doku-Zentrums in die Tiefe und von dort in die Büchsengasse<br />
befördert.<br />
(A-DZOK, Umzug <strong>2007</strong>; Foto: V. Bräth)<br />
Stifter/-innen gesucht!<br />
Die „Stiftung Erinnerung Ulm“ hat nun auch<br />
eine Adresse: Büchsengasse 13.<br />
Die Stiftung hat den Zweck, im Rahmen des<br />
Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>s die Erinnerung<br />
an die Geschichte des Nationalsozialismus<br />
in der Region Ulm/Neu-Ulm wach<br />
zu halten, um in der Gegenwart Gefühl und<br />
Wissen für die Bedeutung von Demokratie,<br />
Toleranz und Menschenwürde zu vertiefen.<br />
Für die Finanzierung von Projekten stehen ausschließlich<br />
die Zinsen des Stiftungskapitals (zur<br />
Zeit ca. 175.000 €) zur Verfügung. Zur Finanzierung<br />
einer neuen Arbeitsstelle des DZOK<br />
wäre z. B. ein Stiftungskapital von mindestens<br />
1.000.000 € nötig.<br />
Willkommen sind: Geldspenden für zeitnahe<br />
Projekte, Spenden durch testamentarische<br />
Verfügung oder aus Erbfällen; auch Spenden<br />
in Form von Sachwerten (u. a.).<br />
Informationen<br />
Entweder durch einen persönlichen Besuch in<br />
der Büchsengasse 13 oder über schriftilches<br />
Material, das wir Ihnen gerne zusenden.<br />
Stiftung Erinnerung Ulm<br />
Postfach 2066, 89010 Ulm<br />
Tel. +49 - 731 - 21312<br />
Fax: +49 - 731 - 9 21 40 56<br />
e-mail: stiftung-erinnerung@gmx.de<br />
www.stiftung-erinnerung.telebus.de
„Wir verstehen uns als<br />
Bürgerprojekt“<br />
Auszüge aus einem SWP-Interview mit Wolfgang<br />
Keck<br />
Unter dem Titel „Rücken in die Mitte der Bürgergesellschaft“<br />
erschien am Tag der Eröffnung der neuen<br />
Räume des DZOK, am 10. März, ein Interview mit dem<br />
Ersten Vorsitzenden des DZOK, Wolfgang Keck, in der<br />
Ulmer SüdwestPresse (Interviewer: Rudi Kübler). Wir<br />
veröffentlichen einige zentrale Aussagen von Wolfgang<br />
Keck.<br />
Das <strong>Dokumentationszentrum</strong> rückt in die Mitte der<br />
Stadt, das ist nicht nur örtlich gemeint. Wir sind<br />
ein Faktor der Bürgergesellschaft geworden; die<br />
Anfeindungen haben nachgelassen. Anfeindungen<br />
dergestalt, dass dem <strong>Dokumentationszentrum</strong> in<br />
der Vergangenheit oft der Vorwurf gemacht wurde,<br />
durch seine Aktivitäten Ulm erst zu einer KZ-Stadt zu<br />
machen.<br />
Die Arbeit mit Schülern – und das sind immerhin<br />
5.000 bis 6.000 pro Jahr – an diesem historischen<br />
Ort ist unverzichtbare Bildungsarbeit. Im ehemaligen<br />
KZ kann man die Grundwerte der Demokratie auch<br />
fühlbar machen und fragen: Wo finden heute Gewalt<br />
und Ausgrenzung statt? Die Arbeit des Doku-Zentrums<br />
wirkt in die Gesellschaft hinein, sie nutzt ihr<br />
und deshalb verdient sie es, öffentlich finanziert zu<br />
werden.<br />
Die vordringliche Aufgabe des <strong>Dokumentationszentrum</strong>s<br />
Oberer Kuhberg besteht auch darin, dieses<br />
Gestern zu nutzen, um in die Zukunft zu wirken. Wer<br />
sich die heutigen Konflikte anschaut, stellt doch fest:<br />
Sie laufen immer nach den selben Mechanismen ab.<br />
Die Pädagogik ist eine tragende Säule in unserem<br />
Konzept. Die andere Säule ist die wissenschaftlichhistorische<br />
Arbeit als unentbehrliche Grundlage der<br />
pädagogischen Arbeit. Dazu ist zu sagen, dass wir den<br />
hohen wissenschaftlichen Standard halten müssen,<br />
weil wir uns als regionales Info- und Kompetenzzentrum<br />
für die NS-Zeit verstehen. Jährlich kommen ja<br />
zwischen 1.000 und 1.500 Anfragen, nicht nur aus<br />
Deutschland, sondern auch aus anderen Ländern.<br />
Und die müssen bearbeitet, beantwortet werden.<br />
In der Büchsengasse haben wir die Fläche fast verdoppelt,<br />
hier können wir kleinere Veranstaltungen,<br />
z. B. mit Schülergruppen anbieten.<br />
Das <strong>Dokumentationszentrum</strong> ist nun nicht mehr<br />
nur ein Postfach. Wir haben ein Schild am Eingang.<br />
Diesen Schritt haben wir bewusst gemacht, wir verstehen<br />
uns als Bürgerprojekt in Ulm.<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Der Erste Vorsitzende des DZOK, Wolfgang Keck, bei seiner Eröffnungsrede.<br />
(A-DZOK. Eröffnung <strong>2007</strong>, Foto: Chr. Loyal)<br />
Roman Sobkowiak, Zeitzeuge und Freund des DZOK, vor dem Eingang der gemeinsamen<br />
neuen Räume von DZOK und Stiftung Erinnerung Ulm.<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: L. Sobkowiak)<br />
Die Vorsitzende der Stiftung Erinnerung, Ilse Winter, im Gespräch mit Margalith<br />
Pozniak, der Tochter von Hans Lebrecht. Im Hintergrund ein Teil der Hans-Lebrecht-<br />
Ausstellung.Im Rahmen der Eröffnung wurde eine neue DZOK-Publikation präsentiert:<br />
die Lebenserinnerungen von Hans Lebrecht (vgl. S. 23)<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: I. Siegl)<br />
3
Ivo Gönner, Ulms OB, erhält nach seinem Grußwort von Silvester Lechner eine Wurst,<br />
die eine bestimmte Geschichte hat. Im Hintergrund die Vorstandsmitglieder Hansjörg<br />
Greimel und Martin König. (A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: L. Sobkowiak)<br />
Ulms Kultur-Bürgermeisterin Sabine Mayer-Dölle skizziert ihre Vorstellungen vom Stellenwert<br />
des DZOK innerhalb der städtischen Kulturszene.<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: Chr. Loyal)<br />
Michael Wettengel, Leiter des Ulmer Stadtarchivs, unterstreicht bei seinem Grußwort<br />
die bewährte Kooperation zwischen Archiv und DZOK. Daneben die augenblicklichen<br />
festen Mitarbeiter des DZOK, von links: Ilona Walosczyk (halbe Stelle), Volker Bräth<br />
(FSJ) , Annette Lein (0,8 Stelle bis Sommer 2008), Silvester Lechner (volle Stelle).<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: Chr. Loyal)<br />
4<br />
Büchse 13<br />
Ulmer Treff für kritische Geschichtskultur<br />
In der Büchsengasse gibt es auch die Möglichkeit,<br />
kleinere Veranstaltungen durchzuführen.<br />
Und damit wollen wir im Juli beginnen. Im<br />
Herbst geht‘s weiter.<br />
Herzlich willkommen in „Büchse 13“!<br />
Veranstaltungen Juli <strong>2007</strong><br />
Dienstag, 10. Juli <strong>2007</strong> 19 Uhr<br />
„Den Schwachen steh bei!<br />
Gegen Mächtige kämpfe!<br />
Das Wohl aller erstrebe ernsthaft!<br />
Dich selbst belächele!“<br />
Reinhold Settele (in Ulm geboren 1928) liest<br />
aus seinen politischen Zeitgedichten und<br />
Bekenntnissen<br />
Dienstag, 17. Juli 19 Uhr<br />
Hans Lebrecht:<br />
Gekrümmte Wege, doch ein Ziel<br />
1915 in Ulm geboren – Lesung aus den<br />
Lebenserinnerungen<br />
Silvester Lechner, Thomas Vogel<br />
Geboren 1915 in Ulm als Sohn einer großbürgerlichen<br />
jüdischen Fabrikantenfamilie,<br />
bekommt Lebrechts Leben mit dem Machtantritt<br />
der Nazis eine radikal neue Richtung …<br />
Dienstag, 24. Juli 19 Uhr<br />
Swing – Bossa Nova – Bebop – Cool<br />
Die Ulmer Gruppe „Jazzmess“ spielt<br />
(Eintritt: 6 und 3 €)<br />
Ulrich Kuhn, bass; Magnus Schneider, piano;<br />
Thomas Kleinhans, drums; Jonas Dorn, guitar<br />
Ulmer „Haus der Stadtgeschichte“:<br />
Eine lebendige Partnerschaft mit dem DZOK<br />
Am 14. Juli <strong>2007</strong> erfährt auch das Stadtarchiv<br />
Ulm nach einem Umbau eine kleine Neugeburt,<br />
und zwar als „Haus der Stadtgeschichte<br />
- Stadtarchiv Ulm“. Bei dieser Gelegenheit wird<br />
im historischen Gewölbesaal des Schwörhauses<br />
eine Dauerausstellung der Öffentlichkeit<br />
präsentiert. Sie zeigt die wichtigsten Ereignisse<br />
und Themen der Ulmer Stadtgeschichte<br />
von den Anfängen bis zur Gegenwart. Neben<br />
Exponaten, Modellen und großflächigen Darstellungen<br />
machen auch interaktive mediale<br />
Installationen einen wichtigen Bestandteil der<br />
Ausstellung aus. Zur Eröffnung gibt es am<br />
Nachmittag des 14. und am 15. Juli einen Tag<br />
der offenen Tür und ein Fest auf dem Weinhof<br />
mit einem Programm, das auf das besondere<br />
Ereignis Bezug nimmt.<br />
Wir vom DZOK freuen uns auf die Fortsetzung<br />
vieler lebendiger Kontakte.
Georg Kocheise, Lehrer am Hans- und Sophie-Scholl-Gymnasium,<br />
beschreibt die Bedeutung des DZOK für den schulischen Unterricht.<br />
Links neben ihm Kulturbürgermeisterin Mayer-Dölle, der katholische<br />
Dekan Hambücher, CDU-Gemeinderatsmitglied Dr. Hans-Walter<br />
Roth; rechts von Kocheise die DZOK-Mitarbeiter.<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: L. Sobkowiak)<br />
Lothar Heusohn von der Ulmer Volkshochschule, gegründet 1946<br />
von Inge Aicher-Scholl, hob in seinem Grußwort die jahrzehntelangen<br />
engen Verbindungen zwischen Volkshochschule und <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
hervor. Denn, wie er sagte, „die Auseinandersetzung<br />
mit dem Nationalsozialismus und seinen Nachwirkungen bis<br />
in die Gegenwart wird Faktor einer politischen Erwachsenenbildung<br />
bleiben wie sie Faktor dieser Republik bleiben wird.“<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: StA Ulm)<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Das „Trio Trotzdem“, hier mit Mane Schweizer und Herbert Cangiano,<br />
stellte mit seinen Liedern den Zusammenhang zu den politischen<br />
Botschaften der Gründungsväter des Ulmer Doku-Zentrums<br />
her.<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: L. Sobkowiak)<br />
Die Ulmer Gruppe Jazz-Mess setzte den Schlusspunkt unter das<br />
Eröffnungsprogramm. Sie tritt wieder auf am 24. Juli, dann erweitert<br />
um den großartigen Ulmer Nachwuchs-Gitarristen Jonas Dorn, in<br />
„Büchse 13“, dem „Ulmer Treff für kritische Geschichtskultur“.<br />
(A-DZOK, Eröffnung <strong>2007</strong>; Foto: Chr. Loyal)<br />
5
Gedenkfeier 2006 in der Ulmer KZ-Gedenkstätte (I)<br />
Die Rede von Ministerpräsident Günther Oettinger<br />
„Wir gedenken hier, an dieser Stelle insbesondere der tapferen Männer und Frauen,<br />
die dem Regime die Stirn geboten haben, die standhaft geblieben sind, die gemahnt<br />
und gewarnt haben und die vor den Drohungen und auch vor der Gefahr der Verhaftung<br />
nicht eingeknickt sind.“<br />
Ministerpräsident Günther Oettinger hat am 19. November in der Ulmer KZ-Gedenkstätte eine bemerkenswerte Rede gehalten.<br />
Eine Rede zur Bedeutung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, auch am Beispiel der Häftlinge des KZ Oberer<br />
Kuhberg. Diese Rede wurde regional wenig und überregional gar nicht beachtet. Darum soll sie hier in ihren wesentlichen Aussagen<br />
dokumentiert werden. Eine vollständige Fassung der Rede kann beim DZOK bestellt werden.<br />
Ganz anders war das mit Günther Oettingers Rede zur Trauerfeier für den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten<br />
Hans Filbinger am 11. April <strong>2007</strong> im Freiburger Münster. Besonders die Zuordnung Filbingers zum Widerstand gegen<br />
die Nazis (die er zehn Tage später wieder zurück nahm) fand in allen Medien und in der deutschen Öffentlichkeit ein gewaltiges<br />
Echo.<br />
Denn Filbinger galt und gilt als eines der herausragenden Beispiele eines Politikers der Bundesrepublik, der in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
„nicht Sand, sondern Öl im Getriebe“ (Wolfram Wette) war; und der überdies diese Rolle nicht nur verdrängte,<br />
sondern sie rechtfertigte und in sein politisches Rollenverständnis in der Demokratie integrierte (vgl. S. 28: die Besprechung<br />
von Wolfram Wettes Buch von 2006 zum „Fall Filbinger“).<br />
Die minimal gekürzte Dokumentation von Günther Oettingers Kuhberg-Rede soll zeigen, dass es auch diesen anderen Anteil<br />
in den öffentlichen Äußerungen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten gibt; nämlich den, der den wirklichen<br />
Widerstand gegen die Nazis erkennt und würdigt. Und auch dies soll öffentlich gemacht werden. Denn hier liegen Grundlagen<br />
unserer Arbeit und auch des politischen Denkens und Handelns in unserer Republik.<br />
„Wir haben uns heute in diesen denkwürdigen Räumen versammelt,<br />
um der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt-<br />
und Terrorherrschaft und der Frauen und Männer des Widerstands<br />
zu gedenken.<br />
Wir gedenken hier, an dieser Stelle insbesondere der tapferen<br />
Männer und Frauen, die dem Regime die Stirn geboten<br />
haben, die standhaft geblieben sind, die gemahnt und<br />
gewarnt haben und die vor den Drohungen und auch vor<br />
der Gefahr der Verhaftung nicht eingeknickt sind.<br />
Wie unvermittelt und brutal die ersten Verhaftungswellen im<br />
Jahr 1933 über die Familien der Betroffenen hereinbrachen,<br />
belegt das Zeugnis von Lina Haag, der Ehefrau des damaligen<br />
KPD-Mitglieds Alfred Haag aus Schwäbisch Gmünd,<br />
der als junger Mann in den Württembergischen Landtag<br />
gewählt worden war.<br />
[…] das, was die Nationalsozialisten beschönigend „Schutzhaftlager“<br />
nannten, waren in Wirklichkeit Konzentrationslager.<br />
Wer in ein Konzentrationslager kam, hatte eine theoretische<br />
Chance, dieses Lager noch während der NS-Zeit lebend zu<br />
verlassen. Wer in ein Vernichtungslager kam, hatte diese<br />
Chance nicht.<br />
Der Terror ist der große Feind der Freiheit.<br />
Aber seien wir uns im Klaren darüber: Der Terror kommt nicht<br />
aus dem Nichts. Er ist immer Folge einer Entwicklung, in der<br />
Freiheit und Menschenwürde mit Füßen getreten werden.<br />
Der Philosoph Karl Jaspers, der mit seiner Frau der Deportation<br />
in ein Vernichtungslager nur knapp entkam, schrieb<br />
nach dem Krieg: „Freiheit, allein darauf kommt es an.“<br />
Ohne Freiheit ist die Menschenwürde in Gefahr. Dazu zählt<br />
natürlich auch die materielle Freiheit. Aber nicht allein diese.<br />
Es ist vor allem die politische Freiheit, die es dem Menschen<br />
erlaubt, ein selbst bestimmtes Leben zu führen.<br />
Wo die Freiheit verloren geht, geht auch der Rechtsstaat<br />
verloren. Und wo der Rechtsstaat verloren geht, kann sich<br />
Terror ungehindert verbreiten.<br />
6<br />
Welche Gestalt der Terror annehmen kann, das haben die<br />
Insassen des Konzentrationslagers Oberer Kuhberg an Leib<br />
und Seele spüren müssen.<br />
Die politischen Häftlinge, die hier einsaßen – unter ihnen<br />
auch drei katholische Geistliche – wurden nicht nur körperlich<br />
gepeinigt und gequält. Sie wurden vor allem auch geistig<br />
und seelisch misshandelt.<br />
Wie bei Tieren wollte man ihren Willen brechen und sie<br />
dressieren. Man wollte sie gefügig machen für den neuen<br />
nationalsozialistischen Staat.<br />
Im Grunde genommen aber wollte man vor allem eines: sie<br />
innerlich zerstören.<br />
Der Zerstörungswille des Nationalsozialismus war enorm.<br />
Man gab zwar vor, etwas „Neues“, gar „Großes“ aufzubauen<br />
und zu schaffen – eine neue Ordnung, einen neuen Staat,<br />
einen neuen Menschen.<br />
In Wirklichkeit aber wollte man zerstören.<br />
[…] Das Konzentrationslager Oberer Kuhberg war kein Vernichtungslager.<br />
Aber es war ein erstes Glied in einer Kette,<br />
an deren Ende die Vernichtungslager standen.<br />
[…] Je dunkler die Nacht, desto heller leuchten die Sterne.<br />
Dieser Satz trifft […] zu, wenn man die Briefe liest, die die<br />
Gefangenen aus ihren Arrestzellen heraus ihren Frauen und<br />
Kindern, ihren Verwandten und Freunden schrieben.<br />
Diese Briefe sind Dokumente geschundener, aber nicht<br />
gebrochener Menschen. Es sind Dokumente des Anstands,<br />
der Ehre, des Charakters.<br />
Konrad Adenauer hat nach dem Krieg die Deutschen als „tief<br />
gebeugt, aber nicht gebrochen“ bezeichnet.<br />
Dass man diesen Satz sagen konnte, und zu Recht sagen<br />
konnte, verdanken wir zu einem großen Teil jenen Frauen<br />
und Männern, die in politischer Opposition zum NS-Regime<br />
standen.<br />
Frauen und Männer, die Internierung, Isolation, Hunger und<br />
Gewalt auf sich genommen haben, um ihren Idealen und
Überzeugungen, ihrem Glauben und ihrem Patriotismus treu<br />
zu bleiben.<br />
Viele sind zu aktiven Widerstandskämpfern geworden. Sie<br />
haben unter Lebensgefahr Zeichen der Sehnsucht nach<br />
Freiheit und Würde gesetzt.<br />
Sie haben gezeigt: Es gibt ein anderes, ein besseres<br />
Deutschland!<br />
Dafür wollen wir uns einsetzen! Dafür wollen wir notfalls<br />
unser Leben geben!<br />
Die Geschwister Scholl und die anderen jungen Menschen<br />
der Weißen Rose haben mit ihrem Mut, ihrem Glauben, ihrer<br />
Humanität und ihren politischen Vorstellungen von einem<br />
besseren Deutschland für alle Zeit das Gewissen der Deutschen<br />
geschärft.<br />
In der Tat: Sie waren Sterne in einer dunklen Nacht.<br />
Und sie leuchten noch heute. Denn die Anliegen der Weißen<br />
Rose sind heute nicht weniger aktuell als damals.<br />
Wird die Menschenwürde heute nicht immer noch an vielen<br />
Orten auf der Welt mit Füßen getreten?<br />
Werden Menschen – auch Frauen und Kinder – nicht in<br />
vielen Ländern ihres Glaubens, ihrer politischen Einstellung<br />
oder ihrer Rasse wegen verfolgt und ermordet?<br />
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. So steht es im<br />
ersten Artikel des Grundgesetzes. Und so sieht es in großen<br />
Buchstaben der Besucher des <strong>Dokumentationszentrum</strong>s<br />
Oberer Kuhberg.<br />
Es ist keine bloße Feststellung. Es ist eine Mahnung und<br />
eine Aufforderung an uns alle, die Würde des Menschen zu<br />
schützen.<br />
Hier, in diesen Räumen, wissen wir sofort, was damit<br />
gemeint ist. Aber wir müssen es auch „draußen“, im Alltag<br />
beherzigen.<br />
Das gilt natürlich für die Politik. Es gilt aber ebenso für das<br />
gesamte Gemeinwesen, für alle Bürgerinnen und Bürger.<br />
Dabei ist die Würde umso verletzbarer, je verletzlicher der<br />
Mensch ist.<br />
Die Misshandlung von Kindern und Schutzbefohlenen oder<br />
das Quälen von einzelnen durch eine Gruppe sind für mich<br />
bestürzende Beispiele dafür, dass die Menschenwürde auch<br />
in unserer Zeit keineswegs immer geachtet und respektiert<br />
wird.<br />
Insofern ist es nicht nur pädagogisch sinnvoll, sondern auch<br />
politisch notwendig, dass wir das Thema „Verletzung der<br />
Menschenwürde“ als ein zeitloses Thema begreifen.<br />
Es freut mich, und ich bin dankbar dafür, dass das <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
Oberer Kuhberg beide Aspekte - den<br />
zeithistorischen und den gegenwärtigen - in seine<br />
Arbeit einbezieht. Dies gilt besonders für die intensive und<br />
umfangreiche Jugendarbeit, die hier geleistet wird.<br />
Das <strong>Dokumentationszentrum</strong> hat eine eigene Jugendgruppe<br />
und von den jährlich etwa 7.000 Besuchern sind rd. 5.000<br />
Schülerinnen und Schüler.<br />
Dafür und für die hervorragende und allseits anerkannte<br />
Arbeit in der Gedenkstätte möchte ich dem Trägerverein<br />
sowie den haupt- und ehrenamtlich Tätigen von Herzen<br />
meinen Dank, meine Anerkennung und meinen Respekt<br />
aussprechen!<br />
Die Gedenkstätte Oberer Kuhberg ist gerade für junge Menschen<br />
zu einem Zentrum der Begegnung mit ihrer eigenen<br />
Geschichte geworden und zugleich der Ansporn, diese<br />
Geschichte für ihre eigene Gegenwart, für ihr eigenes Leben<br />
nutzbar zu machen.“<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Der Ministerpräsident Günther Oettinger zu Besuch in der Ulmer KZ-Gedenkstätte:<br />
bei seiner Rede, beim gemeinsamen Singen des Liedes der „Moorsoldaten“<br />
(links Sozialministerin Dr. Stolz, daneben sein Sohn Alexander) und<br />
beim Eintragen ins Gästebuch des DZOK.<br />
(A-DZOK, Gedenkfeier 2006; oben und Mitte: D. Nülle; unten: L. Sobkowiak)<br />
7
Gedenkfeier 2006 in der Ulmer KZ-Gedenkstätte (II)<br />
„Die Würde des Menschen und ihre Antastungen – damals und heute“<br />
Auszüge aus einer Lesung<br />
Der Rede des Ministerpräsidenten folgte bei der Gedenkfeier 2006 eine Lesung. Den Leitgedanken der Gedenkstätte, „Die<br />
Würde des Menschen ist unantastbar“, aufgreifend, sollten hier Aussagen aus zwei Zeitebenen miteinander in Verbindung<br />
gebracht werden. Zum einen Aussagen von Kuhberg-Häftlingen der Jahre 1933 bis 1935; zum anderen Aussagen von politisch<br />
Verfolgten in unserer Welt, die in Deutschland Asyl suchten.<br />
Das Verbindende der betroffenen politisch Verfolgten von damals und heute wurde am Beispiel eines exemplarischen Aspektes<br />
dargestellt; nämlich dem der willkürlichen Verhaftungen und Verschleppungen, die den rechtstaatlichen Normen, wie sie in<br />
Artikel 104 des Grundgesetzes („Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug“) formuliert sind, widersprechen. Unter anderem heißt es<br />
dort: „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden.“<br />
Die aktuellen Texte hatten auch einen regionalen Bezug: es handelte sich um anonymisierte Aussagen von Asyl suchenden<br />
Menschen, die Klienten im „Ulmer Behandlungszentrum für Folteropfer“ waren und sind. Sie erhalten dort psychologische und<br />
psychotherapeutische Hilfe bei der Bewältigung ihrer folterbedingten körperlichen und seelischen Störungen. Die Kontakte<br />
zwischen DZOK und Behandlungszentrum sind eng, die Kooperation war auch dieses Mal wieder problemlos.<br />
Silvester Lechner fasste den Sinn der Lesung so zusammen:<br />
- Es gab und gibt Menschen, die gegen die Zerstörung der Menschenwürde Widerstand geleistet haben. Ein Erbe, das Mut<br />
macht, auf das wir uns berufen können im Denken und Handeln.<br />
- Das Hören des Schrecklichen, das mit Menschen geschehen ist, soll uns wecken, hinzusehen und Antastungen der Menschenwürde<br />
entgegenzutreten, wo immer wir dazu in der Lage sind. Dies erreichen zu helfen, ist die Existenzberechtigung der<br />
Ulmer KZ-Gedenkstätte ebenso wie die des Ulmer Behandlungszentrums für Folteropfer. (sl)<br />
Auszüge aus der Lesung, der gesamte Text liegt als Sonderdruck vor und kann bei Bedarf zugeschickt werden.<br />
1933, in der Wohnung von Lina und Alfred<br />
Haag in Schwäbisch Gmünd; aus Lina<br />
Haags Buch „Ein Hand voll Staub“<br />
8<br />
„Mit Hitler fing es an. Mit der<br />
Machtergreifung. Mit dem - Umbruch,<br />
sagten sie dazu. Sie haben uns<br />
wahrhaftig umgebrochen, an Leib und<br />
Seele.<br />
Als das Radio die Nachricht brachte,<br />
wusste ich, dass sie dich holen würden.<br />
(…) Gegen fünf Uhr morgens sind sie<br />
da. Sturmriemen unterm Kinn, Revolver,<br />
Gummiknüppel. Reißen die Kästen auf,<br />
werfen die Kleider heraus, stülpen<br />
die Schubladen um, durchwühlen den<br />
Schreibtisch. (…)<br />
Sie suchen nichts, sie hausen nur,<br />
treten mit ihren Stiefeln auf der<br />
frischen Wäsche herum, die am Boden<br />
liegt, lesen mit schamloser Neugierde<br />
unsere Briefe, lassen mich, zitternd vor<br />
Erregung und Kälte, im Unterrock an<br />
Kätles Bettchen stehen, laufen sinnlos<br />
hin und her, aus und ein, stecken die<br />
Köpfe zusammen, grinsen, fluchen,<br />
weiden sich an unserer Hilflosigkeit.<br />
Dabei sind wir ihnen keineswegs fremd,<br />
sie kennen uns und wir kennen sie, es<br />
sind erwachsene Menschen, Mitbürger,<br />
Nachbarn, wenn man will, Familienväter,<br />
kleine ordentliche Leute. (…) Plötzlich<br />
„Die Würde des Menschen und ihre Antastungen<br />
- damals und heute“, eine Lesung mit (von links)<br />
Silvester Lechner, Laura Seitz, Volker Bräth ,<br />
Annette Lein. (A-DZOK, Gedenkfeier 2006; Foto:<br />
Nülle)<br />
stehst du im Mantel da. „Los, los!“<br />
kommandiert einer. ‚Du bist doch<br />
Abgeordneter‘ rufe ich. ‚Abgeordneter‘,<br />
lacht der Kerl, ‚habt ihr‘s gehört!‘<br />
‚Kommune seid ihr‘, schreit er, ‚aber mit<br />
euch Dreckspack wird jetzt aufgeräumt!‘<br />
(…) Ich will dir nachrufen, da geht schon<br />
die Wohnungstür.“<br />
Psycholog. Bericht, Ulm, Mai 2005<br />
„Frau S. ist so gut wie nicht ansprechbar,<br />
hat Blick und Kopf gesenkt. Der Kopf<br />
wackelt willkürlich hin und her, die<br />
Hände zittern. Sie wirkt teilnahmslos,<br />
wie leer. (…)<br />
Sicherheitskräfte sollen ihren Ehemann<br />
beschuldigt haben, Waffen zu besitzen.<br />
Daraufhin sei die Privatwohnung<br />
durchsucht und dann sei gegen ihren<br />
Mann ein Haftbefehl ausgestellt<br />
worden. Daraufhin sei er geflüchtet und<br />
habe sich in der Umgebung versteckt.<br />
Sie selbst habe weiterhin in der<br />
Wohnung gewohnt, diese sei immer<br />
wieder von Sicherheitskräften<br />
durchsucht worden. Sie gibt an, dies sei<br />
zwei- bis dreimal in der Woche passiert,<br />
zu jeder Tageszeit, auch nachts. Sie<br />
habe sehr große Angst gehabt und habe<br />
sich vor den Nachbarn geschämt. (…)<br />
Das Schlimmste sei ungefähr neun<br />
Monate nachdem ihr Mann weg war,<br />
passiert. (…) Sie sei aufs Übelste<br />
beschimpft und sei angeschrieen<br />
worden. Sie sei am ganzen Körper mit<br />
Fußtritten traktiert worden, mit der<br />
flachen Hand habe man ihr ins Gesicht<br />
geschlagen. Als sie sie zurück in die<br />
Wohnung gebracht hatten, sei sie nicht<br />
mehr sie selbst gewesen.“
Kuhberg-Bericht zum Jahr 1934<br />
„Als die verschlossenen Eisentore zu<br />
den Kasematten von den SA-Leuten<br />
mühsam geöffnet wurden, da drang ein<br />
muffiger Modergeruch aus den Tiefen.<br />
Und da hinein wurden die Gefangenen<br />
über zum Teil glitschige und verwitterte<br />
Stufen mit Geschrei und Fußtritten<br />
hinunter getrieben. Was sich hier<br />
offenbarte, das lässt sich mit Worten<br />
kaum schildern. (…) Wir fühlten: In<br />
den Kasematten des Oberen Kuhbergs<br />
werden wir lebendig begraben“.<br />
Psycholog. Bericht, Ulm 22.6.2006<br />
„Er war immer allein in der Zelle<br />
untergebracht. Diese Zelle bot<br />
nicht genügend Platz, um die Füße<br />
auszustrecken. In dem Raum war<br />
es sehr kalt und es hat „entsetzlich<br />
gestunken“, nach Urin und Kot. Zu essen<br />
bekam er immer nur gerade so viel, dass<br />
er nicht verhungert ist. Ähnlich hat es<br />
sich mit dem Trinkwasser verhalten.<br />
Einmal bekam er eine heiße Flüssigkeit<br />
Ministerpräsident Oettinger: „Jetzt eine Lösung finden, die Bestand hat!“<br />
Kommt eine Mit-Finanzierung durch das Land?<br />
„Die Gedenkstätte Oberer Kuhberg<br />
ist für junge Menschen zu einem<br />
Zentrum der Begegnung mit ihrer<br />
eigenen Geschichte geworden und zu<br />
einem Ansporn, diese Geschichte für<br />
ihre Gegenwart nutzbar zu machen.“<br />
Dies sagte Ministerpräsident Oettinger<br />
am Ende seiner Gedenkrede am<br />
19. November. Und anschließend, in<br />
einem kleinen Kreis mit der badenwürttembergischen<br />
Sozialministerin<br />
Dr. Monika Stolz, der bayerischen<br />
Justizministerin Dr. Beate Merk, Ulms<br />
OB Ivo Gönner und Bürgermeisterin<br />
Sabine Mayer-Dölle sowie Konrad<br />
Pflug, dem Landesbeauftragten für<br />
Gedenkstätten bei der Landeszentrale<br />
für politische Bildung, sagte er: es<br />
müsse für das Ulmer Doku-Zentrum<br />
„jetzt eine Lösung gefunden werden,<br />
die Bestand hat.“ Gemeint mit der zu<br />
findenden Lösung war die Finanzierung<br />
der Arbeit des DZOK. Konkret:<br />
Es ging um einen Beitrag des Landes,<br />
der nicht wie bisher projektgebunden<br />
und befristet, sondern kontinuierlich<br />
geleistet wird – nach dem Zuschuss-<br />
Modell der Stadt Ulm.<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
zu trinken, von der er vermutet, dass es<br />
sich um Urin handelte. Er hatte aber in<br />
dieser Situation so großen Durst, dass<br />
er die Flüssigkeit trotz seines Verdachts<br />
trank. Die Möglichkeit, sich zu waschen<br />
bestand nicht. Wiederholt durfte er<br />
nicht zur Toilette gehen. So musste er<br />
sich in die Hose machen.<br />
Kuhberg-Bericht zum Jahr 1934<br />
„Der Turm der Kommandantur wurde zu<br />
einer gefürchteten Folterkammer, hinter<br />
deren dicken Mauern die raffiniertesten<br />
Methoden der Menschenquälerei<br />
angewendet wurden. Während der<br />
ganzen Zeit ist auf dem Kuhberg kein<br />
einziger Häftling getötet worden. Buck<br />
dachte zur damaligen Zeit noch nicht an<br />
Mord, aber er hat offenbar planmäßig<br />
daraufhin gearbeitet, mit geeigneten<br />
Mitteln den Häftlingen lebenslange<br />
Gesundheitsschäden zuzufügen.“<br />
„Stundenlang wurden wir zur<br />
Einschüchterung in glühender Sonne mit<br />
dem Gesicht gegen eine Backsteinwand<br />
Hintergrund: Ende der Ulmer<br />
Gedenkstätten-Pädagogik?<br />
Zu dieser Zeit war klar, dass die<br />
hauptamtliche pädagogische Arbeit<br />
am Doku-Zentrum Mitte des Jahres<br />
<strong>2007</strong> beendet ist, wenn nicht eine<br />
neue Finanzierung mit einem Beitrag<br />
des Landes gefunden werden würde.<br />
Denn die Landesstiftung, die die Arbeit<br />
seit Mai 2003 weitgehend finanziert<br />
hat, hatte von Anfang an deutlich<br />
gemacht, dass ihr Engagement nur<br />
befristet sein könne.<br />
Ministerpräsident Oettinger machte<br />
zwei Vorschläge: Einerseits sollte<br />
umgehend bei der Landesstiftung ein<br />
Antrag auf eine letztmalige einjährige<br />
Förderung gestellt werden. Und<br />
andererseits wolle er, Oettinger, einen<br />
„runden Tisch“ einberufen, um einen<br />
„institutionellen“ Beitrag für die Ulmer<br />
Gedenkstätte seitens des Landes festzulegen.<br />
Die dazu nötigen inhaltlichen<br />
und finanziellen Konzepte wurden<br />
vorgelegt. Anfang Mai wurde der erste<br />
Antrag, nämlich der auf Förder-Verlängerung<br />
durch die Landesstiftung,<br />
positiv beschieden (vgl. Kasten).<br />
zum Schein-Erschießen aufgestellt.<br />
Sadismus tobte sich aus und drunten im<br />
Tal läuteten die Münsterglocken.“<br />
Arztbericht, Ulm, 24.3.2000<br />
„Bei einer Beerdigung sei er<br />
festgenommen und abgeführt worden.<br />
Zusammen mit 14 anderen Personen<br />
sei er in einem Kleinbus auf die<br />
Polizeiwache verbracht worden. Da<br />
seien sie einzeln in verschiedene<br />
Kellerräume geleitet worden, es sei nur<br />
wenig Licht durch eine kleine Luke in die<br />
Zelle gefallen. Man habe ihm die Augen<br />
verbunden, er sei weggeführt worden, er<br />
wusste nicht wohin, dann habe man ihn<br />
an den Handgelenken an einen Hocker<br />
gefesselt und dann sei er mit Fäusten,<br />
Füßen, Plastik- oder Hartgummiknüppeln<br />
brutal zusammengeschlagen worden.<br />
Dann habe man ihn mit Stromschlägen<br />
in beide kleine Finger gefoltert. Er<br />
dachte, „das Herz fliegt mir aus dem<br />
Hals, die Augen springen mir aus dem<br />
Kopf.“<br />
Das Land und die Ulmer KZ-<br />
Gedenkstätte – ein Rückblick<br />
Als in den 60er Jahren des vergangenen<br />
Jahrhunderts im Kreis der<br />
„Lagergemeinschaft Heuberg, Kuhberg,<br />
Welzheim“ – den überlebenden<br />
württembergischen KZ-Häftlingen<br />
– die Idee entstand, im authentisch<br />
erhaltenen ehemaligen Landes-KZ<br />
von Württemberg eine Gedenkstätte<br />
zu errichten, war klar: das muss<br />
eine Institution des Landes werden.<br />
Konzepte wurden entwickelt, ein<br />
Gründungskuratorium 1970 ins Leben<br />
gerufen. Anträge wurden gestellt. Rolf<br />
Dick, Ulms SPD-Abgeordneter im<br />
Landtag, focht im Landtag – es war die<br />
Ära Hans Filbinger – für die Idee. Alles<br />
vergeblich, 1974 – es waren 30 Jahre<br />
seit dem Kriegsende vergangen – war<br />
die Idee definitiv abgeschmettert.<br />
Die Folge war die bis heute geltende<br />
Lösung: ein Verein (1977) als Rahmen<br />
und eine weitgehend regionale Finanzierung.<br />
Auf dieser Grundlage wurde<br />
die Gedenkstätte 1985 mit einer Dauerausstellung<br />
eröffnet – mitfinanziert<br />
vom Land.<br />
9
Das Nachgespräch zur Gedenkfeier in kleiner Runde.<br />
Von links: Konrad Pflug (LpB), Silvester Lechner (DZOK), Sozialministerin Monika Stolz (baden-württembergische Sozialministerin),<br />
OB Ivo Gönner, Ministerpräsident Günther Oettinger, Wolfgang Keck (DZOK-Vorsitzender), (verdeckt) Sabine<br />
Mayer-Dölle (Ulmer Bürgermeisterin), Beate Merk (bayerische Justizministerin).<br />
(A-DZOK, Gedenkfeier <strong>2007</strong>; Foto: Dierk Nülle)<br />
Ein landespolitischer Durchbruch<br />
– wenn auch nicht finanziell, so doch<br />
atmosphärisch – war 1993. Da kam es<br />
im Rahmen der Gedenkfeier zu einem<br />
Besuch und einer bedeutenden Rede<br />
des damaligen Ministerpräsidenten<br />
Erwin Teufel.<br />
Diese Rede des Repräsentanten einer<br />
Generation, die nicht mehr zu den<br />
Akteuren des NS-Staates gehörte,<br />
stand in Zusammenhang mit einer<br />
zunehmenden Annäherung der bundesdeutschen<br />
Öffentlichkeit gegenüber<br />
Aspekten der NS-Zeit, die bis<br />
dahin tabuisiert waren. Gedenkstätten<br />
entstanden bundesweit, in Stuttgart<br />
konstituierte sich deren Landes-<br />
Arbeitsgemeinschaft.<br />
Und das Land engagierte sich am<br />
Kuhberg, wenn auch „nur“ punktuell:<br />
mit einer Ausstellung des Hauses der<br />
Geschichte Baden-Württemberg, dem<br />
Bereitstellen von drei, später sechs<br />
Lehrer-Wochenstunden für die Begleitung<br />
von Schulklassen und schließlich<br />
mit einem Beitrag zur Neugestaltung<br />
der Gedenkstätte 2001.<br />
10<br />
Gedenkstättenarbeit am Scheideweg:<br />
Ende oder Neuanfang<br />
Heute, 62 Jahre nach Kriegsende,<br />
ist die Generation der Leidens- und<br />
Zeitzeugen nur noch in geringer Zahl<br />
präsent. Für die jetzt im Berufsleben<br />
stehenden Enkel ist der Nationalsozialismus<br />
entfernte Geschichte.<br />
Die Ulmer Gedenkstätte hat dieser<br />
Entwicklung Rechnung getragen:<br />
einerseits mit einer intensiven und<br />
erfolgreichen Jugendarbeit; andererseits<br />
mit einer Hinwendung zur<br />
Gegenwart, d. h. einer Befragung des<br />
Historischen für die Demokratie- und<br />
Menschenrechtserziehung heute und<br />
morgen.<br />
Nun steht eine Entscheidung an.<br />
Sollen Gedenkstätten als „Erinnerungs-Ruinen“<br />
nur noch ein kurzfristiges<br />
Auslaufmodell sein? Oder soll die<br />
lebendige pädagogische Vermittlungsarbeit<br />
unter den Voraussetzungen der<br />
Gegenwart weiter gehen?<br />
Und da ist auch das Land gefordert!<br />
(sl)<br />
Landesstiftung fördert ein<br />
letztes Mal<br />
Am 8. Mai – welch ein Datum!<br />
– kam die erlösende Nachricht:<br />
Die Landesstiftung Baden-<br />
Württemberg fördert ein letztes<br />
Mal das Projekt Gedenkstättenpädagogik<br />
des <strong>Dokumentationszentrum</strong>s<br />
Oberer Kuhberg.<br />
Das Geld wird für die Finanzierung<br />
der Stelle der Gedenkstättenpädagogin<br />
verwendet, die wieder von<br />
Annette Lein besetzt sein wird.<br />
Die zugesagten Mittel reichen bis<br />
<strong>Juni</strong> 2008.
Der Mensch und das Prinzip Lina Haag –<br />
ein Geschenk für die Nachgeborenen<br />
Am 18. Januar beging Lina Haag ihren hundertsten Geburtstag<br />
Lina Haag - ein Jahrhundertereignis. So oder so ähnlich<br />
wurde Lina Haag, die am 18. Januar 1907 bei Schwäbisch<br />
Gmünd geboren wurde, zu ihrem hundertsten Geburtstag<br />
gefeiert. Zahllose Zeitungsartikel erschienen, ein Film wurde<br />
gedreht, viele öffentliche Ehrungen -von der VVN/BdA bis hin<br />
zum „Dachau-Preis für Zivilcourage“- wurden vorgenommen.<br />
Unter den Geburtstags-Gratulanten am 18. Januar waren<br />
auch als Vertreter des Doku-Zentrums Cornelia und Silvester<br />
Lechner. Einige dieser Ereignisse werden hier in Bildern<br />
dokumentiert - zusammen mit dem historischen Foto, das<br />
Lina Haag und ihre Tochter Käte im Jahr 1933 zeigt; dem<br />
Jahr, mit dem die entsetzliche Verfolgungsgeschichte der<br />
Haags begann und mit dem ihr großes Buch „Eine Hand voll<br />
Staub“ einsetzt.<br />
Die Verbindungen zwischen Lina Haag und dem Ulmer<br />
Doku-Zentrum sind vielfältig. Einerseits: Ihr Mann Alfred<br />
war 1934/35 Häftling im Ulmer KZ und hat in den 50er und<br />
60er Jahren entscheidende Impulse dazu gegeben, dass im<br />
Fort Oberer Kuhberg eine KZ-Gedenkstätte entstand. Und<br />
andererseits: sie selbst ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten<br />
bis zum heutigen Tag Gesprächspartnerin, Ermutigerin,<br />
Freundin der Ulmer Aktiven rund um die Gedenkstätte<br />
geblieben. Ihr unmittelbar am Ende des Krieges geschriebener<br />
Bericht, „Eine Hand voll Staub“ beschreibt den Weg<br />
der Haags durch den Terror der Nazis, auch den Weg Alfreds<br />
durch das KZ Oberer Kuhberg. Das Buch ist zum Klassiker<br />
der Widerstands- und Frauenliteratur geworden. Es wurde<br />
in den letzten Jahren zwei Mal neu aufgelegt (Silberburg und<br />
dtv) und stößt heute besonders bei den jungen Besuchern<br />
der Ulmer Gedenkstätte auf ein ungebrochen großes Interesse.<br />
Lina Haag mit 100: in den Augen der Freunde eigentlich<br />
unverändert seit Jahrzehnten. Voller Tatkraft - in 14 Tagen<br />
hatte sie jeden einzelnen Geburtstagsglückwunsch handschriftlich<br />
beantwortet. Dabei voller Interesse, Neugierde,<br />
Anteilnahme gegenüber der kleinen Welt der Familie (von<br />
Tochter Käte über Enkelin Susi bis hin zu Urenkelin Franzi)<br />
und Freunde und vor allem auch gegenüber dem „großen“<br />
politischen Geschehen. Sie liest mit Leidenschaft. Titus<br />
Häussermann, ihr Verleger, schenkte ihr aus jedem Jahrzehnt<br />
ihres Lebens ein wichtiges Buch - nach ein paar<br />
Wochen hatte sie alle gelesen.<br />
Ihr Lesen, ihr Denken, ihr Reden hat nichts Unverbindliches.<br />
Es ist geprägt von Orientierungspunkten, von Werten, vom<br />
Glauben an die Kraft von Gerechtigkeit und Menschlichkeit<br />
- bei aller Klarsicht gegenüber den Abgründen von Feindseligkeit<br />
und Niedertracht. Ihre alte Botschaft spricht sie bis<br />
heute mit Ernst und leuchtenden Augen aus: „Man muss<br />
sich empören gegen Unrecht und Gewalt“.<br />
Ihre Freunde wurden sich einmal wieder bewusst: der<br />
Mensch und das „Prinzip Lina“, ihre ungebrochene Hoffnung,<br />
ihr Mut, ihre Leidenschaft sind eine Art Lebensmittel,<br />
Rückhalt fürs eigene Leben geworden. Das Glück, das wir<br />
ihr jeden Tag wünschen, korrespondiert mit unserem Glück:<br />
dass es Lina Haag gibt und wir sie in unserer Nähe spüren.<br />
(sl)<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Am Vormittag des 18. Januar, dem Tag ihres 100. Geburtstags, bekam Lina<br />
Haag in ihrem Münchener Reihenhaus Besuch von Freunden: vorne, v. l. Silvester<br />
Lechner, Lina Haag, Klara Gissing; hinten, v. l. Barbara Distel, Christel<br />
Werner, Käte Doenges (Linas Tochter), Cornelia Lechner.<br />
(A-DZOK, Lina Haag 07; Foto: T. Häussermann)<br />
Lina Haags Geburtstagstorte – das „Lina-Jahrhundert“.<br />
(A-DZOK, Lina Haag 07; Foto: S. Lechner)<br />
11
12<br />
Lina Haag: Frauen und Pazifismus<br />
Auszug aus ihrer Rede am 1. Frankfurter Schriftsteller-Kongress vom 19. bis 25.5.1948<br />
Vorbemerkung:<br />
„Eine Hand voll Staub“ ist Lina<br />
Haags einziges Buch geblieben. In<br />
etwa einem Dutzend verschiedener<br />
Ausgaben seit 19<strong>47</strong> erschienen, ist<br />
es das früheste und bis heute wohl<br />
meistgelesene Zeugnis einer Frau<br />
zum Widerstand gegen das NS-<br />
Regime. Allerdings: neben diesem<br />
Buch gibt es eine weitere bedeutsame<br />
öffentliche Äußerung von Lina<br />
Haag. Das ist ihre Rede während des<br />
Ersten Deutschen Schriftsteller-Kongresses<br />
in Frankfurt, Ende Mai 1948.<br />
Sie war dorthin auf Grund ihres<br />
Buches eingeladen worden.<br />
Im Folgenden geben wir die Einleitungs-Passage<br />
dieser fast 60 Jahre<br />
alten Rede, die nichts an ihrer Aktualität<br />
verloren hat, wieder. Eine Kopie<br />
des ganzen Textes kann im DZOK<br />
bestellt werden (3 €, incl. Porto).<br />
Ich möchte Ihnen meine Weltanschauung,<br />
für die ich einiges eingesetzt<br />
habe, verständlich machen.<br />
Ich komme aus einer kinderreichen<br />
Arbeiterfamilie. Mein Vater war als<br />
Junge Bauernknecht, später in der<br />
Stadt Hilfsarbeiter und blieb auf<br />
diesem schlecht bezahlten und dreckigen<br />
Posten als Silberschleifer sein<br />
ganzes Leben.<br />
Ich war das älteste von fünf Kindern.<br />
Der Lohn des Vaters reichte nie, auch<br />
wenn es früh und abends nur Malzkaffee<br />
und Marmeladebrot für alle<br />
gab. Sonntags mal Schweinebraten<br />
mit viel Soße über die Spätzle. Ich<br />
bin nämlich aus einer schwäbischen<br />
Kleinstadt, aus Schwäbisch Gmünd.<br />
Unsere Mutter verdiente als Waschfrau<br />
mit. Wir kennen alle diese Bilder<br />
aus den Zille-Zeichnungen, aber so<br />
war es wirklich. Uns Kindern war dies<br />
selbstverständlich, ringsum war es<br />
nicht anders in den Arbeiterfamilien.<br />
Ich begann, erst unbewusst, selbständig<br />
zu denken, als zu meinem<br />
täglichen Schrecknis mit Militärmusik<br />
vom Spital, in dessen Nähe wir<br />
wohnten, Särge zur Heimatüberführung<br />
durch unsere Straße gebracht<br />
wurden. Wir Kinder marschierten<br />
lustig mit, bis mir einmal Mutter<br />
sagte, dass in diesen Särgen Väter<br />
drin liegen, wie unserer es sein<br />
könnte, die im Krieg tödlich verwundet<br />
und jetzt im Spital gestorben<br />
seien. Es war der Erste Weltkrieg. Ich<br />
war ein Schulkind von acht Jahren.<br />
Mutter weinte und sagte „der verfluchte<br />
Krieg“ und „hoffentlich kommt<br />
euer Vater wieder.“ (…)<br />
Aufnahmen zum neuesten Film über Lina Haag in der Ulmer KZ-Gedenkstätte<br />
im Februar <strong>2007</strong>.<br />
Unmittelbar nach Lina Haags 100. Geburtstag hat Andreas Gruber, Filmemacher<br />
und Professor an der Münchener Hochschule für Fernsehen und Film, für<br />
den Bayerischen Rundfunk einen Film gedreht mit dem Titel: „Aug‘ in Aug‘ mit<br />
Himmler. Ein Portrait der Widerstandskämpferin Lina Haag“. (45 min)<br />
Er wurde am 26. April im Bayerischen Fernsehen erstmals gesendet. Das<br />
Film-Team war zwei Tage lang in Ulm, einerseits im ehemaligen KZ auf dem<br />
Oberen Kuhberg und andererseits im Archiv des DZOK.<br />
Der Film ist über den Hörer-/Seher-Service des Bayerischen Rundfunks<br />
erhältlich.<br />
(A-DZOK, Lina Haag; Foto: V. Bräth)<br />
Vor ca. 74 Jahren: Lina Haag mit ihrer Tochter Käte, kurz nachdem der Mann<br />
und Vater Alfred Haag Mitte Februar 1933 in seiner Eigenschaft als kommunistischer<br />
Landtagsabgeordneter aus der Wohnung verschleppt worden war.<br />
(A-DZOK, Lina Haag)
Am 5. Mai bekam Lina Haag den<br />
„Dachau-Preis für Zivil-Courage“, der<br />
erst zum zweiten Mal vergeben wurde.<br />
Im Dachauer Rathaus übereichte<br />
Oberbürgermeister Peter Bürgel an<br />
Lina Haag die Urkunde (Foto). Links<br />
neben Lina Haag ihre Urenkelin Franzi<br />
Sessler und Barbara Distel, die Leiterin<br />
der KZ-Gedenkstätte Dachau, die die<br />
Laudatio gehalten hatte. Lina Haag<br />
spendete einen Teil des Preisgeldes<br />
an das Ulmer Doku-Zentrum.<br />
(A-DZOK, Lina Haag 07; Foto: S. Lechner)<br />
„Weil wir nie die Fremde wirklich erfuhren …“<br />
Renate Finckh, Ulms bedeutendste Autorin zum Innenleben der Hitlerjugend, wagte<br />
als Großmutter eine „Veränderung ohne Zwang“<br />
„Veränderung<br />
Ohne Zwang.<br />
Aufbruch<br />
Aus dem Vertrauten:<br />
Warum?“<br />
Mit diesen Zeilen beginnt ein kleines<br />
Gedicht, das Renate Finckh (geboren<br />
1926 in Ulm) ihrem neuen Buch voran<br />
stellt. Dies trägt den Titel, „Unsere französischen<br />
Jahre 1987 - 1996“ (Geest-<br />
Verlag, Vechta-Langförden), und<br />
berichtet von einem großen Aufbruch<br />
und Umbruch im Leben des Ehepaars<br />
Finckh. Es war das Jahr 1986, als<br />
Ulrich Finckh in den Ruhestand ging,<br />
und das Ehepaar, das acht Kinder<br />
groß gezogen hatte, das Bedürfnis<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
packte, aufzubrechen und etwas ganz<br />
Neues zu wagen. Sie kauften einen<br />
alten Bauernhof in der Gascogne in<br />
Süd-Frankreich, modelten ihn nach<br />
den eigenen Bedürfnissen um und<br />
lebten dort – mit vielen Gästen – bis<br />
ins Jahr 1996. Dann zog es sie wieder<br />
in ihr Haus in Esslingen zurück.<br />
Die Antwort auf die Frage nach dem<br />
Warum des Aufbruchs gibt Renate<br />
Finckh selbst: „Weil wir nie die Fremde<br />
wirklich erfuhren“. Und diese Antwort<br />
stellt auch – so scheint mir – den<br />
Bezug zu dem Buch her, mit dem sie<br />
1979 als Autorin erstmals hervortrat.<br />
„Mit uns zieht die Neue Zeit“ hieß<br />
dieser „Roman über eine Jugend im<br />
Nationalsozialismus“ damals; heute<br />
ist er unter dem Titel „Sie versprachen<br />
uns die Zukunft“, im Buchhandel vorrätig.<br />
Das Warum dieses Aufbruchs „nach<br />
draußen“ wäre so zu begründen:<br />
nach 20 Jahren „deutscher“ NS-<br />
Prägung und weiteren 40 Jahren<br />
intensivster Familien-Arbeit im Nachkriegsdeutschland,<br />
war der „Blick von<br />
draußen“ auf dieses Deutschland eine<br />
fast notwendige Konsequenz für das<br />
„reifere“ Leben des Ehepaars.<br />
Mit ihrem „Roman über eine Jugend<br />
im Nationalsozialismus“ erlangte<br />
Renate Finckh deutschlandweit einige<br />
Berühmtheit und sie schuf für Ulm<br />
etwas bisher Einmaliges: die Beschrei-<br />
13
oben: Renate Finckh Ende der 70erJahre, zur Zeit der<br />
Veröffentlichung ihres ersten Buches<br />
(A-DZOK, R. Finckh; Foto: privat)<br />
oben rechts: Renate Ehinger um 1942 als „Jungmädel-<br />
Führerin auf Fahrt“<br />
(A-DZOK, R. Finckh; Foto: privat)<br />
bung einer Ulmer Kindheit und Jugend, die vom Eintritt in die<br />
Schule bis zum Abitur geprägt und gezeichnet war von den<br />
nationalsozialistischen Methoden der Verführung jugendlicher<br />
„Seelen“.<br />
Das bleibt einerseits als historisches Panorama lesens- und<br />
bedenkenswert solange man sich noch mit dem Nationalsozialismus<br />
beschäftigt. Aber da andererseits auch psychologisch<br />
angemessen die Entwicklung und die Dispositionen<br />
des Heranwachsens verständlich werden, sind die indirekten<br />
Botschaften des Buches auch auf andere historische Situationen,<br />
etwa die unsere, anwendbar. Suche nach Autonomie<br />
sowie Verführungen und Verführbarkeit auf dem Weg zum<br />
Erwachsenwerden sind und bleiben universelle Themen<br />
– natürlich in sehr unterschiedlicher äußerer Aufmachung.<br />
Fazit: Ulmer/-innen, lest Renate Finckhs Buch (und Bücher)!<br />
Hier wird wie in wohl keinem zweiten literarischen Zeugnis<br />
der Region greifbar, was die Gehirn- und Gefühlswäsche<br />
des Nationalsozialismus ausmachte... und bewirkte. Und<br />
hier werden auch noch mal die Ulmer „Ikonen“, Hans und<br />
Sophie Scholl, in ihrem Widerstands-Handeln besser verständlich.<br />
(sl)<br />
14<br />
Renate Finckh: Lebensdaten und Werke<br />
18. November 1926: in Ulm geboren als jüngstes Kind<br />
(zwei ältere Schwestern) des Goldschmieds Otto Ehinger<br />
und seiner Frau Maria, geborene Tröglen<br />
1937 - 1945: aktives Mitglied der Hitlerjugend<br />
1946 - 1950: Nach dem Abitur 1945 Studium der Germanistik<br />
und Geschichte in Tübingen<br />
1951: Heirat mit Ulrich Finckh; sie bekommen sieben<br />
Söhne und eine Tochter und wohnen in Esslingen<br />
1979: „Mit uns zieht die Neue Zeit“ (Signal-Verlag); erstes<br />
Buch, ein (Ulmer) Schlüsselroman über ihre Zeit in der<br />
Hitlerjugend; in Verbindung mit diesem Buch zahlreiche<br />
Lesereisen<br />
1987: „Nach-Wuchs“ (Bleicher-Verlag), Roman; an ihrer<br />
Biographie in der Nachkriegszeit orientiert<br />
1987 - 1996: Das Ehepaar Finckh lebt neun Jahre in<br />
einem alten Bauernhaus in der Gascogne in Süd-Frankreich<br />
1993: „Das bittere Lächeln“ (Bleicher-Verlag), Roman; an<br />
der Lebensgeschichte ihrer Mutter orientiert<br />
2002: „Sie versprachen uns die Zukunft“ (Silberburg-<br />
Verlag) Neuerscheinung ihres ersten Buches von 1979<br />
2004: Zwischen den Steinen ein blühendes Reis.<br />
Weihnachtsgeschichten für Erwachsene, Geest-Verlag,<br />
Vechta<br />
7. März 2006: „Ich / wir und der Nazi in uns“. Gespräch<br />
mit dem Ehepaar Finckh in der Ulmer vh, auf Einladung<br />
des DZOK<br />
2006: Erscheinen des Berichtes über die „französischen<br />
Jahre“, kurz vor Renate Finckhs 80. Geburtstag.<br />
<strong>2007</strong>: Der große Segen. Geschichten der biblischen Erzväter,<br />
neu erzählt, Wek-Verlag Treuchtlingen.
Pech gehabt!?<br />
Im kommenden Schuljahr kein ASF-Freiwilliger<br />
Jahres-Praktikum als Alternative?<br />
Das ist schief gegangen! Seit dem<br />
Erscheinen der <strong>Mitteilungen</strong> 45 von<br />
<strong>Juni</strong> 2006 haben wir uns um einen<br />
Nachfolger von Volker Bräth im Jahr<br />
<strong>2007</strong>/08 gekümmert. Wir hatten drei<br />
Fast- Zusagen und eine wirkliche. Von<br />
Thomas Heldt, dem Zuständigen bei<br />
der „Aktion Sühnezeichen“, wurden<br />
wir stark unterstützt. Leider wurde<br />
aus allen Bemühungen nichts. Und so<br />
stehen wir ab September ohne Freiwilligen<br />
bzw. Zivi da.<br />
Dabei ist das Personal-Problem<br />
im Moment das gravierendste des<br />
DZOK.<br />
Es fehlt an allen Ecken und Enden,<br />
um einigermaßen den gewachsenen<br />
Ansprüchen gerecht zu werden und<br />
d.h., das Weiterleben der Einrichtung<br />
zu ermöglichen. Natürlich kann viel<br />
von Ehrenamtlichen geleistet werden;<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
aber die kontinuierliche und engagierte<br />
Anwesenheit eines jungen Mitarbeiters<br />
(mit seinem „natürlichen“ Draht zur<br />
Generation der Nachwachsenden) ist<br />
nicht zu ersetzen.<br />
Jahres-Praktikum als Alternative?<br />
Wie könnten Sie, unsere Leserinnen<br />
und Leser, helfen?<br />
Zwei Gedanken liegen nahe:<br />
1. Wir suchen eine/einen Halbjahres-<br />
oder Jahres- Praktikantin/en (Volontär/<br />
in?), am besten mit einem einschlägigen<br />
Studium (Geschichte/Politik)<br />
2. Dabei stellt sich freilich die Frage<br />
der Finanzierung. Die Mitfinanzierung<br />
durch das Bundesamt für Zivildienst<br />
und ASF fiele weg.<br />
Außerdem wollen wir einen Uni-Absol-<br />
Volker, der Unverzichtbare<br />
Volker Bräth berichtet über die ersten 9 Monate als ASF-Freiwilliger<br />
am Doku-Zentrum<br />
Volker Bräth ist seit September 2006<br />
für zwölf Monate Freiwilliger der Aktion<br />
Sühnezeichen Friedensdienste (ASF)<br />
am Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>.<br />
Insgesamt 20 Menschen haben das<br />
mit Geldbeträgen möglich gemacht.<br />
Dafür bedanken wir uns sehr. Volker<br />
wurde in sehr schwierigen, anstrengenden<br />
Zeiten ein wunderbarer<br />
Kollege, Helfer, Partner, der als<br />
Jugendlicher unseren Horizont erweiterte.<br />
Eigentlich ist er unverzichtbar<br />
geworden.<br />
Wie soll das weitergehen, wenn wir ab<br />
September keinen Zivi mehr haben?<br />
Markante Auszüge aus seinem Bericht<br />
(bis einschließlich Mai <strong>2007</strong>) geben wir<br />
hier wieder:<br />
Warum DZOK<br />
Hätte ich an jenem Morgen im September<br />
2005 – da hatte ich gerade<br />
die 13. Klasse begonnen – nicht die<br />
Zeitung gelesen, so säße ich nun<br />
wahrscheinlich ganz woanders, denn<br />
so richtig geplant war das mit ASF<br />
venten nicht mit 300 Euro Taschengeld<br />
monatlich abspeisen können,<br />
ohne freilich ein annähernd „normales“<br />
Gehalt zu bezahlen. Inclusive Nebenkosten<br />
(Unterkunft, Verpflegung, Versicherung<br />
u. a.) wäre für ein Jahr mit<br />
einer Summe von ca 12.000 Euro zu<br />
rechnen …<br />
Deshalb die Frage: wollen Sie fördern?<br />
Vorschlag: Sie verständigen uns sehr<br />
bald, in welcher Höhe (Raten oder<br />
Einmal-Zahlung) sie fördern würden,<br />
für den Fall, wir fänden jemanden.<br />
Falls wir erfolgreich wären, würden<br />
wir uns bei Ihnen melden und Ihren<br />
Beitrag abrufen.<br />
Eine Rechnung mit mindestens<br />
zwei Unbekannten – ob sie zu<br />
lösen ist? Bitte melden Sie sich!<br />
(sl)<br />
Volker Bräth packt überall an; hier z. B. beim<br />
Heckenschneiden am 6. <strong>Juni</strong> in Gleiselstetten.<br />
(A-DZOK, FSJ <strong>2007</strong>; Foto: H. Jahnke)<br />
15
nicht. Wie der Zufall es wollte, stand<br />
dort etwas darüber, dass das DZOK<br />
in Ulm dringend einen Nachfolger<br />
für den damaligen ASF-Freiwilligen<br />
suche. Vom DZOK wusste ich wenig,<br />
von ASF noch weniger. Dennoch war<br />
mein Interesse geweckt, vor allem<br />
mein geschichtliches Interesse. Ich<br />
stellte mich vor, reichte eine schriftliche<br />
Bewerbung bei ASF ein, nahm<br />
an einem Auswahlseminar teil ... und<br />
wurde genommen!<br />
Einstand als<br />
„Umzugsbeauftragter“<br />
Nach einem Vorbereitungsseminar von<br />
ASF in den ersten September-Tagen<br />
trat ich am Morgen des 14. September<br />
in die Räume des DZOK ein.<br />
Akklimatisierung war angesagt. Dr.<br />
Lechner wurde zu Silvester, Frau<br />
Lein zu Annette und Frau Walosczyk<br />
zu Ilona. Bald lernte ich die vielen<br />
Ehrenamtlichen kennen, hospitierte<br />
bei Führungen und las mir die hauseigenen<br />
Publikationen durch, um einen<br />
inhaltlichen Einblick in die Thematik zu<br />
erhalten.<br />
Dann Kopf voraus ins kalte Wasser:<br />
der Umzug stand an von der König-<br />
Wilhelm-Straße in die Büchsengasse.<br />
Und ich wurde in den engen Kreis der<br />
Verantwortlichen aufgenommen. Am<br />
20. November begann die Hauptphase.<br />
Ehrenamtliche Vereinsmitglieder<br />
halfen den Büroinhalt in vierhundert<br />
braune Kisten zu verpacken, die<br />
vom Umzugsunternehmen in die<br />
neuen Räume gebracht wurden. Die<br />
nächsten Wochen wurden anstrengend,<br />
denn da wollten Regale aufgebaut,<br />
Tische montiert und das Archiv<br />
und die Bibliothek eingeräumt werden.<br />
So ganz nebenbei lief die alltägliche<br />
16<br />
Wir suchen einen Bewerber / eine Bewerberin für einen Freiwilligendienst am DZOK ab September 2008<br />
Hallo Kriegsdienstverweigerer!<br />
Hallo Abiturientinnen und Abiturienten des kommenden Jahres 2008!<br />
Noch ist das 12. Schuljahr nicht beendet, da müssen wir aus den künftigen 13. Klassen schon für<br />
September 2008 eine Bewerberin / einen Bewerber suchen. Und zwar möglichst wieder eine/-n aus der<br />
Region Ulm/Neu-Ulm.<br />
Dieser Freiwilligendienst gilt auch als Ersatz für den Zivildienst von anerkannten Kriegsdienst-Verweigerern.<br />
Träger ist wieder die „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ in Berlin.<br />
Wer sich dafür interessiert, kann sich über www.asf-ev.de näher informieren und dann zum <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
(Telefon: 0731-21312) möglichst umgehend, bis spätestens 1. Oktober dieses Jahres,<br />
Kontakt aufnehmen.<br />
Mit der Stelle sind u. a. ein Taschengeld von 300 € / Monat, Unterkunft und ein Nahverkehrs-Ticket verbunden.<br />
Arbeit seit dem Anschluss der Telefonanlage<br />
natürlich weiter. In diesen<br />
Wochen zeigte sich wohl einmal<br />
mehr, dass ehrenamtliche Arbeit das<br />
A und O eines solchen kleinen Vereins<br />
darstellt, vor allem, wenn man auf die<br />
Arbeit an den großen Gedenkstätten<br />
schaut.<br />
Nach vier Monaten, am 10. März<br />
waren wenigstens offiziell Auszug,<br />
Umzug und Einzug einigermaßen<br />
abgeschlossen. Denn da öffnete das<br />
Büro in der Büchsengasse 13 im<br />
Rahmen eines Tages der offenen Tür<br />
seine Pforten der Öffentlichkeit.<br />
dzokkis<br />
Eine meiner Hauptaufgaben am<br />
DZOK ist es, das Bindeglied zwischen<br />
den dzokkis, der Jugendgruppe am<br />
DZOK, und der Institution zu sein.<br />
Die „dzokkis“ (abgeleitet von DZOK)<br />
setzten sich zum Zeitpunkt meines<br />
Dienstbeginns aus ungefähr 15<br />
Jugendlichen zwischen 16 und 20<br />
zusammen. Hatten die dzokkis lange<br />
im Glauben gelebt, die einzige Jugendgruppe<br />
dieser Art deutschlandweit zu<br />
sein, erhielten sie Ende September<br />
Besuch der „Jugend für Dora“, der<br />
Jugendgruppe der Gedenkstätte<br />
Dora-Mittelbau bei Nordhausen.<br />
Nach einer Führung durch die Kuhberg-Gedenkstätte<br />
gab es im Café<br />
einen regen Austausch der beiden<br />
Jugendgruppen und die Vereinbarung<br />
eines Gegenbesuchs. Der fand im<br />
Januar <strong>2007</strong> statt. Wir besuchten an<br />
einem Wochenende die Gedenkstätte<br />
Buchenwald und den Stollen von<br />
Dora und hatten viele interessante<br />
Gespräche.<br />
Das erste dzokki-Treffen nach der<br />
Fahrt handelte ausschließlich von<br />
diesem Wochenende. Die Jugendlichen<br />
äußerten sich durchwegs positiv,<br />
fühlten sich als Gruppe zusammengehörig,<br />
sprachen sich aber ebenso<br />
kritisch über die Unterschiede der<br />
Führungen in beiden Gedenkstätten<br />
aus; zum Beispiel in dem Punkt, wie<br />
die Gegenwart mit der Vergangenheit<br />
verknüpft werden kann, soll und darf.<br />
Ein großer Programmpunkt war der<br />
Besuch des baden-württembergischen<br />
Ministerpräsidenten Günther<br />
Oettinger am 19. November, dem<br />
traditionellen Gedenktag. Die dzokkis<br />
und die dzokkissimi wirkten mit und<br />
ich war Akteur bei einer szenischen<br />
Lesung. Gelesen wurden Äußerungen<br />
von Opfern von Folter und Verfolgung<br />
damals und heute; und zwar damals<br />
im KZ Oberer Kuhberg sowie heute in<br />
manchen Staaten der Welt. (Vgl. S. 8f)<br />
Meine erste Führung<br />
Im Februar stand meine erste Führung<br />
an, die zur allgemeinen Zufriedenheit<br />
verlief, und auf die nun viele weitere<br />
folgten. Die Erfahrung, vor Menschen<br />
sprechen zu können und etwas zu<br />
vermitteln, kommen sie nun aus<br />
Frankreich, der Schweiz oder „nur“<br />
aus dem Ländle, ist definitiv eine der<br />
wichtigsten Erfahrungen, die ich am<br />
DZOK gemacht habe.<br />
Auch viele Veranstaltungen des DZOK,<br />
an denen ich teilgenommen habe,<br />
haben meine politische und geschichtliche<br />
Wahrnehmung stark sensibilisiert<br />
und lassen mir viele Zusammenhänge<br />
nun in anderem Licht erscheinen.<br />
Jetzt hab ich noch ein Vierteljahr am<br />
DZOK … und mich packt schon ein<br />
wenig die Wehmut, diesen vetraut<br />
gewordenen Ort verlassen zu<br />
müssen.
Tschüss, dzokkis - Willkommen, dzokkis<br />
Eine dzokki-Generation geht, eine neue soll kommen<br />
Die dzokkis mit ihrem Transparent bei der traditionellen Gedenkfeier in<br />
der KZ-Gedenkstätte am 19. November 2006. Von links: Lasse Eisele,<br />
Verena Panitz, Lara Eisele, Jojo Schaule, Sarah Manz, Arek Blaszczyk,<br />
Laura Seitz, Volker Bräth, Axel Conrady, Annette Lein.<br />
(A-DZOK, dzokkis 2006; Foto: Nülle)<br />
Dzokkis während ihrer Fahrt in die KZ-Gedenkstätten Dora-Mittelbau<br />
und Buchenwald. Von links: Hannah Jahnke, Jojo Schaule, Victor<br />
Gerstner, Laura Seitz, Volker Bräth. Die Fahrt wurde gefördert vom<br />
Stadtjugendring Ulm und der Landeszentrale für politische Bildung.<br />
(A-DZOK, dzokkis <strong>2007</strong>; L. Eisele)<br />
Jacob Schneikart und Victor Gerstner bei der Führung einer Schulklasse,<br />
Frühjahr <strong>2007</strong>. Jacob machte jetzt sein Abitur, er war fünf<br />
Jahre lang dzokki!<br />
(A-DZOK, dzokkis <strong>2007</strong>; Foto: Bräth)<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Mal wieder geht eine dzokki-Generation hinaus in die weite Welt.<br />
Das bedeutet, neun von ihnen haben jetzt ihr Abitur gemacht und<br />
nur noch drei bleiben als Jugendgruppe des DZOK übrig. Es<br />
besteht also Bedarf nach Nachwuchs.<br />
Eine dzokki-Werbewoche von 11. bis 15. <strong>Juni</strong> war ein Anfang. Nun<br />
müssen wir die Werbung verstärken.<br />
Tschüss, und das wars: so ging das natürlich nicht. Viele Abschiede<br />
wurden genommen, bis hin zum Grill-Fest in Gleiselstetten.<br />
Zuvor aber gabs Gespräche dazu, was das dzokki-Leben gebracht<br />
hat und was sie mit diesen Erfahrungen anfangen können. Das<br />
Gespräch führten Annette Lein und Silvester Lechner zusammen<br />
mit dem FSJ-ler Volker Bräth. Teilnehmer der dzokkis waren: Arkadius<br />
Blasczyk, Laura Seitz, Verena Panitz, Friederike Gezork, Lara<br />
Eisele.<br />
Hier einige Ausschnitte.<br />
Arek: In der Gedenkstätte geht‘s nicht nur um früher. Es kommen<br />
Menschen, die hier wieder finden, was sie selbst erlebt haben und<br />
sich dann bestätigt fühlen in ihren eigenen Entscheidungen.<br />
Laura: Ich kann mich erinnern an Diskussionen mit Besuchern der<br />
Gedenkstätte über Linksradikale im Vergleich zu Rechtsradikalen.<br />
Es waren keine Fragen, die sie mir gestellt haben. Es war halt die<br />
Atmosphäre wie wenn man sich irgendwo trifft und über politische<br />
Themen redet. Also keine klare Rollenverteilung.<br />
Verena: An diesem Ort des ehemaligen KZ wird Gewalt deutlich<br />
vorgestellt. Die Kälte im Winter und das Neue und die Ausstellung<br />
… Das macht es aus, dass man direkt fühlen und nachvollziehen<br />
kann, was da geschehen ist. Es ist gut, dass es noch Gebäude<br />
gibt, in denen ein wichtiges historisches Ereignis wirklich stattgefunden<br />
hat.<br />
Arek: Das wünsche ich mir für den Ort, dass öfters mal was Aktuelles<br />
stattfindet, wie voriges Jahr das Theaterstück „Der Kick“.<br />
Friederike: In der Diskussion mit Schulklassen über Gefühle<br />
reden, finde ich gut. Gefühle sind als Ausgangspunkt richtig.<br />
Laura: Mit diesen Erfahrungen überlege ich mir politisch, wie ist es<br />
jetzt gerade, was will ich eigentlich. Vielleicht wird man ein wenig<br />
feinfühliger gegenüber dem, was aktuell passiert. Das Politische<br />
muss mich interessiert haben, deshalb ging ich ja zu den dzokkis<br />
Verena: Die dzokkis bedeuten für mich, dass wir politisch und in<br />
Geschichte engagiert sind. Wichtig ist der Bezug zur Gegenwart<br />
– wie werden Menschenrechte heute verletzt. Man soll sich bilden<br />
und Maßstäbe bekommen, auch politisch.<br />
Arek: Wie man neue Jugendliche gewinnt und an die Gruppe<br />
bindet, ist nicht einfach. Viele interessiert das einfach nicht. Wir<br />
sollten mehr rausgehen. Wir sollten nicht warten, bis was von euch,<br />
Annette und Silvester, kommt. Gemeinsame Fahrten wären nicht<br />
schlecht. Die Buchenwald-Reise war total gut. Man konnte sich<br />
näher kennen lernen. Man kriegt mehr Ideen und Lust, mit denen<br />
etwas zu machen. Es muss schon von der Gruppe ausgehen.<br />
Lara: Ich habe mal eine Führung gemacht und ich meine, dass alle<br />
dzokkis profitieren würden, wenn sie selber Führungen machen.<br />
Das Angebot schon wäre was. Erst dann beschäftigt man sich<br />
intensiv damit.<br />
Annette Lein: <strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer Kuhberg – was ist<br />
das? Jeder sagt drei Worte:<br />
Antworten: Ein Ort der Geschichte – Teil der Stadt – Kontaktvermittlung<br />
– Informationen – ohne das Doku-Zentrum würde etwas<br />
fehlen in Ulm – für junge Menschen – familiäre Atmosphäre – man<br />
fühlt sich willkommen.<br />
17
Die dzokkissimi, das „Sahnehäubchen“ der dzokkis, bei der Gedenkfeier am 19. November. Von links:<br />
Aglaja Vollstedt, Victor Gerstner, Arthur Galbacs, Kolja Denoix<br />
(A-DZOK, Gedenkfeier 2006; Foto: Nülle)<br />
„Ich will Mittler zwischen Polen und Deutschen sein“<br />
Warum Arek ein dzokki wurde<br />
Arek Blaszczyk<br />
(A-DZOK, dzokkis <strong>2007</strong>; Foto: L. Eisele)<br />
Arek heißt eigentlich Arkadiusz Blazszyk.<br />
Er wurde 1987 in Chorzów<br />
(Königshütte), im ehemaligen Oberschlesien<br />
geboren, kam mit drei<br />
Jahren nach Ulm , war im zurückliegenden<br />
Schuljahr aktiver dzokki und<br />
machte jetzt am Anna-Essinger-Gymnasium<br />
das Abitur. Er schreibt über<br />
sich: „Dem Umstand, auch deutsche<br />
Vorfahren zu haben, verdankte meine<br />
18<br />
Familie die Möglichkeit Anfang der<br />
90er Jahre aus dem postsozialistischen<br />
Polen nach Deutschland auszuwandern.<br />
So wuchs ich zwischen zwei<br />
Welten auf. Aber je älter man wird,<br />
umso mehr sehnt man sich nach einer<br />
klaren Identität. Die habe ich darin<br />
gefunden, Europäer zu sein … und<br />
Schlesier … und Deutschpole. (…)<br />
Ich will Mittler zwischen diesen beiden<br />
Gesellschaften sein …“<br />
Arek geht ab September für ein Jahr<br />
als anerkannter Kriegsdienstverweigerer<br />
und „Freiwilliger“ von „pax<br />
christi“ an die internationale Jugendbegegnungsstätte<br />
Kreisau (Krzyzowa),<br />
60 km südlich von Breslau. In den<br />
Jahren 1942/43 traf sich hier, dem<br />
damaligen Gutshof der Familie Moltke,<br />
der „Kreisauer Kreis“, der Pläne für<br />
eine demokratische Neuordnung<br />
Deutschlands nach dem Untergang<br />
des NS-Regimes entwarf.<br />
Wir stellten Arek ein paar Fragen, hier<br />
Auszüge aus den Antworten:<br />
Gründe, bei den dzokkis mitzumachen<br />
Ich kannte das DZOK schon über das<br />
an unserer Schule betreute, bundes-<br />
Neue dzokkis gesucht!<br />
Wer?<br />
Gesucht sind Mädchen und<br />
Jungen aus der Region Ulm und<br />
Neu-Ulm, etwa ab 15 Jahren. Eine<br />
gewisse Voraussetzung ist Interesse<br />
an Politik und Geschichte.<br />
Was machen dzokkis?<br />
• Sie treffen sich zwei Mal<br />
monatlich;<br />
• sie planen gemeinsame Unternehmungen,<br />
wie Veranstaltungsbesuche<br />
und gemeinsame<br />
Fahrten;<br />
• sie leisten die Aufsicht während<br />
der Wochenend-Öffnungszeiten<br />
der Gedenkstätte;<br />
• sie lernen, selbständig Führungen<br />
für Jugendliche durch<br />
die Gedenkstätte anzubieten;<br />
• sie nutzen unter Anleitung<br />
Archiv und Bibliothek des DZOK<br />
Kontakte:<br />
Jeder Zeit über Telefon 21312;<br />
oder per mail: dzok@gmx.de<br />
weit ausgeschriebene „Weiße Flecken“-Projekt.<br />
Silvester Lechner half<br />
uns bei den Recherchen zu unserem<br />
Thema: was in Ulm mit den Angehörigen<br />
der Geschwister Scholl nach<br />
deren Hinrichtung im Februar 1943<br />
geschah.<br />
Irgendwann kam dann der Drang, sich<br />
auch mal außerhalb der Schule zu<br />
engagieren. Man hat es irgendwann<br />
satt, immer nur dieselben Gesichter zu<br />
sehen, man möchte neue Sichtweisen<br />
erkunden und seinen Horizont erweitern.<br />
Vor allem aber hat man einfach<br />
keine Lust mehr darauf, seine Freizeit<br />
immer nur mit Spaß und Feiern totzuschlagen.<br />
Das erscheint einem irgendwann<br />
so hohl, beinahe irgendwie<br />
unwirklich, auch wenn es zum Leben<br />
dazu gehört. Deshalb wollte ich Leute<br />
kennen lernen, die sich auch mit<br />
ernsten Sachen beschäftigen, aber<br />
auch eine Beschäftigung finden, die<br />
nicht vollkommen ohne Nachwirkung<br />
bleibt. Das DZOK bzw. die dzokkis<br />
boten sich dafür an, denn hier schien<br />
es auch möglich, sein bestehendes<br />
Geschichtsinteresse zu verwirklichen<br />
und zu vertiefen, zudem einen Ausblick<br />
auf die Gegenwart zu werfen.
Außerdem eröffnete es einen Blick auf<br />
Ulmer Geschichte und Geschichten,<br />
man wohnt dann nicht nur in einer<br />
Stadt, man lernt diese auch besser<br />
kennen.<br />
Ich kann sagen, dass „Weiße Flecken“,<br />
die dzokkis und das DZOK,<br />
aber auch gewisse Lehrer meinen<br />
Blick auf Geschichte und auch meine<br />
Meinungsbildung geschärft haben.<br />
Das Verfassen meines Gewissensbescheids<br />
für die Kriegsdienstverweigerung<br />
machte mir ebenfalls vieles klar.<br />
Wie ich nach der dzokki-Zeit den<br />
Nationalsozialismus sehe<br />
Ich habe bei dem Weiße-Flecken-<br />
Projekt begonnen zu erkennen,<br />
dass zwischen dem einfachen<br />
Gesagt-Bekommen, dass der Nationalsozialismus<br />
schlecht ist, (…) und<br />
dem wahrhaften Verstehen, dem<br />
Nachvollziehen, was damals wirklich<br />
geschehen ist, und warum es so<br />
unfassbar ist, ein gewaltiger Unterschied<br />
besteht.<br />
Einerseits leben wir gegenwärtig in<br />
einer Gesellschaft, deren Zentrum<br />
das Individuum bildet, jeder hat also<br />
die Chance auf eine individuelle Annäherung<br />
bzw. auf ein individuelles Verständnis<br />
von Geschichte. Andererseits<br />
wird man heutzutage von der medialen<br />
Keule dermaßen betäubt, dass man<br />
sich manchmal fragen muss, ob das<br />
wirklich noch die eigenen Gedanken<br />
sind. Das ist eine Zwickmühle, denn<br />
Information und somit Meinungsbildung<br />
sind ja ohne Medien nur schwer<br />
möglich.<br />
Deshalb muss man den Umgang<br />
mit medialen Informationen erlernen.<br />
Schon bei „Weiße Flecken“ lernten<br />
wir, auf welche Art und Weise die<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
nationalsozialistische Propaganda in<br />
den Zeitungen und sonstigen Medien<br />
wirkte – u. a. durch Emotion.<br />
Mit der Zeit bemerkte ich dann, dass<br />
man selber auch anfällig für so was ist<br />
(…). Und so stellt man sich dann die<br />
quälende Frage, wie hätte ich damals<br />
gehandelt, wäre ich auch Mitläufer<br />
gewesen, oder gar Täter?<br />
(…) Darauf sollte meiner Meinung nach<br />
der Schwerpunkt bei der Aufarbeitung<br />
des Nationalsozialismus gelegt<br />
werden – und zwar insbesondere im<br />
Geschichtsunterricht an Schulen: die<br />
Fähigkeit zur eigenen Reflexion und<br />
ein rational hergeleitetes Gewissen.<br />
Dort sollte sollte man in Fragen sensibilisiert<br />
werden, die dann später durch<br />
Einrichtungen wie das DZOK differenziert<br />
werden.<br />
Was heißt das: Empathie in der<br />
Erinnerungsarbeit ?<br />
Zur Konkretisierung solcher Gedanken<br />
kam es bei mir während der Gedenkstättenfahrt<br />
der dzokkis im Januar<br />
nach Dora-Mittelbau und Buchenwald.<br />
Da führten wir eine Diskussion<br />
über die Funktion der Empathie in der<br />
Erinnerungsarbeit. Diese Frage war<br />
im Zusammenhang mit dem Konzept<br />
der KZ-Gedenkstätte Dora-Mittelbau<br />
aufgekommen. Soll Empathie Mittel<br />
der Erinnerung sei, also eine Strategie,<br />
mit der auch die nationalsozialistische<br />
Propaganda funktionierte? Meiner<br />
Meinung nach schon, doch nur, um<br />
sich dem Thema anzunähern, sich in<br />
die Situation der Menschen rein zu<br />
versetzen. Doch sollte das „Einfühlen“<br />
auch klar differenziert und abgesteckt<br />
und gekennzeichnet werden. Darin<br />
besteht der Unterschied zur nationalsozialistischen<br />
Propaganda.<br />
Areks Pläne und seine Wünsche<br />
fürs DZOK<br />
Ich würde mich freuen, wenn ich als<br />
Friedensdienstleistender in Kreisau ein<br />
gemeinsames Projekt zwischen dem<br />
DZOK bzw. den dzokkis und der Institution<br />
in Kreisau ermöglichen könnte.<br />
Nach Kreisau möchte ich studieren,<br />
Human- und Sprachwissenschaften,<br />
aber auf welche genau, habe ich mich<br />
noch nicht festgelegt.<br />
Das DZOK ist ein Herzstück Ulms,<br />
gehört meiner Meinung nach genauso<br />
dazu wie das Ulmer Münster oder die<br />
Volkshochschule. Es muss unbedingt<br />
erhalten bleiben. Deshalb wünsche<br />
ich mir sehr, dass die Pädagogenstelle<br />
von Annette Lein erhalten wird. Ich<br />
kann mir das DZOK ohne sie gar nicht<br />
vorstellen. Für die dzokkis wünsche<br />
ich mir, dass die Sorgen um ihren Fortbestand<br />
lediglich Sorgen bleiben wie<br />
sie immer schon existiert haben. Ich<br />
habe nur die Befürchtung, dass ohne<br />
eine Pädagogin wie Annette Lein der<br />
Aufbau eines neuen dzokki-Kreises,<br />
falls es mal zum Zusammenbruch<br />
kommen sollte, sehr schwer wird.<br />
Eine Bitte an die Leser der <strong>Mitteilungen</strong><br />
Auch bei „pax christi“ sind die „Freiwilligen“<br />
verpflichtet, Sponsoren für<br />
die Kosten ihres Jahres zu finden. Ca.<br />
120 Euro, verteilt auf 12 Monate à 10<br />
€, wären wunderbar.<br />
Die Bankverbindung: pax christi,<br />
Pax Bank Aachen; Konto 100 38<br />
26 011; BLZ 370 601 93; Kennwort:<br />
Friedensdienst Arkadiusz.<br />
Die mail-Adresse von Arek:<br />
arekbl@freenet.de<br />
„… ein brennendes Bedürfnis nach Normalität“<br />
Lillian und David Gewirtzman, ehemalige jüdische DPs, waren (wieder) in Ulm<br />
Dagmar Königsdorfer<br />
Zum zwölften Mal wurde heuer der<br />
„Nationale Gedenktag für die Opfer<br />
des Nationalsozialismus“ in Ulm und<br />
Neu-Ulm begangen. Er wird seither<br />
vom Ulm/ Neu-Ulmer „Arbeitskreis<br />
27. Januar“ geplant, vorbereitet und<br />
durchgeführt. Von Anfang an war das<br />
DZOK dabei ein wichtiger Impulsgeber.<br />
Die Regie in diesem Jahr lag<br />
vor allem beim Ulmer Stadthaus, der<br />
Ulmer Volkshochschule und Christof<br />
Maihoefer. Maihoefer recherchiert<br />
seit Jahren am Thema „jüdische DPs<br />
in der Region Ulm/Neu-Ulm“ und er<br />
hatte dabei zu Lillian ( sie lebte von<br />
<strong>Juni</strong> 1946 bis <strong>Juni</strong> 1948 als DP in<br />
Ulm) und David Gewirtzman, Überlebende<br />
der Shoah, intensiven Kontakt<br />
bekommen. Beide arbeiten heute am<br />
„Holocaust Memorial and Educational<br />
Center of Nassau County“ im Staat<br />
New York. Dort haben sie über die<br />
Geschichte der jüdischen DPs in Süddeutschland<br />
eine (Wander-) Ausstellung<br />
erarbeitet, die von Dezember bis<br />
Februar im Ulmer Stadthaus gezeigt<br />
wurde.<br />
Dagmar Königsdorfer interviewte die<br />
Gäste und besuchte ihre Veranstaltungen.<br />
19
Die Duplizität der Ereignisse berührt<br />
Lillian Gewirtzman zutiefst. Als sie und<br />
ihr Mann am 24. Januar aus New York<br />
kommend in München landeten, war<br />
ihr Gepäck verschwunden, und so<br />
kamen sie selbst und ihr Mann nur mit<br />
dem, was sie auf dem Körper trugen,<br />
nach Ulm. „Genauso kam ich vor 61<br />
Jahren nach Ulm, mit nichts als dem,<br />
was ich trug“, sagt sie.<br />
Lillian Gewirtzman, in Polen geboren,<br />
war fünf Jahre alt, als ihr Vater 1939<br />
erahnte, dass er zwischen Hitler und<br />
Stalin eine Wahl zu treffen hatte.<br />
„Der eine wollte unser Leben, der<br />
andere unsere Seele“, ergänzt David<br />
Gewirtzman. Lillians Vater entschied,<br />
sich und seine Familie nach Sibirien<br />
zu retten. Später arbeiteten die Eltern<br />
in einem ukrainischen Arbeitslager.<br />
Tochter Lillian wurde vom Sowjetstaat<br />
als Kommunistin erzogen, ohne Identifikation<br />
mit ihren jüdischen Wurzeln.<br />
„Ich wuchs so auf, dass Religion<br />
Opium fürs Volk ist“, erinnert sie sich.<br />
Wenn sie von den russischen Menschen<br />
spricht, die sie damals kennen<br />
lernte, leuchten ihre Augen. „Sie<br />
hatten nichts, wir hatten nichts. Aber<br />
sie waren bereit, ihr Stück Brot mit uns<br />
zu teilen.“<br />
Was unwiederbringlich war, wurde<br />
der Familie erst bei Kriegsende<br />
bewusst. Von der Familie ihrer Mutter,<br />
Lillian und David Gewirtzman bei ihrem Besuch in Ulm, rund um den 27. Januar.<br />
(A-DZOK, 27.1.07; Foto: D. Königsdorfer)<br />
20<br />
die im Vertrauen auf ein „kultiviertes<br />
deutsches Volk“ zurückgeblieben<br />
war, lebte niemand mehr. David<br />
Gewirtzman hat zwei Jahre unter dem<br />
Boden des Schweinestalls eines polnischen<br />
Gehöfts versteckt gelebt. In<br />
seiner Heimatstadt haben von 8000<br />
Juden 16 die Shoa überlebt. Als Lillian<br />
Gewirtzman vom schrecklichen Tod<br />
ihres kleinen Neffen, vom Sadismus<br />
der Mörder, erzählt, überwältigen sie<br />
einen Moment lang ihre Gefühle, dann<br />
hat sie sich rasch wieder im Griff. „Im<br />
Alltag verbergen wir diese Gefühle,<br />
sperren sie manchmal richtiggehend<br />
in ein Gefängnis ein. Ich bin wie ein<br />
Wild im Wald, zu 95 Prozent kann ich<br />
vertrauen, ein Rest sichert sich immer<br />
ab.“ Ihr Mann dagegen sei bedingungsloser<br />
Optimist.<br />
12 Jahre alt war Lillian Gewirtzman,<br />
als sie ins Ulmer DP-Lager kam.<br />
Ihr wesentlicher Eindruck war die<br />
Stille. „Es gab keine Kinder. Erst als<br />
überlebende Juden aus dem Osten<br />
ankamen, gab es Kinder. In uns, den<br />
DPs, war ein brennendes Bedürfnis<br />
nach Normalität. Sich aus dem, was<br />
wir bekamen, ordentlich zu kleiden,<br />
Verwandten nach Amerika - gestellte<br />
- Bilder einer Normalität schicken zu<br />
können, von Hochzeiten im Lager,<br />
bei denen Hering und Brot das Hoch-<br />
zeitsessen ergeben mussten: Normalität<br />
war das größte Bedürfnis nach all<br />
den erlebten Erniedrigungen.“<br />
Kinder wurden im Lager geboren. „Es<br />
gab nichts zu essen und keinen Platz<br />
zum Leben, aber diese Kinder durften<br />
alle Zukunftsvisionen haben, und wenn<br />
sie noch so hochfliegend waren.“ Und<br />
so verschieden die DPs in ihrer Herkunft<br />
und Sprache waren, so sehr<br />
einte sie das Bedürfnis nach Identität<br />
und Zukunft. „Im Grunde hat uns Hitler<br />
zu einem Volk gemacht“, resümiert sie<br />
dieses Mühen der Überlebenden.<br />
David Gewirtzman, wie seine Frau<br />
überzeugter Pazifist, sagt. „Hass ist<br />
nicht gut für den Menschen, der hasst.<br />
Das Zentralste überhaupt ist es, den<br />
Kindern keinen Hass zu lehren. Kein<br />
Kind wird negativ geboren.“<br />
„Trotzdem“, sagt Lillian Gewirtzman,<br />
„habe ich lange gebraucht, bis ich<br />
zu der Empathie kam, was Hitler den<br />
jungen Menschen in Deutschland<br />
angetan hat.“ Lillian Gewirtzman liest<br />
viel, wohl nimmt sie Rechtsradikalismus<br />
in Deutschland wahr. Was<br />
ihr aber viel Hoffnung gibt: „Früher<br />
staunte ich über die steife Wohlerzogenheit<br />
der deutschen Kinder. Aber<br />
diese schreckliche deutsche Disziplinhörigkeit,<br />
die Menschen fügsam<br />
macht, gibt es nicht mehr.“<br />
„Thanks to all of you for<br />
making us feel at home“<br />
Zurückgekehrt in die USA,<br />
bedankten sich die Gewirtzmans<br />
bei allen Ulmer Beteiligten dafür,<br />
dass sie sich in Ulm zu Hause<br />
gefühlt hätten. Sie seien tief<br />
bewegt gewesen, dass es in<br />
Ulm einen jährlich begangenen<br />
Gedenktag gebe und dass dieser<br />
mittlerweile ein Stadtereignis sei.<br />
Eingangs zu ihrem Dankschreiben<br />
hatte Lillian Gewirtzman kurz skizziert,<br />
wie sie 60 Jahre zuvor als<br />
12-jähriges Mädchen Ulm erlebt<br />
hatte: Ulm als Stadt hatte sie<br />
gar nicht wahr genommen, nur<br />
das Wohngebäude, die Sedan-<br />
Kaserne. Die deutsche und die<br />
jüdische DP-Bevölkerung hätten<br />
sich völlig fremd und feindselig<br />
gegenübergestanden. Jede Seite<br />
sah nicht Menschen, sondern<br />
nur Vorurteile und Klischees im<br />
anderen. Diese Erinnerung zwar<br />
nicht ausgelöscht, so doch korrigiert<br />
zu haben, war der Gewinn<br />
des Besuches.
„Ulmer Gedenkbuch für die Opfer der Judenverfolgung“<br />
Ein Werkstattbericht von Ingo Bergmann<br />
Im Januar <strong>2007</strong> haben meine Arbeiten<br />
am „Ulmer Gedenkbuch für die Opfer<br />
der Judenverfolgung“ begonnen,<br />
koordiniert am Ulmer Stadtarchiv und<br />
unterstützt vom <strong>Dokumentationszentrum</strong>.<br />
Ende 2008 soll das Ergebnis als<br />
Buch vorliegen.<br />
Zunächst galt es, die 1961 veröffentlichte<br />
„Dokumentation über die<br />
Verfolgung der jüdischen Bürger von<br />
Ulm“ von Heinz Keil aufzuarbeiten<br />
und das vorhandene Datenmaterial zu<br />
sichten und auf den neuesten Stand<br />
zu bringen.<br />
Bereits früh stellte sich heraus, dass<br />
die Zahl der bisher bekannten Opfer<br />
nach oben korrigiert werden muss.<br />
Denn es liegen einerseits neue, zum<br />
Teil übers Internet zugängliche Forschungsergebnisse<br />
vor, und andererseits<br />
Ergänzungen von Angehörigen,<br />
die während der Einladungen jüdischer<br />
Bürger nach Ulm in den 80er und 90er<br />
Jahren geleistet wurden.<br />
Die Geschichte der „Weißen Rose“ immer wieder neu erzählen<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Ingo Bergmann bei einer Stadtführung für<br />
Jungsozialist/-innen auf den Spuren der Ulmer<br />
Juden. (A-DZOK, <strong>2007</strong>; Bergmann)<br />
Ein geglücktes Schüler-Projekt in Ulm und Neu-Ulm<br />
Die Idee<br />
Hans und Sophie Scholl haben mit<br />
Geschwistern und Eltern ab 1932 in<br />
Ulm gelebt. Sie blieben der Stadt bis<br />
zu ihrer Hinrichtung am 22. Februar<br />
1943 aufs Engste verbunden. Als sie<br />
starben, waren sie 24 und 21 Jahre<br />
alt.<br />
Die beiden gehören – zusammen mit<br />
ihren Freunden des studentischen<br />
Widerstandskreises „Weiße Rose“ - zu<br />
den bedeutendsten Deutschen des 20.<br />
Jahrhunderts. Besonders auch in Ulm<br />
und seiner Region leben ihre Namen,<br />
ihr Vermächtnis, ihre Geschichte bis<br />
heute in vielerlei Form fort.<br />
Es erscheint selbstverständlich, dass<br />
diese Geschichte den nachwachsenden<br />
jungen Menschen immer<br />
wieder neu erzählt werden muss:<br />
einerseits die einer kleinen Menschengruppe,<br />
die Widerstand leistete,<br />
In den kommenden Monaten gilt es<br />
nun, das Datengerüst mit Leben zu<br />
füllen. Die Problematik besteht darin,<br />
dass das Leben von Alltagspersonen<br />
mehr als 60 Jahre nach ihrer Ermordung<br />
nachgezeichnet werden soll.<br />
Viele haben Spuren in der Stadt hinterlassen<br />
- viele aber auch nicht.<br />
Deshalb ein dringender Aufruf an<br />
alle: Helfen Sie uns mit Erinnerungen,<br />
Geschichten, Dokumenten, Bildern,<br />
Gegenständen von Ulmer Juden, das<br />
Gedenkbuch und damit die Erinnerung<br />
an die Ulmer jüdische Gemeinde<br />
so lebendig wie möglich zu machen.<br />
Kontakte über das DZOK, tel. 21312.<br />
Übrigens: Am Sonntag, dem 2. September,<br />
gebe ich vor allem für die,<br />
die mithelfen wollen, im Rahmen des<br />
„Europäischen Tages der jüdischen<br />
Kultur“ (vgl. S. 34) einen Zwischenbericht<br />
zum Stand der Arbeiten. Ort: die<br />
Stadt-Räume des DZOK, Büchsengasse<br />
13, 16 bis 18 Uhr.<br />
andererseits aber auch die Geschichte<br />
davon, wogegen ihr Widerstand sich<br />
richtete: nämlich gegen die Diktatur<br />
und die Verbrechen des nationalsozialistischen<br />
Deutschlands.<br />
Die Durchführung<br />
Dies war die programmatische Idee<br />
eines Projektes, das in Ulm und<br />
Neu-Ulm im Februar und März dieses<br />
Jahres durchgeführt wurde.<br />
Und zwar von einem Veranstalter-<br />
Kreis, der vom Doku-Zentrum über die<br />
Volkshochschule und die „Denkstätte<br />
Weiße Rose“ bis zu den drei Schulen<br />
reichte, die in der Region nach Mitgliedern<br />
der „Weißen Rose“ benannt sind:<br />
die Christoph-Probst-Realschule,<br />
Neu-Ulm, die Inge-Aicher-Scholl-<br />
Realschule, Neu-Ulm-Pfuhl und das<br />
Hans und Sophie Scholl Gymnasium<br />
in Ulm.<br />
Anneliese Knoop-Graf bei ihrem Besuch in Ulm.<br />
Als eine der letzten unmittelbaren Zeitzeuginnen<br />
der Weißen Rose bestritt sie zwei Schulveranstaltungen<br />
und einen Abend in der Ulmer Volkshochschule.<br />
(A-DZOK,Knoop-Graf <strong>2007</strong>; Foto: Lechner)<br />
21
Drei Schüler der Christoph-Probst-Realschule<br />
werden von Klaus Schlaier, zuständig für die<br />
Ulmer Weiße-Rose-Denkstätte, als „guides“ für<br />
ihre Mitschüler ausgebildet.<br />
(A-DZOK, Weiße Rose-Projekt <strong>2007</strong>)<br />
Das Programm<br />
Im Mittelpunkt stand die Wander-Ausstellung<br />
„Die Weiße Rose. Gesichter<br />
einer Freundschaft“. Sie war in Freiburg<br />
vom Verein „Kulturinitiative“<br />
produziert und dort Ende April 2004<br />
eröffnet worden. In ihr geht es darum,<br />
die sechs Hauptgestalten der Weißen<br />
Rose, die hingerichtet wurden - Sophie<br />
und Hans Scholl, Alexander Schmorell,<br />
Willi Graf, Kurt Huber, Christoph<br />
Probst – den Menschen von heute<br />
durch Fotos und eigene Äußerungen<br />
nahe zu bringen.<br />
Im Mittelpunkt standen zwei pädagogische<br />
Projekte:<br />
- Führungen von Schülern für Schüler<br />
durch die Ausstellung (vgl. den Bericht<br />
nebenan)<br />
- „Die Flugblätter der Weißen Rose<br />
weiter denken und schreiben“: Eine<br />
Aktion der Lehrer Frank Mittelsdorf<br />
und Georg Kocheise mit Schülern des<br />
Scholl-Gymnasiums Ulm<br />
Folgende Begleitveranstaltungen<br />
wurden angeboten:<br />
- Zeitzeugengespräche mit Anneliese<br />
Knoop-Graf, der Schwester von Willi<br />
Graf;<br />
- „Auf den Spuren der Geschwister<br />
Scholl“, eine Stadtführung mit Julian<br />
Aicher und Silvester Lechner<br />
- „Zur Notwendigkeit des Erinnerns“,<br />
Vortrag von Hans-Jochen Vogel<br />
- „Sofie‘s Schwester“, ein neuer Film<br />
von Hanna Laura Klar über Elisabeth<br />
Hartnagel.<br />
Unterstützer des Projektes waren:<br />
Stadt Ulm, Landkreis Neu-Ulm,<br />
Gedenkstättenförderung des Landes<br />
Baden-Württemberg, Verein „Gegen<br />
Vergessen – für Demokratie“.<br />
22<br />
Die Ausbildung zu Guides der Weiße-Rose-Ausstellung<br />
an der Christoph-Probst-Realschule<br />
Ein Schülerbericht<br />
Es war überraschend einfach, an<br />
unserer Schule in Neu-Ulm genügend<br />
Schülerinnen und Schüler zu finden,<br />
die sich von Klaus Schlaier von der<br />
Ulmer „Denkstätte Weiße Rose“ als<br />
guides durch die Ausstellung ausbilden<br />
lassen wollten. Doch durch die<br />
Beschäftigung mit unserem Namensgeber<br />
Christoph Probst ist die Weiße<br />
Rose anscheinend bereits zu einem<br />
Thema geworden, für das sich Schüler<br />
gerne engagieren.<br />
Wir übten uns zunächst im lauten<br />
Sprechen (manchmal sogar Schreien)<br />
und im Halten von Blickkontakt. Dann<br />
ging es an das Erarbeiten der Fakten:<br />
die Geschichte und Ziele der Hitlerjugend<br />
und die Biografien einiger Mitglieder<br />
des Freundeskreises.<br />
Bei den ersten Präsentationsversuchen<br />
am Ende des Ausbildungsvormittags<br />
waren einige bereits so weit,<br />
dass sie, nur mit Stichwortzetteln<br />
ausgerüstet, ihre soeben erarbeiteten<br />
Fakten souverän mit Hinweisen auf<br />
Bilder und Zitate auf den Ausstellungstafeln<br />
verbanden.<br />
Das sehr lebendige und eindrucksvolle<br />
Auftreten von Frau Knoop-Graf als<br />
Zeitzeugin an unserer Schule brachte<br />
einen weiteren Motivationsschub,<br />
unsere Skrupel und Ängste zu überwinden<br />
und andere zu führen. Die<br />
ersten Geführten waren Gäste bei der<br />
Eröffnung der Ausstellung an unserer<br />
Schule, unter anderem Mitglieder der<br />
Familie Probst.<br />
Besonders freuten wir uns über die<br />
Resonanz bei unseren eigenen Mitschülern.<br />
Sie waren sehr interessiert<br />
und schenkten uns Aufmerksamkeit<br />
und Beifall.<br />
Wir selbst empfanden es als Gewinn,<br />
dass wir uns noch einmal mit den<br />
Ereignissen um die Namensgebung<br />
unserer Schule beschäftigen konnten<br />
und viel Neues dazulernten, auch<br />
hinsichtlich Sprachgestaltung und<br />
Präsentation. Es bleibt die Hoffnung,<br />
dass auch in jüngeren Mitschülern<br />
ein Keim für ihr künftiges Engagement<br />
gelegt werden konnte.<br />
(Schüler und Schülerinnen der 9. und<br />
10. Klassen der Christoph-Probst-<br />
Realschule Neu-Ulm, zusammengefasst<br />
von Ursula von Busse und Karin<br />
Jasbar)
Die neueste Publikation des Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>s:<br />
Hans Lebrecht: Gekrümmte Wege, doch ein Ziel<br />
Erinnerungen eines deutsch-israelischen Kommunisten<br />
Hans Lebrecht: Gekrümmte Wege, doch ein Ziel. Erinnerungen<br />
eines deutsch-israelischen Kommunisten<br />
Mit einem Vorwort von Hans Koschnick<br />
Hg. vom <strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer Kuhberg,<br />
Silvester Lechner<br />
Ulm <strong>2007</strong><br />
Verlag Klemm & Oelschläger<br />
144 Seiten, 40 Abbildungen, 19,80 €<br />
ISBN 978-3-932577-42-0<br />
Die Lebenserinnerungen des Hans Lebrecht sind die Chronik<br />
eines deutsch-israelischen Lebens des 20. Jahrhunderts.<br />
Geboren 1915 in Ulm als Sohn einer großbürgerlichen jüdischen<br />
Leder-Fabrikantenfamilie, bekommt sein Leben mit<br />
dem Machtantritt der Nazis eine radikal neue Richtung. Die<br />
Firma wurde „arisiert“. Hans flog ein Jahr vor dem Abitur von<br />
der Schule und er war plötzlich ein Fremder in seiner - man<br />
kann das so sagen - geliebten und tief vertrauten Heimatstadt.<br />
Der alltäglich demütigende, gewalttätige NS-Antisemitismus<br />
zwingt ihn, Deutschland, Ulm zu verlassen.<br />
An seinem 21. Geburtstag im November 1936 hatte er<br />
Tosca Loewy, die Tochter des neuen Ulmer Kantors, in Ulm<br />
kennen gelernt, sie blieb bis zu ihrem Tod 2001 die Frau<br />
seines Lebens. Die neue Heimat des Paares wurde 1938<br />
Palästina. Sie lernen das neue Land und seine tausend<br />
Neuanfänge lieben und fühlen sich fortan als „wahre Patrioten“,<br />
ohne gläubige Juden oder Zionisten zu sein. Hans‘<br />
in Deutschland tief verletztes Gerechtigkeitsgefühl bekommt<br />
eine neue Zielrichtung im Kampf als „Friedenaktivist“ für<br />
einen gemeinsamen Staat Israel von gleich berechtigten<br />
palästinensischen und jüdischen Bürgern.<br />
Als international tätiger Journalist - von Mitte der 50er Jahre<br />
bis fast in die Gegenwart - erlebt und beschreibt er von<br />
dieser Position aus die politische Entwicklung des Staates<br />
Israel. Mit 85 Jahren begann er die vorliegenden Lebenserinnerungen<br />
zu schreiben.<br />
Das Buch ist weit mehr ein persönliches Geschichtenbuch<br />
vor historisch-politischem Hintergrund als ein Geschichtsbuch<br />
mit „objektivem“ Anspruch. Dennoch hat es eine<br />
wichtige Botschaft für uns Deutsche der Gegenwart: es ist<br />
ein Stück historischer Verantwortung für die in deutschem<br />
Namen geschehenen Verbrechen, die tragische Gegenwart<br />
Israels nicht einfach weg zu schieben. Wir sind aufgerufen,<br />
genau hinzuschauen und uns einzufühlen, uns eigener Ressentiments<br />
(bis hin zu offenem Antisemitismus) bewusst zu<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Drei Mal Hans Lebrecht: 1937, 1944 (mit Tosca, seiner Frau), 2002.<br />
(A-DZOK, Lebrecht; Repro von der Titelseite des Buches)<br />
Margalith Pozniak und Ruth Bar-Hay, die beiden Töchter von Hans und Tosca<br />
Lebrecht, waren zur Vorstellung der Lebenserinnerungen am 10. März nach<br />
Ulm gekommen, die eine aus Hamburg , die andere - mit ihrem Mann Moische<br />
- aus Israel. Auch Edmundo Lebrecht aus Santiago, der Sohn von Hans‘<br />
Bruder Walter (vgl. Titelbild), war unter den Gästen.<br />
(A-Dzok, Eröffnung Büchsengasse, StA Ulm)<br />
werden und danach uns einzumischen und die Meinung zu<br />
sagen. Denn nur so kann dem ständig bei Millionen Israelis<br />
neu geweckten Trauma aus der Shoah, „wir sind in unserer<br />
Existenz bedroht und die Welt schaut zu“, begegnet werden,<br />
ebenso wie der Überzeugung der meisten Palästinenser, von<br />
der westlichen Welt vergessen zu sein.<br />
Hans Lebrecht lebt heute, gesundheitlich angeschlagen, im<br />
Kibbuz Beit Oren im Karmel-Gebirge in Israel.<br />
Die Publikation konnte mit finanzieller Unterstützung der<br />
Gedenkstättenförderung des Landes Baden-Württemberg<br />
und der Ulmer Bürgerstiftung realisiert werden. (sl)<br />
Lebrecht-Ausstellung in der Büchsengasse 13<br />
Zu Hans Lebrechts Buch ist in den neuen Räumen<br />
des DZOK eine kleine Ausstellung mit Fotos und<br />
Dokumenten zu sehen.<br />
Öffnungszeiten:<br />
Montag bis Freitag, 9-12 Uhr; 14 bis 17 Uhr<br />
Sie hängt noch bis Ende September <strong>2007</strong><br />
23
Stiftung Geißstraße 7 in Stuttgart<br />
In Stuttgart ist in den letzten Jahren die „Stiftung Geißstraße“ entstanden, eine neue<br />
Form von Ge-Denkstätte, der es grundsätzlich um die Verbindung historischer<br />
Erfahrungen aus der nationalsozialistischen Vergangenheit mit Erscheinungen der<br />
Gegenwart geht. Ein Ansatz, der für alle Gedenkstätten immer wichtiger wird, auch<br />
für die Ulmer. Deshalb, aber auch, weil die „Geißstraße“ Lebensläufe und Persönlichkeiten,<br />
die eng mit Ulm zu tun haben, wie Fritz Bauer und Alfred Moos (vgl. S. �<br />
und �), thematisiert, haben wir ihre Mitarbeiterin Claudia Pralle gebeten, sie in den<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> vorzustellen.<br />
Adresse: Stiftung Geißstraße 7, Geißstraße 7, 70173 Stuttgart; Vorstand: Dr.<br />
Michael Kienzle; www.geissstrasse.de; www.zeichen-der-erinnerung.org<br />
Die Stiftung Geißstraße 7 ist eine<br />
lokale, in der Stadtmitte von Stuttgart<br />
gelegene Institution und hat sich zum<br />
Ziel gesetzt, Menschen unterschiedlicher<br />
Lebensstile und Nationalitäten<br />
zusammenzubringen. Sie wurde 1996<br />
von einer Bürgerinitiative gegründet,<br />
nachdem auf das Haus in der Geißstraße<br />
am 16. März 1994 ein Brandanschlag<br />
verübt worden war. Sieben<br />
Bewohner des Hauses starben. Der<br />
Ort des Brandes sollte nicht zu einer<br />
Gedenkstätte des Brandes werden,<br />
sondern zu einem interkulturellen und<br />
lebendigen Ort.<br />
Mit der Reihe „Denkblätter“ über Persönlichkeiten<br />
aus Stuttgart und Ereignisse<br />
der Stadtgeschichte erinnert die<br />
Stiftung Geißstraße 7 die Stuttgarter<br />
an die Geschichte und Menschen aus<br />
ihrer Stadt.<br />
Zwei gegensätzliche Biografien stellte<br />
die Stiftung Geißstraße 7 in einem<br />
Denkblatt (Dez. 2006) gegenüber: Fritz<br />
Bauer und Wilhelm Boger.<br />
1933 wurde der Amtsrichter Fritz<br />
Bauer aus Stuttgart verhaftet und im<br />
KZ Heuberg interniert. Fritz Bauer<br />
überlebte die KZ-Haft und seine Flucht<br />
ins Ausland. Als Generalstaatsanwalt<br />
initiierte er den von 1963 bis 1965<br />
in Frankfurt/Main stattfindenden<br />
Auschwitz-Prozess. Dieser war der<br />
größte und bedeutendste Prozess<br />
der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte.<br />
In diesem Prozess wurde<br />
auch Wilhelm Boger, der „Teufel von<br />
Auschwitz“, zu lebenslänglicher Haft<br />
verurteilt. Boger war drei Jahre nach<br />
Fritz Bauer in Zuffenhausen geboren<br />
worden und besuchte ebenfalls in<br />
Stuttgart die Schule.<br />
Ebenfalls in der Reihe „Denkblätter“<br />
sind u. a. erschienen: „Joseph Süß<br />
Oppenheimer“, „Elly Heuss-Knapp“,<br />
„Emil Molt“ und „Werner Krauss“,<br />
„Deportation jüdischer Mitbürger aus<br />
Stuttgart in Jahren 1941 - 1945“.<br />
Dieses Denkblatt anlässlich des 60.<br />
Jahrestages der ersten Deportation<br />
im Jahr 2001, war der erste Schritt zu<br />
24<br />
Das Haus der Stiftung Geißstraße 17<br />
(Foto: Geißstraße)<br />
einem weiteren stadtgeschichtlichen<br />
Projekt der Stiftung, dem Erinnerungsort<br />
„Zeichen der Erinnerung“.<br />
Diese Gedenkstätte befindet sich<br />
an authentischem Ort, dem Inneren<br />
Nordbahnhof, von dem aus Juden<br />
aus Stuttgart, Württemberg und<br />
Hohenzollern deportiert worden sind.<br />
Ein weiterer Baustein auf diesem Weg<br />
war eine Zugreise auf historischen<br />
Spuren: die Stiftung Geißstraße 7 lud<br />
die zwei Zeitzeugen Inge Auerbacher<br />
und Garry Fabian, Überlebende des<br />
KZ Theresienstadt, ein, um Jugendliche<br />
und Künstler von Stuttgart nach<br />
Theresienstadt zu begleiten.<br />
Im Sommer 2006 eröffneten der Stuttgarter<br />
Oberbürgermeister Wolfgang<br />
Schuster und der Verein „Zeichen der<br />
Erinnerung“ das gebaute „Zeichen der<br />
Erinnerung“.<br />
Die Stiftung Geißstraße 7 beschäftigt<br />
sich nicht ausschließlich mit Erinnerungsarbeit,<br />
sondern auch mit zahlreichen<br />
anderen kulturellen und interkulturellen<br />
Themen. Zurzeit arbeitet<br />
die Stiftung an einem interkulturellen<br />
Jugendaustausch zum Thema Mobilitätskultur<br />
und mobile Lebensstile in<br />
unterschiedlichen Ländern.<br />
(Claudia Pralle)<br />
es in Kürze+++Neues in K<br />
„… keinerlei Verherrlichung von<br />
NS-Gedankengut in jeder Form<br />
und in jeder Art der Äußerung …“<br />
.… sei auf dem Gelände des ehemaligen<br />
KZ Oberer Kuhberg zu dulden,<br />
heißt es in einem jüngst abgeschlossenen<br />
Vertrag zwischen der Stadt Ulm<br />
und dem Förderkreis Bundesfestung<br />
Ulm, e. V. (FBU).<br />
Der Hintergrund: Die Stadt Ulm<br />
(Eigentümerin seit 2002, vorher Bundesrepublik<br />
Deutschland), schloss im<br />
Februar <strong>2007</strong> mit dem Förderkreis<br />
einen Erbbaurechtsvertrag auf 25<br />
Jahre. Der Förderkreis erwarb damit<br />
Eigentumsrechte am Bauwerk auf Zeit,<br />
was dem Verein u. a. den Vorteil bringt,<br />
aus den eigenen Mauern, in die er viel<br />
Arbeit gesteckt hat, nicht mehr schnell<br />
rausgekündigt werden zu können. Der<br />
Stadt Ulm bringt diese Regelung den<br />
finanziellen Vorteil, dass der FBU für<br />
den gesamten Unterhalt des Geländes<br />
und Bauwerks im von ihm genutzten<br />
Teil verantwortlich ist.<br />
Der Vertrag enthält eine „Heimfall-Regelung“:<br />
d. h., er beschreibt<br />
Umstände, die dazu führen können,<br />
dass die Erbpacht hinfällig wird und<br />
Gebäude und Gelände vorzeitig an<br />
die Stadt zurückfallen; und zwar<br />
dann, wie es wörtlich heißt, wenn der<br />
„Erbbauberechtigte sich durch sein<br />
Verhalten oder das seiner Organe<br />
in der Öffentlichkeit, insbesondere<br />
durch Äußerung in Wort und Schrift,<br />
in Widerspruch zu der Nutzung des<br />
Forts als <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
– KZ-Gedenkstätte bringt und der<br />
Grundstückeigentümerin dieserhalb<br />
ein Festhalten an diesem Vertrag nicht<br />
zugemutet werden kann.“<br />
Noch präziser heißt es an anderer<br />
Stelle, dass es „absolut vorrangiges<br />
Interesse“ der Stadt Ulm sei, „keinerlei<br />
Schädigung des Andenkens an<br />
die Opfer der NS-Gewaltherrschaft<br />
und keinerlei Verherrlichung von NS-<br />
Gedankengut in jeder Form und in<br />
jeder Art der Äußerung zu dulden.<br />
Dies gilt auch unabhängig davon,<br />
ob entsprechende Handlungen oder<br />
Äußerungen strafrechtlich geahndet<br />
werden oder nicht. Der Erbbauberechtigte<br />
verpflichtet sich […], im<br />
Rahmen seiner Nutzungen keine der<br />
vorgenannten Handlungen zu dulden,<br />
unabhängig von wem sie ausgehen.<br />
Dies gilt auch für Besucher.“<br />
Das <strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer<br />
Kuhberg, e. V. bleibt weiterhin Mieter<br />
der Eigentümerin Stadt Ulm. Diese hat
es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+<br />
für den Mieter DZOK am Reduitgebäude<br />
(der ehem. KZ-Kommandantur)<br />
ein ausschließliches Nutzungsrecht<br />
und an den Zuwegen, dem südlichen<br />
Kasemattengang, dem Weg dorthin<br />
und an den bestehenden Stellplätzen<br />
Mitbenutzungsrechte. Die Last des<br />
Unterhalts folgt dem Nutzungsrecht.<br />
D. h., die Stadt bleibt zuständig für den<br />
Unterhalt dieser Teile. Die Parkplätze<br />
können von den Besuchern des DZOK<br />
mitgenutzt werden. Alle anderen<br />
„Zugangsrechte“ und Neuerungen<br />
(z. B. Führungen übers Gelände)<br />
erfordern Sonderabsprachen. Ein<br />
neuer Mietvertrag zwischen DZOK<br />
und Stadt Ulm wird in absehbarer Zeit<br />
geschlossen. (sl)<br />
Hans Fichtner, zusammen mit<br />
seiner Frau Maja, …<br />
… erhielt am 16. März als Würdigung<br />
seiner zahlreichen Verdienste um das<br />
Ulmer Gemeinwesen aus der Hand<br />
des Oberbürgermeisters Ivo Gönner<br />
das „Ulmer Band“. Wie schon mehrfach<br />
in den „<strong>Mitteilungen</strong>“ beschrieben,<br />
war und ist Fichtner (Jahrgang 1922)<br />
vor allem mit seinen Schreinerarbeiten<br />
seit etwa 60 Jahren ein absolut unverzichtbarer<br />
praktischer Helfer der Ulmer<br />
„Naturfreunde“ und seit gut zwei<br />
Jahrzehnten des Doku-Zentrums. Er<br />
hat mehrere Dutzend Stühle in der<br />
Gedenkstätte repariert und hat an die<br />
50 Hocker neu gefertigt. Sein jüngster<br />
Beitrag ist ein Briefkasten in der Büchsengasse<br />
13.<br />
Hans Fichtner mit seiner Frau Maja am 16. März<br />
<strong>2007</strong>, dem Tag seiner Ehrung. (Foto: Lechner,<br />
A-DZOK; <strong>2007</strong>)<br />
Fichtner und seine Zwillingsschwester<br />
waren als Berliner Waisenkinder Ende<br />
der 20er-Jahre nach Herrlingen bei<br />
Ulm gekommen. Sie wurden Pflegekinder<br />
von Käthe Hamburg (trugen<br />
zunächst auch deren Namen) und<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
wohnten in deren „Waldheim“. Sie<br />
besuchten die Schule des „Landschulheims<br />
Herrlingen“, das von Anna<br />
Essinger geleitet wurde. Die beiden<br />
Frauen waren Jüdinnen und mussten<br />
nach 1933 Deutschland verlassen.<br />
Fichtner, der nichtjüdisch war, musste<br />
zwei letzte Schuljahre in der Herrlinger<br />
„deutschen Volksschule“ verbringen<br />
und erinnert sich: „die Schule war eine<br />
Katastrophe, da hab ich rein gar nichts<br />
gelernt“.<br />
Fichtners Ehrung fand im Rahmen der<br />
Jubliäumsfeierlichkeiten „Zehn Jahre<br />
Bürgerstiftung Ulm“ statt. Das DZOK<br />
war dort mit einem Stand vertreten,<br />
da schon drei seiner Projekte von<br />
der Bürgerstiftung gefördert worden<br />
waren. (sl)<br />
Die „Zentralstelle“ in Ludwigsburg<br />
schließt …<br />
....voraussichtlich 2008, da dann das<br />
Kriegsende 63 Jahre zurück liegt,<br />
die Täter verstorben und alle noch<br />
nötigen Recherchen in verschiedenen<br />
Archiven der Welt abgeschlossen<br />
seien. Die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen<br />
zur Aufklärung<br />
nationalsozialistischer Verbrechen“,<br />
wie der offizielle Titel der Behörde<br />
lautet, war 1958 in Reaktion auf den<br />
„Ulmer Einsatzkommando-Prozess“<br />
gegründet worden. In Ulm wird 2008<br />
eine Ausstellung zu „50 Jahren Ulmer<br />
Einsatzkommando-Prozess“ stattfinden,<br />
veranstaltet u. a. vom Haus der<br />
Geschichte Baden Württembergs, des<br />
Ulmer Stadtarchivs und des DZOK.<br />
Die Bestände der Zentralstelle gehen<br />
über an das Bundesarchiv. (sl)<br />
„Zur Unterstützung des Baues<br />
einer neuen Synagoge in Ulm“ …<br />
… wurde am 23. Mai ein Förderverein<br />
gegründet. Nachdem sich in Ulm seit<br />
etwa zehn Jahren wieder eine jüdische<br />
Gemeinde (weitgehend mit Emigranten<br />
aus der ehemaligen Sowjetunion) entwickelt<br />
hat und seit fünf Jahren mit<br />
Shneor Trebnik auch ein Rabbiner tätig<br />
ist, wird nun als nächste Stufe der Bau<br />
einer Synagoge vorbereitet.<br />
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft<br />
Ulm/Neu-Ulm hatte die Vorbereitungen<br />
für den neuen Verein übernommen,<br />
und aus ihren Reihen kommt auch der<br />
neue Vorstand.<br />
Gewählt wurden: als Vorsitzender<br />
Wolfgang Müller und als Stellvertreter<br />
Christof Maihoefer. Der Mitgliedsbeitrag:<br />
40 € und 20 € (reduziert).<br />
Adresse: Förderverein Neue Synagoge,<br />
Pf 1911, 89009 Ulm; Tel.:<br />
66434. Konto 210 875 52, Sparkasse<br />
Ulm BLZ: 630 500 00. (sl)<br />
„Familie Bechtle aus Löchgau“ …<br />
… war der Titel eines biografischen<br />
Berichtes in unseren „<strong>Mitteilungen</strong><br />
42“ über diese bedeutende Familie<br />
aus dem württembergischen KPD-<br />
Widerstand. Als Verfolgte der Nazis<br />
mussten sie Schreckliches erleiden,<br />
Wilhelm und Reinhold Bechtle u.a.<br />
auch im KZ Oberer Kuhberg. Nun<br />
haben die Autoren des Berichtes,<br />
Madleine Grünwald und Reinhold<br />
Bechtle in diesem Teil ihrer Familie<br />
weiter geforscht und eine ergänzte<br />
und verbesserte Fassung zu Papier<br />
gebracht. Diese nun gültige Fassung<br />
des Lebens- und Leidensberichtes<br />
der Bechtles kann im <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
bestellt werden – gegen<br />
einen Unkostenbeitrag von 5 €.<br />
Christoph Kopke, ein engagiertes<br />
Vereinsmitglied, …<br />
… wie wir es uns manchmal<br />
erträumen, schrieb an die Stadt Ulm<br />
am 12. Februar:<br />
„Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
beim „Stöbern“ auf der Internetpräsentation<br />
der Stadt Ulm ist mir Folgendes<br />
aufgefallen: Weder unter „Inhalte A<br />
bis Z“, noch im Bereich Kultur unter<br />
„Museen“, noch unter „Stadtgeschichte“,<br />
noch unter Bildungseinrichtungen,<br />
noch unter Wissenschaft<br />
„Institutionen und Verbände“ finde<br />
ich einen Link zum <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
Oberer Kuhberg. Nur wer<br />
weiß, dass eine solche Einrichtung<br />
existiert, findet versteckt unter Leben<br />
in Ulm über den Hinweis „Vereine und<br />
Initiativen“ in der Liste „Telebus“ einen<br />
Verweis auf die Gedenkstätte.<br />
Da das DZOK eine überregional<br />
bekannte und geschätzte Gedenkstätte<br />
und ein regional wichtiger<br />
Bildungsträger ist, die Einrichtung<br />
Bildungsarbeit und in bescheidenem<br />
Umfang auch wissenschaftliche<br />
Forschung leistet, fände ich es angebracht,<br />
dass Besucher Ihrer Website<br />
25
++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze++Neues in Kü<br />
auch auf diese Einrichtung hingewiesen<br />
werden. Es entsteht überdies<br />
sonst vielleicht der sicher nicht beabsichtigte<br />
Eindruck, dass die Stadt Ulm<br />
sich zwar mit einem „Donauschwabenmuseum“<br />
schmückt, die Aufarbeitung<br />
der dunklen Seiten der<br />
Stadtgeschichte und deren museale<br />
Präsentation ihr jedoch peinlich oder<br />
zumindest nicht wichtig ist.<br />
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie<br />
auf Ihrer Internetseite an passender<br />
Stelle einen entsprechenden, leicht zu<br />
findenden Link zur Ulmer KZ-Gedenkstätte<br />
setzen würden und verbleibe mit<br />
guten Wünschen...“<br />
Kopkes Intervention hatte Erfolg: nun<br />
steht das DZOK auch unter den Ulmer<br />
Museen mit seinen Öffnungszeiten.<br />
Fazit: Liebe Leser/-innen, helfen auch<br />
Sie mit, die öffentliche Präsenz des<br />
DZOK zu verbessern! (sl)<br />
„Zukunft der Erinnerung“ …<br />
… war der Titel einer Tagung, die<br />
von 20. bis 22. Oktober 2006 vom<br />
„Comite‘ International de Dachau“ und<br />
der KZ-Gedenkstätte Dachau durchgeführt<br />
wurde. Die Tagung war der<br />
Versuch, mit der zweiten und dritten<br />
Generation der Opfer ins Gespräch<br />
zu kommen und Strategien zur künftigen<br />
Grundlage der Erinnerungsarbeit<br />
zu entwickeln. Die in drei Sprachen<br />
verfasste Dokumentation ist sehr<br />
lesenswert und in vielem auch auf die<br />
Ulmer Situation anwendbar. Bestellungen<br />
über: info@kz-gedenkstaettedachau.de<br />
Das Ulmer Gestaltungs-Büro<br />
Braun & Engels …<br />
… hat am 8. <strong>Juni</strong> den Auftrag für die<br />
Gestaltung der ständigen Ausstellung<br />
in der Berliner „Topographie des Terrors“,<br />
am Ort des ehemaligen Hauptsitzes<br />
der NS-Gestapo, bekommen.<br />
Sie haben sich in diesem Wettbewerb<br />
zu einem der bedeutendsten deutschen<br />
Gedenkstätten-Projekte dieses<br />
Jahrzehnts durchgesetzt. Braun &<br />
Engels sind dem DZOK vielfach verbunden.<br />
Das reicht von der Gestaltung<br />
der Kuhberg-Gedenkstätte (2001) bis<br />
zur Gestaltung der neuen Räume in<br />
der Büchsengasse 13. Wir gratulieren<br />
… und sind auch ein bisschen stolz.<br />
(sl)<br />
26<br />
Albert Schanz, ein Ururgestein der<br />
Ulmer Sozialdemokraten, …<br />
… ist am 4. Januar diesen Jahres in Ulm<br />
verstorben. 1909 in Neu-Ulm geboren,<br />
gehörte er seit 1923 der Ulmer SPD<br />
an. Kurz vor seinem 90. Geburtstag,<br />
im <strong>Juni</strong> 1999, hatten wir ihn in <strong>Heft</strong><br />
29 unserer „<strong>Mitteilungen</strong>“ vorgestellt<br />
als einen, der schon damals eigentlich<br />
nicht mehr vorhandenen Zeitzeugen:<br />
Albert Schanz bei der Gedenkfeier der KZ-<br />
Gedenkstätte Oberer Kuhberg, November 1998<br />
(A-DZOK, Gedenkfeier 98)<br />
einen Zeitzeugen, der noch Erinnerungen<br />
hatte an die Arbeiterbewegung<br />
der Weimarer Zeit, der dabei war , im<br />
„Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“<br />
die Republik zu verteidigen und der<br />
die ganze NS-Zeit erlebt und überlebt<br />
hatte. Für das DZOK war er immer<br />
ein Stück lebendiger Bezug zu dem,<br />
was dessen Aufgabe ist: Entstehen,<br />
Verlauf und Zusammenbruch des NS-<br />
Systems in Erinnerung zu bewahren,<br />
als ein Modell der Zerstörung von<br />
Demokratie und Menschenrechten,<br />
als ein Modell für heute und morgen.<br />
Nun muss diese Arbeit als Arbeit an<br />
unser aller Zukunft ohne Zeitzeugen<br />
weiter gehen. (sl)<br />
Arolsen: „Transparenz und Offenheit<br />
walten zu lassen“, …<br />
… ist die erklärte Absicht von Reto<br />
Meister, des neuen Leiters des „Internationalen<br />
Suchdienstes des Roten<br />
Kreuzes“ im nordhessischen Arolsen.<br />
Ab jetzt wolle man – nach 60 Jahren<br />
Abschottung – „eng mit den KZ-<br />
Gedenkstätten zusammenarbeiten“.<br />
Im weltweit größten einschlägigen<br />
Archiv von Arolsen lagern Daten und<br />
Materialien von mehr als 17 Millionen<br />
Menschen, die vom nationalsozialistischen<br />
Terrror, insbesondere auch<br />
in Konzentrationslagern, betroffen<br />
waren.<br />
In diesen Wochen hat durch die Bundesrepublik<br />
– einem der elf Staaten im<br />
Verwaltungsrat – das entsprechende<br />
Gesetz zur „geordneten Öffnung“<br />
der Bestände durch die Unterschrift<br />
des Bundespräsidenten Gültigkeit<br />
bekommen.<br />
Obgleich die frühen KZs wie das Ulmer<br />
auf dem Oberen Kuhberg, in der Regel<br />
nicht mit ihren Häftlingsdaten zu den<br />
Beständen gehören, wird das DZOK<br />
eine Anfrage formulieren. (sl)<br />
Eine GFS, d. h. eine „Gleichwertige<br />
Feststellung von Schülerleistungen“<br />
…<br />
…, wichtiger Bestandteil des Landesbildungsplanes<br />
2004, wird von<br />
Schüler/-innen der 12. Klassen aus<br />
ganz Baden-Württemberg am DZOK<br />
immer häufiger nachgefragt. Im Jahr<br />
2006 geschah das über 20 Mal.<br />
Obgleich sehr betreuungsintensiv,<br />
dürfen diese Aktivitäten des DZOK<br />
nicht im Rahmen des von der Landesstiftung<br />
Baden-Württemberg geförderten<br />
Projektes „Gedenkstättenpädagogik“<br />
bearbeitet werden, wie es<br />
im Zuwendungsvertrag von Mai <strong>2007</strong><br />
heißt. Der Grund: Mit den Stiftungsmitteln<br />
dürfen „keine hoheitlichen Ausgaben<br />
des Landes finanziert werden“,<br />
was auf die GFS somit zutrifft. Eine<br />
schwierige Situation …<br />
Das European Resistance Archive<br />
(ERA) …<br />
… ist am 7. Mai online gegangen:<br />
www.resistance-archive.org.<br />
ERA ist in den letzten neun Monaten<br />
in Zusammenarbeit von Partnern aus<br />
Polen, Österreich, Frankreich, Italien,<br />
Slowenien und Deutschland entstanden.<br />
Das Projekt wurde von der<br />
Europäischen Kommission gefördert.<br />
Ziel von ERA ist es, die Geschichte<br />
der Widerstandsaktivitäten gegen<br />
Faschismus und Besatzung während<br />
des Zweiten Weltkrieges in einem<br />
Online-Archiv lebendig und sichtbar<br />
zu halten. Kern des Video-Portals sind<br />
vorerst 20 Interviews mit Frauen und<br />
Männern, die in sechs europäischen<br />
Ländern am antifaschistischen Widerstand<br />
auf vielfältige Art und Weise<br />
teilgenommen haben.<br />
Wer Interesse an dem Projekt hat,<br />
wende sich an: era@resistancearchive.org
es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+<br />
Die Frühjahrsausgabe <strong>2007</strong> des<br />
Antifaschistischen Info Blattes<br />
(AIB) …<br />
… hat das Thema: „Der rechte Rand<br />
der DDR – Rechtsextremismus in der<br />
DDR – von staatstragend bis ‚Rowdytum‘“.<br />
Einige Beiträge:<br />
„Neonazis in der DDR“; „Extreme<br />
Rechte in der DDR“; „Die Partei der<br />
Ehemaligen“ (= NDPD); „Von Ökobauern<br />
und Artamanen“ (die völkische<br />
Gruppierung der Artamanen in Mecklenburg-Vorpommern);<br />
ein Gespräch<br />
(„Politik ist ihnen einfach fremd“) über<br />
Schnittmengen zwischen Teilen der<br />
Bikerszene und dem Neonazismus;<br />
außerdem beginnt in dieser Nummer<br />
eine Serie über „Faschismustheorien“,<br />
hier am Beispiel der „Bonapartismus-<br />
Theorie“.<br />
Info und Probeexemplar über:<br />
Antifaschistisches Info Blatt<br />
(AIB), Gneisenaustr. 2a, 10961<br />
Berlin; www.antifainfoblatt.de;<br />
mail@antifainfoblatt.de<br />
Eine Datenbank aller Holocaust-<br />
Überlebenden weltweit …<br />
… legt zur Zeit das Holocaust-Museum<br />
in Washington an. Es ruft alle einschlägigen<br />
Institutionen und Überlebenden<br />
dazu auf, Kontakt aufzunehmen und<br />
Daten zu melden. Alle weiteren Infos<br />
über die folgende web-site:<br />
www.ushmm.org/registry<br />
Die Benennung der Uni Ulm nach<br />
Albert Einstein …<br />
… ist wieder im Gespräch (vgl. SüdwestPresse<br />
Ulm, 15.11. und 2.12.<br />
2006). Zur gleichen Zeit reklamierte<br />
die SPD-Fraktion im Gemeinderat,<br />
dass es in Ulm bisher keine dauerhafte<br />
biografische Dokumentation zu Einstein<br />
gebe (SWP, 16.11. 06).<br />
Die Meinung des DZOK:<br />
Vorausgesetzt, die Nachlass-Verwalter<br />
Albert Einsteins an der Hebrew University<br />
in Jerusalem stimmen zu, wäre<br />
dies eine würdige Benennung der<br />
Ulmer Uni, auch wenn diese Universität<br />
nur sehr partiell das Lebenswerk<br />
Einsteins berührt. Überdies wäre die<br />
Benennung eine Revision der blamablen<br />
Zurückweisung der bereits<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
vom damaligen Nachlassverwalter<br />
Nathan genehmigten Benennung im<br />
Jahr 1978.<br />
Allerdings: einer weiteren Ulmer Institution<br />
das Namens-Etikett umzuhängen,<br />
wäre zu billig. D. h. die Konsequenz<br />
einer Benennung wäre eine gewisse<br />
Institutionalisierung einer fundierten<br />
Ulmer Beschäftigung mit der Biografie<br />
Einsteins – und zwar mit der ganzen,<br />
der wissenschaftlichen ebenso wie<br />
der politischen Biographie. Und dabei<br />
wäre auch zu zeigen – was die große<br />
Ulm/Berner Einstein-Ausstellung von<br />
2005 vernachlässigt hat – , dass Einstein<br />
nicht nur zufällig in Ulm geboren<br />
ist, sondern dass sehr viele seiner<br />
Vorfahren der weiteren Umgebung<br />
Ulms, d. h. dem schwäbischen Landjudentum,<br />
entstammen. Und das hat<br />
auch Einsteins Persönlichkeit stark<br />
geprägt. (sl)<br />
Alfred-Moos-Weg …<br />
... heißt seit ein paar Wochen ein Weg,<br />
der von der Karlstraße (gegenüber<br />
„Eden“) durch den Alten Friedhof<br />
bis zur Friedenstraße führt. Auf Vorschlag<br />
des Doku-Zentrums ist diese<br />
Benennung zum 10. Todestag von<br />
Alfred Moos am 1. April vorgenommen<br />
worden.<br />
Moos, am 11. April 1913 in Ulm<br />
geboren, zeichnen vor allem drei<br />
Aspekte aus:<br />
- er, seine Frau Erna und beider Familien<br />
stehen exemplarisch für Bestehen<br />
und Untergang der jüdische Gemeinde<br />
Ulms, bis zurück zu den gemeinsamen<br />
Wurzeln im Schwäbischen Landjudentum;<br />
- schon vor 1933 war Alfred Moos<br />
engagierter Demokrat und aktiver<br />
Verteidiger der Weimarer Republik;<br />
diese demokratische Haltung behielt<br />
er während seines 17- jährigen Exils<br />
in Palästina / Israel bei und verkörperte<br />
sie dann wie ganz wenige in der Ulmer<br />
Bürgerschaft in der Zeit nach seiner<br />
Rückkehr nach Ulm, 1953, bis zu<br />
seinem Tod 1997.<br />
- Alfred Moos hat sich um den geistigen<br />
und moralischen Aufbau seiner<br />
Heimatstadt durch seine Aktivitäten<br />
und sein politisches Engagement in<br />
vielen Initiativen verdient gemacht.<br />
1988 hat Moos die Ulmer Bürgermedaille<br />
erhalten. 1995 war beim <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
die Darstellung<br />
von Claudia Dauerer, „Alfred Moos,<br />
ein Ulmer Jude auf der Flucht vor dem<br />
NS-Staat“, erschienen. (sl)<br />
Die „Freien-Wähler-<br />
Gemeinschaften“ …<br />
… sind besonders in Baden-Württemberg<br />
ein bedeutsames, vor allem<br />
kommunalpolitisches Phänomen.<br />
Gegründet in der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />
war ihre von der Erfahrung<br />
des Nationalsozialismus geprägte<br />
Losung: „nie mehr Parteipolitik, direkt<br />
die Interessen des Bürgers vertreten“.<br />
In Ulm z. B. sind die Freien Wähler bis<br />
heute eine starke Fraktion (mit etwa<br />
einem Viertel der Wählerstimmen)<br />
im Gemeinderat. Jahrzehntelang an<br />
der CDU orientiert, vollzog sich in<br />
den letzten Jahren ein Generationswechsel<br />
und damit ein Wandel hin zu<br />
mehr Offenheit in die verschiedenen<br />
politischen Lager.<br />
Ein Beispiel dafür ist das Verhältnis zum<br />
Doku-Zentrum: Hatte die Ulmer Fraktion<br />
noch vor 10 Jahren im Gemeinderat<br />
den städtischen Zuschuss für<br />
den Ausbau der Gedenkstätte verhindert,<br />
so gibt es heute Interesse, ja<br />
Sympathie von FWG-Repräsentanten<br />
gegenüber der Arbeit des DZOK.<br />
So war die Stadtteilgruppe Söflingen<br />
der FWG am 26. Mai – zum ersten<br />
Mal in ihrer Geschichte – zu Gast<br />
in der Ulmer KZ-Gedenkstätte. Das<br />
andere Beispiel für den Klimawandel<br />
kommt von jenseits der Donau: Am<br />
20. Mai erschien der Vorsitzende der<br />
FWG im Kreistag von Neu-Ulm, Dieter<br />
Wegerer, und überreichte 100 € als<br />
Spende. Begründung: Zwar habe man<br />
im Kreistag eine Zuschusserhöhung<br />
fürs DZOK abgelehnt („sonst kommen<br />
alle“), aber mit dieser Spende wolle<br />
man „als FWG-Kreistagsfraktion die<br />
ausgesprochen wertvolle und wichtige<br />
Arbeit des <strong>Dokumentationszentrum</strong>s“<br />
anerkennen. (sl)<br />
27
++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Büc<br />
„Ihr seid nicht umsonst<br />
gestorben“<br />
Armin Ziegler:<br />
Thomas Mann und die „Weiße<br />
Rose“ – Der Einfluss der „Feindsender“.<br />
Ein Beitrag zur „Weiße-<br />
Rose“ Forschung. Crailsheim (Baier)<br />
<strong>2007</strong>; 102 S., 12,95 €<br />
Armin Ziegler als Weiße-Rose-Forscher<br />
ist in den Spalten der „<strong>Mitteilungen</strong>“<br />
bekannt. Nun hat er ein<br />
weiteres verdienstvolles Werk vorgelegt,<br />
das insbesondere für Lehrer von<br />
höchstem Interesse sein dürfte.<br />
Von der immer wieder diskutierten<br />
Frage ausgehend, wo die Verfasser<br />
der Flugblätter der Weißen Rose<br />
Sprache, Gedanken, Informationen<br />
her hatten, konzentriert sich Ziegler<br />
auf eine bisher wenig beachtete Quelle<br />
(eine Ausnahme bildet der Weiße-<br />
Rose-Forscher Hinrich Siefken): nämlich<br />
die Sendungen der – wie sie von<br />
den Nazis genannt wurden – „Feindsender“,<br />
allen voran des „Deutschen<br />
Dienstes der British Broadcasting<br />
Corporation“ (BBC). Dieses Programm<br />
hatte die Funktion, der „Volksempfänger“-NS-Propaganda<br />
in der deutschen<br />
Bevölkerung andere Informationen<br />
entgegenzusetzen. Ab Oktober<br />
1940 bis Kriegsende hielt bei der BBC<br />
Thomas Mann unter dem Titel „Deutsche<br />
Hörer!“ monatlich einen Vortrag<br />
von etwa acht Minuten, in dem er<br />
wortgewaltig politisch-moralisch den<br />
Nationalsozialismus und seine Repräsentanten<br />
attackierte.<br />
Zwar war „Feindsender-Hören“ mit<br />
Kriegbeginn unter Strafe gestellt (es<br />
gab deswegen auch Todesurteile),<br />
doch ist davon auszugehen, dass<br />
einige Hunderttausend Deutsche<br />
regelmäßig „Feindsender“ hörten. Und<br />
dazu gehörten zweifellos auch die Mitglieder<br />
der Weißen Rose. Vater Robert<br />
Scholl z. B. stand wegen „Rundfunkverbrechen“<br />
am 25. September 1943<br />
vor dem Ulmer Gericht, wie im Ulmer<br />
Tagblatt vom 8. Oktober unter der<br />
agitatorischen Überschrift „Wie lange<br />
noch Scholl? – eine berechtigte Frage“<br />
berichtet wurde. Überliefert ist überdies,<br />
dass Thomas Mann und seine<br />
berühmten Romane bei den Scholls<br />
hohes Ansehen genossen.<br />
Ziegler zitiert einerseits vollständig<br />
die Thomas-Mann-Reden, die in der<br />
Zeit der entstehenden (ab Nov. 1941)<br />
Widerstandsaktivitäten des Weiße-<br />
28<br />
Rose-Kreises bis zum 24. Januar<br />
1943, dem letzten BBC-Termin vor<br />
der Münchner Flugblatt-Aktion am<br />
18. Februar, gehalten wurden; und<br />
er zitiert andererseits die Texte der<br />
sechs Flugblätter sowie den Entwurf<br />
von Christoph Probst. Dabei springen<br />
einige argumentative und sprachliche<br />
Übereinstimmungen ins Auge, wobei<br />
insbesondere die Sendung vom Mai<br />
1942 – als die ersten vier Flugblätter<br />
von Alexander Schmorell und Hans<br />
Scholl verfasst wurden – in ihren Entsprechungen<br />
hervorsticht.<br />
Thomas Mann erfuhr von den<br />
Münchner Aktivitäten erst im Frühjahr<br />
1943 und hielt dann in der BBC<br />
am 27. <strong>Juni</strong> 1943 seinen berühmten<br />
Nachruf: „Ihr seid nicht umsonst<br />
gestorben“. (sl)<br />
„Öl im Getriebe“ des NS-Staates<br />
Wolfram Wette (Hrsg.):<br />
Filbinger – eine deutsche Karriere.<br />
Springe (= zu Klampen) 2006; 190 S.,<br />
18 €<br />
Vor genau einem Jahr erschien dieses<br />
Buch zu Hans Filbinger mit dem<br />
prophetischen Einleitungssatz des<br />
Herausgebers: „Bis zum heutigen<br />
Tage ist Hans Filbinger in Deutschland<br />
eine politische Reizfigur geblieben.“<br />
Dies bewahrheitete sich, als Filbinger<br />
am 1. April diesen Jahres verstarb<br />
(geboren 19.9.1913) und am 11. April<br />
bei der Trauerfeier im Freiburger<br />
Münster Ministerpräsident Günter<br />
Oettinger u. a. sagte: „Hans Filbinger<br />
war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil:<br />
Er war ein Gegner des Regimes.“<br />
Die Reaktion im deutschen Blätterwald<br />
war gewaltig, die Irritationen in weiten<br />
Kreisen der Öffentlichkeit waren erheblich,<br />
bis tief in Filbingers Partei hinein.<br />
Erst mit Oettingers Widerruf am 16.<br />
April („Ich halte meine Formulierung<br />
nicht aufrecht, sondern ich distanziere<br />
mich davon.“) flaute der Sturm ab.<br />
In der vorliegenden Aufsatzsammlung<br />
von sieben wissenschaftlich ausgewiesenen<br />
Autoren wird einerseits die<br />
„Reizfigur Filbinger“ in ihrem politischen<br />
Werdegang nachgezeichnet;<br />
andererseits aber wird die Gestalt<br />
Filbinger exemplarisch gesehen: für<br />
die „Funktionselite“ der Beamten und<br />
Juristen im NS-Staat und ihr fast nahtloses<br />
Weiterwirken in der Bundesrepu-<br />
blik bis in die 80er-Jahre.<br />
Zum speziellen „Fall Filbinger“<br />
schreiben Wolfram Wette, Ricarda<br />
Berthold („Filbingers Tätigkeit als Marinerichter<br />
im Zweiten Weltkrieg“), Anton<br />
Maegerle („Studienzentrum Weikersheim“)<br />
und Walter Mossmann („hans,<br />
il conformista“). Justizgeschichtliche<br />
Beiträge stammen von Manfred Messerschmidt<br />
(Justiz in den 20er Jahren:<br />
„Wege in den Unrechtsstaat“ und<br />
„‚Elastische‘ Gesetzesanwendung<br />
durch Wehrmachtsgerichte“), von<br />
Joachim Perels („Die Umdeutung der<br />
NS-Diktatur in einen Rechtsstaat. Über<br />
ideologische Tendenzen in der Justiz<br />
der Bundesrepublik“), Helmut Kramer<br />
(„Karrieren und Selbstrechtfertigungen<br />
ehemaliger Wehrmachtsjuristen nach<br />
1945“). Der abschließende Aufsatz zur<br />
Ablösung der NS-Traditionen in der<br />
bundesdeutschen Justiz stammt auch<br />
von Wolfram Wette:“ Ein Meinungswandel<br />
in Deutschland, 1980 -2002.<br />
Opfer der Militärjustiz rehabilitiert“.<br />
Was Filbinger vor allem zur exemplarischen<br />
Reizfigur macht, war seine<br />
prinzipielle Uneinsichtigkeit in die verbrecherischen<br />
Anteile seines Handelns<br />
als Marinerichter (April 1943 bis Mai<br />
1945). Sie gipfelte ein paar Wochen<br />
vor seinem Rücktritt als Ministerpräsident<br />
am 7. August 1978 in dem vor<br />
drei Spiegel-Redakteuren geäußerten<br />
Satz, „Was damals Recht war, kann<br />
heute nicht Unrecht sein.“ Letztlich<br />
blieb er dieser Position bis zu seinem<br />
Tod treu, was besonders in seinem<br />
Rechtfertigungsbuch von 1987, „Die<br />
geschmähte Generation“ deutlich<br />
wird. Wolfram Wette resumiert (S.<br />
30): „Er war kein Sand, er war Öl im<br />
Getriebe.“<br />
Mit diesem mittlerweile zum „geflügelten<br />
Negativ-Wort“ gewordenen<br />
Satz, „Was damals Recht war …“,<br />
der „die Unterschiede zwischen nationalsozialistischem<br />
Unrechtsstaat<br />
und demokratischem Rechtsstaat<br />
tendenziell“ einebnet (Wette, S. 11),<br />
wurde Filbinger mit seiner Geschichte<br />
sowie seiner politischen Praxis als<br />
Ministerpräsident zum Antipoden der<br />
deutschen Nachkriegsgeneration.<br />
Und zwar desjenigen Teils von ihr,<br />
der einerseits aus der Perspektive der<br />
Opfer die NS-Zeit „aufarbeiten“ wollte<br />
und will, und der andererseits sich<br />
kritisch mit der gesamten gesellschaftlichen<br />
Wirklichkeit auseinandersetzte.<br />
Aus Ulmer Gedenkstätten-Perspektive<br />
anzumerken ist: dass, wie angestrebt
cher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neu<br />
seit den 60er Jahren, aus dem Ulmer<br />
Doku-Zentrum keine Gedenkstätte<br />
des Landes wurde, sondern eine der<br />
Region, getragen von einem 1977<br />
gegründeten Verein, war eine Entscheidung<br />
des Landtags in der „Ära<br />
Filbinger“.<br />
Fazit: auch wenn Filbinger in ein, zwei<br />
Jahrzehnten keine Reizfigur mehr sein<br />
wird, sein „Fall“ wird immer lehrreich<br />
bleiben. Einerseits, um zu verstehen,<br />
was den Nationalsozialismus möglich<br />
und nachhaltig-verheerend wirksam<br />
machte; und andererseits, vor welchem<br />
Hintergrund das Projekt einer<br />
Demokratisierung der Bundesrepublik<br />
angegangen wurde. Dies exemplarisch<br />
nachvollziehbar zu machen, ist<br />
das Verdienst dieses Buches. (sl)<br />
Warum nicht Ulm???<br />
Frank Brunecker:<br />
Nationalsozialismus in Biberach.<br />
[Ausstellungskatalog des Museums<br />
Biberach], Biberach 2006; 296 S.,<br />
19,90 €<br />
Zwischen Oktober 2006 und Februar<br />
<strong>2007</strong> wurde in Biberach, 30 km von<br />
Ulm entfernt, eine Ausstellung im<br />
städtischen Museum gezeigt zum<br />
„Nationalsozialismus in Biberach“. Die<br />
Ausstellung ist vorbei, aber ein Katalog<br />
dazu ist geblieben: äußerst lesenswert<br />
und fast ein Musterbeispiel dafür, wie<br />
eine relativ kleine Stadt mit 30.000 Einwohnern<br />
auch 60 Jahre nach Kriegsende<br />
– nach einstimmigem Beschluss<br />
des Gemeinderates – fachlich angemessen<br />
und zeitgemäß in den Spiegel<br />
ihrer eigenen NS-Geschichte schaut.<br />
Dass die ehemaligen Akteure dieser<br />
Zeit nicht mehr als lebendiger Kompass<br />
für historische Erkenntnis zur<br />
Verfügung standen, ist wohl nur<br />
bedingt ein Defizit. Denn dadurch fehlt<br />
fast jede direkte und indirekte Rechtfertigungshaltung<br />
bzw. pietätvolle<br />
Rücksichtnahme nach dem Muster,<br />
„er hatte doch so große Verdienste für<br />
Biberach nach 45“. Ausgeglichen wird<br />
das Defizit durch Erläuterungen zu<br />
den Zusammenhängen der „kleinen“<br />
Ortsgeschichte mit der allgemeinen<br />
NS-Geschichte; für die heutige Generation<br />
der Enkel und Urenkel fast<br />
unabdingbar.<br />
So wird eine fachlich fundierte, nüchterne<br />
Beschreibung der Personen<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
und Ereignisse Biberachs in der NS-<br />
Zeit (auch ihr Fortwirken weit in die<br />
Nachkriegszeit hinein) möglich, die<br />
ohne nachträgliche Anklage oder Besserwisserei<br />
auskommt. Ein guter, zeitgemäßer<br />
Leitfaden, eine historische<br />
Schule für Menschen von heute.<br />
Aus Ulmer Perspektive ist da nur zweierlei<br />
zu sagen:<br />
Erstens, warum gibt es ein derartiges,<br />
von Verwaltung und Gemeinderat initiiertes<br />
Projekt bis heute nicht? Und<br />
zweitens: Es ist dazu nie zu spät,<br />
denn der Nationalsozialismus bleibt<br />
ein Stück Geschichte, das nicht vergeht.<br />
(sl)<br />
Kriegsspiele – todernst<br />
Wolfgang Finkbeiner:<br />
Luftwaffenhelfer aus Ulm und<br />
Neu-Ulm. Ulm 2006; 190 S., 19,80 €<br />
18. Februar 1943: Die Niederlage in<br />
Stalingrad war zwei Wochen zuvor<br />
von Staat, Partei und Wehrmacht<br />
eingestanden worden und Goebbels<br />
verkündete im Berliner Sportpalast<br />
den „totalen Krieg“. An diesem Tag<br />
warfen Hans und Sophie Scholl in den<br />
Lichthof der Münchener Universität<br />
das 6. Flugblatt der Weißen Rose -<br />
eine schonungslose Abrechnung mit<br />
dem Regime und die Ankündigung<br />
von dessen baldigem Ende. Und<br />
genau ab diesem Tag werden fast<br />
bis Kriegsende in Deutschland etwa<br />
200.000 15-/16-jährige „Oberschüler“<br />
der Jahrgänge 1926 bis 1928 als so<br />
genannte „Luftwaffen- bzw. Marinehelfer“<br />
eingezogen.<br />
Im vorliegenden Band berichten 20<br />
von ihnen aus der Region Ulm und<br />
Neu-Ulm, nunmehr an die 80 Jahre alt,<br />
über ihre Erlebnisse als - wie sie auch<br />
genannt wurden - „Flakhelfer“, genau<br />
genommen Ersatz-Soldaten. Das<br />
Regime begründete die Maßnahme<br />
einerseits mit den zunehmenden Luftangriffen<br />
der Alliierten und andererseits<br />
mit der Benötigung der bisherigen<br />
Flak-Soldaten an der Front. Offizielle<br />
Aufgabe war es, Gebäude der Rüstungsproduktion<br />
und überhaupt „die<br />
Heimat“ gegen Bombenangriffe zu<br />
schützen.<br />
Übereinstimmend lassen die Autoren<br />
schließen, dass das proklamierte<br />
Ziel ein (bewusst?) unrealistisches<br />
war: Weder waren die militärische<br />
Infrastruktur noch die Waffen für die<br />
Bekämpfung gegnerischer Flugzeuge<br />
geeignet, weshalb es auch – glücklicherweise<br />
– zu keinem „Abschuss“<br />
kam.<br />
Die Funktion der „Luftwaffenhelfer“<br />
aus der Perspektive des Regimes war<br />
eine andere. Einerseits: Die Gruppe<br />
der seit Kindertagen ideologisch<br />
wie militärisch hoch aufgeladenen<br />
jugendlichen Oberschüler in der „Endkampfstimmung“<br />
des „totalen Kriegs“<br />
musste beschäftigt werden, damit sie<br />
nicht die „Heimatfront“ destabilisieren,<br />
wie es z. B. die Geschwister Scholl<br />
oder auch die „Edelweiß-Piraten“ im<br />
Rheinland vorgemacht haben.<br />
Man gab den Jugendlichen also ein<br />
Schießgerät in die Hand, mit dem sie<br />
ihre pubertären Omnipotenz-Phantasien<br />
– einen Flieger vom Himmel zu<br />
holen und Lehrer und Eltern in ihrer<br />
Bedeutung zu „degradieren“ – befriedigen<br />
konnten. Mit dieser Jugend<br />
hätte „Hitler den Krieg noch fünf Jahre<br />
länger führen können“, wie ein Ulmer<br />
vom Jahrgang 1929 kürzlich in einer<br />
DZOK-Geschichtswerkstatt sagte.<br />
Andererseits: Die Gruppe der Eltern,<br />
die die wirkliche Situation von Krieg<br />
und Regime realistischer wahrnahm,<br />
wurde durch den Kriegseinsatz ihrer<br />
Kinder fast, so könnte man sagen,<br />
emotional „in Geiselhaft genommen“;<br />
d. h. auf persönlicher Ebene in die<br />
Durchhalte- und „Endsieg“-Parolen<br />
des Regimes integriert.<br />
Fazit: Auch wenn in den Berichten<br />
militärische Details und Anekdotisch-<br />
Harmloses dominieren, wird doch<br />
– und das ist die bleibende Botschaft<br />
– überall auch die gnadenlose Instrumentalisierung<br />
der Jugend spürbar.<br />
Ernst Ludwig, Ulms Alt-OB, Jahrgang<br />
1927, sagt in einem Interview (S. 145):<br />
„Die Zeit bei der Flak war mehr oder<br />
weniger Gaudi für uns, verspätete<br />
Indianerspiele …“. Wie selbstzerstörerisch-tödlich<br />
diese „Gaudi“ war, zeigt<br />
das Beispiel vom Flugplatz Leipheim,<br />
wo am 19. Juli 1944 (einen Tag vor<br />
dem Offiziers-Attentat!) allein zehn<br />
Luftwaffenhelfer bei einem Luftangriff<br />
ums Leben kamen (S. 26 ff), Ulmer<br />
Buben zwischen 15 und 17 Jahren.<br />
Erst Jahrzehnte später wurde manchen<br />
bewusst, dass sie ja eigentlich<br />
„verraten und verkauft“ worden waren.<br />
(sl)<br />
29
++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Büc<br />
Zankels Demontage?<br />
Armin Ziegler:<br />
Die Demontage von ‚Halbgöttern‘.<br />
Sönke Zankels Biographien<br />
der „Weiße Rose“ – eine kritische<br />
Stellungnahme. Schönaich<br />
(Selbstverlag) <strong>2007</strong>. (Bestellung über:<br />
armin.ziegler@t-online.de); 45 S., 12 €<br />
Das in der letzten Nummer der „<strong>Mitteilungen</strong>“<br />
vorgestellte neue Buch von<br />
Sönke Zankel, „Die Weiße Rose war<br />
nur der Anfang“ (Köln u. a. 2006), hat<br />
bis in die Feuilletons der großen Tageszeitungen<br />
hinein Resonanz gefunden.<br />
Allerdings, die denkmalstürzlerische<br />
Absicht des Autors bezüglich dem<br />
„Helden-Image“ der Münchener<br />
studentischen Widerstandsgruppe<br />
scheint bisher ins Leere gegangen zu<br />
sein. Im Gegenteil: man kann wohl von<br />
einer weit gehenden Demontage der<br />
Zankelschen Thesen sprechen.<br />
Am intensivsten hat sich Armin Ziegler<br />
in dem hier vorliegenden Manuskript<br />
mit einem Teil des Buches auseinander<br />
gesetzt, nämlich mit den 50<br />
Seiten, die die Biographien der sechs<br />
Hingerichteten zum Inhalt haben.<br />
Ziegler kritisiert mit nachvollziehbaren<br />
Beispielen bei Zankels Wertungen<br />
eine ungenügende Berücksichtigung<br />
der biografischen und zeithistorischen<br />
Hintergründe und eine höchst subjektive<br />
und selektive Auswahl der Quellen.<br />
Er fasst seinen Verriss im letzten Satz<br />
zusammen: „Es wäre zu wünschen,<br />
dass der Verlag das Buch in seiner<br />
jetzigen Form zurückzieht.“<br />
Daran zu erinnern ist, dass Zankels<br />
Buch nach seiner eigenen Aussage<br />
nur 25 % seiner Doktorarbeit – die<br />
noch nicht gedruckt vorliegt – umfasst.<br />
Sie bleibt abzuwarten. (sl)<br />
Kunst und KZ-Wirklichkeit,<br />
eine schwierige Beziehung<br />
Wolfgang Benz, Barbara Distel<br />
(Hrsgg.):<br />
Realität – Metapher – Symbol.<br />
Auseinandersetzungen mit den<br />
Konzentrationslagern. Dachauer<br />
<strong>Heft</strong>e 22, 2006; 222 S., 14 €<br />
Vor einem Jahr wurde der neu entstandene<br />
Platz vor dem Ulmer Rathaus<br />
nach Hans und Sophie Scholl<br />
30<br />
benannt. Im Rahmen des Begeitprogrammes<br />
gab es auch eine öffentliche<br />
Diskussion zum Umgang mit dem<br />
„Erbe der Weißen Rose“. Dabei kam<br />
es zu einem kleinen Disput zwischen<br />
dem Vorarlberger Künstler Wolfgang<br />
Flatz und dem Ulmer Historiker Silvester<br />
Lechner. Während Flatz für die<br />
Kunst absolute Freiheit im Umgang mit<br />
der Wirklichkeit reklamierte, forderte<br />
Lechner von den Künstlern, nicht nur<br />
sich selbst zu inszenieren, sondern<br />
auch sich der Mühe zu unterziehen,<br />
sich mit der künstlerischen Auseinandersetzung<br />
die historischen Vorgänge<br />
wenigstens in Umrissen anzueignen.<br />
Genau diese konfliktreiche und oft<br />
fruchtbare Beziehung von Kunst,<br />
Künstlern, Geschichte und Historikern<br />
in der deutschen Erinnerungskultur am<br />
Beispiel der Konzentrationslager ist ein<br />
Leitthema der neuesten Nummer der<br />
„Dachauer <strong>Heft</strong>e“.<br />
Zwei Aufsätze greifen es auf: Barbara<br />
Distels „Neue Formen der Erinnerung?“<br />
und Stefanie Endlichs „Vier<br />
Mahnmale“. Eberhard Görner widmet<br />
sich dem Thema am Beispiel der<br />
Kunstform Film: Er beschreibt einige<br />
„Gedanken bei der Arbeit für einen<br />
Dokumentarfilm“ über das KZ Mittelbau<br />
Dora , der im September 2006<br />
seine Premiere hatte.<br />
Auch die literarisch-romanhafte Verarbeitung<br />
von Begriff und Phänomen<br />
„KZ“ wird in vier Beiträgen angesprochen:<br />
einmal in dem die NS-Lager<br />
rechtfertigenden Roman „Das Konzentrationslager“<br />
von Fritz Spiesser<br />
(erschienen 1940); zum anderen durch<br />
Annette Leo („Mythos und Realität“) in<br />
Bezug auf Bruno Apitz‘ Buchenwald-<br />
Roman „Nackt unter Wölfen“; zum<br />
dritten durch Anna Kutschkau bezüglich<br />
„ Fiktion und Authentizität in Anna<br />
Seghers‘ Roman ‚Das siebte Kreuz‘“.<br />
Das vierte Beispiel ist die Erinnerung<br />
an den heute fast vergessenen russisch-jüdischen<br />
Autor Vasilij Grossman<br />
(1905 - 1964) und seinen großartigen<br />
Roman „Leben und Schicksal“. In ihm<br />
werden am Beispiel von Grossmans<br />
Familie die Shoah und die Verheerungen<br />
des Nationalsozialismus in der<br />
Sowjetunion ebenso dargestellt wie<br />
die Selbstzerstörung der sowjetischen<br />
Gesellschaft im Stalinismus.<br />
Nicht ohne Fiktionalität, aber doch<br />
immer noch am nächsten dran an<br />
der KZ-Wirklichkeit sind Berichte von<br />
Betroffenen, von denen vier erstmals<br />
(auf deutsch) vorgestellt werden:<br />
- das Tagebuch des Belgiers Isidor<br />
Mols „auf dem Evakuierungstransport<br />
von Buchenwald nach Theresienstadt“;<br />
- ein Kapitel („Ich wollte nicht sterben“)<br />
aus den Erinnerungen des nach Auschwitz<br />
deportierten norwegischen<br />
Juden Victor Savosnick;<br />
- die Erinnerungen von Ladislaus<br />
Ervin-Deutsch an seine Begegnung<br />
als Häftling in Auschwitz mit einem<br />
SS-Offizier, der ein alter Bekannter aus<br />
seiner Heimatstadt Klausenburg war.<br />
Diese Dachauer <strong>Heft</strong>e enthalten auch<br />
drei wissenschaftliche Beiträge.<br />
- von Dirk Riedel über KZ-Parolen wie<br />
„Arbeit macht frei“;<br />
- von Winfried Meyer und Stefanie<br />
Nathow über die Paketsendungen<br />
des Internationalen Roten Kreuzes in<br />
Genf für die Häftlinge des KZ Sachsenhausen;<br />
- von Angela Genger über die neue<br />
hessische Gedenkstätte zum SS-Sonderlager<br />
KZ Hinzert;<br />
- von Verena Walter über die Verarbeitung<br />
des KZ-Erlebens durch Kinder<br />
(allein 232.000 Kinder und Jugendliche<br />
waren in den Lager-Komplex von<br />
Auschwitz verschleppt worden).<br />
Fazit: Auch wenn ein durchgehender<br />
thematischer „roter Faden“ nicht<br />
sichtbar ist, so tut das der Qualität<br />
der einzelnen, tief berührenden und<br />
informativen Beiträge keinen Abbruch.<br />
Sehr zu empfehlen! (sl)<br />
Krimi mit Tiefgang<br />
Rainer Gross:<br />
Grafeneck. Bielefeld (Pendragon<br />
Verlag) <strong>2007</strong>; 192 S., 9,90 €<br />
Rainer Gross siedelt seinen<br />
Debütroman im schwäbischen Buttenhausen<br />
im Jahre 1997 an. Der<br />
61-jährige Grundschullehrer Hermann<br />
Mauser entdeckt die mumifizierte<br />
Leiche eines Mannes in einer verschlossenen<br />
Nebenröhre einer Tropfsteinhöhle.<br />
Der altertümliche Anzug<br />
und eine merkwürdige Markierung<br />
deuten auf die NS-Zeit hin. Warum<br />
wurde er erschossen? Handelte es<br />
sich um ein NS-Opfer oder um einen<br />
Racheakt an einem NS-Täter?<br />
Die Vergangenheit wird für Mauser<br />
wieder lebendig. Seine behinderte<br />
Schwester wurde im Rahmen des
cher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neu<br />
Euthanasieprogramms in Grafeneck<br />
ermordet. Sein Vater, ein Polizist,<br />
stand dem Nationalsozialismus kritisch<br />
gegenüber und litt sein Leben<br />
lang unter dem Tod seiner Tochter.<br />
Zunächst ermittelt Mauser auf eigene<br />
Faust und findet heraus, dass die<br />
Kugel aus der Pistole seines Vaters<br />
stammt. Bei dem Ermordeten handelt<br />
es sich um den Leiter der Anstalt Grafeneck,<br />
der 1944 spurlos verschwand.<br />
Auch stellt sich heraus, dass der Arzt,<br />
dessen medizinisches Gutachten<br />
Mausers Schwester nach Grafeneck<br />
brachte, als uralter Mann in einem<br />
Nachbardorf lebt und bereit ist, Licht<br />
in das Dunkel des Falles zu bringen.<br />
Rainer Gross, der aus Reutlingen<br />
stammt und in Tübingen studierte,<br />
erzählt nicht nur einen spannenden<br />
Kriminalroman, sondern geht auch<br />
der Frage nach Schuld und Sühne<br />
vor dem Hintergrund eines Dorfes<br />
auf der Schwäbischen Alb nach.<br />
Buttenhausens christlich-jüdische<br />
Vergangenheit fließt ebenso ein wie<br />
das NS-Euthanasieprogramm. Kurz:<br />
ein ungewöhnlicher Kriminalroman mit<br />
Charakteren und Themen, die in Erinnerung<br />
bleiben. (Peter Bräunlein)<br />
Neues Handbuch: Gedenkorte in<br />
Baden-Württemberg<br />
Konrad Pflug, Ulrike Raab-Nicolai.<br />
Reinhold Weber (Hrsgg.):<br />
Orte des Gedenkens und Erinnerns<br />
in Baden-Württemberg.<br />
Landeszentrale für politische Bildung,<br />
Stuttgart <strong>2007</strong>. (Zu bestellen über die<br />
LpB); 420 S., 6 €<br />
Nach Orten alphabetisch geordnet –<br />
von der ehemaligen Synagoge Adelsheim-Sennfeld<br />
bis zur ehemaligen<br />
Synagoge von Wenkheim – sind in<br />
diesem neuen Handbuch 70 Gedenkorte<br />
und Gedenkstätten des Landes<br />
Baden-Württemberg portraitiert, die<br />
meisten definiert im Zusammenhang<br />
mit dem Nationalsozialismus.<br />
Darunter sind auch drei aus der unmittelbaren<br />
Region Ulms berücksichtigt:<br />
Das ehemalige jüdische Landschulheim<br />
Herrlingen, die Ulmer Weiße<br />
Rose-Denkstätte und die KZ-Gedenkstätte<br />
Oberer Kuhberg.<br />
Die Gedenkorte betreffen u. a. folgende<br />
historische Kategorien: Frühe<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
und späte KZs und politische Verfolgung;<br />
„Euthanasie“ und Medizin; Sinti<br />
und Roma; Jüdische Gemeinden und<br />
Institutionen; Zwangsarbeit; Displaced<br />
persons; Widerstand.<br />
Auch die Gedenkstätte des elsässischen<br />
KZ Natzweiler wird beschrieben,<br />
da ihm viele Außenlager in Baden und<br />
Württemberg in der zweiten Kriegshälfte<br />
zugeordnet waren.<br />
Eingeleitet wird der Band einerseits<br />
von einem Aufsatz der Herausgeber<br />
über die Strukturen und Motive der<br />
Gedenkarbeit im Land und andererseits<br />
mit einem Aufsatz von Peter<br />
Steinbach über „Gedenkstätten und<br />
politische Bildung in Baden-Württemberg“.<br />
Fazit: ein wichtiger Wegweiser zu den<br />
authentischen Tatorten der Landesgeschichte<br />
im Nationalsozialismus<br />
und gleichzeitig ein Nachschlagewerk<br />
für die jeweilige Präsentation in der<br />
Gegenwart. (sl)<br />
„Gedenken!?“ – anno 2006<br />
Karl Giebeler, Abraham Kustermann<br />
(Hrsgg.):<br />
Erinnern und Gedenken – Paradigmenwechsel<br />
60 Jahre nach Ende<br />
der NS-Diktatur? Berlin <strong>2007</strong> (=<br />
Frank & Timme); 110 S., 14,80 €<br />
Tagungen zu Zustand und Funktion<br />
des Umgangs mit dem NS-Erbe<br />
haben „60 Jahre danach“ eine gewisse<br />
Konjunktur. So ließen es sich auch die<br />
Katholische Akademie der Diözese<br />
Rottenburg-Stuttgart und die Evangelische<br />
Akademie Bad Boll, in Zusammenarbeit<br />
mit „Gegen Vergessen – Für<br />
Demokratie e. V.“ nicht nehmen, eine<br />
solche im Mai 2006 durchzuführen.<br />
Nun liegen die Referate als buntes<br />
Allerlei und Tagungsbändchen vor.<br />
Eingeleitet von Silvester Lechners<br />
„Beobachtungen und Interpretationen<br />
am Beispiel der KZ-Gedenkstätte<br />
Oberer Kuhberg“ unter dem Titel<br />
„Ein doppelgesichtiges Baudenkmal<br />
und seine Wirkungen“ folgen sieben<br />
weitere Beiträge. So von Bernd Faulenbach<br />
(„Paradigmenwechsel … des<br />
Erinnerns“), von Jürgen Reulecke<br />
(„Generationseinheiten als Erinnerungsgemeinschaften“),<br />
von Uwe<br />
von Seltmann (Erfahrungen eines<br />
Täter-Enkels) , von Felicitas von Aretin<br />
(über die Enkel der 20.-Juli-Opfer), von<br />
Helga Hirsch („Psychische Spätfolgen<br />
von Flucht und Vertreibung“), von Joachim<br />
Gauck („Von der Erinnerung zum<br />
Gedenken“) und von Alfred Geisel ein<br />
Schlusswort.<br />
Manches ist lesenswert, eine Zusammenfassung<br />
der Diskussion fehlt,<br />
leider ebenso ein Index. Spannende<br />
Frage: Wie wird so eine Tagung<br />
aussehen, wenn es heißt: „70 Jahre<br />
danach …“ (sl)<br />
d. j. 1.11: erste Schritte zum Widerstand<br />
der Geschwister Scholl<br />
Hans-Joachim Seidel:<br />
Aus dem Ruhestand: Versuch<br />
über das Leben des Dr. med.<br />
Hans Seidel, erst Landarzt, dann<br />
Arbeitsmediziner, mein Vater.<br />
Ulm (Universität Ulm-Klinikum) <strong>2007</strong>.<br />
(Bestellungen über: hjsdl-ulm@tonline.de);<br />
120 S.<br />
Der Leiter des Instituts für Arbeits-,<br />
Sozial- und Umweltmedizin an der Uni<br />
Ulm von 1997 bis 2005 , Hans-Joachim<br />
Seidel, hat sich in seinem Ruhestand<br />
mit der Biografie seines Vaters<br />
Hans Seidel (1913 - 1969) befasst und<br />
ihm eine bebilderte kleine Biografie<br />
gewidmet.<br />
Im Kontext der „Geschwister-Scholl-<br />
Stadt Ulm“ ist das Buch besonders<br />
interessant.<br />
Denn Hans Seidel war Mitglied der<br />
„Deutschen Jungenschaft“ vom<br />
1.11.1929. Deren Gründer war Eberhard<br />
Köbel (genannt „tusk“). Diese<br />
Gruppierung wurde unter dem Kürzel<br />
„d. j. 1.11“ bekannt. Sie ging zunächst<br />
aus der „Deutschen Freischar, Bund<br />
der Wandervögel und Pfadfinder“<br />
hervor, entwickelte sich nach 1933<br />
– teils neben, teils in der HJ, Verbot<br />
1934 – oppositionell zum NS-Staat<br />
und wurde im November 1937 nach<br />
einer reichsweiten Razzia aufgelöst.<br />
Sie entstand nach 1945 neu und<br />
besteht z. B. in Stuttgart noch heute.<br />
Hans Scholl und Ernst Reden, der<br />
aus Köln nach Ulm kam und hier<br />
seinen Wehrdienst absolvierte, und<br />
einige andere Ulmer orientierten sich<br />
an den Ideen der Gruppe und hatten<br />
auch Kontakt zu anderen Mitgliedern,<br />
insbesondere in Stuttgart. Dort war<br />
auch Hans Seidel Mitglied, ebenso<br />
31
++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Büc<br />
wie seine spätere Frau, Gabriele<br />
Schweitzer, die Mutter des Autors.<br />
Beide wurden 1937 im Rahmen der<br />
Razzia gegen alles „Bündische“ von<br />
der Gestapo in Berlin inhaftiert und<br />
für acht bzw. zehn Monate ins KZ<br />
gesperrt. Die Protokolle ihrer Verhöre<br />
fanden im Stuttgarter Prozess gegen<br />
Hans Scholl, Ernst Reden u. a. (Frühjahr<br />
1938) Verwendung.<br />
Seidel kommt 1941 nach Ulm in die<br />
„Sanitätsoffiziersschule“. Er kannte in<br />
Ulm die Familie des ebenfalls nach<br />
Ulm beorderten Arztes Dr. Nägele<br />
aus Stuttgart, dessen Tochter Rose<br />
die zeitweilige Freundin von Hans<br />
Scholl war (ihr Bruder war in Stuttgart<br />
d. j. 1.11er), nahm aber bewusst<br />
keinen Kontakt zur Familie Scholl auf,<br />
da er von dem Fortbestehen der Überwachung<br />
ausgehen musste.<br />
Fazit: eine historisch wertvolle Biografie,<br />
insbesondere auch zum geistigen<br />
Umfeld der Scholls in den Jahren<br />
als sie begannen, sich von der NS-<br />
Bewegung zu lösen. (sl)<br />
Ein Nachlagewerk, das bleibt:<br />
Jüdische Gemeinden in Baden und<br />
Württemberg<br />
Joachim Hahn,Jürgen Krüger:<br />
Synagogen in Baden-Württemberg,<br />
2 Bände. Bd. 1: Geschichte<br />
und Architektur; Bd. 2: Orte. Stuttgart<br />
(Theiss) <strong>2007</strong>, 982 S., 59,90 € (bis<br />
31.12.<strong>2007</strong>); dann 69,90 €<br />
Im Jahr 1938 war der Mehrheit der<br />
deutschen Juden bewusst geworden,<br />
dass die Nazis es mit ihrer antisemitischen<br />
Hetze ernst meinten, die<br />
Geschichte der deutschen Juden<br />
definitiv zu beenden. War auch vorher<br />
schon der „jüdische Abwehrkampf“<br />
gegen die NS-Repression ein vorwiegend<br />
literarischer, so wurde im<br />
September 1938 ein großes literarisches<br />
Dokument als Aufruf in der<br />
„Jüdischen Rundschau“ konzipiert:<br />
in „letzter Minute“ in einem „Buch<br />
der Erinnerung“ die Geschichte der<br />
jüdischen Gemeinden in Deutschland<br />
festzuhalten. Die von den Nazis so<br />
genannte „Kristallnacht“ zwei Monate<br />
später und die unmittelbar folgende<br />
Enteignungs- und Vertreibungs-Politik<br />
setzte dem Projekt ein Ende.<br />
32<br />
70 Jahre später haben nun Joachim<br />
Hahn – der verdienstvolle Koordinator<br />
des Gedenk-Verbundes Alemannia<br />
Judaica – und der KunstgeschichtsprofessorJürgen<br />
Krieger die<br />
Pläne realisiert.<br />
Zwar „nur“ für Baden und Württemberg,<br />
aber in dieser regionalen<br />
Begrenzung auf fast 1000 Seiten in<br />
größter wissenschaftlicher Gediegenheit,<br />
übersichtlicher Strukturierung und<br />
guter Lesbarkeit. Krüger skizziert die<br />
Geschichte der jüdischen Gemeinden<br />
in Südwestdeutschland seit dem Mittelalter<br />
sowie deren Einrichtungen,<br />
insbesondere deren Synagogen.<br />
Hahn listet alphabetisch jene rund 260<br />
Orte auf, in denen es Synagogen oder<br />
Beträume gab.<br />
„Ulm“ taucht im hervorragenden Stichwortregister<br />
14 mal auf: das reicht vom<br />
mittelalterlichen Siedlungsgebiet um<br />
den „Judenhof“ und die Synagoge des<br />
19. Jahrhunderts, über die Rabbiner<br />
bis hin zu einer kurzen Geschichte der<br />
Gemeinde im 2. Band.<br />
Was besonders erfeulich ist: die beiden<br />
Bände sind nicht nur ein Denkmal der<br />
im NS untergegangenen Gemeinden,<br />
sondern auch ein Wegweiser zum an<br />
einigen Stellen neu keimenden jüdischen<br />
Leben in unserem Bundesland,<br />
auch in Ulm.<br />
Fazit: Ein Lesebuch und Nachschlagewerk,<br />
das Bestand haben wird<br />
– bei den Generationen von heute und<br />
morgen. (sl)<br />
Ulm und Söflingen im Film<br />
Stadtarchiv Ulm / protel Film & Medien<br />
(Günter Merkle):<br />
Historische Ulm-Filme. Filmschätze<br />
aus acht Jahrzehnten. 2<br />
DVDs (3 Stunden), inkl. Begleitheft,<br />
29,80 €<br />
Ulmer Film- und Fotoautoren, e. V.:<br />
Eröffnung Hans- und Sophie-<br />
Scholl-Platz. Veranstaltungen<br />
21. und 22. Juli 2006. Ulm <strong>2007</strong>; 2<br />
DVDs, Kurzfassung 14 min., Langfassung<br />
116 Min, 15,50 €<br />
Zu bestellen über: uffa-info@tonline.de<br />
Roland Kleinhempel:<br />
Ons‘r Seflenga. Dreiteilige Dokumentation<br />
über die Ulmer Vorstadt<br />
Söflingen. Ulm 2005, 2006, <strong>2007</strong>; 3<br />
DVDs, je ca. 90 min; je 19 €<br />
Drei interessante Film-Projekte zur<br />
Geschichte Ulms wurden in den letzten<br />
Jahren durchgeführt und sind jetzt als<br />
DVDs erhältlich. Wir weisen auf sie hin,<br />
da in allen Filmen auch Aspekte zur<br />
Geschichte des Nationalsozialismus in<br />
der Region berührt werden.<br />
Günter Merkle, wohl Ulms erfahrenster,<br />
filmhistorisch interessierter<br />
Film- und Medien-Profi der letzten<br />
Jahrzehnte, hat zusammen mit dem<br />
Ulmer Stadtarchiv (Wolfgang Adler)<br />
den Ulmern einen Traum erfüllt: er<br />
hat sieben weitgehend unbekannte<br />
Film-Dokumente aus den Jahren<br />
1922 bis 1994 aufgespürt und auf<br />
einer DVD vereint. Darunter sind sechs<br />
„Wochenschau“-Beiträge, drei von<br />
1943/44 (darunter zur Inszenierung<br />
von Erwin Rommels -Beerdigungsakt,<br />
Oktober 1944) und drei aus der<br />
unmittelbaren Nachkriegszeit. Dazu<br />
kommen auf einer ergänzenden DVD<br />
erläuternde Interviews mit sieben<br />
Ulmer Fachleuten und ein informatives<br />
40-seitiges Begleitheft, das die Ulmer<br />
Filmgeschichte zusammenfasst. Das<br />
bedeutendste historische Kapitel<br />
fehlt dabei nicht: Das „Ulmer Institut<br />
für Filmgestaltung“ (im Rahmen der<br />
hfg) mit Filmemachern wie Alexander<br />
Kluge, Edgar Reitz, Günther Hörmann,<br />
Peter Schubert.<br />
Die Ulmer Film- und Fotoautoren legen<br />
eine Dokumentation der Veranstaltungen<br />
zur Eröffnung des Hans- und<br />
Sophie-Scholl-Platzes im <strong>Juni</strong> 2006<br />
vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die<br />
Beiträge von Elisabeth Hartnagel,<br />
der letzten noch lebenden unter den<br />
Scholl-Geschwistern.<br />
Roland Kleinhempel hat – nach achtjähriger<br />
Arbeit – ein umfangreiches,<br />
liebenswürdiges Film-Portrait in drei<br />
DVDs zu Ulms – im besten Sinne<br />
– „eigen-sinniger“ Vorstadt Söflingen<br />
produziert, wobei die dritte DVD in den<br />
kommenden Wochen erscheint.<br />
Otl Aicher und Pfarrer Franz Weiß<br />
– Leitfiguren des (verglichen mit Ulm)<br />
recht intensiven Söflinger widerständigen<br />
Verhaltens in der NS-Zeit<br />
– werden im zweiten Teil porträtriert.<br />
(sl)
Veröffentlichungen des DZOK<br />
DZOK-Manuskripte<br />
Bd. 1: Ulmer Geschichtswerkstatt zur<br />
NS-Zeit (Hg.),<br />
Die „Hitlerjugend“ am Beispiel der<br />
Region Ulm/Neu-Ulm. Ein Aspekt im<br />
Umfeld der „Weißen Rose“, 1942/43.<br />
Eine kommentierte Dokumenten- und<br />
Materialien-Sammlung,<br />
6. Aufl. 2004, 170 S., 10 €.<br />
Bd. 2: Claudia Dauerer,<br />
Alfred Moos, ein Ulmer Jude auf<br />
der Flucht vor dem NS-Staat. Ein<br />
Beitrag zur deutschen Emigration<br />
nach Palästina.<br />
Ulm 1995, 2. Aufl. ,150 S., 8 €.<br />
Bd. 3: Silvester Lechner (Hg.),<br />
Schönes, schreckliches Ulm.<br />
130 Berichte ehemaliger polnischer<br />
Zwangsarbeiterinnen und<br />
Zwangsarbeiter, die in den Jahren<br />
1940 bis 1945 in die Region Ulm/Neu-<br />
Ulm verschleppt worden waren,<br />
2. Aufl. 1997, 420 S., 20 €.<br />
(Zur Zeit vergriffen!)<br />
Bd. 4: Silvester Lechner,<br />
Ulm im Nationalsozialismus. Stadtführer<br />
auf den Spuren des Regimes,<br />
der Verfolgten, des Widerstands.<br />
Ulm 1997, 120 S., 8 €.<br />
(Zur Zeit vergriffen!)<br />
Bd. 5: Myrah Adams,<br />
Die Würde des Menschen ist unantastbar.<br />
Das KZ Oberer Kuhberg in<br />
Ulm, 1933 – 1935, Katalog zur Ausstellung,<br />
Ulm 2002, 64 S., 138 Abb., 10 €.<br />
Bd. 6: Oberschulamt Tübingen, <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
Oberer Kuhberg<br />
(Hgg.),<br />
„Württembergisches Schutzhaftlager<br />
Ulm“. Ein frühes Konzentrationslager<br />
im Nationalsozialismus<br />
(1933-1935). Materialien für den<br />
Besuch der Ulmer KZ-Gedenkstätte<br />
mit Schülern,<br />
Tübingen/Ulm 2004, 120 S.,<br />
15 Abbildungen, 8 €.<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Sonderveröffentlichungen<br />
„… daß es so etwas gibt, wo man<br />
Menschen einsperrt …“.<br />
Das KZ Oberer Kuhberg bei Ulm.<br />
Ein Film von Bernhard Häusle und<br />
Siegi Jonas,<br />
Stuttgart 1995, 33 Min., 18 €.<br />
„Ich bin ja jetzt der Letzte …“<br />
Arbeiterkultur – Jugendwiderstand<br />
– Konzentrationslager.<br />
Hans Gasparitsch, geboren 1918<br />
in Stuttgart, erzählt.<br />
Ein Film von Silvester Lechner und<br />
Roland Barth; Ulm 1999,<br />
VHS-Video, 40 Min., 25 €.<br />
Silvester Lechner (Hg.),<br />
Die Kraft, nein zu sagen. Zeitzeugenberichte,<br />
Dokumente, Materialien<br />
zu Kurt Schumachers 100.<br />
Geburtstag.<br />
Ulm (DZOK) 1995, 80 S., 10 € (vergriffen).<br />
Markus Kienle,<br />
Gotteszell – das frühe Konzentrationslager<br />
für Frauen in Württemberg.<br />
Die Schutzhaftabteilung im<br />
Frauengefängnis Gotteszell in Schwäbisch<br />
Gmünd,<br />
Ulm (Klemm & Oelschläger) 2002, 90<br />
S.,12 €.<br />
Markus Kienle,<br />
Das Konzentrationslager Heuberg<br />
bei Stetten am kalten Markt,<br />
Ulm (Klemm & Oelschläger) 1998;<br />
220 S., 50 Abb., 10 €.<br />
Vorstand Stiftung Erinnerung Ulm<br />
(Hg.),<br />
Die Stiftung Erinnerung Ulm –<br />
für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde.<br />
Ihre Gründung, ihr Zweck, ihre Ziele,<br />
Ulm 2004; 64 S., 22 Abb., 10 €.<br />
Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis<br />
27. Januar (Hg.),<br />
Als der Sport in Ulm 1933 nationalsozialistisch<br />
wurde …<br />
Aufsätze und Dokumente, Manuskript,<br />
Ulm (DZOK) 2005; 68 S., 8 €.<br />
Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis<br />
27. Januar (Hg.),<br />
Łódz – Ulm – New Jersey. Die<br />
Geschiche der jüdischen Familie<br />
Frenkel, die 1938 aus Ulm vertrieben<br />
wurde.<br />
Manuskript, Ulm (DZOK) 2006; 72 S.,<br />
8 €.<br />
Friedrich Fröschle (Leitung),<br />
CD des Chor-Konzertes am<br />
17.12.2004 im Ulmer Münster zur<br />
Erinnerung an die Zerstörung<br />
Ulms vor 60 Jahren:<br />
Rudolf Mauersberger: Wie liegt die<br />
Stadt so wüst. Johannes Brahms:<br />
Deutsches Requiem, 16 €.<br />
Hans Lebrecht,<br />
Gekrümmte Wege, doch ein Ziel.<br />
Erinnerungen eines deutsch-israelischen<br />
Kommunisten. Hg. von<br />
Silvester Lechner, Doku-Zentrum.<br />
Ulm (Klemm&Oelschläger) <strong>2007</strong>;<br />
144 S., 19,80 €.<br />
Bestellung und Versand (zusätzlich Versandkosten)<br />
sind auch über das DZOK möglich!<br />
33
DZOK-Veranstaltungen Herbst <strong>2007</strong><br />
DZOK-Treff: Nationalsozialismus<br />
damals und heute<br />
Ein offener politischer Gesprächskreis<br />
des Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>s,<br />
in der Regel jeweils jeder dritte Donnerstag<br />
im Monat, 20 Uhr<br />
neuer Ort: Büchsengasse 13<br />
(bisher: Ulmer Volkshochschule)<br />
20. September, 18. Oktober,<br />
15. November <strong>2007</strong><br />
Verantwortlich: Karin Jasbar, Fritz<br />
Bauer, Silvester Lechner<br />
dzokki-Treff<br />
Monatliches Treffen der Jugendgruppe<br />
des <strong>Dokumentationszentrum</strong>s<br />
Jeweils donnerstags, 17.00 Uhr<br />
neuer Ort: Büchsengasse 13 (bisher:<br />
Ulmer Volkshochschule)<br />
13. September, 4. Oktober,<br />
8. November, 6. Dezember <strong>2007</strong><br />
Ulmer Geschichte zum Anfassen:<br />
Die KZ-Gedenkstätte im Fort<br />
Oberer Kuhberg<br />
Öffnungszeiten der Gedenkstätte für<br />
Einzelbesucher: samstags und sonntags<br />
14 - 17 Uhr<br />
Führung nur sonntags 14.30 Uhr<br />
Winter-Schließung ab Sa., den 8.<br />
Dezember bis So., 20. Januar 2008<br />
Gruppen-/ Klassen-Besuche jederzeit<br />
möglich; nach Vereinbarung, mindestens<br />
zwei Wochen vorher.<br />
Gebühr für Führung: 35 €<br />
Eintritt: 2 € / 0,50 €<br />
Anmeldung über das <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
Oberer Kuhberg,<br />
Tel.: 0731 - 21312 oder<br />
Fax: 073 - 921 40 56<br />
e-mail: dzok@gmx.de<br />
Büchse 13: Ulmer Treff für<br />
Kritische Geschichtskultur<br />
„Den Schwachen steh bei!<br />
Gegen Mächtige kämpfe!<br />
Das Wohl aller erstrebe ernsthaft!<br />
Dich selbst belächele!“<br />
Reinhold Settele (in Ulm geboren<br />
1928) liest aus seinen politischen Zeitgedichten<br />
und Bekenntnissen<br />
Dienstag, 10. Juli <strong>2007</strong> 19 Uhr<br />
34<br />
Hans Lebrecht: Gekrümmte Wege,<br />
doch ein Ziel<br />
Lesung aus den Lebenserinnerungen<br />
Geboren 1915 in Ulm als Sohn einer<br />
großbürgerlichen jüdischen Fabrikantenfamilie,<br />
bekommt Lebrechts Leben<br />
mit dem Machtantritt der Nazis eine<br />
radikal neue Richtung …<br />
Silvester Lechner, Thomas Vogel<br />
Dienstag, 17. Juli 19 Uhr<br />
Swing – Bossa Nova – Bebop<br />
– Cool<br />
Die Ulmer Gruppe „Jazzmess“: Ulrich<br />
Kuhn, bass; Magnus Schneider,<br />
piano; Thomas Kleinhans, drums;<br />
Jonas Dorn, guitar<br />
Eintritt: 6 und 3 €<br />
Dienstag, 24. Juli 19 Uhr<br />
Europäischer Tag der jüdischen Kultur<br />
Sonntag, 2. September<br />
An etwa 50 Orten Baden-Württembergs,<br />
darunter auch in Ulm, und<br />
des Elsaß werden an diesem Tag<br />
Zeugnisse der älteren aber auch der<br />
heute neu entstandenen jüdischen<br />
Gemeinden gezeigt.<br />
Dies bestätigt die Arbeit des <strong>Dokumentationszentrum</strong>s,<br />
das sich seit der<br />
Ankunft der jüdischen Menschen (bis<br />
heute ca. 400) aus der ehemaligen<br />
Sowjetunion vor etwa zehn Jahren,<br />
sehr um Kontakt und Unterstützung<br />
dieser Ulmer Neubürger gekümmert<br />
hat.<br />
Ein ausführlicher Prospekt zum badenwürttembergischen<br />
Gesamtprogramm<br />
ist über das Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong><br />
(Tel. 0731 - 21312) und die<br />
jüdische Gemeinde zu bekommen.<br />
Jüdisches Ulm im 19. und 20. Jahrhundert<br />
Eine Stadtführung rund um den<br />
Weinhof<br />
Dr. Silvester Lechner<br />
Treffpunkt: Weinhof/Brunnen, 11.30<br />
bis 13.30 Uhr;<br />
Eintritt 4 / 2 €<br />
Bald ist Neujahr: Einführung in den<br />
jüdischen Kalender<br />
Rabbiner Shneor Trebnik<br />
Ort: Jüdische Gemeinde Ulm, Neutorstraße<br />
28; 14 - 16 Uhr<br />
Anmeldung per Tel. (0731 - 14 36 788)<br />
oder mail (chabadw@t-online.de) bis<br />
spätestens 29. August<br />
Anna Essinger: „Unterwegs<br />
– unerschütterlich im Glauben an<br />
den Fortschritt der Menschheit“<br />
Ein Stadtgang mit Hansjörg Greimel<br />
Treffpunkt: Nordeingang zum Stadthaus,<br />
14 - 16 Uhr<br />
Eintritt 4 / 2 €<br />
Das neue Gedenkbuch für die<br />
Ulmer Opfer der Shoah<br />
Ein Zwischenbericht für Ulmer/-innen,<br />
die mitmachen wollen<br />
Ingo Bergmann<br />
Ort: Büchsengasse 13<br />
16.30 bis 18.30 Uhr<br />
Eintritt 4 / 2 €<br />
Ulmer Festungs-Fest (UFF) und<br />
Tag des Offenen Denkmals <strong>2007</strong><br />
Sonntag, 9. September<br />
Sie waren auch „Bewohner“ der<br />
Bundesfestung:<br />
Die Häftlinge des KZ Oberer Kuhberg<br />
Eine Führung zu den Lebensbedingungen<br />
im Fort, 1933 bis 1935<br />
KZ-Gedenkstätte im Fort Oberer<br />
Kuhberg<br />
14.30 - 16.30 Uhr<br />
Der „Bunker“ in Gleiselstetten und<br />
seine Bewohner: 1933 bis heute<br />
14 - 16 Uhr: Regelmäßig Führungen<br />
nach Bedarf durch Mitglieder des<br />
„<strong>Dokumentationszentrum</strong>s“<br />
16 - 17.00 Uhr: Nachbarschaftstreffen,<br />
Der „Bunker“ und seine weitere Nutzung<br />
Hasensteige 50 in Söflingen
Mittwoch, 10. Oktober <strong>2007</strong>,<br />
20 Uhr<br />
Ulmer Volkshochschule<br />
Die Überlebensstrategien des<br />
Josef Jakubovicz<br />
Zur Geschichte einer Familie, die in<br />
Auschwitz lebte<br />
Birgit Mair<br />
An diesem Abend wird das Leben der<br />
jüdisch-deutschen Familie Jakubowicz<br />
aus Oswiecim (Auschwitz) von<br />
der Kaiserzeit bis zu den Verfolgungen<br />
durch die Nazis beschrieben. Zu dieser<br />
Geschichte gehören auch die Überlebensstrategien<br />
des jüngsten Sprosses<br />
Josef, der elf Zwangsarbeits- und<br />
Konzentrationslager überlebte und<br />
nach dem Krieg die Erlebnisse mühselig<br />
aufarbeitete.<br />
Die Referentin ist Sozialwissenschaftlerin<br />
und hat zum Thema des Abends<br />
das Buch mit dem Titel „Überlebensberichte<br />
von Josef Jakubowicz – Eine<br />
biographische Analyse“ verfasst.<br />
DZOK-<strong>Mitteilungen</strong> <strong>Heft</strong> <strong>47</strong>, <strong>2007</strong><br />
Sonntag, 18. November, 11 Uhr<br />
Gedenkfeier in der Ulmer KZ-Gedenkstätte<br />
am Volkstrauertag<br />
Antastungen der Menschenwürde:<br />
Die Botschaft übersetzen für<br />
unsere eine Welt<br />
„Aktion Sühnezeichen / Friedensdienste“<br />
und Ulmer Doku-Zentrum:<br />
Berichte zu einer Kooperation<br />
Musikalischer Rahmen<br />
Chor Kontrapunkt: Mauthausen-Kantate<br />
12.15 Uhr: Führung durch die<br />
Gedenkstätte<br />
Dienstag, 11. Dezember 20 Uhr<br />
Ulmer Volkshochschule<br />
Hans Lebrecht: Gekrümmte Wege,<br />
doch ein Ziel<br />
Lesung aus den Lebenserinnerungen<br />
eines 1915 geborenen Ulmer Juden<br />
Silvester Lechner, Thomas Vogel<br />
Die Lebenserinnerungen des Hans<br />
Lebrecht sind die Chronik eines<br />
deutsch-israelischen Lebens des 20.<br />
Jahrhunderts. Geboren 1915 in Ulm<br />
als Sohn einer großbürgerlichen jüdischen<br />
Fabrikantenfamilie, bekommt<br />
sein Leben mit dem Machtantritt der<br />
Nazis eine radikal neue Richtung. Der<br />
alltägliche gewalttätige NS-Antisemitismus<br />
zwingt ihn, 1938 in Palästina<br />
Zuflucht zu suchen. Er wird dort<br />
kommunistischer „Friedenskämpfer“<br />
und „wahrer israelischer Patriot“. Als<br />
Journalist tritt er fast 40 Jahre lang für<br />
eine gerechte Koexistenz von Juden<br />
und Palästinensern ein.<br />
Die Referenten des Abends haben<br />
die Lebenserinnerungen von Lebrecht<br />
in diesem Jahr als Buch herausgegeben.<br />
27. Januar 2008<br />
Nationaler Gedenktag für die<br />
Opfer des Nationalsozialismus<br />
Ein Begründer des KZ-Gedenkens<br />
in Ulm: Heute vor 100 Jahren<br />
wurde Ernst Rohleder geboren<br />
Silvester Lechner u. a.<br />
Sonntag, 27. Januar, 14.30 Uhr<br />
KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg<br />
„Ich war erzogen, im Gehorsam<br />
jedem Befehl nachzukommen“<br />
Der „Ulmer Prozess“ 1958: SS-Einsatzgruppen<br />
vor Gericht<br />
Sonntag, 27. Januar, 20 Uhr<br />
Stadthaus<br />
Unterstützen Sie das Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>! Werden Sie Mitglied!<br />
Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im <strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer Kuhberg Ulm e. V.<br />
– KZ Gedenkstätte –<br />
Ich erkenne die Satzung an und werde einen Jahresbeitrag* von .................. € entrichten.<br />
Beitrittserklärung und Lastschrift-Einzugsermächtigung<br />
Name und Vorname: ................................................................................................................<br />
Straße und Hausnummer: ................................................................................................................<br />
PLZ und Wohnort: ................................................................................................................<br />
Bank, BLZ, Kontonr.: ................................................................................................................<br />
Datum und Unterschrift: ................................................................................................................<br />
Mit der Abbuchung meines Mitgliedsbeitrages im ersten Quartal des Kalenderjahres<br />
in Höhe von .................. € /jährlich bin ich einverstanden.<br />
* Der Mindestbeitrag beträgt jährlich € 35, für Arbeitslose, Wehr- und Ersatzdienstleistende jährlich € 15.<br />
35
36<br />
Diese Nummer der <strong>Mitteilungen</strong><br />
wird gefördert von:<br />
Verein Partnerschaft 3. Welt<br />
Sterngasse 14, Tel. 0731 - 6 81 08<br />
Café Omar<br />
König-Wilhelm-Straße 5, Tel. 0731 - 921 31 66<br />
Engel-Apotheke Ulm<br />
Hafengasse 9, Tel. 0731 - 6 38 84<br />
Ulmer Bücherstube Jastram<br />
Am Judenhof, Tel. 0731 - 6 71 37<br />
postmaster@jastram-buecher.de<br />
Verlag Klemm & Oelschläger<br />
Pappelauer Weg 15, Tel. 0731 - 38 51 36<br />
OffsetDruck Martin<br />
Erhard-Grözinger-Straße 1, 89134 Blaustein<br />
Tel. 0731 - 954 02 11<br />
Sparkasse Ulm<br />
Neue Straße 66, Tel. 0731 - 101 - 0<br />
Bündnis 90 / Die Grünen im Ulmer Gemeinderat<br />
Tel. 0731 - 161 - 1096, www.gruene-fraktion-ulm.de<br />
CDU im Ulmer Gemeinderat<br />
Tel. 0731 - 61 82 20<br />
www.cdu-gemeinderatsfraktion-ulm.de<br />
SPD-Fraktion im Ulmer Gemeinderat<br />
Rathaus, Marktplatz 1, Tel. 921 77 00<br />
www.spd-ulm.de<br />
DKP Ulm (Deutsche Kommunistische Partei)<br />
c/o Manfred Eger; Tel. 0731 - 98 07 592<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer Kuhberg Ulm e. V.;<br />
Postfach 2066, 89010 Ulm; www.dzokulm.telebus.de;<br />
dzok@gmx.de<br />
DZOK-Büro mit Archiv, Bibliothek: Büchsengasse 13,<br />
89073 Ulm, Tel.: 0731 / 2 13 12, Fax: 9 21 40 56<br />
Zeiten für Nutzer: nach Voranmeldung<br />
Redaktion: Dr. Silvester Lechner (verantwortlich)<br />
Druck: Offsetdruck Martin, Blaustein<br />
Auflage: 1 500<br />
Mitarbeiter/-innen: Dr. Silvester Lechner (Leiter),<br />
Annette Lein, Ilona Walosczyk, Volker Bräth (FSJ)<br />
Bürozeiten: Mo-Do 9 – 16 Uhr, Fr 9 – 12 Uhr<br />
Öffnungszeiten der KZ-Gedenkstätte:<br />
Sa/So 14 - 17 Uhr. Führungen sonntags um 14:30 Uhr,<br />
für Gruppen nach Vereinbarung auch werktags<br />
(mind. zwei Wochen vorher anmelden).<br />
Vom 8. Dezember <strong>2007</strong> bis 20. Januar 2008 ist die<br />
Gedenkstätte an den Wochenden geschlossen,<br />
angemeldete Führungen sind dennoch möglich.<br />
Spendenkonto: 764 90 62<br />
Sonderkonto „Stiftung“: 272 07 04<br />
beide: Sparkasse Ulm (BLZ 630 500 00)<br />
Eintritt: 2,00 € / 0,50 €<br />
Führung: 35,00 € / Gruppe<br />
<strong>Mitteilungen</strong> des DZOK: 1,00 € / <strong>Heft</strong><br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
in den vergangenen Wochen hat sich viel getan mit<br />
unserer Institution und seinem Trägerverein. Die Eröffnung<br />
der neuen, großzügigen und zentralen Räume in<br />
der Büchsengasse 13 und ihre ringsum positive Resonanz<br />
signalisieren: das <strong>Dokumentationszentrum</strong> Oberer<br />
Kuhberg, bisher in der Öffentlichkeit ausschließlich als<br />
KZ-Gedenkstätte verankert, schickt sich ernsthaft an,<br />
mehr zu werden: das Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>.<br />
D. h. der öffentliche Ort einer politischen,<br />
regionalen Kultur des Erinnerns und des Vergegenwärtigens<br />
der Lehren und Folgen aus der Zeit<br />
des Nationalsozialismus – eine dauerhafte Bildungsinstitution<br />
für Menschenrechte und Demokratie.<br />
In diesem <strong>Heft</strong> gibt es fast auf jeder Seite Angebote,<br />
nachzudenken und sich einzumischen, mitzuhelfen<br />
und uns zu unterstützen mit Ideen und wenn möglich<br />
auch mit Geld. Im Mittelpunkt stehen nach den gelösten<br />
Raumproblemen Personalprobleme: die professionelle<br />
Sicherung der pädagogischen Arbeit (S. 10 f), das Fortbestehen<br />
der Stelle des „Freiwilligen“ (S. 18 f), das Fortbestehen<br />
der Jugendgruppe dzokkis (18 f). Uns ist klar:<br />
besonders beim ersten Aspekt sind zunächst kommunalpolitische<br />
und landespolitische Entscheidungsträger<br />
gefragt, ermutigende Gespräche finden zur Zeit statt.<br />
Aber der Kontakt zu den Entscheidungsträgern und die<br />
konkrete, handfeste Hilfe geschieht auch durch Individuen,<br />
geschieht durch Sie! Nicht vergessen: halten Sie<br />
Ausschau nach politisch interessierten 15/16-Jährigen<br />
für die Jugendgruppe.<br />
Ein weiteres Personalproblem will ich hier ansprechen:<br />
Zum Fundament aller unserer pädagogischen,<br />
gegenwartsbezogenen Arbeit und gleichzeitig zum historischen<br />
„Kapital“ des Doku-Zentrums gehören sein<br />
Archiv, seine Bibliothek und seine biografische Sammelarbeit.<br />
Dieser Bereich muss professionell und nachhaltig<br />
betrieben und – das ist das Wesentliche – zugänglich<br />
gemacht werden. Ehrenamtliche können das nur unter<br />
kompetenter, kontinuierlicher Anleitung begleiten. In<br />
Archiv und Bibliothek ist das Authentische, das an der<br />
KZ-Gedenkstätte für die Nachgeborenen heute so faszinierend<br />
ist, in zahllosen Varianten greifbar.<br />
Dieser Schatz ruht weitgehend zur Zeit, er muss ans<br />
Tageslicht kommen, gepflegt und erklärt und „angewendet“<br />
werden. Angewendet von und mit jungen Menschen<br />
in tausend Situationen unserer gesellschaftlichen<br />
und politischen Wirklichkeit.<br />
Nun wünschen wir Ihnen eine zu vielerlei Reaktionen<br />
anregende Lektüre und hoffen auf ein Wiedersehen bei<br />
der Mitgliederversammlung am Freitag, 6. Juli um 17 Uhr<br />
in der Ulmer Volkshochschule.<br />
Die nächsten <strong>Mitteilungen</strong> erscheinen im November,<br />
Redaktionsschluss ist der 15. September.<br />
Einen schönen Sommer – auch im Namen von Vorstand<br />
und Mitarbeitern – wünscht<br />
Silvester Lechner<br />
Übrigens:<br />
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gedeckt werden, jeder Euro zählt.