Seelig HP - Autoantikörper
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H.-P. <strong>Seelig</strong>: Autoantikörper<br />
Tab. 1 Übersicht der sympathischen, parasympathischen (cholinergen) und enteralen Störungen bei<br />
Dysautonomien<br />
Sympathikus Parasympatikus Enterale Nerven<br />
Orthostatische<br />
Hypotonie<br />
Anhidrose<br />
Sicca-Syndrom<br />
● Xeropthalmie<br />
● Xerostomie<br />
sexuelle Dysfunktionen<br />
● Impotenz<br />
Blasenatonie<br />
● Harnverhalten<br />
Pupillotonie<br />
fixierte Herzrate<br />
agnostische Differenzierung zwischen autoimmunen<br />
und degenerativen autonomen<br />
Störungen, was aus therapeutischen Gründen<br />
von Bedeutung sein kann.<br />
Ganglionäre Azetylcholinrezeptoren<br />
Im peripheren autonomen Nervensystem<br />
sind an der Erregungsleitung vom Vorderhorn<br />
des Rückenmarks zu den Endorganen<br />
zwei Neuronen beteiligt, deren Schaltstelle in<br />
den peripheren sympathischen und parasympathischen<br />
Ganglien liegt (�Abb. 1). Das<br />
ganglionäre Neuron kann Impulse von mehreren<br />
präganglionären Fasern erhalten (Konvergenz),<br />
das präganglionäre Neuron Impulse<br />
auf mehrere ganglionäre Neuronen weiterleiten<br />
(Divergenz). Die schnelle synaptische<br />
Dys-/Hypomotilität<br />
● Anorexie<br />
● vorzeitiges Sättigungsgefühl<br />
● postprandialer Abdominalschmerz<br />
● Diarrhöen/Erbrechen<br />
● Obstipation<br />
● Gastroparese<br />
intestinale Pseudoobstruktion<br />
Transmission der Erregung von den präganglionären<br />
auf die (post)ganglionären Neuronen<br />
erfolgt durch Azetylcholin (ACh) in ganglionären<br />
nikotinischen Azetylcholinrezeptoren.<br />
Die parasympathische Erregung wird<br />
durch ACh in muskarinischen Azetylcholinrezeptoren<br />
(mAChR) auf die Endorgane weitergeleitet,<br />
die sympathische, mit Ausnahme<br />
der Schweißdrüsen, durch Noradrenalin in<br />
α- oder β-adrenergen Rezeptoren.<br />
Neuronale und G-nAChR sind analog zu<br />
den muskulären nAChR der motorischen<br />
Endplatte aus je fünf Proteinuntereinheiten<br />
(α- und β-Untereinheiten) aufgebaut, die um<br />
einen zentralen Ionenkanal angeordnet sind<br />
(43). Im zentralen und peripheren Nervensystem<br />
wurden acht α- (α 2-7; α 9,10) und drei<br />
β-Untereinheiten (β 2-4) identifiziert, die multiple<br />
homo- und heteromere nAChR mit unterschiedlichen<br />
pharmakologischen und<br />
Abb. 1 Prä- und postganglionäre Neuronen des Parasympathikus und Sympathikus. Die Signalübertragung<br />
von prä- auf postganglionäre Neuronen wird durch Azetylcholin an ionotropen, nikotinischen<br />
Azetylcholinrezeptoren (nAChR) in den peripheren autonomen Ganglien vermittelt. Die parasympathische<br />
Signalübertragung an den Endorganen geschieht durch Azetylcholin an metabotropen, muskarinischen<br />
Azetylcholinrezeptoren (mAChR), die sympathische durch Noradrenalin an α- und β-adrenergen<br />
Rezeptoren (α-AR, β-AR) mit Ausnahme der Schweißdrüsen.<br />
funktionellen Eigenschaften bilden. Die ganglionären<br />
Neuronen exprimieren α 3-, α-, α 5-,<br />
α 7-, β 2- und β 4-Untereinheiten (25), die monomere<br />
α 7-Typ oder heteromere α 3-Typ Rezeptoren<br />
formen. Rezeptoren vom α 3-Typ<br />
können außer α 3- auch α 5-, β 2- und/oder<br />
β 4-Untereinheiten enthalten. Die ganglionären<br />
α 3-Typ-Rezeptoren der Mammalia sind<br />
vorwiegend aus zwei α 3- und drei β 4-Untereinheiten<br />
(α 3β 4) aufgebaut (39). Die α 3-Untereinheiten<br />
besitzen eine hohe Affinität gegenüber<br />
Epibatidin, einem aus den Hautdrüsen<br />
des Pfeilgiftfrosches Epipedobates tricolor<br />
stammenden Alkaloid (28, 30).<br />
Transgene Mäuse mit Null-Mutanten des<br />
α 3-Gens bilden keine ganglionären Azetylcholinrezeptoren.<br />
Sie entwickeln ausgeprägte<br />
autonome Defizite (gastrointestinale Dysmotilität,<br />
Harnblasendistension, Ausfall der<br />
Pupillenlichtreflexe), ein Hinweis auf die<br />
Notwendigkeit der α 3-Untereinheit für die<br />
ganglionäre Neurotransmission (64). Bei<br />
Kindern mit dem Megazystis-Mikrokolon intestinalem<br />
hypoperistaltischem Syndrom ist<br />
die Expression der α 3-Untereinheiten nAChR<br />
in den Ganglienzellen, der Muskulatur und<br />
den Epithelien der von den Läsionen betroffenen<br />
Organe (Intestinum, Ureter) unterdrückt<br />
(34).<br />
Autoantikörper gegen<br />
ganglionäre nikotinische<br />
Azetylcholinrezeptoren<br />
Antikörper gegen die extrazelluläre Domäne<br />
der α 3-Untereinheit von G-nAChR wurden<br />
erstmals bei Patienten mit subakuten autonomen<br />
Neuropathien nachgewiesen (44, 45, 48,<br />
55). Als Antigen dienen mit 125 I-markierte<br />
α 3β 4-Rezeptoren aus Membranen von Neuroblastomzellen<br />
(IMR-32-Zellen), die in<br />
athymischen Mäusen (nude mouse) als solide<br />
Tumoren vermehrt wurden. Methodisch<br />
ähnliche Untersuchungen wurden mit<br />
3 H-Epibatidin markierten Rezeptoren aus<br />
SY5Y-Neuroblastomzellen beschrieben (3).<br />
IMR-32-Zellen (42) exprimieren α 3-, α 5-,<br />
α 7-, β 2- und β 4-Rezeptoruntereinheiten und<br />
bilden hauptsächlich funktionell aktive<br />
α 3β 4-Typ nAChR (9, 29, 30). Da aus Zellkulturen<br />
nur geringe und inkonstante Mengen<br />
an Rezeptoren erhalten werden (< 100 fmol<br />
Rezeptor/mg Protein), werden solide Tumo-<br />
Nervenheilkunde 11/2009 © Schattauer 2009