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Seelig HP - Autoantikörper

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Fortbildung<br />

Autoantikörper gegen ganglionäre<br />

Azetylcholinrezeptoren<br />

und autoimmune autonome<br />

Gangliopathie<br />

H.-P. <strong>Seelig</strong><br />

Medizinisches Versorgungszentrum, Karlsruhe<br />

Schlüsselwörter<br />

Autoimmunität, Gangliopathie, autonome<br />

Neuropathie, Dysautonomie, Azetylcholinrezeptorantikörper<br />

Zusammenfassung<br />

Nikotinische Azetylcholinrezeptoren sind ligandengesteuerte<br />

Kationenkanäle, die in allen<br />

Bereichen des Nervensystems vorkommen.<br />

Autoantikörper gegen die α 3-Untereinheit<br />

ganglionärer nikotinischer Azetylcholinrezeptoren<br />

(nAChR) werden bei etwa 50% der<br />

Patienten mit autoimmuner autonomer Gangliopathie<br />

(AAG) angetroffen. Die Autoantikörper<br />

sind wie bei der Myasthenia gravis die<br />

eigentlichen Verursacher der autonomen Störungen.<br />

Ihre Konzentration im Blut korreliert<br />

mit dem Schweregrad der autonomen Symptome,<br />

eine Reduktion der Antikörperkonzentration<br />

durch Plasmaaustausch oder Immunsuppressiva<br />

führt zu einer deutlichen Besserung<br />

der klinischen Symptome. Die AAG erfüllt<br />

die Kriterien einer echten Autoimmunerkrankung.<br />

Sie kann durch aktive und passive<br />

Immunisierung im Tiermodell imitiert werden.<br />

Die menschlichen und bei Tieren induzierten<br />

Antikörper hemmen dosisabhängig die Signalübertragung<br />

ganglionärer nAChR in rezeptortragenden<br />

Kulturzellen. Unklar ist noch,<br />

welche Faktoren die unterschiedliche Ausprägung<br />

der autonomen Symptome beeinflussen<br />

und ob eine unterschiedliche Feinspezifität<br />

der Autoantikörper oder zusätzliche Autoantikörper<br />

gegen weitere Untereinheiten der ganglionären<br />

nAChR für das Erscheinungsbild der<br />

Erkrankungen von Bedeutung sind.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Prof. Dr. med. Hans-Peter <strong>Seelig</strong><br />

Medizinisches Versorgungszentrum Labor Prof. <strong>Seelig</strong><br />

Kriegsstraße 99, 76133 Karlsruhe<br />

Tel. 0721/85000-152, Fax -115<br />

labseelig@laborseelig.de<br />

Keywords<br />

Autoimmunity, gangliopathy, autonomous<br />

neuropathy, dysautonomia, acetylcholine<br />

receptor antibody<br />

Summary<br />

Nicotinic acetylcholine receptors (nAChR) are<br />

ligand-gated cation channels that are present<br />

throughout the nervous system. Antibodies<br />

against the α 3-subunit of ganglionic nicotinic<br />

acetylcholine receptors are found in about<br />

50% of patients suffering from an autoimmune<br />

autonomic gangliopathy (AAG). The<br />

serum levels of AChR-binding antibodies correlate<br />

with the severity of autonomic failure<br />

and a reduction of antibodies in the serum by<br />

means of plasma exchange or immunosuppression<br />

is followed by improvement in autonomic<br />

function. An animal model of the disease<br />

can be induced by active immunization<br />

of rabbits with ganglionic AChR and by passive<br />

administration of rabbit and human antibodies<br />

into mice. The antibodies inhibit in a<br />

dose-dependent manner the signal transfer of<br />

ganglionic AChR in neuroblastoma cells. It is<br />

unclear, which factors regulate the expression<br />

of different autonomic symptoms of the disease<br />

in patients and if other unknown antibodies<br />

against ganglionic receptors or antibodies<br />

against other structures engaged in<br />

autonomic signal transduction are also involved<br />

in different subgroups of the disease.<br />

Autoantibodies against ganglionic acetylcholine<br />

receptors and autoimmune autonomic gangliopathy<br />

Nervenheilkunde 2009; 28: 801–807<br />

Eingegangen am: 18. Mai 2009;<br />

angenommen am: 20. Mai 2009<br />

© Schattauer 2009<br />

Periphere autonome Neuropathien entstehen<br />

durch genetisch bedingte Störungen (hereditäre<br />

sensorische autonome Neuropathien,<br />

HSNA 1-5, Riley-Day-Syndrom, HSNA 3) und<br />

bei toxischen, metabolischen, entzündlichen<br />

(z. B. Kollagenosen) oder infektiösen (z. B.<br />

HIV) Grunderkrankungen, unter denen der<br />

Diabetes mellitus in westlichen Ländern die<br />

Spitzenposition einnimmt. Klinisch manifestieren<br />

sie sich als kardiovaskuläre, gastrointestinale,<br />

urogenitale, sudo-, sekreto- und pupillomotorische<br />

Funktionsstörungen in unterschiedlicher<br />

Kombination, Ausprägung<br />

und Progression, je nach der Beteiligung<br />

sympathischer, parasympathischer oder enteraler<br />

Neuronen (�Tab. 1). Sie sind oft mit<br />

somatisch neurologischen Symptomen vergesellschaftet,<br />

können aber als solitäre autonome<br />

Neuropathien auftreten. Eine solche<br />

Pandysautonomie mit subakutem Beginn,<br />

monophasischem Verlauf und weitgehender<br />

Rückbildung der Symptome wurde erstmals<br />

1969 (65) beschrieben und als autonomes<br />

Analogon des Guillain-Barré-Syndroms interpretiert.<br />

Ebenso vielfältig wie die Phänomenologie<br />

sind die Pathomechanismen autonomer<br />

Neuropathien. Bei einigen Formen scheint<br />

der Krankheitsprozess von Autoimmunphänomenen<br />

bestimmt zu werden, die entweder<br />

im Rahmen systemischer Autoimmunerkrankungen<br />

(z. B. Sjögren-Syndrom), oder<br />

organspezifischer, gegen periphere Neuronen<br />

gerichteter Autoimmunreaktionen (z. B.<br />

Guillain-Barré-, Lambert-Eaton-, Isaacs-<br />

Syndrom) oder paraneoplastischer Neuropathien<br />

auftreten. Durch die Entdeckung der<br />

Autoantikörper gegen ganglionäre nikotinische<br />

Azetylcholinrezeptoren (G-nAChR)<br />

hat sich die Autoimmunpathogenese bestimmter<br />

autonomer Neuropathien bestätigt.<br />

Der Nachweis solcher Autoantikörper im Serum<br />

dysautonomer Patienten erlaubt die di-<br />

Nervenheilkunde 11/2009<br />

801


802<br />

H.-P. <strong>Seelig</strong>: Autoantikörper<br />

Tab. 1 Übersicht der sympathischen, parasympathischen (cholinergen) und enteralen Störungen bei<br />

Dysautonomien<br />

Sympathikus Parasympatikus Enterale Nerven<br />

Orthostatische<br />

Hypotonie<br />

Anhidrose<br />

Sicca-Syndrom<br />

● Xeropthalmie<br />

● Xerostomie<br />

sexuelle Dysfunktionen<br />

● Impotenz<br />

Blasenatonie<br />

● Harnverhalten<br />

Pupillotonie<br />

fixierte Herzrate<br />

agnostische Differenzierung zwischen autoimmunen<br />

und degenerativen autonomen<br />

Störungen, was aus therapeutischen Gründen<br />

von Bedeutung sein kann.<br />

Ganglionäre Azetylcholinrezeptoren<br />

Im peripheren autonomen Nervensystem<br />

sind an der Erregungsleitung vom Vorderhorn<br />

des Rückenmarks zu den Endorganen<br />

zwei Neuronen beteiligt, deren Schaltstelle in<br />

den peripheren sympathischen und parasympathischen<br />

Ganglien liegt (�Abb. 1). Das<br />

ganglionäre Neuron kann Impulse von mehreren<br />

präganglionären Fasern erhalten (Konvergenz),<br />

das präganglionäre Neuron Impulse<br />

auf mehrere ganglionäre Neuronen weiterleiten<br />

(Divergenz). Die schnelle synaptische<br />

Dys-/Hypomotilität<br />

● Anorexie<br />

● vorzeitiges Sättigungsgefühl<br />

● postprandialer Abdominalschmerz<br />

● Diarrhöen/Erbrechen<br />

● Obstipation<br />

● Gastroparese<br />

intestinale Pseudoobstruktion<br />

Transmission der Erregung von den präganglionären<br />

auf die (post)ganglionären Neuronen<br />

erfolgt durch Azetylcholin (ACh) in ganglionären<br />

nikotinischen Azetylcholinrezeptoren.<br />

Die parasympathische Erregung wird<br />

durch ACh in muskarinischen Azetylcholinrezeptoren<br />

(mAChR) auf die Endorgane weitergeleitet,<br />

die sympathische, mit Ausnahme<br />

der Schweißdrüsen, durch Noradrenalin in<br />

α- oder β-adrenergen Rezeptoren.<br />

Neuronale und G-nAChR sind analog zu<br />

den muskulären nAChR der motorischen<br />

Endplatte aus je fünf Proteinuntereinheiten<br />

(α- und β-Untereinheiten) aufgebaut, die um<br />

einen zentralen Ionenkanal angeordnet sind<br />

(43). Im zentralen und peripheren Nervensystem<br />

wurden acht α- (α 2-7; α 9,10) und drei<br />

β-Untereinheiten (β 2-4) identifiziert, die multiple<br />

homo- und heteromere nAChR mit unterschiedlichen<br />

pharmakologischen und<br />

Abb. 1 Prä- und postganglionäre Neuronen des Parasympathikus und Sympathikus. Die Signalübertragung<br />

von prä- auf postganglionäre Neuronen wird durch Azetylcholin an ionotropen, nikotinischen<br />

Azetylcholinrezeptoren (nAChR) in den peripheren autonomen Ganglien vermittelt. Die parasympathische<br />

Signalübertragung an den Endorganen geschieht durch Azetylcholin an metabotropen, muskarinischen<br />

Azetylcholinrezeptoren (mAChR), die sympathische durch Noradrenalin an α- und β-adrenergen<br />

Rezeptoren (α-AR, β-AR) mit Ausnahme der Schweißdrüsen.<br />

funktionellen Eigenschaften bilden. Die ganglionären<br />

Neuronen exprimieren α 3-, α-, α 5-,<br />

α 7-, β 2- und β 4-Untereinheiten (25), die monomere<br />

α 7-Typ oder heteromere α 3-Typ Rezeptoren<br />

formen. Rezeptoren vom α 3-Typ<br />

können außer α 3- auch α 5-, β 2- und/oder<br />

β 4-Untereinheiten enthalten. Die ganglionären<br />

α 3-Typ-Rezeptoren der Mammalia sind<br />

vorwiegend aus zwei α 3- und drei β 4-Untereinheiten<br />

(α 3β 4) aufgebaut (39). Die α 3-Untereinheiten<br />

besitzen eine hohe Affinität gegenüber<br />

Epibatidin, einem aus den Hautdrüsen<br />

des Pfeilgiftfrosches Epipedobates tricolor<br />

stammenden Alkaloid (28, 30).<br />

Transgene Mäuse mit Null-Mutanten des<br />

α 3-Gens bilden keine ganglionären Azetylcholinrezeptoren.<br />

Sie entwickeln ausgeprägte<br />

autonome Defizite (gastrointestinale Dysmotilität,<br />

Harnblasendistension, Ausfall der<br />

Pupillenlichtreflexe), ein Hinweis auf die<br />

Notwendigkeit der α 3-Untereinheit für die<br />

ganglionäre Neurotransmission (64). Bei<br />

Kindern mit dem Megazystis-Mikrokolon intestinalem<br />

hypoperistaltischem Syndrom ist<br />

die Expression der α 3-Untereinheiten nAChR<br />

in den Ganglienzellen, der Muskulatur und<br />

den Epithelien der von den Läsionen betroffenen<br />

Organe (Intestinum, Ureter) unterdrückt<br />

(34).<br />

Autoantikörper gegen<br />

ganglionäre nikotinische<br />

Azetylcholinrezeptoren<br />

Antikörper gegen die extrazelluläre Domäne<br />

der α 3-Untereinheit von G-nAChR wurden<br />

erstmals bei Patienten mit subakuten autonomen<br />

Neuropathien nachgewiesen (44, 45, 48,<br />

55). Als Antigen dienen mit 125 I-markierte<br />

α 3β 4-Rezeptoren aus Membranen von Neuroblastomzellen<br />

(IMR-32-Zellen), die in<br />

athymischen Mäusen (nude mouse) als solide<br />

Tumoren vermehrt wurden. Methodisch<br />

ähnliche Untersuchungen wurden mit<br />

3 H-Epibatidin markierten Rezeptoren aus<br />

SY5Y-Neuroblastomzellen beschrieben (3).<br />

IMR-32-Zellen (42) exprimieren α 3-, α 5-,<br />

α 7-, β 2- und β 4-Rezeptoruntereinheiten und<br />

bilden hauptsächlich funktionell aktive<br />

α 3β 4-Typ nAChR (9, 29, 30). Da aus Zellkulturen<br />

nur geringe und inkonstante Mengen<br />

an Rezeptoren erhalten werden (< 100 fmol<br />

Rezeptor/mg Protein), werden solide Tumo-<br />

Nervenheilkunde 11/2009 © Schattauer 2009


en von IMR-32-Zellen zur Isolierung der Rezeptoren<br />

bevorzugt (�Abb. 2). Nach der Inkubation<br />

des Patientenserums mit den radioaktiv<br />

markierten Rezeptoren werden die am<br />

Rezeptor gebundenen Antikörper mit einem<br />

zweiten gegen humanes Immunglobulin gerichteten<br />

Antikörper präzipitiert. Die Antikörperkonzentration<br />

im Serum wird in<br />

nmol/L präzipitierte 125 I-Epibatiden-Bindungsstellen<br />

angegeben. Der Referenzbereich<br />

von Gesunden liegt bei < 0,05 nmol/L.<br />

Das Radioimmunopräzipitationsassay erkennt<br />

in dieser Standardkonfiguration bindende<br />

Antikörper, das heißt, solche Antikörper,<br />

die mit Rezeptorbereichen außerhalb der<br />

Ligandenbindungsstelle reagieren. Zum<br />

Nachweis blockierender Antikörper kann das<br />

Assay auf einfache Weise (Vorinkubation der<br />

Rezeptoren mit Patientenserum zur Blockierung<br />

der Ligandenbindungsstellen) modifiziert<br />

werden (46). Blockierende Antikörper<br />

reagieren direkt an oder in unmittelbarer Nähe<br />

der Azetylcholinbindungsstelle, verhindern<br />

durch einen allosterischen Effekt die<br />

Bindung des Liganden und inhibieren dadurch<br />

die Signalübertragung. Bindende Antikörper<br />

verhindern zwar nicht die Bindung<br />

des Liganden, schädigen die Rezeptoren aber<br />

z. B. durch komplementvermittelte Lyse oder<br />

Rezeptormodulierung. Alle untersuchten Patienten<br />

mit blockierenden Antikörpern (etwa<br />

25% der Untersuchten) besaßen auch bindende<br />

Antikörper (46).<br />

Wegen der strukturellen und funktionellen<br />

Homologien der Untereinheiten muskulärer<br />

und neuronaler (ganglionärer) nAChR<br />

und wegen der Möglichkeit des „Epitope-<br />

Spreading“ bei der Autoimmunantwort muss<br />

mit Kreuzreaktionen zwischen ganglionären<br />

und muskulären Rezeptoren gerechnet werden.<br />

Mit α 3-Untereinheiten immunisierte<br />

Kaninchen bilden nicht nur Antikörper gegen<br />

α 3-, sondern auch gegen α 7- und β 2-Untereinheiten<br />

neuronaler Rezeptoren sowie<br />

kreuzreagierende Antikörper gegen muskuläre<br />

nAChR (24, 55). Bei Ratten erzeugte monoklonale<br />

Antikörper gegen muskuläre<br />

nAChR reagieren auch mit den α 3-Untereinheiten<br />

humaner G-nAChR, nicht aber mit eigenen<br />

α 3-Untereinheiten (59). Offensichtlich<br />

sind solche Kreuzreaktionen beim Menschen<br />

jedoch von untergeordneter Bedeutung,<br />

denn Patienten mit autonomen Neuropathien<br />

zeigen in der Regel keine myasthenischen<br />

Symptome und Myastheniepatienten<br />

keine autonomen Dysfunktionen. Nur bei<br />

3% der Myastheniepatienten (ohne Thymome,<br />

positiv für Antikörper gegen muskuläre<br />

nAChR) wurden Antikörper gegen G-nAChR<br />

in niedrigen Konzentrationen gefunden (0,12<br />

bis 0,24 nmol/L). Gleich häufig (3%) fanden<br />

sich bei anti-α 3-positiven Dysautonomiepatienten<br />

Antikörper gegen muskuläre nAChR<br />

in ebenfalls sehr niedrigen Konzentrationen<br />

(55). Die Serumspiegel der jeweiligen krankheitsspezifischen<br />

Antikörper lagen bei diesen<br />

und ähnlichen Untersuchungen anderer Autoren<br />

stets um ein Vielfaches höher (3, 33, 44).<br />

Die Koinzidenz von anti-α 3 und Antikörpern<br />

gegen andere Untereinheiten der<br />

G-nAChR wurde bisher bei 23 Patienten sys-<br />

H.-P. <strong>Seelig</strong>: Autoantikörper<br />

Tab. 2 Prävalenzen (%) und Konzentrationen (nmol/L) von Autoantikörpern gegen die α 3-Untereinheit<br />

ganglionärer nikotinischer Azetylcholinrezeptoren; *1 Genaue Prävalenz nicht bekannt, weil nur<br />

sechs Patienten untersucht wurden. *2 Neben anti-α3-AChR fanden sich anti-α2β4- (13%) und antiα7-nAChR<br />

(22%) in sehr niedrigen Konzentrationen. Im Verlauf einer anti-3α-seropositiven AAG traten<br />

zusammen mit der Manifestation einer Enzephalopathie anti-α4- und anti-α7-nAChR auf. Antiα7-nAChR<br />

wurden in zwei Fällen bei Rasmussen-Enzephalitis gefunden. *3 8% in Assoziation mit<br />

Myasthenia gravis, 19% mit sonstigen neurologischen Erkrankungen, 8% nicht assoziiert mit neurologischen<br />

Erkrankungen.<br />

Krankheitsbilder (Literatur) nmol/L %<br />

Subakute AAG (44, 45, 56, 58) *2 0,5 bis 41,0 50 (72)<br />

Paraneoplastische AAG (45) 0,2 bis 20,0 10 bis 20<br />

Chronische AAG (19) 0,2 bis 1,0 30 bis 40<br />

Posturales Tachykardie-Syndrom (POTS) (41, 45) 0,07 bis 0,28 16,6 (25)<br />

Reine autonome Insuffizienz (19) 0,25 50<br />

Idiopathische gastrointestinale Dysmotilität (58) < 0,5 5 bis 10<br />

Autoimmune gastrointestinale Dysmotilität (8) < 0,4<br />

Chronische idiopathische intestinale Pseudoobstruktion,<br />

CIIP (31, 36)<br />

0,18 Kasuistik<br />

Distale small fiber Neuropathie (36) 0,05 Kasuistik<br />

Chronische idiopathische Anhidrose (36) 0,03 Kasuistik<br />

Sjögren-Syndrom (21) 0,3 Kasuistik<br />

Lambert-Eaton-Syndrom (45, 53) 0,06 bis 0,4 5 bis 10<br />

Myasthenia gravis (ohne Thymom) (56) < 0,25 3<br />

Thymom, Thymuskarzinom (53)<br />

< 0,24<br />

10<br />

Paraneoplasien (mit SCLC) (53, 58)<br />

Neuromyotonie (Isaacs-Syndrom) (44, 50)<br />

0,06 bis 2,0<br />

Diabetische autoimmune Neuropathie (45, 58)<br />

SLE mit Sicca-Symptomatik (5)<br />

0,05 bis 1,0<br />

Zöliakie (5)<br />

Gesunde Personen<br />

< 0,05<br />

*3<br />

3 bis 5<br />

50 *1<br />

< 10<br />

Kasuistik (n = 2)<br />

0<br />

0<br />

tematisch untersucht. Bei 13% der Patienten<br />

fanden sich zusätzlich Antikörper gegen<br />

α 2β 4-Rezeptoren und bei 22% solche gegen<br />

α 7-Rezeptoren in sehr niedrigen Konzentrationen<br />

(55). Bei einem Patienten, der im Verlauf<br />

einer seropositiven autoimmunen autonomen<br />

Gangliopathie eine Enzephalopathie<br />

entwickelte, traten später Antikörper gegen<br />

α 7-Untereinheiten auf (2). Unabhängig von<br />

autonomen Störungen wurden Antikörper<br />

gegen α 7-Untereinheiten vereinzelt bei Rasmussen-Enzephalitis,Lambert-Eaton-Syndrom,<br />

Guillain-Barré-Syndrom und chronischer<br />

entzündlicher demyelinisierender<br />

Polyneuropathie nachgewiesen (3, 61).<br />

© Schattauer 2009 Nervenheilkunde 11/2009<br />

803


804 H.-P. <strong>Seelig</strong>: Autoantikörper<br />

Abb. 2 A) Sättigungskurve der spezifischen Bindung von 125 I-Epibatidin an ganglionäre nikotinische<br />

Azetylcholinrezeptoren, die aus solide gewachsenen Tumoren von IMR-32-Zellen in athymischen Mäusen<br />

isoliert wurden (Tumorextrakt), sowie aus zwei Präparationen (IMR-32 Präp. 1 und IMR-32 Präp. 2)<br />

von in Kultur gezogenen IMR-32-Zellen. Tumor und Kulturzellen wurden auf identische Weise extrahiert.<br />

Je nach Kultur und Passage lassen sich aus Kulturzellen wesentlich weniger und sehr inkonstante Mengen<br />

an Rezeptoren gewinnen. Zur Ermittlung der unspezifischen Bindung wurden die Extrakte bei 4°C<br />

eine Stunde mit 1 mM unmarkiertem Epibatidin inkubiert. Für die Ermittlung der Gesamtbindung wurden<br />

die Extrakte bei 4°C mit den angegebenen Mengen 125 I-Epibatidin inkubiert und über Millipore Microcon<br />

Ultracel YM-10 Säulen aufgereinigt. B) Scatchard-Plot der spezifischen 125 I-Epibatidinbindung<br />

im Tumorextrakt.<br />

Autoimmune autonome<br />

Gangliopathie<br />

Autoimmune autonome Gangliopathien<br />

(AAG; autoimmune autonome Neuropathie,<br />

AAN; idiopathische autoimmune Neuropathie)<br />

sind subakut oder chronisch verlaufende<br />

autonome Neuropathien unbekannter<br />

Ätiologie. Die dysautonomen Funktionsstörungen<br />

können das gesamte autonome Nervensystem<br />

erfassen. Von der subakuten Form<br />

werden in der Regel zuvor gesunde Personen<br />

mittleren Lebensalters (Durchschnittsalter 52<br />

Jahre) (58) betroffen (Verhältnis von Frauen<br />

zu Männer etwa 3:2), bei denen sich innerhalb<br />

von wenigen Tagen bis Wochen ein<br />

schwerer panautonomer Defekt manifestiert<br />

(19). Der Krankheitsverlauf ist in der Regel<br />

monophasisch mit langsamer und unvollständiger<br />

spontaner Genesung.<br />

Innerhalb von wenigen Tagen bis wenigen<br />

Wochen kommt es bei 70 bis 80% der Patienten<br />

zu Störungen der sympathischen Funktionen<br />

mit orthostatischer Hypotonie und<br />

Anhidrose. Parasympathische Defekte manifestieren<br />

sich als reduzierte Sekretionsleistung<br />

von Tränen- und Speicheldrüsen (Xerophthalmie,<br />

Xerostomie), Störungen der Sexualfunktion<br />

(Impotenz), Blasenatonie mit<br />

Harnverhalten, Pupillotonie und eingeschränkter<br />

Herzfrequenzvariabilität. Gastrointestinale<br />

Motilitätsstörungen sind ebenfalls<br />

häufig (70 bis 80%) und führen zu verschiedenen<br />

Kombinationen von Anorexie,<br />

Gastroparese, vorzeitigem Sättigungsgefühl,<br />

postprandialen Abdominalschmerzen, Vomitus,<br />

Diarrhoen oder Obstipation, IIeus bis hin<br />

zur intestinalen Pseudoobstruktion. Mögliche<br />

krankheitsauslösende Faktoren werden<br />

in vorausgegangenen Viruserkrankungen,<br />

Impfungen oder chirurgischen Eingriffen<br />

vermutet. Spezifische Erreger ließen sich bisher<br />

nicht identifizieren. Bei cholinergischen<br />

Symptomen mit Pupillotonie und gastrointestinaler<br />

Dysmotilität im Verbund mit<br />

schwerer orthostatischer Hypotonie sollte an<br />

dieses Krankheitsbild gedacht werden (19,<br />

55).<br />

Autoantikörper gegen die extrazelluläre<br />

N-terminale Domäne der α 3-Untereinheit<br />

ganglionärer nAChR lassen sich bei etwa der<br />

Hälfte der Patienten nachweisen (�Tab. 2).<br />

Die Serumspiegel der Antikörper liegen in<br />

der Regel über 0,5 nmol/L (Referenzbereich<br />

< 0,05 nmol/L) und können mehr als 40<br />

nmol/L erreichen (44, 55). Sie sind signifikant<br />

mit dem Schweregrad der Hypotonie und der<br />

Ausdehnung der autonomen Symptome korreliert.<br />

Bei steigenden Antikörperspiegeln fallen<br />

die Valsalva- und Exspirations/Inspirationsquotienten<br />

deutlich ab (12, 13, 19, 46, 50).<br />

Nach einer Absenkung des Antikörperspiegels<br />

durch Plasmaaustausch auf unter 1,0<br />

nmol/L wurde eine deutliche Besserung der<br />

autonomen Funktionen beobachtet (11, 37).<br />

Bei etwa der Hälfte der Patienten mit klinischen<br />

Symptomen einer subakuten Pandysautonomie<br />

lassen sich keine Antikörper<br />

gegen die α 3-Untereinheit der G-nAChR<br />

nachweisen. Sie sollen im Vergleich mit den<br />

seropositiven Patienten eine gering abweichende<br />

Symptomatik mit weniger ausgeprägten<br />

cholinergen Störungen (Pupillenmotorik,<br />

Sekretormotorik, gastrointestinale Dysmotilität,<br />

Blasenstörungen) bieten. Wegen<br />

des teils positiven Effektes immunmodulierender<br />

Therapien wird vermutet, dass ebenfalls<br />

Autoimmunprozesse ablaufen, möglicherweise<br />

mit Autoantikörpern gegen andere<br />

Rezeptorkomponenten oder andere an der<br />

Signalübertragung beteiligten Strukturen.<br />

Soweit in einigen Fällen (n = 9) untersucht,<br />

ließen sich bei seronegativen Patienten allerdings<br />

keine Antikörper gegen andere nAChR-<br />

Nervenheilkunde 11/2009 © Schattauer 2009


Untereinheiten (α 2β 4, α 5, α 7) nachweisen<br />

(55).<br />

Deutlich niedrigere Autoantikörperspiegel<br />

(0,1 bis 0,5 nmol/L) werden bei den chronisch<br />

progredienten und limitierten Verlaufsformen<br />

der AAG angetroffen, die sich als<br />

langdauernde orthostatische Hypotonien,<br />

idiopathische Anhidrose oder reine cholinerge<br />

Störungen mit isolierter gastrointestinaler<br />

Dysmotilität manifestieren können. Detaillierte<br />

Untersuchungen der autonomen Funktionen<br />

offenbaren dann meist doch ausgedehntere<br />

autonome Dysfunktionen. Allerdings<br />

finden sich bei chronisch progredienten<br />

Verläufen mit ausgedehnteren autonomen<br />

Funktionsausfällen, wie z. B. bei der<br />

Kombination von Sicca-Komplex, Pupillen-<br />

und Blasenstörungen und schweren gastrointestinalen<br />

Störungen, ebenfalls hohe Autoantikörperspiegel.<br />

Es besteht offenbar ein Zusammenhang<br />

zwischen einem Übergreifen<br />

der Symptome auf bisher nicht befallene Organe<br />

mit Verschlechterung der Funktionstests<br />

und einer ansteigenden Antikörperkonzentration.<br />

Anscheinend korreliert der Antikörperspiegel<br />

mehr mit der Ausdehnung des Organbefalls<br />

als mit dem zeitlichen Ablauf der<br />

Erkrankung. Dessen ungeachtet besteht jedoch<br />

bei hohen Antikörperkonzentrationen<br />

im Serum eine größere Tendenz zu der subakuten<br />

Verlaufsform (19, 36).<br />

Eine chronische und chronisch progrediente,<br />

limitierte AAG kann anfänglich so<br />

schleichend verlaufen, dass sie sich klinisch<br />

nicht von degenerativen autonomen Neuropathien<br />

unterscheidet (13, 19). Differenzialdiagnostisch<br />

abzugrenzen sind in solchen<br />

Fällen vor allem die reine autonome Insuffizienz<br />

(pure autonomic failure, PAF; Bradbury-Eggleston-Syndrom),<br />

einer Lewy-Körperchen-Erkrankung<br />

(α-Synucleinopathie) mit<br />

Verlust sympathischer noradrenerger Nerven<br />

und niederen Plasmakatecholaminen. Bei<br />

dieser degenerativen Neuropathie wurden<br />

vereinzelt (bisher drei Fälle beschrieben)<br />

ebenfalls Antikörper gegen G-nAChR in<br />

niedrigen Konzentrationen (bis 0,23 nmol/L)<br />

gefunden (36). Nach vorläufigen Untersuchungen<br />

lassen sich die beiden Krankheitsformen<br />

möglicherweise durch eine Analyse<br />

der Katecholaminmetabolite unterscheiden<br />

(14).<br />

Relativ häufig (14 bis 25%), aber stets nur<br />

in niedrigen Konzentrationen ließen sich Antikörper<br />

gegen G-nAChR bei Patienten mit<br />

posturalem Tachykardiesyndrom (POTS)<br />

nachweisen, einer der häufigsten Formen der<br />

orthostatischen Intoleranz (36, 41, 46). Es besteht<br />

daher die Möglichkeit, dass neben vielen<br />

anderen Ursachen auch Autoimmunprozesse<br />

diese Krankheit auslösen können. In Kasuistiken<br />

wurde die Assoziation von Antikörpern<br />

gegen die α 3-Untereinheit von G-nAChR bei<br />

chronischer idiopathischer Anhidrose (CIA),<br />

chronischer intestinaler Pseudoobstruktion<br />

(CIP), einem heterogenen Krankheitsbild mit<br />

multiplen Ursachen sowie bei distaler small<br />

fiber Neuropathie (DSFN) erwähnt (31, 36,<br />

46, 58). Ob den dabei in geringer Konzentration<br />

vorkommenden Antikörpern eine pathogene<br />

Rolle zukommt, ist fraglich. Möglicherweise<br />

stellen sie einen Hinweis auf weitere<br />

noch unbekannte Autoimmunprozesse<br />

von größerer pathogenetischer Relevanz dar.<br />

Unter 24 Patienten mit einem als autoimmune<br />

gastrointestinale Dysmotilität bezeichneten<br />

Syndrom, die aufgrund der positiven Serologie<br />

(Antikörper gegen Kalziumkanäle,<br />

gegen muskuläre und ganglionäre Azetylcholinrezeptoren)<br />

aus einer unbekannten Anzahl<br />

von Fällen mit gastrointestinaler Dysmotilität<br />

ausgewählt wurden, fanden sich elf mit<br />

Antikörpern gegen G-nAChR. Fünf dieser<br />

Patienten hatten möglicherweise ein paraneoplastisches<br />

Syndrom (�Tab. 2) (8).<br />

Akute, subakute und chronische Dysautonomien<br />

können bei Kollagenosen wie<br />

systemischem Lupus erythematodes, Mischkollagenose,<br />

Sklerodermie und vor allem<br />

beim Sjögren-Syndrom auftreten (1, 4, 15, 17,<br />

22, 40, 63). Von zwei Patienten, die eine chronisch-progressive<br />

Dysautonomie im Verlaufe<br />

eines Sjögren-Syndroms entwickelten, bildete<br />

einer Antikörper gegen G-nAChR in niedriger<br />

Konzentration (21). Nur dieser seropositive<br />

Patient sprach auf eine immunmodulierende<br />

Therapie an.<br />

Die symptomatische Behandlung der<br />

AAG besteht in Blutdruckunterstützung, Aktivierung<br />

der Darmmotilität, Salz- und Flüssigkeitssubstitution,<br />

Gabe von Mineralokortikoiden<br />

und Azetylcholinesteraseinhibitoren<br />

wie Pyridostigmin. Die bisherigen Erfahrungen<br />

mit immunmodulierenden Therapien<br />

beschränken sich auf Einzelfälle, kontrollierte<br />

Studien liegen nicht vor. Diese bisherigen<br />

therapeutischen Aktivitäten umfassen IVIG-<br />

Applikationen, Plasmaaustausch und Immunsuppressiva<br />

wie Kortikosteroide, Azathioprin,<br />

Cyclophosphamide. Mykopheno-<br />

H.-P. <strong>Seelig</strong>: Autoantikörper<br />

lat-Mofetyl und Rituximab waren bei einigen<br />

Patienten effektiv (10, 11, 18, 20, 32, 37, 57).<br />

Paraneoplastische<br />

Dysautonomien<br />

Die gleichen klinischen Symptome wie bei<br />

der subakuten AAG können bei paraneoplastischen<br />

autonomen Neuropathien auftreten<br />

wie z. B. bei anti-HuD- oder anti-CRMP5-<br />

positiven Patienten mit meist kleinzelligen<br />

Lungenkarzinomen (46, 53). Diese zeigen<br />

zwar meist das Bild einer subakuten sensorischen<br />

Neuropathie, bei 10 bis 30% der Patienten<br />

bestehen aber subakute autonome Neuropathien,<br />

die bei 4 bis 9% der Fälle das Leitsymptom<br />

darstellen (6, 7, 16, 23, 26). Bei bis<br />

zu 20% dieser Patienten finden sich Antikörper<br />

gegen G-nAChR, die verhältnismäßig hohe<br />

Serumkonzentrationen (bis 20 nmol/L)<br />

erreichen können. Antikörper gegen<br />

G-nAChR wurden in seltenen Fällen auch bei<br />

paraneoplastischen Syndromen beobachtet,<br />

die mit Antikörpern gegen Purkinjezell-Antigen-2<br />

(PCA-2) oder gegen Collapsin response<br />

mediator Protein 5 (CRMP-5) assoziiert<br />

waren (45, 46, 66).<br />

Paraneoplastische Dysautonomien können<br />

sich als subakute Form (typisch), limitierte<br />

Form (z. B. paraneoplastische enterale<br />

Neuropathie) oder zusammen mit somatischen<br />

Neuropathien und zentralnervösen<br />

Störungen (z. B. sensorische Neuropathie,<br />

Hirnstammenzephalitis, Lambert-Eaton-<br />

Syndrom, Morvan-Syndrom) manifestieren.<br />

Antikörper gegen ganglionäre nAChR werden<br />

gelegentlich bei Patienten beobachtet, die<br />

an einer mit Lungenkarzinom oder Thymom<br />

assoziierten Paraneoplasie leiden (�Tab. 2).<br />

Man sollte differenzialdiagnostisch eine paraneoplastische<br />

Neuropathie erwägen, wenn<br />

sich zu den autonomen noch somatische<br />

Neuropathien und zentralnervöse Störungen<br />

gesellen (z. B. eine Limbusenzephalitis). Klarheit<br />

herrscht dann, wenn ein Karzinom diagnostiziert<br />

werden kann.<br />

Immunpathologie<br />

Gemäß den von Witebsky aufgestellten Kriterien<br />

erfüllt die AAG die Kriterien einer Autoimmunerkrankung<br />

(35, 62). Das Antigen ist<br />

bekannt, bei den Patienten lassen sich Anti-<br />

© Schattauer 2009 Nervenheilkunde 11/2009<br />

805


806 H.-P. <strong>Seelig</strong>: Autoantikörper<br />

körper gegen dieses Antigen nachweisen, die<br />

Krankheit kann durch aktive und passive Immunisierung<br />

im Tiermodell induziert werden.<br />

Mit α 3-Untereinheiten immunisierte<br />

Kaninchen entwickeln eine der menschlichen<br />

Krankheit vergleichbare autonome Gangliopathie,<br />

deren Schwere mit der Höhe der Antikörperspiegel<br />

korreliert (24). Bei Mäusen<br />

entwickelt sich nach passivem Transfer antikörperhaltiger<br />

Kaninchen- oder Humanseren<br />

eine reversible Gangliopathie (52), deren<br />

Symptome nach drei bis fünf Tagen ein Maximum<br />

erreichen. Die zeitverzögerte Entwicklung<br />

der autonomen Symptome kann dahingehend<br />

gedeutet werden, dass der synaptische<br />

Transmissionsdefekt durch eine Modulierung<br />

der Rezeptoren ausgelöst wird. Hierbei<br />

kommt es zu einer antikörpervermittelten<br />

Quervernetzung der Rezeptoren, dadurch zur<br />

Endozytose und zur vermehrten Rezeptordegradation.<br />

Die Antikörper hemmen dosisabhängig<br />

die Signalübertragung ganglionärer<br />

nAChR in IMR-32-Zellen bzw. stabil mit humanen<br />

α 3β 2-, α 3β 4-, α 3α 5β 4-Untereinheiten<br />

transfizierten HEK-Zellen. Der durch Azetylcholin<br />

induzierbare Anstieg des intrazellulären<br />

Kalziums ist vermindert oder aufgehoben<br />

(37, 46, 55, 60, 64).<br />

Auch die beim Menschen erhobenen Befunde<br />

sprechen dafür, dass die autonomen<br />

Dysfunktionen durch Autoantikörper verursacht<br />

werden. Die Autoantikörperkonzentration<br />

im Blut korreliert mit dem Schweregrad<br />

der autonomen Symptome (45, 51) und<br />

ein Abfall der Antikörperkonzentration z. B.<br />

nach Plasmaaustausch oder nach medikamentöser<br />

Therapie geht mit einer deutlichen<br />

Besserung der klinischen Symptome einher<br />

(12, 51). Unklar ist noch, welche Faktoren die<br />

unterschiedliche Ausprägung autonomer<br />

Symptome beeinflussen und ob eine unterschiedliche<br />

Feinspezifität der Autoantikörper<br />

oder zusätzliche Autoantikörper gegen weitere<br />

Untereinheiten der G-nAChR eine Rolle<br />

spielen.<br />

Die Gründe für die Entstehung von Autoantikörpern<br />

gegen G-nAChR bei den idiopathischen<br />

Formen der AAG sind noch unbekannt.<br />

Im Rahmen paraneoplastischer Prozesse<br />

entstehen die Autoantikörper möglicherweise<br />

durch eine Immunantwort auf<br />

aberrant im Tumorgewebe exprimierte Rezeptorproteine.<br />

In Tumorzellen kleinzelliger<br />

Lungenkarzinome wurden z. B. α 7-Untereinheiten<br />

nAChR nachgewiesen (24, 38).<br />

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