Mütterliche Infektionen Mit Dem Risiko Der Prä - Labor Enders ...
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38<br />
Fortbildung<br />
<strong>Mütterliche</strong> <strong>Infektionen</strong> mit dem <strong>Risiko</strong> der<br />
prä- und perinatalen Übertragung – Teil I<br />
<strong>Labor</strong>medizinische Aspekte wichtiger<br />
<strong>Infektionen</strong> im Überblick<br />
Gisela <strong>Enders</strong><br />
Im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung muss der Gynäkologe<br />
verschiedene pränatal und perinatal über trag bare <strong>Infektionen</strong><br />
berücksichtigen, z.B. Röteln, Hepatitis B, Cytomega lie und<br />
Toxoplasmose. Um mögliche Folgen für den Feten abzuwehren,<br />
heißt es, diese <strong>Infektionen</strong> zu erkennen bzw. wenn nötig zu<br />
inter venieren. Das geht nicht ohne entsprechende labormedizinische<br />
Diagnostik. Teil I des Artikels startet mit der Röteln- und<br />
Hepatitis-B- Infektion. Die Fortsetzung zu Cytomegalie und<br />
Toxoplasmose lesen Sie in Ausgabe 01/2006.<br />
Zeitgerecht entnommene Blutproben –<br />
die Basis einer sicheren Serodiagnostik.<br />
In der Mutterschaftsvorsorge sind in<br />
Deutschland Untersuchungen für<br />
fünf schwangerschaftsrelevante <strong>Infektionen</strong><br />
obligatorisch (Tab. 1). Diese werden<br />
mit verschiedenen Testmethoden<br />
Foto: Prof. G. <strong>Enders</strong><br />
durchgeführt. Für die Toxoplasmose wird<br />
ein Screening in den westlichen Bundesländern<br />
zwar seit mehr als zwei Jahrzehnten<br />
diskutiert, aber weitgehend abgelehnt,<br />
während in den ostdeutschen Bundesländern<br />
bis zur Wiedervereinigung ein<br />
obligatorisches Screening vorgeschrieben<br />
war und auch heute noch inoffiziell praktiziert<br />
wird. Ein Antikörper-Screening in<br />
der Frühschwangerschaft für die Cytomegalie,<br />
die derzeit bedeutendste Infektion<br />
in der Schwangerschaft, wurde bisher<br />
nicht in Betracht gezogen (<strong>Enders</strong><br />
2003).<br />
Infektionsdiagnostik in der Schwangerschaft<br />
und beim Neugeborenen<br />
In Hinblick auf das diagnostische Vorgehen<br />
bei der schwangeren Frau, beim<br />
Feten sowie beim Neugeborenen sind für<br />
eine gezielte <strong>Labor</strong>diagnostik anamnestische<br />
Angaben zur Schwangeren und<br />
auch zum Neugeborenen äußerst hilfreich.<br />
Um Auffälligkeiten beim Fetus zu<br />
erkennen bzw. auszuschließen, ist in<br />
Deutschland das Ultraschallscreening der<br />
DEGUM-Stufe 1 dreimal in der Schwangerschaft<br />
obligatorisch. Bei auffälligem<br />
Befund wird die Schwangere zur Ultraschallkontrolle<br />
der DEGUM-Stufe 2/3<br />
in ein pränataldiagnostisches Zentrum<br />
überwiesen. Dort kann – wenn nötig –<br />
auch eine invasive <strong>Prä</strong>nataldiagnostik<br />
durchgeführt werden.<br />
Für die Mehrzahl der schwangerschaftsrelevanten<br />
<strong>Infektionen</strong> steht heute<br />
eine treffsichere Serodiagnostik in Form<br />
sogenannter Basis- und Zusatztests zur<br />
Verfügung. Während in der Schwangerschaft<br />
die serologische Diagnostik vorrangig<br />
ist, steht bei der invasiven <strong>Prä</strong>nataldiagnostik<br />
der Erregernachweis im<br />
Vordergrund. Dieser wird heute weitgehend<br />
mit molekularbiologischen Verfahren<br />
(Polymerase-Kettenreaktion, PCR)<br />
durchgeführt. <strong>Mit</strong> letzteren sind – im<br />
Vergleich zu den konventionellen Techniken,<br />
z.B. der Erregeranzucht – die<br />
Befunde innerhalb von einem bis zwei<br />
Tagen nach Probeneingang verfügbar.<br />
Bei der Befundbewertung sowie bei<br />
prognostischen Hinweisen zum Schwangerschaftsausgang<br />
muss aber stets auf die<br />
Grenzen der jeweils angewandten Methode<br />
hingewiesen werden.<br />
Bei Neugeborenen mit klinischen<br />
Auffälligkeiten, besonders bei fehlenden<br />
oder unvollständigen anamnestischen<br />
Angaben, wird die sogenannte STORCH-<br />
Diagnostik (Syphilis, Toxoplasmose, other<br />
infectious organisms [z.B. Varizellen,<br />
Parvovirus B19], Röteln, Cytomegalie,<br />
Herpes simplex/Hepatitis/HIV) mittels<br />
Erreger- und/oder IgM- und IgA-Antikörpernachweis<br />
durchgeführt (Klein u.<br />
Remington 2001).<br />
Diese Untersuchungen sollten möglichst<br />
sofort nach Geburt oder innerhalb<br />
der ersten 14 Tage erfolgen. Nur so kann<br />
eine pränatale von einer frühpostnatalen<br />
Infektion unterschieden werden. Anhand<br />
des Nachweises von IgG-Antikörpern zum<br />
Ende des ersten Lebensjahres kann man<br />
z.B. bei Röteln und Toxoplasmose auf<br />
gynäkologie + geburtshilfe 6·2005
Obligatorisches Infektionsscreening im Rahmen der<br />
Mutterschaftsvorsorge in Deutschland<br />
Infektion Trimenon Test spez. Nachweis von seit<br />
Syphilis 1. Trim. TPPA Gesamt-AK ~1950<br />
[3. Trim.] TPHA<br />
Röteln 1. Trim. HAH Gesamt-AK ~1972<br />
EIA IgG-AK ~1982<br />
EIA IgM-AK (unter best.<br />
Voraussetzungen)<br />
Hepatitis B [1. Trim.] EIA HBsAg selektiv seit 1987/90;<br />
3. Trim. EIA (wenn pos., dann<br />
Anti-HBC-gesamt<br />
und IgM-AK)<br />
obligatorisch seit 1994<br />
HIV 1,2 1. Trim. HIV-EIA Gesamt-AK 1987/88<br />
[3. Trim.] (= Suchtest d. und p24-Ag seit 1990 vermehrt;<br />
4. Generation) mit Einverständnis der<br />
Schwangeren<br />
Chlamydia 1. Trim. SDA (strand DNA 4/1995<br />
trachom. [3. Trim.] displacementamplification)<br />
[ ] = bei <strong>Risiko</strong>faktoren zusätzlich zu empfehlen<br />
eine pränatale Infektion, bei Cytomegalie<br />
auf eine prä- oder frühpostnatal erfolgte<br />
Infektion schließen. Bei Hepatitis<br />
B ist eine solche Schlussfolgerung aufgrund<br />
der im 2. Lebensmonat beginnenden<br />
Grund immunisierung mit dem Hepatitis-B-Impfstoff<br />
nicht möglich.<br />
Röteln: <strong>Labor</strong>medizinische Aspekte<br />
Von allen <strong>Infektionen</strong> in der Schwangerschaft<br />
waren und sind die Röteln wegen<br />
ihrer hohen Missbildungsrate besonders<br />
gefürchtet. Die Übertragung des Erregers<br />
erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Die<br />
Infektion ist mit Exanthem vergesellschaftet<br />
und verläuft bei Kindern oft<br />
subklinisch und unerkannt.<br />
So ist das Hauptrisiko für das Vollbild<br />
der Rötelnembryopathie (RE) (klassisches<br />
Rubella-Syndrom: Herzmissbildungen,<br />
Augendefekte, Hördefekte; erweitertes<br />
Rubella-Syndrom) mit bis zu 90 Prozent<br />
auf akute Röteln in der 1. bis 10. Schwangerschaftswoche<br />
(SSW) begrenzt, zwischen<br />
der 11. und 17. SSW kommt es in etwa<br />
20 Prozent zu RE-Einzelmanifestationen,<br />
vor allem von Hördefekten (Miller et al.<br />
1982). Nach eigenen Untersuchungen<br />
sinkt das <strong>Risiko</strong> für Hördefekte ab der<br />
11. bis zur 17. SSW von 20 auf 8 Prozent.<br />
Es gilt also, eine primäre Rötelninfektion<br />
in den ersten 17 SSW zu diagnostizieren,<br />
gynäkologie + geburtshilfe 6·2005<br />
Tabelle 1<br />
um evtl. über eine invasive pränatale Diagnostik<br />
eine fetale Infektion nachzuweisen<br />
oder auszuschließen.<br />
<strong>Der</strong>zeit liegt die Seronegativrate für<br />
Röteln bei Frauen im gebärfähigen Alter<br />
und bei Schwangeren in Deutschland bei<br />
nur ca. 2 bis 3 Prozent, im Vergleich zu<br />
11 Prozent im Jahr 1982 (Daten <strong>Labor</strong><br />
<strong>Enders</strong>). Damit ist das <strong>Risiko</strong>, an akuten<br />
Röteln in der Schwangerschaft zu erkranken,<br />
stark gesunken und infolgedessen<br />
auch das RE-<strong>Risiko</strong>. Die RE-Inzidenz<br />
beträgt in Deutschland zurzeit 0,1/100.000<br />
Lebendgeburten (Feb. 2005). Die Rötelnembryopathien<br />
(RE) waren schon vor<br />
Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes<br />
2001 meldepflichtig. Wie man weiß,<br />
wurden und werden aber bis heute nicht<br />
alle RE-Fälle gemeldet – vor allem die<br />
nicht, bei denen RE-bedingte Hördefekte<br />
erst sehr spät erkannt werden.<br />
— Screening in der<br />
Mutterschaftsvorsorge<br />
Laut Mutterschaftsrichtlinien (letzter<br />
Stand vom 2003) muss bei der Erstuntersuchung<br />
im 1. Trimenon vom Frauenarzt<br />
die Anamnese der Schwangeren<br />
erfragt und die Impfdokumente gesichtet<br />
werden. In Deutschland wird zur Bestimmung<br />
der Rötelnimmunitätslage zur Zeit<br />
noch der Hämagglutinationshemmtest<br />
(HAH) verwendet. Bei niederen HAH-<br />
Titern (1:8, 1:16) wird zur Absicherung<br />
zusätzlich ein IgG-Test (enzyme-linked<br />
immunosorbent assay = EIA) durchgeführt<br />
(Tab. 2). Die im EIA gemessenen<br />
IgG-Antikörper werden anhand eines<br />
WHO-Standards in IU bewertet.<br />
In den meisten westeuropäischen<br />
Länder und in den USA wurde der HAH-<br />
Test durch den IgG-EIA-Test ersetzt.<br />
Diese Bestrebungen sind auch in Deutschland<br />
im Gange. Dazu werden jedoch<br />
aktuell genauere Richtlinien ausgearbeitet<br />
(<strong>Enders</strong> G, Pustowoit B, in Vorbereitung).<br />
Bei einem HAH von 1:32 und unauffälliger<br />
Anamnese ist Immunität auch<br />
für weitere Schwangerschaften anzunehmen.<br />
Dabei ist zu bedenken, dass im<br />
Vergleich zur natürlichen Infektion durch<br />
die Impfung eine schwächere Immunität<br />
aufgebaut wird, die auch mit zunehmendem<br />
Abstand zur Impfung abnimmt. Bei<br />
Auffälligkeiten in der Anamnese ist trotz<br />
dokumentierter Vorbefunde eine Röteln-<br />
Antikörper bestimmung im HAH- (bzw.<br />
IgG-) und IgM-Test angebracht.<br />
Auffälligkeiten müssen dem <strong>Labor</strong><br />
mitgeteilt werden, denn nur dann kann<br />
der <strong>Labor</strong>arzt auch eine IgM-Antikörperbestimmung<br />
und evtl. Zusatzteste durchführen<br />
und abrechnen (Tab. 2). In Fällen,<br />
in denen anamnestische Angaben fehlen<br />
z.B. wegen Sprachbarrieren bei erst kürzlich<br />
zugewanderten Frauen aus Ländern<br />
ohne Rötelnimpfprogramm oder bei<br />
Notarztdiagnosen (z.B. V. a. Allergie),<br />
sollten ebenfalls IgM-Antikörper bestimmt<br />
und evtl. Zusatzteste durchgeführt werden.<br />
Beispiele – auch aus letzter Zeit – zeigen,<br />
dass bei einem erstmals in der aktuellen<br />
Schwangerschaft bestimmten HAH-<br />
Titer von z.B. 1:128 (bzw. IgG-Wert von<br />
ca. 160 IU/ml) aufgrund unzureichender<br />
Kommunikation zwischen Arzt und<br />
schwangerer Frau Immunität angenommen<br />
wurde, aber dann Kinder mit dem<br />
Vollbild der Rötelnembryopathie zur Welt<br />
kamen. Drei solcher Fälle wurden im<br />
<strong>Labor</strong> <strong>Enders</strong> in den Jahren 2003/2004<br />
retrospektiv diagnostiziert.<br />
— Infektionsdiagnostik<br />
in der Schwangerschaft<br />
Außerhalb des Screenings werden bei<br />
Kontakt mit Röteln oder Verdacht auf<br />
39
Mutterschaftsvorsorge - Röteln-Antikörper-Screening<br />
— Frauenarzt: Anamnese erfragen!<br />
— frühere Röteln oder Impfung? Y Befunddokumente zu Immunstatus<br />
und Impfung überprüfen u. in Mutterpass übertragen<br />
— Kontakt, verdächtige Symptomatik aussschließen!<br />
— <strong>Labor</strong>: Bestimmung des Immunstatus (HAH ggf. IgG-EIA):<br />
HAH < 1:8,<br />
Y keine Immunität<br />
AK-Kontrolle 17.SSW, bei Kontakt/Symptomen sofort!<br />
Röteln in der Schwangerschaft zunächst<br />
HAH-/IgG- und IgM-Antikörper bestimmt.<br />
Dabei werden IgM-Antikörper<br />
mit indirekten, heute aber vorrangig mit<br />
µ-capture EIAs, z.T. mit rekombinanten<br />
Antigenen, nachgewiesen.<br />
Um asymptomatische Reinfektionen<br />
– die ein kleines, nicht kalkulierbares<br />
fetales <strong>Risiko</strong> beinhalten und die hauptsächlich<br />
durch sehr hohe Antikörpertiter<br />
auffallen – erkennen zu können, sollten<br />
die Seren zur Ermittlung der Endtiter im<br />
HAH- bzw. IgG-Test austitriert werden<br />
(<strong>Enders</strong> G, unveröffentlicht). Bei positivem<br />
IgM-Befund, der nicht immer mit<br />
einer primären akuten Infektion gleichzusetzen<br />
ist, wird die Untersuchung durch<br />
die Zusatzteste (IgG-Aviditätstest und<br />
IgG-Immunoblot) ergänzt.<br />
<strong>Mit</strong> dieser kombinierten Serodiagnostik<br />
lässt sich bei Einsendung der ersten<br />
Blutprobe bis zur 16. SSW, bei hohem<br />
Aviditätsindex und dem Nachweis der<br />
E2-Bande im IgG-Immunoblot, trotz<br />
positiver IgM-Antikörper, eine akute<br />
Infektion mit sehr hoher Treffsicherheit<br />
seit Beginn der Schwangerschaft ausschließen.<br />
Ein positiver IgM-Befund bei nie-<br />
40<br />
HAH ≥ 1:32,<br />
Y Immunität anzunehmen<br />
Fortbildung <strong>Infektionen</strong> während der Schwangerschaft<br />
HAH 1: 8 / 1:16 mit Bestätigung im IgG-EIA:<br />
IgG-EIA 1:128)<br />
und IgG-Wert (ca. >160 IU/ml) IgM-AK-Bestimmung und Zusatzdiagnostik sowie<br />
weitere serologische Kontolle zum Titerverlauf veranlassen<br />
Tabelle 2<br />
derem Aviditätsindex und fehlender E2-<br />
Bande spricht dagegen für eine akute<br />
Infektion. Bei Entnahme der Blutprobe<br />
bis zur 20. SSW ist die Treffsicherheit<br />
dieser Diagnostik etwas geringer (Best J<br />
u. <strong>Enders</strong> G 2006; <strong>Enders</strong> G 2006, zur<br />
Veröffentlichung eingereicht).<br />
Bei Ausschluss einer akuten Infek tion<br />
sind die Ursachen der positiven IgM-<br />
Befunde meist langpersistierende IgM-<br />
Antikörper nach früherer Infektion oder<br />
Impfung, IgM-Antikörper nach kürzlicher<br />
Impfung oder nach Reinfektion. Reinfektionen<br />
sind serologisch außer durch<br />
die erwähnten sehr hohen HAH- bzw.<br />
IgG-Werte auch durch einen erhöhten<br />
Aviditätsindex und durch die Entwicklung<br />
der E2-Bande nach Wildviruskontakt<br />
charakterisiert.<br />
<strong>Mit</strong> den langpersistierenden IgM-<br />
Antikörpern in der Schwangerschaft, die<br />
nicht selten mehr als drei bis sechs Jahre<br />
nach früherer Infektion oder Impfung<br />
persistieren, ist kein fetales Infektions-<br />
oder Rötelnembryopathierisiko verbunden.<br />
Dies konnte durch das Fehlen von<br />
IgM-Antikörpern in Nabelschnurblutproben<br />
der Neugeborenen von Müttern<br />
mit langpersistierenden IgM-Antikörpern<br />
eindeutig bewiesen werden (<strong>Enders</strong> G,<br />
unveröffentlicht 2005). Somit kann an<br />
den Frauenarzt und seine Patientin die<br />
<strong>Mit</strong>teilung erfolgen, dass mütterliche<br />
langpersistierende IgM-Antikörper kein<br />
<strong>Risiko</strong> für das Kind bedeuten. Dies gilt<br />
auch für die Folgeschwangerschaften.<br />
Aufgrund dieser effektiven Rötelnserologie<br />
ist eine invasive <strong>Prä</strong>nataldiagnostik<br />
heute seltener indiziert als in den<br />
Jahren bis 2002. Sie beschränkt sich in<br />
der Regel auf labordiagnostisch verifizierte<br />
primäre Rötelninfektionen und gelegentlich<br />
auch bestätigte Reinfektionen<br />
bis zur 17. SSW sowie auf den geringen<br />
Prozentsatz von Schwangeren, bei denen<br />
der Grund für den positiven IgM-Antikörperbefund<br />
trotz der Zusatzteste nicht<br />
abklärbar ist.<br />
<strong>Mit</strong> Hilfe der pränatalen Diagnostik<br />
kann eine fetale Rötelninfektion durch<br />
den Nachweis des Rötelnvirus mit der<br />
RT-nPCR (zum Teil mit Bestätigung der<br />
Virusanzucht in Zellkultur) in Chorionzotten<br />
(frühestens ab 11.–18. SSW),<br />
im Fruchtwasser (ab 18. SSW) sowie im<br />
Fetalblut (ab 21. SSW) erfolgen. Im<br />
Fetalblut ist zusätzlich der Nachweis von<br />
spezifischen IgM-Antikörpern ein treffsicherer<br />
Marker für eine fetale Infektion.<br />
Ein unauffälliger Ultraschallbefund<br />
der DEGUM-Stufe 2/3 schließt eine fetale<br />
Rötelninfektion nicht aus, da über<br />
Ultra schallauffälligkeiten bei Röteln weltweit<br />
nur ausnahmsweise berichtet wurde<br />
(Best u. <strong>Enders</strong> 2006).<br />
— Infektionsdiagnostik beim Neugeborenen<br />
Neugeborene, deren Müttern in der<br />
Schwangerschaft akut an Röteln erkrankten,<br />
können die bekannte Voll- oder<br />
Teilsymptomatik der Rötelnembryopathie<br />
aufweisen oder – trotz pränataler<br />
Infektion – asymptomatisch sein. Auch<br />
bei mütterlichen <strong>Infektionen</strong> nach der<br />
20. SSW kommt es zu fetalen <strong>Infektionen</strong>,<br />
jedoch ohne Folgen für den Fetus.<br />
Die <strong>Labor</strong>diagnose einer pränatalen<br />
Rötelninfektion wird durch den Nachweis<br />
spezifischer IgM-Antikörper im Nabelschnurblut<br />
gesichert. Diese sind bei ca.<br />
98 Prozent der Neugeborenen mit pränataler<br />
Rötelninfektion mit oder ohne<br />
Symptome vorhanden und bleiben in<br />
gynäkologie + geburtshilfe 6·2005
abnehmenden Raten auch noch bis zum<br />
4. bis 6. Lebensmonat nachweisbar. Im<br />
selben Zeitraum ist bei diesen pränatal<br />
infizierten Neugeborenen im Rachensekret<br />
und Urin Rötelnvirus-RNA mittels<br />
RT-nPCR bzw. infektiöses Virus in der<br />
Zellkultur festzustellen.<br />
Maßnahmen bei verschiedenen<br />
Rötelnproblemen<br />
— Niedere HAH- oder IgG-Antikörperwerte<br />
vor allem nach früherer Impfung:<br />
Hierbei stellt sich die Frage<br />
einer Schutzwirkung vor einer Reinfektion<br />
nach Kontakt mit Wildvirus.<br />
Dieses Problem wird in Zukunft an<br />
Bedeutung gewinnen, da sich, wie<br />
erwähnt, mit zunehmender Durchimpfung<br />
der Anteil der Frauen mit<br />
niederen Antikörperwerten besonders<br />
im fortgeschrittenen Schwangerschaftsalter<br />
erhöht. Deshalb werden<br />
bei niederen Titern vor geplanter<br />
Schwangerschaft ein bis zwei weitere<br />
Nachimpfungen meist mit dem<br />
Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff<br />
(MMR) empfohlen, wodurch jedoch<br />
in der Mehrzahl kein bleibender<br />
Rötelntiteranstieg erfolgt. In solchen<br />
Fällen wird aber nicht dazu geraten,<br />
eine gewünschte Schwangerschaft<br />
aufzuschieben, weil man auf Grundlage<br />
langjähriger Beobachtungen<br />
nach ein bis zwei Rötelnimpfungen<br />
trotz niederer oder sogar negativer<br />
Antikörperwerte eine Basisimmunität<br />
gegen primäre Infektion annehmen<br />
kann. Bei Eintritt der Schwangerschaft<br />
sollten aber serologische Kontrollen<br />
bis zur 17. SSW erfolgen, um<br />
eine eventuelle Reinfektion zu erkennen.<br />
— Impfung vor und in der Schwangerschaft:<br />
Bei Frauen mit Kinderwunsch<br />
und ohne Impfanamnese sollte der<br />
Rötelnimmunitätsstatus festgestellt<br />
und dann seronegativen Frauen eine<br />
Impfung mit Kontrolle des Impferfolgs<br />
angeboten werden. Dabei gilt<br />
seit neuerem die Empfehlung, eine<br />
Schwangerschaft innerhalb von vier<br />
Wochen nach Impfung zu vermeiden.<br />
Sollte aber dennoch eine akzidentelle<br />
Impfung innerhalb von 4<br />
Wochen vor Konzeption oder auch<br />
in der Frühschwangerschaft erfolgt<br />
sein, besteht keine Indikation zum<br />
42<br />
Fortbildung <strong>Infektionen</strong> während der Schwangerschaft<br />
Schwangerschaftsabbruch (<strong>Enders</strong> G<br />
2005).<br />
— Freistellung in medizinischen, pflegerischen,<br />
erzieherischen und Lehrberufen:<br />
In Deutschland werden auf<br />
Grundlage des Mutterschutzgesetzes<br />
und der bestehenden Verordnungen<br />
einheitlich in allen Bundesländern<br />
seronegative Schwangere in <strong>Risiko</strong>berufen<br />
bis zur 20. SSW freigestellt.<br />
Nach diesem Zeitpunkt besteht für<br />
den Fall einer Rötelnprimärinfektion<br />
kein <strong>Risiko</strong> mehr für bleibende Schäden<br />
beim Neugeborenen. Bei Frauen<br />
mit fraglichen oder niederen HAH-<br />
bzw. IgG-Werten, die nicht selten von<br />
<strong>Labor</strong> zu <strong>Labor</strong> variieren, wird bei der<br />
Befundinterpretation „Immunität<br />
nicht gewährleistet“ von den Betriebsärzten<br />
häufig eine Freistellung beantragt.<br />
Seit Dezember 2002 wird eine<br />
Immunglobulingabe zum Schutz von<br />
seronegativen Schwangeren nach<br />
Rötelnkontakt nicht mehr empfohlen.<br />
Erstens konnte der Schutzwert<br />
dieser passiven Prophylaxe nie eindeutig<br />
bewiesen werden und zudem<br />
wurde deshalb und wegen der geringen<br />
Nachfrage auch die Produktion<br />
des hochtitrigen Röteln-Hyperimmunglobulins<br />
eingestellt.<br />
— Mutterschaftsvorsorge: In mehreren<br />
westeuropäischen Ländern, vor allem<br />
in Skandinavien, Frankreich und England<br />
wurde oder wird aufgrund der<br />
sehr guten Durchimpfung das offizielle<br />
antenatale Screening für Rötelnantikörper<br />
eingestellt. Dennoch lassen<br />
z.B. in Schweden ca. 50 Prozent der<br />
Schwangeren ihre Rötelnimmunitätslage<br />
auf eigene Kosten weiterhin bestimmen.<br />
Eine derartige Umstellung<br />
kann in Deutschland erst bei optimaler<br />
Durchimpfung von Kleinkindern<br />
und einer noch geringeren Inzidenz<br />
von akuten Röteln in der Frühschwangerschaft<br />
in Betracht gezogen<br />
werden. Deshalb sollte die obligatorische<br />
Mutterschaftsvorsorge für<br />
Röteln noch eine Zeit lang aufrecht<br />
erhalten werden.<br />
Hepatitis B: <strong>Labor</strong>medizinische<br />
Aspekte<br />
Die Hepatitis-B-Infektion ist eine der<br />
häufigsten Infektionskrankheiten. Sie<br />
kann nach einem akuten Stadium ent-<br />
weder ausheilen oder chronifizieren.<br />
Nach Angaben der WHO haben etwa<br />
2 Milliarden Menschen diese Infektion<br />
durchgemacht und 5 bis 7 Prozent der<br />
Weltbevölkerung (300–420 Mio. Menschen)<br />
sind chronisch infiziert.<br />
Für chronisch Infizierte besteht das<br />
<strong>Risiko</strong> im Laufe ihres Lebens eine Leberzirrhose<br />
oder ein hepatozelluläres Karzinom<br />
zu entwickeln. <strong>Der</strong> Prozentsatz der<br />
Hepatitis-B-Virusträger in Deutschland<br />
liegt, wie auch in anderen westlichen Industrieländern<br />
mit niedriger Endemizität,<br />
bei weniger als 1 Prozent.<br />
Übertragungswege des<br />
Hepatitis-B-Virus<br />
Die Hepatitis-B-Infektion wird im<br />
Wesentlichen parenteral durch Blut, bei<br />
Sexualverkehr durch bluthaltige Sekrete<br />
von akut-infizierten Patienten oder Hepatitis-B-Trägern<br />
oder vertikal von der<br />
Mutter auf das Kind übertragen. Eine<br />
frühpostnatale Infektion kann durch engen<br />
Kontakt von Neugeborenen mit<br />
infizierten Eltern erfolgen. In Ländern<br />
mit hoher Hepatitis-B-Endemizität ist<br />
– neben einer Infektion in der frühen<br />
Kindheit – die vertikale Transmission am<br />
häufigsten.<br />
In Ländern mit niedriger Endemi zität,<br />
wie beispielsweise Deutschland, sind die<br />
hauptsächlichen <strong>Risiko</strong>faktoren zum Erwerb<br />
einer Hepatitis-B-Infektion der<br />
Drogenmissbrauch (i.v.) und hohe Promiskuität<br />
im Jugend- und Erwachsenenalter.<br />
Aber auch die vertikale Übertragung<br />
ist in Deutschland von Bedeutung, da<br />
nach unseren Ermittlungen ohne die Simultanimpfung<br />
jährlich mehr als 1.200<br />
HBV-infizierte Neugeborene zu erwarten<br />
wären.<br />
Nach perinataler Infektion werden<br />
90 Prozent der Kinder zu chronischen<br />
Trägern, im Vergleich zu nur 5 bis 10<br />
Prozent der Personen, die sich erst nach<br />
dem 12. Lebensjahr infizieren.<br />
Die Übertragung der Hepatitis-B-<br />
Infektion von der Mutter auf das Kind<br />
erfolgt in über 90 Prozent intrapartum<br />
und nur in 10 Prozent intrauterin gegen<br />
Ende der Schwangerschaft. <strong>Risiko</strong>faktoren<br />
für die spätintrauterine Transmission<br />
sind akute <strong>Infektionen</strong> im 3.Trimenon<br />
mit hoher HBV-DNA-Konzentration<br />
und drohende Frühgeburtlichkeit. Da<br />
die Haupttransmission intrapartum erfolgt,<br />
gynäkologie + geburtshilfe 6·2005
ist eine invasive pränatale Diagnostik<br />
nicht indiziert. Wird eine solche aus genetischer<br />
Indikation durchgeführt, kann<br />
während der mütterlichen virämischen<br />
Phase eine iatrogene Infektion des Feten<br />
nicht völlig ausgeschlossen werden (Geipel<br />
A. et al. 2001).<br />
Die Transmissionsrate beträgt bei<br />
asymptomatischen, chronisch infizierten,<br />
sogenannten „Carrier-Müttern“ ca. 10 bis<br />
20 Prozent und bei HBsAg-positiven<br />
Müttern mit positivem HBeAg-Befund<br />
bzw. mit hoher HBV-DNA-Viruslast<br />
80 bis 90 Prozent.<br />
Da die perinatal infizierten Kinder<br />
in 90 Prozent zu chronischen Trägern<br />
– mit dem damit verbundenem <strong>Risiko</strong><br />
für Spätschäden – werden, ist das ob ligate<br />
HBV-Screening in der Mutterschaftsvorsorge<br />
gerechtfertigt. Damit können<br />
die akut- bzw. chronisch-infizierten HBV-<br />
Mütter erkannt und durch die Simultanimpfung<br />
perinatale Hepatitis-B-<br />
<strong>Infektionen</strong> bei Neugeborenen verhütet<br />
werden.<br />
— Screening in der<br />
Mutterschaftsvorsorge<br />
In Deutschland ist das HBsAg-Screening<br />
seit Oktober 1994 obligatorisch. Die<br />
Untersuchung erfolgt ab der 32. SSW,<br />
also möglichst nahe am Geburtstermin,<br />
mit einem Test, der mindestens 5 ng/ml<br />
HBsAg nachweisen kann. <strong>Der</strong> Befund<br />
muss zur Information des Geburtshelfers<br />
in den Mutterpass eingetragen werden.<br />
Die Untersuchung kann entfallen,<br />
wenn Immunität besteht z.B. nach Schutzimpfung<br />
(international >10 IU/ml, in<br />
Deutschland >100 IU/ml anti-HBsAg).<br />
<strong>Mit</strong>te 1999 wurde in Deutschland bei<br />
HBsAg-Positivität die Untersuchung auf<br />
HBeAg (bisher der Marker für aktive<br />
Virusvermehrung) und auf Anti-HBe<br />
eingestellt. An deren Stelle wird gegenwärtig<br />
der DNA-Nachweis mittels PCR<br />
zur Beurteilung der Infektiosität und<br />
Erfassung der Mutanten eingesetzt.<br />
Eine obligate Anti-HBc-Bestimmung<br />
ist in Deutschland im Gegensatz zur<br />
Schweiz nicht empfohlen, da eine isolierte<br />
Anti-HBc-<strong>Prä</strong>valenz von nur 1,4 Prozent<br />
bei HBsAg-Negativität in der deutschen<br />
Population mittleren Alters besteht.<br />
In dieser Gruppe sind allerdings 7,7 Prozent<br />
HBV-DNA-positiv und damit infektiös<br />
(Jilg u. Hottenträger 2001).<br />
gynäkologie + geburtshilfe 6·2005<br />
Fortbildung <strong>Infektionen</strong> während der Schwangerschaft<br />
Hepatitis B-Screening in der Schwangerschaft und Maßnahmen<br />
<strong>Labor</strong>parameter Diagnose Melde- Neugeborene:<br />
pflicht Simultanimpfung?<br />
HBsAg Anti-HBc Anti-HBc-IgM<br />
negativ Y nicht nicht kein Anhalt für – nein<br />
erforderlich erforderlich eine Infektion<br />
positiv Y positiv negativ chronische nein ja, noch im Kreißsaal<br />
Infektion innerhalb von 12 h!<br />
positiv Y positiv positiv akute/ ja ja, noch im Kreißsaal<br />
auf Wunsch kürzliche innerhalb von 12 h!<br />
HBV-DNA<br />
quantitativ<br />
Infektion<br />
Diagnostik der verschiedenen Stadien der Hepatitis-B-Infektion<br />
<strong>Labor</strong>parameter<br />
Status HBsAg Anti-HBc Anti-HBc Viruslast Anti-HBs<br />
IgM HBV-DNA<br />
(LightCycler-PCR)<br />
Akute Infektion pos. pos. pos. pos. neg.<br />
Chron. Infektion pos. pos. neg. pos./neg. neg.<br />
Ausgeheilte Infektion neg. pos. neg. neg. pos.<br />
Sonderfälle:<br />
Akute/chron. Hep. B<br />
bei Mutanten<br />
neg. pos. pos./neg. pos. neg.<br />
Bei welchen Befunden im Rahmen<br />
der Hepatitis-B-Testung in der Mutterschaftsvorsorge<br />
eine Meldepflicht besteht<br />
und wann eine Simultanimpfung des<br />
Neugeboren erfolgen soll, ist aus Tabelle<br />
3 ersichtlich. Ein positiver HBsAg-Befund<br />
muss durch Wiederholungsuntersuchung<br />
bestätigt und im Anschluss Anti-HBc und<br />
Anti-HBc-IgM bestimmt werden.<br />
Die <strong>Labor</strong>parameter für die Diagnose<br />
der verschiedenen Stadien der Hepatitis-B-Infektion<br />
können aus Tabelle 4<br />
entnommen werden. Bei akuter Infektion<br />
wird bei bestimmter Sachlage der<br />
Nukleinsäurenachweis zur Feststellung<br />
der Viruslast mittels LightCycler-PCR<br />
durchgeführt (Infektiosität
kann es in weniger als 3 Prozent durch<br />
sogenannte Vaccine-HBsAg-escape-<br />
Mutanten zu einer späteren Hepatitis-B-<br />
Infektion kommen. An das RKI wurden<br />
im Jahr 2001 26, 2002 acht und 2003<br />
sieben Fälle von HBV-erkrankten Kindern<br />
im ersten Lebensjahr – teils trotz erfolgter<br />
Passiv- oder Simultanimpfung – gemeldet.<br />
Nicht geimpfte, perinatal oder frühpostnatal<br />
infizierte Neugeborene von<br />
chronisch infizierten Müttern sind wie<br />
auch die Simultangeimpften zunächst bei<br />
Geburt HBsAg-negativ, werden aber innerhalb<br />
der ersten drei Lebensmonate<br />
HBsAg-positiv.<br />
Bisherige Langzeitbeobachtungen<br />
über einen Zeitraum von bis zu zehn<br />
Jahren zeigen, dass diese Kinder langfristig<br />
– trotz teilweise erhöhter Leberwerte<br />
– asymptomatisch bleiben. Allerdings<br />
sollten alle HBsAg-positiven Kinder in<br />
gewissen Abständen serologisch und klinisch<br />
überwacht werden.<br />
— Nutzeffekt der Simultanimpfung<br />
Nach unseren Daten zur Mutterschaftsvorsorge<br />
von 1994 bis 1999 für 131.266<br />
Schwangere mit 21 Prozent Ausländeranteil<br />
lag die durchschnittliche jährliche<br />
Positivrate für HBsAg bei 0,87 Prozent<br />
und für HBeAg bei 0,1 Prozent (unveröffentlichte<br />
Daten).<br />
Durch Hochrechung auf die mittlere<br />
Geburtenrate (783.000) in diesem<br />
Zeitraum ergibt sich unter Berücksichtigung<br />
der jeweiligen Transmissionsrate<br />
(bei nur HBsAg- bzw. HBsAg- und HBe-<br />
Ag-positiven Schwangeren), dass durch<br />
die Simultanimpfung bei Geburt rein<br />
rechnerisch jährlich bei mehr als 1.200<br />
Neugeborenen eine Hepatitis B-Infektion<br />
verhütet wird. Deshalb ist das HBsAg-<br />
Screening im 3. Trimenon eine sehr<br />
wichtige und Kosten/Nutzen-effiziente<br />
Mutterschaftsvorsorgeuntersuchung.<br />
Für den Zeitraum Juni 1999 bis Januar<br />
2005 (153.827 Schwangere) konnte<br />
bei einer ähnlichen HBsAg-Positivrate<br />
von 0,83 Prozent infolge des Wegfalls<br />
der HBeAg-Testung (1999) eine entsprechende<br />
Analyse nicht mehr erfolgen.<br />
Probleme und Hinweise<br />
— Impfschutz: Ein Wert von >10 IU/ml<br />
anti-HBsAg-Antikörper wird international<br />
– außer in Deutschland<br />
46<br />
Fortbildung <strong>Infektionen</strong> während der Schwangerschaft<br />
(>100 IU/ml!) – als schützend angesehen.<br />
Die Schutzdauer nach Impfung<br />
wird mit mehr als 10 Jahren<br />
angenommen, sodass eine Boosterimpfung<br />
nach Kleinkinderimpfung<br />
im Jugendalter wahrscheinlich nicht<br />
notwendig ist. Wesentlich ist, dass für<br />
die Elimination der HBV-Transmission<br />
hohe Impfraten bei Säuglingen,<br />
Kleinkindern, Jugendlichen und Erwachsenen<br />
erzielt werden.<br />
— Mutterschaftsvorsorge: Frauenärzte<br />
sollten bei der Schwangerschaftsvorsorge<br />
die HBsAg-Testung ihren Patientinnen<br />
nachdrücklich ans Herz<br />
legen, damit bei Entbindung die Immunitätslage<br />
bekannt ist, um unnötige<br />
und kostenaufwändige Impfungen<br />
und Nachtestungen zu vermeiden<br />
— Impfung in der Schwangerschaft: Die<br />
Hepatitis-B-Impfung ist in der<br />
Schwangerschaft nicht kontraindiziert.<br />
So wird bei HBsAg-negativen<br />
Schwangeren bei Intimkontakt zu<br />
HBsAg-positiven Partnern oder engem<br />
Kontakt zu HBsAg-positiven<br />
Heimkindern eine Simultanimpfung<br />
(aktiv/passiv) mit Fortführung der<br />
Impfserie empfohlen. Im Hinblick auf<br />
Maßnahmen für das Neugeborene,<br />
muss dann vor Entbindung die Immunitätslage<br />
überprüft werden.<br />
— Therapie: Eine Therapie mit Lamivudin<br />
in der Schwangerschaft, ist in<br />
Deutschland nicht zugelassen. Sie<br />
wurde aber schon in Studien (z. B. in<br />
den Niederlanden) bei hochvirämischen<br />
Müttern im letzten Schwangerschaftsmonat<br />
durchgeführt. Durch<br />
Senkung der Viruslast und Reduktion<br />
des Transmissionsrisikos sollte so eine<br />
fetale Infektion verhindert werden,<br />
was jedoch nicht in allen Fällen gelang.<br />
— Entbindung: Bei Hepatitis-B-Infektion<br />
in der Schwangerschaft wird eine<br />
Sectio nicht generell empfohlen. Sie<br />
ist nur in Sonderfällen z.B. akute Infektion<br />
in Spätschwangerschaft und<br />
hoher HBV-DNA-Viruslast indiziert.<br />
— Immunstatus nach Impfung: Bei der<br />
Regelimpfung im Kindes- und Jugendalter<br />
wird eine serologische Kontrolle<br />
nicht empfohlen. Nach Simultanimpfung<br />
von Neugeborenen von<br />
Müttern mit positivem oder unbekanntem<br />
HBsAg-Status sollte einen<br />
Monat nach Abschluss der Grundimmunisierung<br />
(3. Impfung) der Impferfolg<br />
laut STIKO kontrolliert werden<br />
(HBsAg, anti-HBs, anti-HBc). Davon<br />
wird leider kaum Gebrauch gemacht!<br />
— Stillen: Bei Neugeborenen von Müttern<br />
mit chronischer Hepatitis-B-<br />
Infektion besteht nach regelrecht<br />
durchgeführter Simultanimpfung<br />
kein Infektionsrisiko durch das Stillen.<br />
Bei einer hochinfektiösen Mutter<br />
(HBsAg und HBeAg positiv bzw. mit<br />
erhöhter HBV-DNA-Viruslast) wird<br />
in Österreich vom Stillen abgeraten,<br />
nicht so in Deutschland, England<br />
oder Skandinavien.<br />
— Prophylaxe: Im medizinisch-pflegerischen<br />
Bereich muss zum Schutz vor<br />
einer Ansteckung durch Nadelstichverletzungen<br />
oder durch anderen<br />
Blutkontakt vom Arbeitgeber eine<br />
Untersuchung zum Hepatitis-B-<br />
Immunstatus und ggf. eine Hepatitis-B-Impfung<br />
angeboten werden.<br />
Dies wird von den Angestellten nicht<br />
immer wahrgenommen, was in der<br />
Vergangenheit nicht selten zu nosokomialen<br />
HBV-<strong>Infektionen</strong> geführt<br />
hat. Im Allgemeinen sind im Fall<br />
einer Exposition die von der STIKO<br />
empfohlenen Maßnahmen zu beachten.<br />
— Ausblick: Auf Grund der Impfung der<br />
jüngeren Alterskohorten wird die Verbreitung<br />
von Hepatitis B voraussichtlich<br />
innerhalb der nächsten 10 bis<br />
20 Jahren deutlich zurückgehen.<br />
Literatur unter<br />
www.gynundgeburtshilfe.de<br />
Für die <strong>Mit</strong>hilfe bei der Fertigstellung<br />
dieses Beitrags möchte ich mich bei den<br />
Diplom-Biologinnen Simone Exler, Marion<br />
Biber, Veronika Rilling und Anja Daiminger<br />
sehr herzlich bedanken.<br />
Prof. Dr. med. Gisela <strong>Enders</strong><br />
<strong>Labor</strong> Prof. G. <strong>Enders</strong> und Partner<br />
Institut für Virologie, Infektiologie und<br />
Epidemiologie e.V.<br />
Vorsitzende G. <strong>Enders</strong><br />
Rosenbergstraße 85<br />
70193 Stuttgart<br />
gynäkologie + geburtshilfe 6·2005