Naturreport 2012 - Band 16 - Kreis Unna
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130<br />
Personen<br />
� Nachruf Heinz Herkenrath<br />
„Wir könnten ja noch in die Rieselfelder …“<br />
von Thomas Griesohn-Pflieger<br />
„Na, junger Mann, hast du denn<br />
schon was Schönes gesehen?“<br />
Dicke Brillengläser schauen mich an,<br />
dahinter freundlich fragende blaue<br />
Augen. Dann sehe ich ein riesiges<br />
Fernglas, das vor einem mehr als<br />
knielangen grünen Lodenmantel<br />
baumelt. Der Mann hat Gummistiefel<br />
an, ein alter farbloser Rucksack<br />
hängt über dem Rücken, eine Kappe,<br />
ebenfalls aus grünem Loden,<br />
wie man sie bei Landwirten und<br />
Jägern sieht, krönt wirres Haar. In<br />
der einen Hand hält der Mann ein<br />
kleines grünes Notizheft und in der<br />
anderen zwei Kugelschreiber1 .<br />
Obwohl fast alles grün war an dem<br />
älteren Herrn, der damals jünger war,<br />
als ich heute alt bin, wirkte er nicht<br />
wie ein Jäger oder Förster und da kein<br />
Trecker in der Nähe stand, konnte es<br />
auch kein Bauer sein. Auch als Arbeiter<br />
des Wasserwerks, wir befanden uns im<br />
Trinkwasserschutzgebiet, ging er nicht<br />
durch. So konnte ich also angstfrei ant-<br />
worten, dass ich erst ein paar Reiher,<br />
zwei Bussarde und einen Turmfalken<br />
gesichtet hätte.<br />
„Oh, du kennst dich ja schon gut<br />
aus! Schau mal da – eine Misteldrossel!“<br />
Mit einer schwindelerregenden<br />
Handbewegung, die sowohl das Fernglas<br />
vor die Augen hob als auch die<br />
dicke Brille nach oben vor die Stirn<br />
schob und gleichzeitig Schreibgerät und<br />
Heft zwischen Ring- und Mittelfinger<br />
beziehungsweise Daumen und kleinem<br />
Finger balancierte, wurde mühelos die<br />
vorbei fliegende Drossel durch das<br />
Hensoldt 8 x 56 bestätigt.<br />
� Ein großartiger Naturliebhaber<br />
Wir kamen ins Gespräch an diesem<br />
kühlen, nach frischer Erde riechenden<br />
Vormittag im März 1968. Es stellte<br />
sich schnell heraus, dass die jungen<br />
Zwergschnäpper, die ich mühsam mit<br />
meinem „Was fliegt denn da?“ von<br />
1956 bestimmt hatte, allesamt „Weidenlaubsänger“,<br />
sie wurden damals die<br />
Zilpzalpe genannt, waren. Und von der<br />
Stunde an, lernte ich von diesem großartigen<br />
Naturliebhaber und liebenswerten<br />
Menschen. Ein paar Tage später staunte<br />
ich nicht schlecht, als ich den Mann in<br />
Grün jetzt mit gestreiften Hosenträgern<br />
und kariertem Hemd angetan, bei meinem<br />
ersten Besuch in der „Dachsburg“<br />
in der Rausinger Straße 45 unter einem<br />
riesigen Elchkopf mit Schaufelgeweih<br />
wiedersah. Das Zimmer schien aus der<br />
Zeit gefallen. Bücher überall, teilweise<br />
in einen Zustand, der den Besitzer als<br />
Vielleser oder besser Bücherarbeiter<br />
auswies. Kleine Glaskästen, die ausgestopfte<br />
Vögel enthielten, manche hielt<br />
der Draht nicht mehr auf den Ästchen<br />
bei anderen schaute das Stroh aus dem<br />
Bauch, überall Bilder an der Wand aus<br />
Jagd- und Tierzeitschriften ausgeschnitten<br />
mit handschriftlichen Hinweisen<br />
und Notizen (blauer Kugelschreiber)<br />
versehen. Ein Königreich des Wissens,<br />
ein Panoptikum für Naturfreunde. Voller<br />
Geheimnisse und Zauber schien es mir.<br />
So einen Erwachsenen hatte ich noch<br />
nicht erlebt!<br />
So fing das damals an. Eine Bekanntschaft,<br />
die schnell zur Freundschaft wurde,<br />
auch wenn uns fast 33 Jahre trennten.<br />
Jeder mag selbst ermessen, was es