2012_1 - Swissi
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Lisa Stadler<br />
ist Journalistin,<br />
Hörspiel- und Theaterautorin.<br />
Kolumne<br />
72 Sicherheit Sécurité Sicurezza <strong>2012</strong>_1<br />
Risiko Elternschaft<br />
«Es ist ein Risiko», sagte Fabia, die als erste meiner Freundinnen schwanger wurde.<br />
Das war es tatsächlich: Fabia war gerade erst zwanzig, hatte ein Semester studiert,<br />
und der Vater ihres Kindes war eine Ferienbekanntschaft.<br />
«Es ist ein Risiko», sagte auch Sylvie, als sie ein afrikanisches Kind adoptierte. Von dem<br />
Mädchen wusste sie nicht viel mehr, als dass es mit knapp zwei Jahren vor einer Kirche<br />
ausgesetzt worden war.<br />
«Es ist ein Risiko», sagt auch Barbara, meine vorerst letzte Freundin, die ein Kind erwartet.<br />
Sie ist 41 und nach einer In-vitro-Fertilisation mit Zwillingen schwanger.<br />
Der Anfang des Lebens ist immer ein Risiko. Manchmal offensichtlicher und manchmal<br />
weniger. Wie das Leben spielt, darauf haben wir wenig Einfluss. Natürlich können wir uns<br />
gegen Risiken absichern, mit medizinischen Tests, Versicherungen, Vorsorgelösungen oder<br />
einem soliden Beruf. Das tat Paola: Ihr erstes Kind bekam sie mit 29, das zweite mit 31. Sie<br />
hatte ein Studium, einige Jahre Berufserfahrung, einen sehr gut verdienenden Mann. Dazu<br />
war sie, wie sie selber einmal sagte, «überversichert».<br />
Und doch war Paola, ohne es zu ahnen, das grösste Risiko eingegangen. Nach einer unschönen<br />
Kampfscheidung stand sie alleine da. Ihren Beruf hatte sie zugunsten der Kinder und<br />
der Karriere ihres Mannes auf ein Minimum beschränkt, Versicherungen und Vorsorge lösten<br />
sich in Luft auf. Es dauerte mehrere Jahre, bis sie sich aufgerappelt und beruflich wie<br />
persönlich wieder Fuss gefasst hatte.<br />
Fabia, die mit Zwanzig bewusst das Risiko eingegangen war, Singlemutter ohne Beruf<br />
zu werden, kam vergleichsweise glimpflich davon. Sie zog ihr Studium eisern durch, eben<br />
so eisern arbeitete sie sich in der Firma, in der sie eine Anstellung fand, hoch. Heute ist<br />
sie diejenige von uns, die beruflich am besten reüssierte. Zudem ist sie glücklich liiert und<br />
Mutter eines sehr gelungenen jungen Mannes.<br />
Etwas härter traf es Sylvie, bei deren afrikanischer Tochter eine leichte Behinderung<br />
festgestellt wurde. Niemals jedoch habe ich Sylvie ihre Entscheidung bereuen hören: Sie<br />
und ihr Mann lieben das Kind über alles und wirken dabei nicht einmal so, wie wenn<br />
sie sich selber vernachlässigen würden. Ihre inzwischen 9-jährige Tochter hat gute Chancen,<br />
ein selbstständiges Leben führen zu können.<br />
Was ich aus all diesen Geschichten gelernt habe? Vielleicht etwas: Mutter- oder Vaterschaft<br />
geht nie ohne Kratzer ab. So oder so, allen Risikoabsicherungen zum Trotz. Nur ein Risiko<br />
sollte man auf alle Fälle vermeiden: alleine zu sein. Alle meine Freundinnen haben ihr<br />
soziales Netz gepflegt und konnten sich immer darauf verlassen. Eine Stunde Kinderhüten,<br />
ein paar aufmunternde Worte oder ein kleiner, finanzieller Zustupf – sie nahmen Hilfe<br />
an, und selbstverständlich halfen auch sie aus, wenn sie konnten. Eine wertvollere Absicherung<br />
gibt es nicht.<br />
Bald wird Barbara mit ihren Zwillingen niederkommen. Ein Risiko? Medizinisch bestimmt,<br />
menschlich – ich glaube es nicht. Was ich aber glaube: Wie auch immer ihr Leben spielt,<br />
sie wird es packen. Schliesslich ist sie nicht allein. W<br />
Die Kolumnisten sind bei der Wahl des Themas und dessen Bearbeitung frei. Der Inhalt widerspiegelt nicht zwingend die Haltung der <strong>Swissi</strong> AG.