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2012_1 - Swissi

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«Beide Seiten haben heute<br />

weniger Respekt voreinander»<br />

sind ihnen Fälle von ausrastenden Kunden bekannt?<br />

Ja, aus persönlichen Gesprächen. Beruflich bekannt sind<br />

sie mir aus qualitativen Interviews mit Verkaufspersonal<br />

und Mitarbeitenden von Callcenter. Diese zeigen, dass<br />

aggressive Kunden nicht selten sind.<br />

Nehmen Konflikte zwischen Kunden und Angestellten<br />

zu?<br />

Leider ja, und zwar in jedem Bereich, also nicht nur im<br />

Verkauf, sondern auch in der Verwaltung, an Schulen<br />

und Hochschulen. Kriminologische Studien belegen diesen<br />

Trend.<br />

was sind die Gründe dafür?<br />

Die Gründe liegen sowohl bei den Angestellten als auch<br />

bei den Kunden. Beide haben sich in den letzten Jahren<br />

verändert. Beide haben heute weniger Respekt voreinander<br />

als früher. Das Verkaufspersonal lässt sich heute<br />

nicht mehr alles bieten. Es kann Konflikte aber auch auslösen<br />

oder verstärken, vor allem, wenn es nicht oder<br />

nicht genügend geschult ist. Negative Gefühle entstehen<br />

auch bei schlechter Entlohnung. Zudem ist der<br />

Kunde beliebiger geworden, er ist austauschbar.<br />

Und die Kunden?<br />

Beliebig und austauschbar sind heute vermehrt auch die<br />

Anbieter. Generell liesse sich sagen: Die persönliche Beziehung<br />

zwischen Käufer und Verkäufer wird heute weniger<br />

gepflegt. Manche Kunden wiederum sind frustriert,<br />

weil sie der sozialen Norm, Markenprodukte zu<br />

konsumieren, finanziell nicht entsprechen können. Der<br />

gesellschaftliche Druck, zu konsumieren, ist enorm hoch.<br />

Können sie die soziale schicht dieser Kunden skizzieren?<br />

Es mag einem Klischee entsprechen, aber es ist so:<br />

Die meisten aggressiven Kunden sind männliche Jugendliche<br />

aus bildungsfernen Milieus, meist sind sie<br />

Singles mit Migrationshintergrund. Bei einem Konflikt<br />

fühlen sich einige dieser Kunden schnell in ihrer Ehre<br />

verletzt.<br />

was halten sie von baulichen Massnahmen?<br />

Studien haben gezeigt, dass eine offene Architektur<br />

aggressives Verhalten vermindert. Eine Person hinter<br />

einem Schalter aus dickem Glas provoziert eher zu verbaler<br />

Gewalt oder Gewalttaten. Wenn eine exponierte<br />

Person sich allerdings schützen möchte, würde ich ihr<br />

das zugestehen.<br />

würden sie sagen, dass unsere Gesellschaft generell<br />

gewalttätiger wird?<br />

Ja. Wenn man etwa an Computerspiele denkt: Sie erzeugen<br />

eindeutig eine erhöhte Toleranz gegenüber Gewalt.<br />

Mit dem Internet sinken die Hemmschwellen noch<br />

mehr. Was noch anzufügen ist: Die soziale Kontrolle ist<br />

schwächer als vor wenigen Jahrzehnten. Man fühlt sich<br />

weniger angehalten, sich einzumischen, denn man hat<br />

auch Angst, selber in eine gefährliche Situation verwickelt<br />

zu werden.<br />

welchen Anteil haben die Medien an dieser entwicklung?<br />

Sie sind wesentlich daran beteiligt, denn sie berichten<br />

heute vermehrt über Vorfälle, in denen Gewalt eine Rolle<br />

spielt. Die Globalisierung beschert uns zudem Informationsströme,<br />

in denen Bilder von Gewalt an der Tagesordnung<br />

stehen.<br />

Professor Christian Fichter ist Sozial- und Wirtschaftspsychologe.<br />

Er leitet die Abteilung für Forschung<br />

an der Kalaidos Fachhochschule in Zürich.<br />

Seine Schwerpunkte liegen im Bereich Behavioral<br />

Economics, Konsumpsychologie und Image.<br />

Sicherheit Sécurité Sicurezza <strong>2012</strong>_1<br />

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