evelyne binsack - ZwygArt
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gruen cover<br />
Der Brienzersee als Kulisse<br />
für ein aussergewöhnliches<br />
Fotoshooting: Bergsteigerin<br />
Evelyne Binsack posiert in<br />
ihrer Heimat Berner Oberland.<br />
„Es gibt<br />
viel Grünere<br />
als mich“<br />
Evelyne Binsack, 42, liebt die Natur und<br />
lernt von ihr immer wieder Demut. Aus<br />
Überzeugung gab die Bergführerin das<br />
Helifliegen auf. Und sie verrät: „Ich schlafe<br />
lieber im Zelt als im Fünfsternehotel.“<br />
Text: Christine Zwygart / Fotos: Nathan Beck / aich.ch<br />
<strong>evelyne</strong> <strong>binsack</strong><br />
18 19
gruen cover<br />
GRUEN: Ich engagiere Sie als<br />
Bergführerin für eine umweltschonende<br />
Tour. Wo führen Sie<br />
mich hin?<br />
Natürlich müsste ich zuerst wissen,<br />
wie es um Ihre Kondition<br />
und Erfahrung in den Bergen<br />
steht. Sicher würde ich für Sie<br />
eine Tour auswählen, bei der<br />
Ausgangs- und Endpunkt mit<br />
öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
erreichbar sind.<br />
Gibts speziell ökologische<br />
SAC-Hütten?<br />
Die Unterschiede sind gross.<br />
Nehmen wir zum Beispiel die<br />
Engelhornhütte oberhalb des<br />
Berner Reichenbachtals. Sie ist<br />
mit dem ÖV gut erschlossen und<br />
nach nur 90 Minuten leicht zu<br />
erreichen. Die Versorgung ist<br />
hier problemlos. Ganz anders die<br />
Finsteraarhornhütte – sie liegt im<br />
Niemandsland auf 3000 Metern<br />
über Meer. Der Aufstieg dauert<br />
mindestens einen Tag, also müssen<br />
Lebensmittel und Material<br />
mit dem Helikopter hinaufgeflogen<br />
werden.<br />
Der Permafrost schmilzt, die<br />
Gletscher werden kleiner, die<br />
Artenvielfalt geht zurück.<br />
Machen Sie sich Sorgen um<br />
unsere Berge?<br />
Bei meinem letzten Besuch in<br />
der Finsteraarhornhütte betrach-<br />
tete ich lange den Fieschergletscher.<br />
Ich erkannte in ihm das<br />
Gesicht einer alten Tibeterin,<br />
die mir zu sagen schien: «Ich<br />
bin jetzt langsam alt. Es wird<br />
Zeit, dass ich verschwinde, damit<br />
ich wieder frisch kommen<br />
kann.»<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Der Mensch ist mitverantwortlich<br />
für die Umweltprobleme.<br />
Trotzdem denke ich, dass sich<br />
da eine gewisse Normalität abspielt.<br />
Die Welt wird wegen uns<br />
nicht untergehen – ich habe ein<br />
Urvertrauen in die Natur.<br />
Bei Ihrer Expedition Antarctica<br />
reisten Sie mit dem Fahrrad,<br />
zu Fuss, mit Ski und<br />
Schlitten von der Schweiz an<br />
den Südpol. Spürten Sie da die<br />
Umweltbelastung auch?<br />
Zuvor lebte ich 22 Jahre in meiner<br />
eigenen kleinen Bergwelt.<br />
Als ich dann mit dem Velo startete,<br />
war ich schockiert, wie<br />
viele Lastwagen auf den Strassen<br />
unterwegs sind. Ich bekam<br />
sogar Asthma. Auf der Panamericana<br />
in Südamerika fuhr ich<br />
dann nur noch mit Mundschutz.<br />
Diese Erfahrung zwang mich,<br />
mir Gedanken über mein eigenes<br />
Tun zu machen.<br />
Haben Sie etwas geändert?<br />
Ja. Ich plane gerade, ein Haus<br />
zu bauen. Bei der Wahl des<br />
„Es war hart, mit dem Helifliegen<br />
aufzuhören. Aber<br />
ich fragte mich: Braucht es<br />
eine Binsack am Himmel?<br />
Die Antwort war: Nein.“<br />
Standortes achtete ich darauf,<br />
dass ich mit dem Velo einkaufen<br />
gehen kann. Und wenn mein<br />
Freund eine Pfanne abwäscht<br />
und dabei das Wasser laufen<br />
lässt, macht mich das fast wahnsinnig<br />
– ich habe erlebt, was es<br />
heisst, kaum Wasser zu haben.<br />
Ihr Arbeitsplatz sind die Berge.<br />
Macht Sie das automatisch zu<br />
einem Öko-Freak?<br />
Wenn ein Zürcher beschliesst,<br />
einen Sommer auf einer Alp zu<br />
verbringen, nennt er sich «Aussteiger».<br />
Für mich ist es normal,<br />
mich in den Bergen zu bewegen.<br />
Somit bin ich auch kein Öko-<br />
Freak – es gibt viel Grünere als<br />
mich. Immerhin war ich mal<br />
Helikopterpilotin. Diesen Job<br />
gab ich auf, weil ich ihn nicht<br />
mehr mit meinem Gewissen<br />
vereinbaren konnte.<br />
Sie fliegen nicht mehr?<br />
Nein. Ich arbeite als Bergführerin,<br />
schreibe Bücher und halte<br />
Vorträge. Helikopter zu fliegen,<br />
erlernte ich einst, damit ich einen<br />
Beruf habe, wenn ich mir<br />
ein Bein breche. Nach meiner<br />
Rückkehr aus der Antarktis<br />
fragte ich mich: Braucht es tatsächlich<br />
eine Binsack am Himmel?<br />
Nein! Also hörte ich auf.<br />
Ist Ihnen das schwergefallen?<br />
Ja, das war hart. Ich verbrachte<br />
20 Jahre meines Lebens mit der<br />
Fliegerei. Mich fasziniert die<br />
Aerodynamik, der ganz eigene<br />
Charakter jedes Helikopters,<br />
das Zusammenspiel in brenzligen<br />
Situationen zwischen<br />
Mensch und Maschine. Doch<br />
heute gebe ich mich damit zufrieden,<br />
dass ich am Ton erkenne,<br />
welches Helimodell gerade<br />
am Himmel vorbeizieht.<br />
Sie standen als erste Schweizerin<br />
auf dem Mount Everest.<br />
Wie schlimm ist es mit der<br />
Müllhalde auf dem höchsten<br />
Berg der Welt?<br />
Tatsache ist, dass an 350 Tagen<br />
im Jahr überhaupt niemand dort<br />
oben ist. Das Problem mit dem<br />
Abfall besteht längst nicht mehr.<br />
Auf der Nordseite wird der Müll<br />
im Basislager in einer betonierten<br />
Mulde nach der Expedition<br />
verbrannt – nicht wenn<br />
Menschen am Berg sind, weil<br />
der Rauch die Mutter Göttin erzürnt.<br />
Auf der Südseite werden<br />
1000 Dollar als Gebühr verlangt,<br />
die man erst zurückerhält,<br />
wenn man den Abfall am<br />
Schluss zurückbringt.<br />
In der Antarktis stellten Sie<br />
sich 1180 Kilometern Kälte<br />
und Eis. War da die Natur<br />
mehr Feind oder Freund?<br />
Die Natur dort ist phänomenal<br />
und brutal hart. Du weisst, hier<br />
bist du für zwei Tage, zwei Wochen<br />
oder höchstens zwei<br />
20 Alles über Evelyne www.<strong>binsack</strong>.ch Fototermin beim Grandhotel Giessbach www.giessbach.ch Der See www.brienzersee.ch<br />
Evelyne Binsack mags<br />
natürlich – und geniesst es,<br />
mal in eine andere Rolle<br />
zu schlüpfen als die der<br />
harten, zähen Frau am Berg.
gruen cover<br />
Ein Sommerabend am<br />
Brienzersee ist für Evelyne<br />
Binsack der Inbegriff<br />
von Feriengefühlen.<br />
Die Malediven reizen sie<br />
überhaupt nicht.<br />
„Der Wind in der Antarktis<br />
war mein Feind. Bis ich merkte:<br />
Er gehört dorthin, ich nicht.<br />
So lehrt mich die Natur immer<br />
wieder Demut.“<br />
22 23
gruen cover<br />
„Sparlampen haben eine schlechte Schwingung.<br />
Aber weil ich zwischen acht und halb neun<br />
ins Bett gehe, brauche ich die Lampen nicht viel.“<br />
Monate geduldet. Und dann<br />
musst du wieder abziehen. In<br />
den ersten fünf Tagen war<br />
die Natur mein Feind: minus<br />
20 Grad, Stürme mit 140 Stundenkilometern,<br />
brutalste Anstrengung.<br />
Doch ich lernte<br />
schnell, dass ich mit diesem<br />
Feindbild nicht weit komme.<br />
Der Wind gehört zur Antarktis –<br />
ich nicht. So lehrt mich die<br />
Natur immer wieder Demut.<br />
Reisen gehört zu Ihrem Beruf.<br />
Machen Sie Ferien zu Hause?<br />
Ich stieg in ein Flugzeug, um die<br />
Antarktis wieder zu verlassen.<br />
Das ist unentschuldbar. Wenn<br />
ich frei habe, bleibe ich in meiner<br />
Region. Klettern in Italien<br />
oder baden auf den Malediven –<br />
das käme mir heute nie in den<br />
Sinn.<br />
Ihre grösste Umweltsünde?<br />
Als Helikopterpilotin musste ich<br />
Gletscherlandungen üben. Dabei<br />
entstehen natürlich Dreck,<br />
Lärm und Abgas. Dafür verzichtete<br />
ich später konsequent<br />
auf touristische Flüge – die<br />
Gäste können Bergbahnen benutzen<br />
oder zu Fuss gehen.<br />
Wie ökobewusst ist Ihr Lebenspartner?<br />
Kaum – er ist Helikopterpilot!<br />
Gibt es deswegen manchmal<br />
Diskussionen daheim?<br />
Nein, ich bin nicht missionarisch<br />
veranlagt. Und er ist alt<br />
genug, um zu wissen, was er<br />
macht. Sandro besitzt ein Haus<br />
in Kanada, arbeitet in Frankreich<br />
und hat eine Freundin in<br />
der Schweiz – das tönt jetzt<br />
krass. Aber als Helipilot reist er<br />
halt der Arbeit nach.<br />
Wie warm ist es in Ihrer Wohnung?<br />
Etwa 18 Grad.<br />
Wie häufig benutzen Sie die<br />
Waschmaschine?<br />
Einmal pro Woche. Und einen<br />
Tumbler habe ich keinen.<br />
Löschen Sie das Licht beim<br />
Verlassen des Raums?<br />
Immer.<br />
Benutzen Sie noch Glühbirnen?<br />
Ja, weil Sparlampen eine<br />
schlechte Schwingung verbreiten.<br />
Das ist für den Körper nicht<br />
gesund. Aber zu meiner Verteidigung<br />
möchte ich anbringen,<br />
dass ich zwischen acht und halb<br />
neun Uhr abends ins Bett gehe.<br />
Also brauche ich die Lampen<br />
gar nicht so viel.<br />
Wie viele Elektrogeräte besitzen<br />
Sie?<br />
Einen Geschirrspüler, einen<br />
Mixer, einen Wassersieder,<br />
einen Computer und eine<br />
Waschmaschine, die ich mit<br />
dem Nachbarn teile. Den Radio<br />
brauche ich nie, und die Stereoanlage<br />
schalte ich höchstens<br />
mal für zwei, drei Stücke einer<br />
CD ein. Einen Fernseher besitze<br />
ich nicht – diesen Luxus<br />
geniesse ich, wenn ich zwischendurch<br />
mal in einem Hotelzimmer<br />
übernachte.<br />
Beziehen Sie Öko-Strom?<br />
Ich weiss nicht genau, was da<br />
aus meiner Steckdose kommt.<br />
So nahe an der Grimsel nehme<br />
ich jedoch an, dass der Strom<br />
aus Wasserkraft gewonnen<br />
wird. An dieser Stelle würde<br />
ich gern an die Politiker in Bern<br />
appellieren: Wir müssen Strom<br />
sparen! Und wir brauchen neue<br />
Gesetze, die beispielsweise verbieten,<br />
dass in der Nacht die<br />
Schaufenster beleuchtet werden.<br />
Und danach können wir<br />
über die Erhöhung der Staumauer<br />
an der Grimsel sprechen<br />
…<br />
Wie oft duschen Sie pro Tag?<br />
Jeden Tag einmal. Aber ich habe<br />
schon ein schlechtes Gewissen,<br />
wenn ich das Wasser mal ein<br />
bisschen länger laufen lasse, um<br />
mit dem Wasserstrahl meinen<br />
Nacken zu entspannen. Dafür<br />
bade ich nie. In meinem neuen<br />
Haus baue ich erst gar keine<br />
Badewanne ein. Und wenn wir<br />
Wasser sparen wollen, sollten<br />
wir endlich aufhören, die WC-<br />
Spülung mit Trinkwasser zu<br />
speisen.<br />
24 Hier ist sie gern www.innertkirchen.ch www.berneroberland.ch www.aacb.ch (Engelhornhütte) www.antarktis.ch<br />
Was ist für Sie die beste Öko-<br />
Idee?<br />
In der Antarktis habe ich meine<br />
Elektrogeräte mit Solarenergie<br />
versorgt – das faszinierte mich.<br />
Und der grösste Öko-Ärger?<br />
In Mexiko erlebte ich, dass sich<br />
viele Menschen den Mais nicht<br />
mehr leisten können, weil aus<br />
diesem Grundnahrungsmittel<br />
Bio-Brennstoff gemacht wird.<br />
Das ist eine absolute Frechheit.<br />
Da werde ich richtig hässig.<br />
Ihr Öko-Vorsatz?<br />
Die Erde ist ein genialer Planet,<br />
also ist es für mich selbstverständlich,<br />
dass ich ihm Sorge<br />
trage. Ich schlafe lieber in einem<br />
Zelt und höre dem Wind zu, statt<br />
in einem Fünfsternehotel zu<br />
übernachten. Diesen Weg gehe<br />
ich konsequent weiter.<br />
DER GRuEN-FOOtpRINt<br />
Wie ökologisch lebt Evelyne Binsack?<br />
Wohnraum 7<br />
Mobilität 7<br />
Wissen 10<br />
essen 7<br />
reisen 10<br />
komfort 2<br />
aktivität 5<br />
Überfluss 2<br />
Total Punkte: 50<br />
50 Punkte = Das ist doch ein guter Weg! Jetzt nur nichts<br />
mehr raufpacken. Apropos Öko-Strom: Bei den Bernischen<br />
Kraftwerken kann man die Art des Stroms wählen.<br />
www.bkw-fmb.ch<br />
Der GRUEN-Footprint wurde gemeinsam mit den Klimaschutz-Experten<br />
von Climatepartner entwickelt. Der Test soll für den Alltag sensibilisieren und<br />
Spass machen.<br />
Berechnen Sie Ihren eigenen Footprint auf den Seiten 26 und 27.<br />
1. Doppelseite: schwarzes Seidentaftkleid von MONICA, bei Annex; gelbe Perlenohrringe von BEATRICE ROSSI. 2. Doppelseite: weisses Tanktop von SANDRO; Jerseykleid in Fuchsia von MAX MARA, bei Entre Deux; Paschmina in Flieder, bei Annex.<br />
Die Reise durch Südamerika<br />
in die Antarktis hat Evelyne<br />
Binsack nachdenklich<br />
gemacht und noch mehr für<br />
die Natur sensibilisiert.