Kyphoplastie â ein minimal-invasives Verfahren ... - Klinikum Ansbach
Kyphoplastie â ein minimal-invasives Verfahren ... - Klinikum Ansbach
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Chirurg 2008 · 79:944–955<br />
DOI 10.1007/s00104-008-1520-z<br />
Online publiziert: 12. September 2008<br />
© Springer Medizin Verlag 2008<br />
Wirbelkörperfrakturen treten bei der<br />
Überschreitung <strong>ein</strong>er Frakturschwelle<br />
auf, d. h. die auf das Knochengewebe<br />
<strong>ein</strong>wirkende Kraft ist größer als die<br />
Festigkeit der entsprechenden Knochenstruktur.<br />
Gesundes Knochengewebe<br />
wird somit bei entsprechend<br />
großer Kraft<strong>ein</strong>wirkung brechen, wobei<br />
Frakturen auch bei inadäquat geringen<br />
Traumata (z. B. Aufstehen aus<br />
dem Bett) auftreten können, wenn<br />
die Knochenfestigkeit durch das Vorliegen<br />
<strong>ein</strong>er osteoporotischen Knochenstoffwechselstörung<br />
oder auf<br />
dem Boden <strong>ein</strong>es Malignoms (z. B.<br />
multiples Myeloms) gravierend geschwächt<br />
ist. Entsprechend erfordert<br />
die adäquate Versorgung von akuten<br />
oder älteren Wirbelkörperfrakturen<br />
bei <strong>ein</strong>er Osteoporose oder <strong>ein</strong>em<br />
Malignom zunächst <strong>ein</strong>e Beurteilung<br />
der Grunderkrankung, der Knochenstoffwechselsituation<br />
und damit der<br />
Knochenfestigkeit, um dann in <strong>ein</strong>em<br />
interdisziplinären Team <strong>ein</strong>en dem<br />
aktuellen Beschwerdebild und der<br />
Gesundheitssituation des Patienten<br />
angepassten Behandlungsablauf<br />
festzulegen, in dem die Behandlungsfacette<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> in das Gesamtbehandlungskonzept<br />
der zugrunde<br />
liegenden Erkrankung sinnvoll <strong>ein</strong>gebettet<br />
wird. Dadurch wird auch <strong>ein</strong>e<br />
individuell adäquate, der Grunder-<br />
944 | Der Chirurg 10 · 2008<br />
Leitthema<br />
C. Kasperk 1 · G. Nöldge 4 · P. Meeder 3 · P. Nawroth 2 · F.X. Huber 3<br />
1 Sektion Osteologie, Abteilung Innere Medizin I und Klinische Chemie,<br />
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg<br />
2 Abteilung für Innere Medizin I und Klinische Chemie,<br />
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg<br />
3 Sektion Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Chirurgische<br />
Universitätsklinik Heidelberg, Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg<br />
4 Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie,<br />
Universitätsklinikum Heidelberg<br />
<strong>Kyphoplastie</strong><br />
Minimal-<strong>invasives</strong> <strong>Verfahren</strong> zur Versorgung<br />
schmerzhafter Wirbelkörperfrakturen<br />
krankung des Patienten angepasste<br />
Nachsorge sichergestellt.<br />
Die hohe Prävalenz (6,4 Mio. Patienten<br />
mit Osteoporose und 5,1 Mio. Patienten<br />
mit osteoporotischen Wirbelbrüchen)<br />
der Osteoporose und die hohe Inzidenz<br />
(ca. 100.000/Jahr) osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen<br />
in Deutschland verdeutlicht<br />
[17, 13, 25], dass bei den von der<br />
Volkskrankheit Osteoporose betroffenen<br />
Patienten <strong>ein</strong>e besondere Verantwortung<br />
des betreuenden Ärzteteams besteht, hinsichtlich<br />
<strong>ein</strong>es zielgerichteten und volkswirtschaftlich<br />
vertretbaren Einsatzes der<br />
<strong>Kyphoplastie</strong>.<br />
Konsequenzen von<br />
Rückenschmerz, Osteoporose<br />
und Wirbelkörperfraktur<br />
Zehn bis zwanzig Prozent aller Erwachsenen<br />
in Deutschland haben schwergradige<br />
Rückenschmerzen mit hochgradiger<br />
funktioneller Be<strong>ein</strong>trächtigung [1]. Gravierende<br />
Rückenschmerzen haben zudem<br />
<strong>ein</strong> hohes Chronifizierungsrisiko [27]. Bei<br />
etwa 10% der Erwachsenen mit hochgradigen<br />
Rückenschmerzen sind Wirbelkörperfrakturen<br />
an der Entwicklung der Beschwerden<br />
beteiligt [37]. Wirbelkörperfrakturen<br />
verursachen in der Hälfte der<br />
Fälle zumindest in den ersten Wochen<br />
gravierende Rückenschmerzen [28], deren<br />
Abklärung häufig erst die osteoporotische<br />
Knochenfestigkeitsminderung mit Frakturfolge<br />
evident werden lässt. Aufgrund<br />
fehlender Kommunikation zwischen den<br />
häufig z. B. bei plötzlichen heftigen Rückenschmerzen<br />
durch <strong>ein</strong>en Wirbelbruch<br />
erstversorgenden Chirurgen und den den<br />
Patienten betreuenden Internisten bleiben<br />
viele osteoporoseassoziierte Wirbel- und<br />
Knochenbrüche diagnostisch und therapeutisch<br />
unterversorgt.<br />
Die osteoporotische oder pathologische<br />
Wirbelkörperfraktur erfordert<br />
daher <strong>ein</strong>e internistische Diagnostik<br />
und Therapie, um <strong>ein</strong>e gezielte medikamentöse<br />
Therapie frühestmöglich <strong>ein</strong>zuleiten<br />
und weitere Wirbelbrüche mittelfristig<br />
zu vermeiden, da z. B. die derzeit<br />
verfügbaren Therapeutika der Osteoporose<br />
etwa die Hälfte aller neuen Wirbelkörperfrakturen<br />
in <strong>ein</strong>em typischen<br />
3-jährigen Behandlungszeitraum verhindern<br />
[43, 2, 24, 16, 52, 3, 4].<br />
Das Vorliegen <strong>ein</strong>er oder mehrerer<br />
Wirbelkörperfrakturen prädisponiert<br />
für <strong>ein</strong>e weitere Höhenminderung bereits<br />
<strong>ein</strong>gebrochener Wirbelkörper und<br />
für weitere, neue Wirbelkörperfrakturen<br />
[47, 31, 66]. Eine bestehende Wirbelkörperfraktur<br />
ist mit <strong>ein</strong>em 3fach erhöhten<br />
Risiko für <strong>ein</strong>en weiteren Wirbelbruch in<br />
den nächsten Monaten verbunden, während<br />
das Vorliegen von mehr als 3 Wirbelbrüchen<br />
<strong>ein</strong> 35fach erhöhtes Risiko
edeutet, dass <strong>ein</strong> weiterer Wirbelbruch<br />
oder andere Frakturen auftreten [36, 30,<br />
69, 29, 70]. Auch der Schweregrad <strong>ein</strong>er<br />
Wirbelkörperfraktur korreliert mit dem<br />
Risiko weiterer neuer Wirbelkörperfrakturen<br />
[14, 12]. Insbesondere die 3 unmittelbar<br />
angrenzenden Wirbelkörper an <strong>ein</strong>en<br />
bereits <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
haben <strong>ein</strong> mindestens 8fach erhöhtes<br />
Risiko in den nächsten 12 Monaten auch<br />
zu brechen, während die übrigen Wirbelkörper<br />
dieser Wirbelsäule <strong>ein</strong> mindestens<br />
3fach erhöhtes Risiko haben in den nächsten<br />
Monaten zu brechen [48].<br />
Ein oder mehrere Wirbelbrüche prädisponieren<br />
aber nicht nur zu weiteren<br />
Wirbelbrüchen, sondern bedeuten auch<br />
<strong>ein</strong> mit der Zahl der vorliegenden Frakturen<br />
wachsendes Risiko für gravierende<br />
und die Mobilität <strong>ein</strong>schränkende Rückenschmerzen<br />
[15, 65, 8, 55, 9, 57], <strong>ein</strong>en<br />
dramatischen Verlust an Lebensqualität<br />
[6, 7] und <strong>ein</strong>e erhöhte Mortalität<br />
[72, 9, 54, 58]. Chronische Rückenschmerzen<br />
mit hochgradiger Einschränkung<br />
der Aktivitäten <strong>ein</strong>es normalen Alltags<br />
tragen wesentlich zur Einschränkung<br />
der Selbstversorgung älterer Osteoporosepatienten<br />
und damit zur Pflegebedürftigkeit<br />
bei [40]. Die schmerzbedingt <strong>ein</strong>geschränkte<br />
Mobilität bedeutet <strong>ein</strong>e gravierende<br />
Verschlechterung der Lebensqualität,<br />
fördert aber gleichzeitig auch <strong>ein</strong>en<br />
weiteren Knochenmasseverlust und reduziert<br />
die pharmakologische Wirksamkeit<br />
<strong>ein</strong>er Bisphosphonat- oder Parathormontherapie<br />
[74, 22, 67, 42]. Die Schmerztherapie<br />
bei osteoporotischen Wirbelkörperbrüchen<br />
ist daher <strong>ein</strong> unverzichtbarer<br />
und zentraler Bestandteil der symptomatischen<br />
Behandlung von Patienten mit <strong>ein</strong>er<br />
manifesten Osteoporose, was dazu<br />
führt, dass 90% aller Osteoporosepatienten<br />
mit Analgetika mit den bekannten<br />
Nebenwirkungen behandelt werden [25].<br />
Osteoporotische Wirbelkörper-<br />
frakturen trotz<br />
Osteoporosetherapie<br />
Die Festlegung der Behandlung <strong>ein</strong>er osteoporotischenKnochenfestigkeitsminderung<br />
mit Wirbelkörperfrakturfolge richtet<br />
sich zunächst nach der zugrunde liegenden<br />
internistischen Erkrankung: z. B.<br />
adäquate Nahrungsergänzung bei Kalzi-<br />
Zusammenfassung · Abstract<br />
Chirurg 2008 · 79:944–955 DOI 10.1007/s00104-008-1520-z<br />
© Springer Medizin Verlag 2008<br />
C. Kasperk · G. Nöldge · P. Meeder · P. Nawroth · F.X. Huber<br />
<strong>Kyphoplastie</strong>. Minimal-<strong>invasives</strong> <strong>Verfahren</strong><br />
zur Versorgung schmerzhafter Wirbelkörperfrakturen<br />
Zusammenfassung<br />
Schmerzhafte osteoporotische und pathologische<br />
Wirbelkörperfrakturen sind <strong>ein</strong>e häufige<br />
Ursache für akute oder chronische Rückenschmerzen<br />
mit gravierenden Konsequenzen<br />
hinsichtlich Immobilität, reduzierter<br />
Lebensqualität, erhöhter Morbidität<br />
und Mortalität und erhöhtem Folgefrakturrisiko.<br />
Auch die besten verfügbaren evidenzbasierten<br />
Therapeutika können das Risiko für<br />
das Auftreten von Wirbelkörperfrakturen nur<br />
um etwa 50% senken, weshalb schmerzhafte<br />
Wirbelkörperfrakturen nicht völlig zu verhindern<br />
sind. Die <strong>Kyphoplastie</strong> als <strong>minimal</strong><strong>invasives</strong><br />
osteoplastisches <strong>Verfahren</strong> ist <strong>ein</strong>e<br />
kausale Schmerztherapie bei schmerzhaften<br />
Wirbelbrüchen. Die Indikationsstellung für<br />
dieses <strong>Verfahren</strong> erfordert <strong>ein</strong>e interdisziplinäre<br />
Einzelfalldiskussion, um die technische<br />
Durchführbarkeit, die Sinnhaftigkeit der Indikation<br />
und die Einbettung der Durchführung<br />
dieses <strong>Verfahren</strong>s in das erforderliche multimodale<br />
Langzeittherapiekonzept sicherzustellen.<br />
Bei der <strong>Kyphoplastie</strong> wird durch die<br />
Verwendung <strong>ein</strong>es Ballonkatheters versucht,<br />
den schmerzhaft <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
intern zu stabilisieren und gleichzeitig<br />
auch soweit möglich aufzurichten, was bei<br />
akuten Wirbelkörperfrakturen eher gelingt.<br />
Kontrollierte prospektive Studien belegen,<br />
dass es bei schmerzhaften osteoporotischen<br />
Wirbelbrüchen nach <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong> in Ergänzung<br />
zu dem medikamentös-internistischen<br />
Therapiekonzept zu <strong>ein</strong>er langfristigen<br />
Schmerzreduktion, Reduktion des Medikamentenverbrauchs,<br />
größerer Mobilität und<br />
verbesserter Lebensqualität kommt.<br />
Schlüsselwörter<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> · Wirbelkörperfrakturen · Osteoporose<br />
· Rückenschmerzen · Metastasen<br />
Kyphoplasty. Method for <strong>minimal</strong>ly invasive treatment<br />
of painful vertebral fractures<br />
Abstract<br />
Painful osteoporotic and malignant vertebral<br />
fractures are frequent causes of chronic back<br />
pain with negative consequences regarding<br />
immobility, quality of life, morbidity, mortality,<br />
and fracture incidence. The best currently<br />
available evidence-based treatment reduces<br />
vertebral fracture risk but does not totally<br />
prevent follow-up fractures. Kyphoplasty is<br />
a causal treatment of pain by internal stabilization<br />
that prevents the ongoing pain of constant<br />
vertebral (micro-)fracture. The indication<br />
for this <strong>minimal</strong>ly invasive procedure requires<br />
interdisciplinary discussion of the individual<br />
case to guarantee technical feasibility,<br />
increase the likelihood that kyphoplasty<br />
will indeed reduce pain, and embed this pro-<br />
cedure in the individual patient’s long-term<br />
therapeutic concept or treatment of painful<br />
vertebral metastases. In addition to internal<br />
stabilization of painful vertebral fractures,<br />
kyphoplasty seeks to restore lost vertebral<br />
height, which appears promising in<br />
acute and painful vertebral fractures. Available<br />
controlled prospective studies demonstrate<br />
long-term patient benefits in terms of<br />
pain reduction, mobility, and improved quality<br />
of life.<br />
Keywords<br />
Kyphoplasty · Vertebral fracture · Back pain ·<br />
Osteoporosis · Metastases<br />
Der Chirurg 10 · 2008 |<br />
945
IL-1<br />
Kinine<br />
Substance P<br />
Acetylcholin<br />
CGrP<br />
um- und Vitamin-D-Mangel bedingtem<br />
sekundärem Hyperparathyreoidismus,<br />
adäquater Diät bei der Sprue, Therapie<br />
<strong>ein</strong>es Morbus Crohn oder <strong>ein</strong>er Pankreatitis<br />
bei Malassimilationssyndromen, operativer<br />
Entfernung <strong>ein</strong>es Nebenschilddrüsenadenoms<br />
bei primärem Hyperparathyreoidismus,<br />
Chemotherapie und Stammzelltransplantation<br />
beim multiplen Myelom<br />
oder Lymphom, Testosteronsubstitution<br />
beim männlichen Hypogonadismus,<br />
psychosomatische Therapie <strong>ein</strong>er Anorexie.<br />
In diesen Fällen ist nach sorgfältiger<br />
differenzialtherapeutischer Abwägung <strong>ein</strong>e<br />
gezielte osteotrope Therapie z. B. mit<br />
Bisphosphonaten oder Parathormon in<br />
Ergänzung zu der Osteoporosebasistherapie<br />
mit Kalzium- und Vitamin-D-Substitution<br />
schnellstmöglich zu initiieren.<br />
> Etwa 40% der neuen<br />
Wirbelkörperfrakturen<br />
können durch Pharmaka<br />
nicht verhindert werden<br />
Auch bei guter Compliance der Patienten<br />
gegenüber der Medikamenten<strong>ein</strong>nahme<br />
kommt es trotz des indizierten, richtig dosierten<br />
und längerfristigen Einsatzes dieser<br />
Pharmaka weiterhin zu Wirbelkörperfrakturen.<br />
Nach dem typischen 3-jährigen<br />
Behandlungszeitraum können im Vergleich<br />
zu <strong>ein</strong>er Kontrollgruppe 50–60% aller<br />
neuen osteoporotischen Wirbelkörper-<br />
PGE2<br />
ET-1<br />
TGFß<br />
• Irritation des Periostes durch<br />
Mikrofrakturen<br />
• Freisetzung von Schmerzmediatoren<br />
durch Malignomzellen<br />
a b<br />
Stabilisierung durch den Zement:<br />
• Prävention weiterer Sinterung =,, k<strong>ein</strong>e<br />
periostale Irritation'' mehr<br />
• Hitzekoagulation von<br />
Malignomzellen=Schmerzreduktion?<br />
Abb. 1 8 Hypothese zur Schmerzursache bei Wirbelkörperfrakturen. a Die Freisetzung von Schmerzmediatoren<br />
bei osteoporotischen oder pathologischen Wirbelkörperfrakturen wird durch die permanente<br />
Mikrofrakturierung des Knochengewebes bzw. durch Malignomzellen stimuliert. b Eine <strong>Kyphoplastie</strong><br />
stabilisiert den Sinterungsprozess sofort, was zur verminderten Freisetzung von Schmerzmediatoren<br />
führt. Die Wärmeentwicklung durch den erhärtenden PMMA-Kunststoff in <strong>ein</strong>er Osteolyse<br />
führt zur Hitzeschädigung der Malignomzellen und dadurch zu <strong>ein</strong>er verminderten Sekretion von<br />
Schmerzmediatoren<br />
946 | Der Chirurg 10 · 2008<br />
Leitthema<br />
frakturen mit den besten evidenzbasierten<br />
Pharmaka verhindert werden, was bedeutet,<br />
dass etwa 40% der neuen Wirbelkörperfrakturen<br />
mit den verfügbaren Substanzen<br />
nicht verhindert werden können<br />
[43, 2, 24, 16, 52, 3, 4]. Wirbelkörperfrakturen<br />
sind neben Hüft- und Radiusfrakturen<br />
die häufigste Manifestation <strong>ein</strong>es osteoporosebedingten<br />
Knochenbruchs [25],<br />
wobei 50% aller neuen Wirbelbrüche zumindest<br />
vorübergehend mit gravierenden<br />
Schmerzen <strong>ein</strong>hergehen [28].<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> – Konzept zur<br />
Behandlung des Schmerzes<br />
Bei der osteoporotischen Sinterungsfraktur<br />
<strong>ein</strong>es Wirbelkörpers handelt es<br />
sich nicht um <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>maliges kurzfristiges<br />
Ereignis, sondern um <strong>ein</strong>en über Wochen<br />
oder gar Monate dauernden Vorgang,<br />
bevor die Wirbelkörperhöhenminderung<br />
sistiert oder schließlich <strong>ein</strong>e<br />
Vertebra plana vorliegt. Ein solcher Vorgang<br />
kann durch permanente Mikrobewegungen<br />
Schmerzsensationen unterhalten,<br />
da das Periost und das Knochengewebe<br />
dicht von Schmerzfasern durchzogen<br />
werden [63, 41, 49], die durch <strong>ein</strong>en<br />
permanenten Sinterungsvorgang beständig<br />
irritiert werden (. Abb. 1). Die permanente<br />
Schmerzfaserreizung bei jeder<br />
Erschütterung des <strong>ein</strong>brechenden Wirbelkörpers<br />
sistiert erst dann, wenn sich<br />
der höhengeminderte Restwirbelkörper<br />
durch Frakturheilung stabilisiert oder der<br />
Zustand <strong>ein</strong>er Vertebra plana <strong>ein</strong>getreten<br />
ist. Im Zustand der Vertebra plana kann<br />
der Wirbelkörper selber nicht weiter <strong>ein</strong>brechen<br />
und daher auch k<strong>ein</strong>e Schmerzen<br />
mehr verursachen, wohl aber treten<br />
jetzt Fehlbelastungen des Bandscheiben-,<br />
Bänder- und Muskelapparates der Wirbelsäule<br />
auf mit meist schnell chronifizierenden<br />
Rückenschmerzen. Die frühe<br />
Stabilisierung <strong>ein</strong>es akut schmerzhaft <strong>ein</strong>brechenden<br />
Wirbelkörpers durch <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong><br />
kann als innovatives Konzept<br />
somit die völlige Zerstörung osteoporosebedingt<br />
sinternder Wirbelkörper und die<br />
langfristige Chronifizierung von Rückenschmerzen<br />
verhindern. Die <strong>Kyphoplastie</strong><br />
ist bei der schmerzhaften osteoporotischen<br />
Sinterungsfraktur also <strong>ein</strong>e Facette<br />
der Schmerztherapie.<br />
Das Prinzip der internen Stabilisierung<br />
<strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>brechenden Wirbelkörpers durch<br />
<strong>ein</strong> in situ aushärtendes Material im Rahmen<br />
<strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong> beruht auf dem<br />
sofortigen Sistieren des Sinterungsvorganges<br />
und der Schmerzfaserirritationen.<br />
Kasperk et al. zeigten, dass es für die sofortige<br />
lokale schmerzreduzierende Wirkung<br />
unerheblich ist, ob <strong>ein</strong> bei etwa 70°C<br />
durch exotherme Polymerisation aushärtender<br />
Kunststoff (Polymethylmetacrylat,<br />
PMMA) oder <strong>ein</strong> durch <strong>ein</strong>en Kristallisationsprozess<br />
bei Körpertemperatur aushärtender<br />
anorganischer Kalziumphosphatzement<br />
(CaP-Zement) beim Patienten<br />
verwendet wird; trotz der gänzlich<br />
unterschiedlichen physikochemischen<br />
Beschaffenheit haben beide Materialien<br />
den gleichen schmerzreduzierenden Effekt,<br />
sobald sie nach wenigen Minuten im<br />
<strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper ausgehärtet<br />
sind und der Patient am Tag nach der<br />
Operation wieder mobil ist [33]. Durch<br />
die <strong>Kyphoplastie</strong> wird also <strong>ein</strong> schmerzhafter<br />
Sinterungsvorgang <strong>ein</strong>es osteoporotischen<br />
Wirbelkörpers sofort aufgehalten<br />
und der <strong>ein</strong>brechende Wirbelkörper<br />
dauerhaft intern stabilisiert.<br />
Technisches Vorgehen<br />
bei der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
Für die Versorgung von schmerzhaften osteoporotischen,<br />
pathologischen oder traumatischen<br />
Wirbelkörperfrakturen steht
<strong>ein</strong> großes Arsenal an operativ-restaurativen<br />
und in den letzten 15 Jahren auch<br />
zunehmend die <strong>minimal</strong>-invasiven osteoplastischen<br />
<strong>Verfahren</strong> (Kypho- und Vertebroplastie)<br />
zur Verfügung (. Abb. 2).<br />
Während bei der <strong>Kyphoplastie</strong> durch das<br />
Einbringen <strong>ein</strong>es Ballonkatheters in den<br />
schmerzhaft <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
neben <strong>ein</strong>er Stabilisierung auch <strong>ein</strong>e<br />
Wiederaufrichtung akuter Wirbelkörperfrakturen<br />
angestrebt wird, verzichtet<br />
man bei der Vertebroplastie auf die<br />
Option <strong>ein</strong>er möglichen Wiederaufrichtung,<br />
erreicht aber auch <strong>ein</strong>e interne Stabilisierung<br />
und Schmerzreduzierung des<br />
schmerzhaft <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörpers.<br />
Die <strong>Kyphoplastie</strong> erfüllt daher eher<br />
das Ziel, <strong>ein</strong>e weitgehende Restauration<br />
von Form und Funktion des frakturierten<br />
Knochengewebes zu erlangen, als <strong>ein</strong>e<br />
Vertebroplastie. Daher wird im Folgenden<br />
vor allem Technik und Stellenwert der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
bei der Versorgung von Wirbelkörperfrakturen<br />
diskutiert.<br />
Für die Durchführung <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
ist die Bauchlagerung des Patienten<br />
auf Schulter- und Beckenkissen in lordosierter<br />
Haltung erforderlich (. Abb. 3).<br />
Durch diese Lagerung ist der dorsale Zugang<br />
zu den Wirbelkörpern der Brust-<br />
und Lendenwirbelsäule möglich und<br />
gleichzeitig kann in manchen Fällen bei<br />
frischen, wenige Tage alten Sinterungsfrakturen<br />
auch <strong>ein</strong>e gewisse Wiederaufrichtung<br />
der <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
erzielt werden [50]. Nur wenn <strong>ein</strong>e<br />
Intubationsnarkose durchgeführt wird,<br />
ist <strong>ein</strong>e vollständige Muskelrelaxation zu<br />
erzielen, die <strong>ein</strong>e lagerungsbedingte Wiederaufrichtung<br />
frischer Wirbelkörpersinterungen<br />
trotz der schmerzbedingt verspannten<br />
Wirbelsäulenstreckmuskulatur<br />
begünstigt. Allerdings sind bei frischen<br />
Wirbelkörperfrakturen nur etwa 10% <strong>ein</strong>er<br />
erzielten Wiederaufrichtung auf die<br />
Lagerung in Hyperlordose zurückführbar,<br />
während etwa 60% der erzielbaren Wiederaufrichtung<br />
bei frischen Wirbelkörperfrakturen<br />
nur durch den Einsatz <strong>ein</strong>es<br />
Ballonkatheters im Rahmen <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
erreicht werden [64].<br />
Eine andere Untersuchung über den relativen<br />
Beitrag von Patientenlagerung und<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> zu der erreichten Wiederaufrichtung<br />
der <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
wurde auch mit nicht validierten<br />
Abb. 2 8 Lagerung des Patienten zur <strong>Kyphoplastie</strong>. Bei der <strong>Kyphoplastie</strong> wird über <strong>ein</strong>e trans- oder<br />
extrapedikulär <strong>ein</strong>geführte Arbeitskanüle <strong>ein</strong> Ballonkatheter in den schmerzhaft <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
<strong>ein</strong>gebracht. Durch die Entfaltung des Ballons unter Druck mit <strong>ein</strong>er Kontrastflüssigkeit wird<br />
<strong>ein</strong> definiert großes Kavum in dem Wirbelkörper geschaffen und bei noch frischen Sinterungsfrakturen<br />
<strong>ein</strong>e Wiederaufrichtung erzielt. Nach Ablassen und Entfernen des Ballonkatheters wird <strong>ein</strong>e definierte<br />
Menge <strong>ein</strong>es PMMA-Kunststoffs oder CaP-Zements in das definiert große Kavum instilliert.<br />
Bei der Vertebroplastie wird auf die Verwendung <strong>ein</strong>es Ballonkatheters verzichtet und mit <strong>ein</strong>er langen<br />
Kanüle <strong>ein</strong> PMMA-Kunststoff mit hohem Druck transpedikulär in den <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
gespritzt<br />
radiologischen Messmethoden durchgeführt<br />
und beschreibt <strong>ein</strong>e Abnahme des<br />
Cobb-Winkels um 6,5±4,1°° intraoperativ<br />
durch die Lagerung im Röntgenbildwandler,<br />
während die Ballonfüllung den<br />
Cobb-Winkel um weitere 3,4° verringerte;<br />
postoperativ im Stehen nahm der Cobb-<br />
Winkel wieder um 3,1° zu, was auf <strong>ein</strong>e<br />
ungenügende Maximalfüllung der Ballonkatheter<br />
oder <strong>ein</strong>e ungenügende Auffüllung<br />
des geschaffenen Kavums mit dem<br />
Implantatmaterial hindeutet [71].<br />
> Hyperlordose und<br />
Intubationsnarkose<br />
bewirken <strong>ein</strong>e vollständige<br />
Muskelrelaxation und somit<br />
<strong>ein</strong> gewisse Aufrichtung<br />
<strong>ein</strong>gebrochener Wirbelkörper<br />
Die <strong>Kyphoplastie</strong> wird in der Regel in Intubationsnarkose<br />
des Patienten durchgeführt,<br />
was <strong>ein</strong>e vollständige Muskelrelaxation<br />
der Rückenstreckmuskulatur ermöglicht<br />
und damit die Möglichkeit <strong>ein</strong>er<br />
gewissen Wiederaufrichtung <strong>ein</strong>gebrochener<br />
Wirbelkörper durch die<br />
Bauchlagerung in Hyperlordose begünstigt.<br />
Bei der <strong>Kyphoplastie</strong> werden über<br />
zwei transpedikulär oder extrapedikulär<br />
unter fluoroskopischer Kontrolle in<br />
den <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper <strong>ein</strong>geführte<br />
Arbeitskanülen zwei Ballonkatheter<br />
<strong>ein</strong>gebracht, die dann mit <strong>ein</strong>er röntgendichten<br />
Kontrastflüssigkeit unter permanenter<br />
fluoroskopischer Kontrolle aufgeblasen<br />
werden [51]. Sobald die beiden<br />
Ballons die endostalen Grenzen des Wirbelkörpers<br />
berühren, werden die Ballons<br />
nicht weiter „aufgeblasen“. Durch dieses<br />
Vorgehen werden 3 Dinge erreicht:<br />
Der Chirurg 10 · 2008 |<br />
947
1. Bei <strong>ein</strong>er frischen Wirbelkörperfraktur<br />
ist <strong>ein</strong>e weitgehende Wiederherstellung<br />
der ursprünglichen Wirbelkörperhöhe<br />
möglich.<br />
2. Durch die mit dem Aufblasen des<br />
Ballons erfolgte Verdrängung der<br />
Spongiosa an das intravertebrale Endost<br />
rund um den Ballon wird gewissermaßen<br />
<strong>ein</strong>e Spongiosaplastik rund<br />
um den voll entfalteten Ballon geschaffen,<br />
die die Einheilung des PM-<br />
MA- oder CaP-Zement-Implantates<br />
verbessert.<br />
3. Es wurde <strong>ein</strong> volumetrisch exakt definiertes<br />
Kavum in dem schmerzhaft<br />
<strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
geschaffen (definiert durch den mit<br />
<strong>ein</strong>em exakten Volumen aufgeblasenen<br />
Ballon), das nun für die Aufnahme<br />
eben dieses exakten Volumens<br />
des noch viskösen Kunststoff- oder<br />
CaP-Zement-Materials zur Verfügung<br />
steht.<br />
Dann wird der Ballonkatheter abgelassen,<br />
wobei das geschaffene Kavum im<br />
Wirbelkörper mit dem durch den Ballon<br />
definierten Volumen erhalten bleibt,<br />
da durch die hyperlordosierte Position<br />
des Patienten in Bauchlage und durch die<br />
vollständige Muskelrelaxation durch die<br />
Intubationsnarkose k<strong>ein</strong>erlei Druck mehr<br />
948 | Der Chirurg 10 · 2008<br />
Leitthema<br />
auf dem <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper<br />
lastet. Nach Ablassen und Entfernung der<br />
Ballonkatheter aus dem <strong>ein</strong>gebrochenen<br />
Wirbelkörper erfolgt nun die Applikation<br />
<strong>ein</strong>es hochviskös-teigigen PMMA-Kunststoffs<br />
oder Kalziumphosphatzements in<br />
das vorbereitete Kavum, indem das exakt<br />
gleiche Volumen an Kunststoff- oder<br />
Kalziumphosphatzementmaterial gewählt<br />
wird, welches dem maximalen Volumen<br />
des zuvor aufgeblasenen Ballons<br />
entspricht. Die angestrebte „vermiforme<br />
Applikation“ des Materials in den vorbereiteten<br />
Hohlraum ist nur möglich, wenn<br />
das <strong>ein</strong>zubringende Material tatsächlich<br />
<strong>ein</strong>e teigige, hochvisköse Konsistenz besitzt.<br />
Die häufigen ungewollten Zementaustritte<br />
aus den Wirbelkörpern sind fast<br />
immer die Folge <strong>ein</strong>er zu frühen Applikation<br />
des noch nicht teigig gewordenen<br />
Materials in den Wirbelkörper.<br />
Komplikationen<br />
Die häufigste Komplikation bei der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
ist der ungewollte Zementaustritt<br />
aus den behandelten Wirbelkörpern<br />
(. Abb. 4). In den meisten Fällen bleiben<br />
diese Zementaustritte klinisch asymptomatisch.<br />
Wegen der weniger exakt definierbaren<br />
PMMA-Kunststoff-Applikation<br />
bei der Vertebroplastie werden ungewoll-<br />
Abb. 3 9 Für die Durchführung<br />
<strong>ein</strong>er Kypho- oder<br />
Vertebroplastie ist die<br />
Bauchlagerung des Patienten<br />
auf dem OP-Tisch erforderlich.<br />
Durch die Hyperlordosierung<br />
und die<br />
vollständige Muskelrelaxation<br />
bei der Intubationsnarkose<br />
wird bei frischen Wirbelsinterungen<br />
<strong>ein</strong>e gewisse<br />
Wiederaufrichtung<br />
des <strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörpers<br />
erzielt<br />
te Zementaustritte bei der Vertebroplastie<br />
wesentlich häufiger beobachtet als bei<br />
der <strong>Kyphoplastie</strong>. In 50–90% der durchgeführten<br />
Vertebroplastien und bei etwa 5–<br />
20% der <strong>Kyphoplastie</strong>n werden derartige<br />
klinisch asymptomatische Zementaustritte<br />
beobachtet [68]. Da es k<strong>ein</strong>e publizierten<br />
Ergebnisse hinsichtlich systematischer<br />
Nachuntersuchungen der Lunge<br />
nach Vertebro- oder <strong>Kyphoplastie</strong>n gibt,<br />
ist unklar, wie häufig klinisch ebenfalls<br />
asymptomatische Lungenembolien nach<br />
der Durchführung dieser <strong>Verfahren</strong> sind<br />
[26, 60, 10, 59, 11, 53].<br />
> Die häufigste Komplikation<br />
ist der ungewollte<br />
Zementaustritt aus den<br />
behandelten Wirbelkörpern<br />
Fehlpunktionen mit Verletzung neuronaler<br />
Strukturen sind möglich, treten<br />
aber bei der Durchführung oder unter der<br />
Überwachung des Vorgehens unter fluoroskopischer<br />
oder CT-Kontrolle durch<br />
<strong>ein</strong>en routinierten Operateur kaum auf.<br />
Bei der <strong>Kyphoplastie</strong> kommt es gelegentlich<br />
zum Platzen des Ballons, wenn große<br />
Drücke im Ballon angewendet werden,<br />
um <strong>ein</strong>e möglichst weitgehende Wiederherstellung<br />
der ursprünglichen Wirbelkörperhöhe<br />
zu erreichen. Ein mögliches
Abb. 4 7 Klinisch asymptomatischePMMA-Kunststoff-Fehllagen:<br />
a intraspinale<br />
und b laterale; c PM-<br />
MA-Kunststoff-Austritt<br />
durch zu frühes Entfernen<br />
des Zementapplikators und<br />
der Arbeitskanüle vor dem<br />
völligen Aushärten des<br />
Kunststoffs; d intraspinaler<br />
PMMA Austritt durch <strong>ein</strong>e<br />
perforierte Hinterkante bei<br />
<strong>ein</strong>er Osteolyse durch fehlendes<br />
Dünnschicht-CT vor<br />
<strong>Kyphoplastie</strong><br />
Platzen des Ballons ( Patienten mit schmerzhaften<br />
Wirbelkörperläsionen<br />
werden im <strong>Kyphoplastie</strong>-<br />
Kolloquium vorgestellt<br />
Das Heidelberger Konzept zur Durchführung<br />
der <strong>Kyphoplastie</strong> sieht vor, dass<br />
die Patienten mit <strong>ein</strong>er osteoporotischen<br />
Knochenstoffwechselstörung in der Sektion<br />
Osteologie, die Patienten mit <strong>ein</strong>em<br />
Malignom in der Sektion Myelom oder<br />
im Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen<br />
und die Patienten mit traumatischen<br />
Wirbelbrüchen in der Sektion<br />
Unfallchirurgie <strong>ein</strong>e evidenzbasierte diagnostische<br />
und medikamentös-therapeutische<br />
Empfehlung erhalten. Patienten mit<br />
schmerzhaften oder stabilitätsgefährdeten<br />
Wirbelkörperläsionen(-frakturen) werden<br />
gleichzeitig in dem interdisziplinär<br />
besetzten Expertenkreis vorgestellt und<br />
diskutiert, bevor konsensuell in jedem<br />
Einzellfall <strong>ein</strong> Gutachten erstellt wird,<br />
ob bei dem jeweiligen Patienten zu welchem<br />
Zeitpunkt <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong> technisch<br />
möglich und klinisch aussichtsreich<br />
ist, um das individuelle Beschwerdebild<br />
durchgreifend zu bessern (. Abb. 5).<br />
Das interdisziplinäre Heidelberger <strong>Kyphoplastie</strong>-Kolloquium<br />
setzt sich aus Unfallchirurgen/Orthopäden,<br />
Radiologen,<br />
Endokrinologen, Hämatoonkologen und<br />
Strahlentherapeuten zusammen. In Einzellfalldiskussionen<br />
wird das individuelle<br />
Beschwerde- und Krankheitsbild des Patienten<br />
vorgetragen und durch die Betrachtung<br />
der Röntgenbilder der Brust- und<br />
Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen, <strong>ein</strong>es ak-<br />
Der Chirurg 10 · 2008 |<br />
949
WK#+Schmerz<br />
<strong>Kyphoplastie</strong><br />
Ambulanzen der Sektionen Osteologie,<br />
Multiples Myelom, Unfallchirurgie,<br />
Nationales Zentrum für Tumorerkankungen<br />
Diagnose und EBM Therapie<br />
Schmerzbehandlung (WHO)<br />
Interdiszipl.<strong>Kyphoplastie</strong> Kolloquium:<br />
Endokrinologen/Hämatologen<br />
Traumatologen/Orthopäden<br />
Radiologen/Strahlentherapeuten<br />
Kommunikation<br />
Hausarzt/Patient<br />
Abb. 5 8 Heidelberger Konzept. Die ambulante Vorstellung der Patienten erfolgt in den Spezialambulanzen<br />
der jeweiligen Sektionen, in denen <strong>ein</strong>e aktualisierte Diagnostik und evidenzbasierte Therapie<br />
der Grunderkrankungen vorgenommen wird. Zusätzlich werden an die WHO-Empfehlung angelehnt<br />
Analgetika verordnet. Patienten mit schmerzhaften Wirbelkörperläsionen werden in dem<br />
interdisziplinären <strong>Kyphoplastie</strong>-Kolloquium diskutiert. Auf der Grundlage des klinischen Beschwerdebildes<br />
und der vorliegenden Röntgen-MRT- und CT-Befunde wird dann interdisziplinär festgelegt,<br />
ob <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong> technisch möglich ist und Aussicht besteht, das vorliegende Beschwerdebild<br />
des Patienten durchgreifend zu bessern. Diese Empfehlung wird dann dem Patienten und dem<br />
Hausarzt mitgeteilt, die dann entscheiden, ob der Patient sich zur Durchführung der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
wieder vorstellt<br />
tuellen MRT der Wirbelsäule und häufig<br />
zusätzlich auch durch die Analyse <strong>ein</strong>es<br />
aktuellen CT der Wirbelsäule die technische<br />
Durchführbarkeit <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
geprüft. Von zentraler Bedeutung<br />
für die erfolgreiche Indikationsstellung ist<br />
zudem die konsensuelle Beurteilung, inwiefern<br />
<strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong> als aussichtsreich<br />
<strong>ein</strong>zustufen ist, das individuell vorliegende<br />
Beschwerdebild des Patienten<br />
gravierend und nachhaltig zu verbessern.<br />
Auf der Basis von über 3900 Einzelfalldiskussionen<br />
im Heidelberger interdisziplinären<br />
<strong>Kyphoplastie</strong>-Kolloquium hat sich<br />
das folgende Indikationsspektrum für <strong>ein</strong>e<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> herauskristallisiert.<br />
F schmerzhafte osteoporotische Sinterungsfrakturen<br />
der BWS und LWS,<br />
F pathologische (durch Metastasen verursachte)<br />
schmerzhafte oder stabilitätsgefährdendeWirbelkörpersinterungen<br />
oder schmerzhafte Wirbelkörpermetastasen<br />
ohne Fraktur,<br />
F multiples Myelom mit Schmerzen der<br />
befallenen Wirbelkörper oder Stabilitätsgefährdung<br />
durch die Osteolyse,<br />
F stabilitätsgefährdende Wirbelkörperhämangiome.<br />
Bei traumatischen, schmerzhaften Wirbelkörperhöhenminderungen<br />
im Sinne<br />
von Grund- und Deckplatten<strong>ein</strong>brüchen<br />
der AO-Klassifikation A1.1 und A1.2 oh-<br />
950 | Der Chirurg 10 · 2008<br />
Leitthema<br />
ne das Vorliegen <strong>ein</strong>er Osteoporose oder<br />
Knochenerkrankung kann die Indikation<br />
für <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong> geprüft werden.<br />
Die Anwendung <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong> in <strong>ein</strong>er<br />
solchen Situation ist selten sinnvoll, da<br />
derartige Frakturen bei den häufig jüngeren<br />
Patienten mit <strong>ein</strong>er solchen Fraktur<br />
meistens zügig beschwerdefrei ausheilen.<br />
Günstigster Zeitpunkt<br />
für <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong><br />
Der günstigste Zeitpunkt für die Durchführung<br />
<strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong> ist abhängig<br />
von dem individuellen Beschwerdebild,<br />
der vorliegenden Grunderkrankung und<br />
der Behandlungssituation des Patienten.<br />
Besondere Bedeutung hat naturgemäß<br />
das individuelle Beschwerdebild unter<br />
der begonnenen konservativen und analgetischen<br />
Therapie und <strong>ein</strong>e röntgenologisch<br />
nachgewiesene relevante Progredienz<br />
<strong>ein</strong>er Wirbelkörperdeformität. Frische<br />
(1 Jahr alte) osteo-<br />
porotische schmerzhafte Sinterungsfrakturen<br />
sind erfolgreich durch <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong><br />
zu behandeln, solange die Hauptschmerzlokalisation<br />
mit dem röntgenologisch<br />
erkennbar gesinterten Wirbelkörper<br />
korrespondiert und die Schmerzsymptomatik<br />
sich durch die klinische Untersuchung<br />
(Stauchungsschmerz an der Frak-<br />
turlokalisation, Beklopfen der betreffenden<br />
Dornfortsätze, Rotationsschmerz<br />
an der Frakturstelle) auslösen oder verstärken<br />
lässt [61]. Da der klinische Beschwerdeverlauf<br />
bei <strong>ein</strong>er frischen Wirbelkörperfraktur<br />
in wenigen Tagen erkennen<br />
lässt, ob es zu <strong>ein</strong>er baldigen Beschwerdebesserung<br />
kommt, kann die definitive<br />
Entscheidung zur Durchführung<br />
<strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong> in den ersten 2–4 Wochen<br />
nach <strong>ein</strong>er Wirbelkörperfraktur getroffen<br />
werden. Eine frühzeitig durchgeführte<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> erlaubt bei frischen<br />
Wirbelfrakturen naturgemäß <strong>ein</strong>e bessere<br />
Wiederaufrichtung der <strong>ein</strong>gebrochenen<br />
Wirbelkörper, da es noch nicht zur vollständigen<br />
kallösen Verheilung an den<br />
Frakturlinien gekommen ist.<br />
Chronische Rückenschmerzen durch<br />
alte Wirbelkörperfrakturen können ebenfalls<br />
aussichtsreich mit <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
behandelt werden, wobei die Hauptbeschwerden<br />
tatsächlich von dem <strong>ein</strong>gebrochenen<br />
Wirbelkörper herrühren müssen<br />
und nicht überwiegend durch z. B.<br />
Bandscheiben- oder Wirbelsäulendegenerationen,<br />
aktivierte Spondylarthrosen,<br />
Osteochondrosen oder durch <strong>ein</strong>en Morbus<br />
Bastrup erklärbar sind [33, 19, 56]. Eine<br />
weitgehende Wiederaufrichtung von<br />
alten, chronisch schmerzhaften Wirbelkörperfrakturen<br />
kann von <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
nicht erwartet werden.<br />
Pathologische Wirbelkörperfrakturen<br />
und -metastasen mit<br />
Schmerzen oder Instabilität<br />
Pathologische Wirbelkörperfrakturen<br />
sind Wirbelbrüche in Folge des Vorliegens<br />
<strong>ein</strong>es Malignoms. In dieser in der<br />
Regel palliativen Situation ist es das Ziel,<br />
den malignombedingten Wirbelkörperschmerz<br />
oder die drohende Instabilität<br />
mit potenzieller Querschnittssymptomatik<br />
in der Restlebenszeit des Patienten zu<br />
verhindern. Sehr häufig liegt diese Situation<br />
z. B. bei dem generalisierten Befall<br />
auch der Wirbelsäule bei <strong>ein</strong>em multiplen<br />
Myelom vor.<br />
Bei pathologischen Wirbelkörperfrakturen<br />
oder Wirbelkörpermetastasen ist<br />
die Verwendung von CaP-Zementen generell<br />
kontraindiziert, nur <strong>ein</strong> PMMA-<br />
Kunststoff-Material sollte in die malignomzerstörten<br />
Wirbelkörper <strong>ein</strong>gebracht wer-
den. Prinzipielles Ziel bei der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
von malignombedingten Wirbelkörperzerstörungen<br />
ist die Schmerzreduktion<br />
und die Abwendung <strong>ein</strong>er stabilitätsgefährdenden<br />
Situation mit neurologischen<br />
Ausfällen. Die Gefahr von ungewollten<br />
Zementaustritten ist bei malignombedingten<br />
Wirbelbrüchen besonders<br />
groß. Daher bietet <strong>ein</strong> Dünnschicht-<br />
CT des betreffenden Wirbelkörpers vor<br />
<strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong> <strong>ein</strong>er solchen pathologischen<br />
Wirbelfraktur <strong>ein</strong>e zusätzliche<br />
Sicherheit, Perforationen der Hinterkanten<br />
oder der Pedikelstrukturen bzw. auch<br />
Weichteiltumoren mit Protrusionen in<br />
den Spinalkanal vorher zu erkennen, so<br />
dass dann im Einzelfall das Risiko <strong>ein</strong>er<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> gegenüber dem erwarteten<br />
Nutzen für den Patienten erneut zu diskutieren<br />
ist. Die spätere Bestrahlung des behandelten<br />
Wirbelkörpers oder <strong>ein</strong>e Chemotherapie<br />
bzw. Stammzelltransplantation<br />
sind k<strong>ein</strong>e Kontraindikationen für die<br />
kurzfristige Einbettung <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
in das multimodale Therapiekonzept<br />
bei pathologischen Wirbelbrüchen oder<br />
Wirbelmetastasen.<br />
Traumatische Wirbelkörperfrakturen<br />
ohne Vorliegen<br />
<strong>ein</strong>er Knochenerkrankung<br />
Frische traumatische Wirbelkörperfrakturen<br />
bei Patienten ohne <strong>ein</strong>e Knochenstoffwechselstörung<br />
(z. B. i. S. <strong>ein</strong>er Osteoporose<br />
oder durch <strong>ein</strong> Malignom) sind<br />
selten und nur dann zu kyphoplastieren,<br />
wenn tatsächlich gravierende Schmerzen<br />
im Bereich der Wirbelfraktur vorliegen<br />
und gleichzeitig <strong>ein</strong>e Wirbelkörperfraktur<br />
im Sinne <strong>ein</strong>er A1.1- oder A1.2-Fraktur<br />
entsprechend der AO-Klassifikation<br />
vorliegt. Hier kann der Schmerz sofort<br />
genommen und <strong>ein</strong>e Wiederaufrichtung<br />
durch <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong> erwartet werden.<br />
Die Ballonkyphoplastie erlaubt bei den seltenen<br />
A1.1- und A1.2-Frakturen die Schaffung<br />
<strong>ein</strong>es stabilen Kavums, in das der Zement<br />
<strong>ein</strong>gebracht wird, ohne dass andere<br />
als Druckkräfte auf die Implantatplombe<br />
<strong>ein</strong>wirken, dies ermöglicht dann auch die<br />
Verwendung <strong>ein</strong>es CaP-Zements.<br />
952 | Der Chirurg 10 · 2008<br />
Leitthema<br />
Kontraindikationen<br />
Die Anwendungsmöglichkeiten der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
erfahren <strong>ein</strong>e große Zahl von<br />
Einschränkungen, die im Folgenden als<br />
Kontraindikationen zusammengestellt<br />
sind.<br />
F lokale oder systemische Infektionen<br />
(Spondylitis, Osteomyelitis, Hautinfektionen<br />
am Zugangsort, Sepsis),<br />
F Gerinnungsstörungen (<strong>ein</strong>schließlich<br />
Thrombozytenaggregationshemmer,<br />
Antikoagulantien),<br />
F stark reduzierter Allgem<strong>ein</strong>zustand<br />
mit fehlender Narkosefähigkeit,<br />
F schmerzlose Kyphose der Wirbelsäule<br />
bei stabilen, alten Sinterungsfrakturen,<br />
F hochgradige degenerative Veränderungen<br />
der Wirbelsäule z. B. mit ankylosierenden<br />
Spondylophyten, Vertebra<br />
plana und <strong>ein</strong>er Vielzahl an<br />
sonstigen Schmerzursachen (z. B.<br />
Spondylarthrosen, Osteochondrosen,<br />
Morbus Bastrup, Bandscheiben-<br />
prolaps),<br />
F <strong>Kyphoplastie</strong> von Halswirbeln,<br />
F Hinterkanteninstabilität; in den Spinalkanal<br />
<strong>ein</strong>brechender Weichteiltumor<br />
oder Osteolyse mit Einbruch<br />
in den Spinalkanal,<br />
F Hauptschmerzlokalisation und Wirbelkörperfraktur<br />
nicht identisch,<br />
F Wirbelkörperspalt- oder Berstungsbrüche.<br />
Eigene Ergebnisse<br />
Als die <strong>Kyphoplastie</strong> als interdisziplinäres<br />
Konzept der Versorgung schmerzhafter<br />
Wirbelkörperfrakturen zwischen den<br />
Sektionen Osteologie und Unfall- und<br />
Wiederherstellungschirurgie und der radiologischen<br />
Abteilung des Universitätsklinikums<br />
Heidelberg im Jahre 2001 etabliert<br />
wurde, bestanden zu diesem Zeitpunkt<br />
k<strong>ein</strong>e klinischen Erfahrungen oder<br />
kontrollierte Studien über die Ergebnisse<br />
dieses <strong>Verfahren</strong>s. Bis Juni 2008 hat sich<br />
auf der Basis von über 3900 Einzelfalldiskussionen<br />
im Heidelberger <strong>Kyphoplastie</strong>-<br />
Kolloquium die Interdisziplinarität als <strong>ein</strong>e<br />
entscheidende Voraussetzung für die<br />
zielgerichtete und erfolgreiche Indikationsstellung<br />
der <strong>Kyphoplastie</strong> erwiesen,<br />
da k<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>zelne Fachdisziplin das aktu-<br />
elle Beschwerdebild des jeweiligen Patienten,<br />
den aktuellen Behandlungsstand<br />
und gleichzeitig sämtliche möglichen Behandlungsoptionen<br />
der anderen Fachdisziplinen<br />
übersieht (www.kyphoplastie.de).<br />
> Interdisziplinarität<br />
ist Voraussetzung<br />
für die erfolgreiche<br />
Indikationsstellung<br />
Die Kenntnis des klinischen Allgem<strong>ein</strong>-<br />
und Krankheitszustandes des Patienten,<br />
des klinischen Beschwerdeverlaufs und<br />
die Einbettung des <strong>minimal</strong>-invasiven<br />
Eingriffs an der Wirbelsäule in das multimodale<br />
Therapiekonzept bei osteoporotischen<br />
oder pathologischen Wirbelkörperbrüchen<br />
sind unabdingbare Voraussetzungen<br />
für die erfolgreiche Anwendung<br />
der <strong>Kyphoplastie</strong> und nur durch<br />
die Indikationsstellung von <strong>ein</strong>em interdisziplinären<br />
Ärzteteam zu gewährleisten.<br />
Primär aussichtslose <strong>Kyphoplastie</strong>n<br />
(Beschwerden nicht von der Wirbelfraktur<br />
verursacht), <strong>Kyphoplastie</strong>n mit <strong>ein</strong>em<br />
inadäquat hohen Komplikationsrisiko<br />
(i. S. von neurologischen Ausfälle, Querschnittssymptomatik,<br />
letale Lungenembolien<br />
durch ungewollte Austritte des Implantatmaterials)<br />
und überflüssige <strong>Kyphoplastie</strong>n<br />
(schmerzfreie, stabile Wirbelkörperfraktur<br />
– „Therapie <strong>ein</strong>es Röntgenbefundes“)<br />
werden so vermieden.<br />
Entsprechend wurden in dem Zeitraum<br />
von Dezember 2001 bis Juni 2008<br />
auf der Grundlage der interdisziplinären<br />
Diskussionen im Heidelberger <strong>Kyphoplastie</strong>-Kolloquium<br />
von den besprochenen<br />
3901 Patienten nur 15% (n=575 Patienten)<br />
tatsächlich kyphoplastiert, davon litten<br />
71% der Patienten unter den Folgen <strong>ein</strong>er<br />
Osteoporose, 13% hatten <strong>ein</strong> Malignom als<br />
Grunderkrankung und 16% <strong>ein</strong>e traumatische<br />
Wirbelkörperfraktur (. Abb. 6).<br />
Der Median aller Heidelberger <strong>Kyphoplastie</strong>patienten<br />
liegt bei 65 Jahren (17–<br />
97 Jahre; m:w =1:2), wobei durchschnittlich<br />
2,1 Wirbelkörper pro Patient kyphoplastiert<br />
wurden. Bei 451 Patienten wurde<br />
PMMA-Kunststoff verwendet, bei 124<br />
Patienten CaP-Zement. Es wurden insgesamt<br />
1191 schmerzhaft <strong>ein</strong>gebrochene Wirbelkörper<br />
behandelt, die zu 69% im thorakolumbalen<br />
Übergang (TH10–L3) lagen.
Die Erfahrungen des Heidelberger Teams<br />
sind in die Empfehlungen der beteiligten<br />
Fachgesellschaften <strong>ein</strong>geflossen [23].<br />
Studienergebnisse mit dem<br />
<strong>Kyphoplastie</strong>verfahren<br />
Eine große Zahl von Berichten über die<br />
Ergebnisse nach <strong>Kyphoplastie</strong> weisen darauf<br />
hin, dass dieses <strong>Verfahren</strong> in vielen Fällen<br />
zu <strong>ein</strong>er schnellen und nachhaltigen<br />
Schmerzreduktion bei schmerzhaften<br />
Wirbelkörperfrakturen beiträgt [18, 46,<br />
39, 35]. Es wurden über 13 Fallserien zur<br />
Effektivität der <strong>Kyphoplastie</strong> veröffentlicht,<br />
wobei die Qualität dieser Publikationen<br />
als unzureichend zu bezeichnen ist.<br />
Auch aufgrund der Heterogenität der Studien<strong>ein</strong>-<br />
und -ausschlusskriterien und der<br />
beliebigen Festlegung von Auswertungskriterien<br />
sind verlässliche Metaanalysen<br />
dieser Fallserien nicht möglich [68]. Um<br />
zuverlässige Aussagen über die Behandlungsergebnisse<br />
<strong>ein</strong>es <strong>Verfahren</strong>s machen<br />
zu können, sollten insbesondere alle neuen<br />
<strong>Verfahren</strong> und Prozeduren den Kriterien<br />
der evidenzbasierten Medizin unterzogen<br />
werden [62].<br />
Bisher wurde nur die Heidelberger <strong>Kyphoplastie</strong>studie<br />
mit 12- und 36-Monats-<br />
Langzeitdaten publiziert [33, 34, 19, 20].<br />
In dieser kontrollierten, prospektiven,<br />
nicht randomisierten Studie wurden die<br />
Endpunkte Schmerz, Bewegung und Anschlussfrakturen<br />
bei chronisch schmerzhaften,<br />
über 12 Monate alten osteoporotischen<br />
Sinterungsfrakturen bei 60 Patienten<br />
(durchschnittliches Alter 69,2 Jahre;<br />
20 Kontrollpatienten, 40 Patienten erhielten<br />
zusätzlich <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong>) nach 6,<br />
12 und 36 Monaten untersucht. Alle Patienten<br />
erhielten <strong>ein</strong>e evidenzbasierte pharmakologische<br />
Therapie der Osteoporose<br />
mit 1000 mg Kalzium, 1000 IE Vitamin D<br />
und <strong>ein</strong> orales Standardaminobisphosphonat.<br />
Zu Studienbeginn bestanden k<strong>ein</strong>e<br />
signifikanten Unterschiede zwischen<br />
den Gruppen mit konservativer Therapie<br />
bzw. der Gruppe mit konservativer Therapie<br />
plus <strong>Kyphoplastie</strong> der schmerzhaften<br />
Wirbelkörper.<br />
E Nach 6, 12 und 36 Monaten<br />
war das Schmerzniveau in der<br />
<strong>Kyphoplastie</strong>gruppe signifikant<br />
niedriger als in der Kontrollgruppe.<br />
Abb. 6 7 Heidelberger<strong>Kyphoplastie</strong>-Patientenkollektiv.<br />
In dem<br />
Zeitraum Juni 2001<br />
bis Juni 2008 wurden<br />
3901 Patienten interdisziplinärbegutachtet.<br />
Bei 575 (15%) wurde<br />
die Indikation für <strong>ein</strong>e<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> gestellt<br />
und durchgeführt.<br />
71% der Patienten<br />
litten an <strong>ein</strong>er<br />
Osteoporose, 13% an<br />
den Folgen <strong>ein</strong>es Malignoms<br />
und 16% hatten<br />
<strong>ein</strong>e traumatische<br />
Wirbelkörperfraktur<br />
Osteoporose<br />
408 Patienten<br />
71%<br />
Der Aktivitätsscore zeigte in den ersten 6<br />
Monaten in der <strong>Kyphoplastie</strong>gruppe signifikant<br />
bessere Werte, während nach 12<br />
und 36 Monaten k<strong>ein</strong> signifikanter Unterschied<br />
mehr zwischen den beiden Gruppen<br />
bestand. Tendenziell bleibt der EVOS-<br />
Aktivitätsscore jedoch über dem Niveau<br />
der Kontrollgruppe. Innerhalb der ersten<br />
12 Monate war die Zahl der rückenschmerzassoziierten<br />
Hausarztbesuche in<br />
der <strong>Kyphoplastie</strong>gruppe signifikant niedriger<br />
als in der Kontrollgruppe. Neue<br />
Wirbelkörperfrakturen an der gesamten<br />
Wirbelsäule („vertebral fracture incidence“)<br />
wurden in der <strong>Kyphoplastie</strong>gruppe<br />
nach 12 und 36 Monaten bei 12,5% der<br />
operierten Patienten und in der Kontrollgruppe<br />
bei 50% der konservativ behandelten<br />
Patienten gefunden. Die Zahl der<br />
den operierten Wirbelkörpern (bzw. den<br />
in der Kontrollgruppe zunächst für die<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> vorgesehenen Wirbelkörperfrakturen)<br />
direkt benachbarten neuen<br />
Wirbelkörperfrakturen („adjacent vertebral<br />
fracture incidence“) war nicht signifikant<br />
unterschiedlich zwischen den beiden<br />
Gruppen. Der Höhengewinn der kyphoplastierten<br />
Wirbelkörper betrug direkt<br />
nach <strong>Kyphoplastie</strong> durchschnittlich 15,4%<br />
bezogen auf die präoperative Wirbelkörperhöhe,<br />
nach <strong>ein</strong>em Jahr noch 12,7% und<br />
nach 3 Jahren noch 9,3%. In der nicht ope-<br />
Malignom<br />
75 Patienten<br />
13%<br />
rierten Kontrollgruppe verloren die für <strong>ein</strong>e<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> zunächst vorgesehenen<br />
Wirbelkörper nach 12 Monaten weiter<br />
8,4% und nach 36 Monaten 16% der Ausgangswirbelkörperhöhe.<br />
Somit ergibt sich<br />
für alle Zeitpunkte postoperativ im Vergleich<br />
zu der Kontrollgruppe <strong>ein</strong> hochsignifikanter<br />
Gewinn an Wirbelkörperhöhe<br />
nach der <strong>Kyphoplastie</strong>.<br />
Die Ergebnisse dieser Heidelberger<br />
Studie werden durch andere kontrollierte<br />
Studien mit kl<strong>ein</strong>eren Patientenzahlen<br />
und über kürzere Zeiträume von <strong>ein</strong>igen<br />
Tagen bis 6 Monate nach <strong>Kyphoplastie</strong> bestätigt<br />
[38, 73]. Eine bisher nur als Abstract<br />
veröffentlichte randomisierte, kontrollierte<br />
prospektive Studie zur Wirkung der <strong>Kyphoplastie</strong><br />
auf akute osteoporotische Wirbelkörperfrakturen<br />
12 Monate nach <strong>ein</strong>er<br />
<strong>Kyphoplastie</strong> bestätigt ebenfalls die Heidelberger<br />
Ergebnisse und zeigt, dass das<br />
Folgefrakturrisiko bei akuten Wirbelkörperfrakturen<br />
nach <strong>Kyphoplastie</strong> nicht unterschiedlich<br />
zur Kontrollgruppe ist [5].<br />
Bedeutung des Alters<br />
der Wirbelkörperfraktur<br />
für Schmerzreduktion<br />
und Wiederaufrichtung<br />
Trauma<br />
92 Patienten<br />
16%<br />
Schmerzhafte Wirbelkörperfrakturen<br />
können in jedem Alter der Fraktur aus-<br />
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sichtsreich kyphoplastiert werden, sofern<br />
der Schmerz von dem <strong>ein</strong>gebrochenen<br />
Wirbelkörper ausgeht. Auch <strong>ein</strong> Morbus<br />
Kümmel mit dem charakteristischen intravertebralen<br />
Vakuumphänomen in der<br />
schmerzhaft <strong>ein</strong>gebrochenen, alten Wirbelkörperfraktur<br />
ist <strong>ein</strong>e aussichtsreiche<br />
Indikation für <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong> [45]. Eine<br />
weitgehende Wiederaufrichtung dieser<br />
alten Wirbelfrakturen durch <strong>ein</strong>e <strong>Kyphoplastie</strong><br />
gelingt in der Regel nicht mehr.<br />
Wir konnten zeigen, dass <strong>ein</strong> Wirbelkörperödem<br />
in <strong>ein</strong>er MRT-Untersuchung<br />
k<strong>ein</strong>e Voraussetzung für <strong>ein</strong>e erfolgreiche<br />
(= schmerzlindernde) <strong>Kyphoplastie</strong><br />
ist. Ein MRT-Wirbelkörperödem<br />
ist <strong>ein</strong> Hinweis auf <strong>ein</strong>e aktuell ablaufende<br />
Wirbelkörperverformung(-sinterung),<br />
so dass im Rahmen <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
<strong>ein</strong>es Wirbelkörpers mit <strong>ein</strong>em Knochenmarksödem<br />
davon ausgegangen werden<br />
kann, dass eher <strong>ein</strong>e gewisse Wiederaufrichtung<br />
der ursprünglichen Wirbelhöhe<br />
erzielbar ist. 12 Monate nach <strong>ein</strong>er <strong>Kyphoplastie</strong><br />
von osteoporotisch <strong>ein</strong>gebrochenen,<br />
schmerzhaften Wirbelkörpern<br />
mit und ohne Ödem besteht k<strong>ein</strong> signifikanter<br />
Unterschied hinsichtlich der nachhaltig<br />
schmerzreduzierenden Wirkung.<br />
Allerdings zeigten die Wirbelkörper mit<br />
Ödem <strong>ein</strong>e bessere Wiederaufrichtung als<br />
Wirbelkörper ohne Ödem [34].<br />
Bedeutung des verwendeten<br />
Implantatmaterials<br />
Bei schmerzhaften, osteoporotischen Sinterungsfrakturen<br />
besteht prinzipiell die<br />
Möglichkeit den üblichen Polymethylmetacrylat<br />
(PMMA)-Kunststoff oder <strong>ein</strong>en<br />
Kalziumphosphatzement (CaP-Zement)<br />
im Rahmen der <strong>Kyphoplastie</strong> zu verwenden<br />
[21]. Der CaP-Zement ist prinzipiell<br />
durch Osteoklasten abbaubar. Inwiefern<br />
aber tatsächlich beim Patienten <strong>ein</strong> weitgehender<br />
Ersatz der <strong>ein</strong>gebrachten CaP-<br />
Zement-Plombe durch neues Knochengewebe<br />
im Laufe von Jahren oder Jahrzehnten<br />
erfolgt, ist unklar. Tierexperimentell<br />
beobachteten wir histomorphometrisch<br />
an Hunden 12 Monate nach Einbringung<br />
<strong>ein</strong>er CaP-Zement-Plombe, dass<br />
der CaP-Zement nicht vom Rand her resorbiert<br />
wird und dadurch im Laufe der<br />
Zeit k<strong>ein</strong> neuer „periimplantärer“ Hohlraum<br />
entsteht, sondern dass das CaP-Ze-<br />
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Leitthema<br />
ment-Material direkt (d. h. ohne Bindegewebslamelle)<br />
von neuem Knochengewebe<br />
umwachsen wird und schließlich Blutgefäße<br />
im Gefolge <strong>ein</strong>es „osteoklastären<br />
Bohrkopfes“ das CaP-Zement-Material<br />
vom Rande her penetrieren. Entlang dieser<br />
„Tunnel“ im CaP-Zement erfolgt dann<br />
<strong>ein</strong>e appositionelle Knochenanlagerung,<br />
so dass <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>em Haversschen System<br />
ähnliche Struktur entsteht [44]. Eine solche<br />
histologisch innige Integration <strong>ein</strong>er<br />
CaP-Zement-Plombe in das Knochengewebe<br />
erfordert allerdings <strong>ein</strong>e vollständige<br />
Ruhe im Implantatbett; damit das spröde<br />
CaP-Zement-Material, welches anfällig<br />
gegenüber verwindungsbelastungsbedingten<br />
Brüchen ist, tatsächlich ohne bindegewebige<br />
Einschneidung <strong>ein</strong>heilt.<br />
E Voraussetzung für die langfristig<br />
erfolgreiche Anwendung des<br />
CaP-Zements ist daher <strong>ein</strong>e<br />
verwindungsstabile Situation im<br />
<strong>ein</strong>gebrochenen Wirbelkörper,<br />
wie sie besonders bei älteren<br />
Wirbelkörperfrakturen vorliegt [21].<br />
Besonders bei jüngeren (
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